Bruckners „Siebente“ in EsDur —„mit denTuben“ Die einst soviel erörterte Formfrage der Brucknersdien Sinfonik, die noch bis vor kurzem den Musikästheten viel Kopf zerbrechen machte und der Verbreitung der Brucknersdien Werke im Wege stand, beginnt sich heute — wohl nicht zuletzt unter dem Einfluß der reichen und geistig weit vorgedrungenen Brucknerliteratur — immer mehr aufzulichten. Wenn man früher in gewissen Musikkreisen in dem formalen sinfonischen Schaffen des Mei sters von St. Florian Sdiwächen erblicken wollte, so hat sich heute doch die Ansicht durchgesetzt, daß der Brucknersche For maltypus wohl ein zwar persönlicher, aber durdi die besondere Art seiner geistig musikalischen Struktur in sich bedingter und damit in sich berechtigter Organismus ist, dessen Regeln man nur aufsuchen muß, um ihrer zwingenden Stärke inne zu werden. Ist doch auch heute schon die musikdramatische Sinfonik Richard Wag ners — nachdem uns die durch Liszt und Wagner verkörperte Epoche der musikali schen Hochromantik in historischer Blick weite vor uns steht — als eine planvolle und nach eigenen Gesetzen geordnete, keineswegs romantisch „ausschweifende“ (so meinten ja die Antiwagnerianer) Form gebung anerkannt. Ebenso steht es mit Bruckner, der uns auch sdion bald in historische Perspektive gerückt ist. Gerade in seiner siebenten Sinfonie, die uns Mörike als erstes Brucknersches Werk spendet, ist die Verwandtsdiaft mit Wag ner am deutlichsten ausgeprägt: rein musi kalisch und historisch. Sdion die äußeren, vor allem klanglichen Beziehungen ver binden diese Sinfonie mit Wagner, dessen Nibelungen-Ordiesterklang in den ganz charakteristisdien Mischungen damit in ein Werk der Sinfonik übernommen wurde. Und dann das Historische: „Einmal“ — so schrieb Bruckner an Mottl — „kam ich nach Hause und dadite mir, lange kann der Meister (Richard Wagner) unmöglich mehr leben, da fiel mir das Cis-Moll-Adagio ein. Am Schlüsse der Trauermusik gedenke an unser Ideal.“ So entstand diese wundervolle „Nänie auf Wagner“, ein Werk, das allein ge nügte, seinen Schöpfer unter die größten Genies aller Zeiten einzureihen. Wie Goethes „Epilog zu Schillers Glocke“ ist sie keine Totenklage, vielmehr ein Stüde Erinnerung, das ernst und gefaßt beginnt, dann in den Ton bewundernder Lobprei sung übergeht und sich bis zu dem Grad alles vergessenden Jubels steigert, um schließlich auszuklingen wie zu Anfang, ernst und feierlich — in der Zuversicht eines unerschütterlichen religiösen Glau bens. In den Tuben, den tiefsten und sonorsten Blechbläsern, erinnert Bruckner auch technisch-musikalisdi in dieser vor ahnenden, wundervollen Dichtung („Kom position“ wäre hier zu banal) an den Meister. Wagner schloß denn audi in dem nächsten Jahre im Palast Vendramin in Venedig die Augen für immer. Aber nicht nur in diesem zweiten Satz allein liegt die Größe der „Siebenten“ von Bruckner. Schon der erste Satz in seiner wunderbar strahlenden Exposition zeigt den Meister auf seiner Höhe. In dem herr lichen, durdi den weitgespannten Drei klang emporsteigenden Hauptthema, das zuerst in der tiefen, dann in der hohen Lage erscheint, weiter in den traumhaft schönen Seitengedanken und von da an in der glänzenden Entfaltung bis zu dem großartigen Orgelpunkt auf der Domi nante von H-Dur mit der schier erdrücken den Kette von Nonen- und Septimen klängen, wie überhaupt in der ganzen Durchführung beugt man sich vor Bruck ners Größe. Das gleiche gilt von dem Scherzo. Mit einem kecken Trompetenmotiv (dem „Hahnenschrei“) beginnt es, um dann mit ten in das treibende und sprossende Leben hineinzutollen. Nach der Klage um den „Großen Bayreuther“ begibt sich der Ton dichter wieder in fast leidenschaftlichem Uebersdiwange auf den derberen Erden bezirk seiner österreichischen Heimat zu rück. Und auch das Trio (die Pauke gibt immer noch ganz leise den Rhythmus des Scherzo an) singen die Streicher wohlig und behaglidi in ruhig fließender melodi scher Kantilene. — Ueber dieses Scherzo gab übrigens Bruckner selbst ein originel les, biographisches Detail zum besten: Irgend jemand rühmte das Trom benthema, worauf Bruckner meinte: „Gut is's schon, aber net von mir.“ Das Thema — erklärte er — stamme nämlich von einem Hahn, der neben seinem Haus „g’wohnt“ und das immer „g’sungen" habe. Und er erzählt äußerst betrübt die Entstehungsgeschidite dieses Themas. Er schrieb es auf und dann ging er zu den Leuten, denen der Hahn gehörte, um das musikalisdie Tier einmal in der Nähe zu besehen. Gerade an diesem Tage aber war der Hahn geschladitet und aufgegessen worden. Dieses Hahnenmotiv klingt gallig und entfaltet einen wahren Hexensabbat von genial ersonnenen, damals ungewöhnlichen Harmonien (sie haben übrigens heute