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L 8 «« «8 Ende. Der Schwerenöter r-L RZ. Kumoresk von Paul Bliß. -H (Nachdruck verbaten^)'. KZKSL! . 'S . SL> Waldburg ist ein hübsches kleines Städtchen in der Mark Brandenburg!. Die Häuser dort sind so zierlich, Kein und gemütlich, wie wohl kaum in einer anderen Stadt von dreitausend Seelen. Auf dem Marktplatz, Umsäumt von grünen Lindenbäumen, steht das Rat- Haus, und ganz verstellt unter uralten Kastanien und Wei-Luchen träumt das verwitterte, altersgraue Kirch lein. Der kleine Ort macht den Eindruck, alS sei er uoch gänzlich unberührt geblieben von der fortschrei tenden Kultur. ? , - . , , - t - - Doch nur auf-den ersten Blick hat malt diesen Ein druck; sieht man- genauer hin und versenkt sich mit etwas Lust, und Liebe in bas Leben und Treiben der guten Bürger von Waldburg, dann wird man bald eines besseren belehrt. und hat sich gründlich getäuscht. L N 2 - . ,4-., leis geworden; sie halte lyn in Hamburg besucht, aber ohne Ring kam sie zurück. Nur seltsam, daß solche Mädels immer wieder Glück haben! Die Männer wollen es gewiß nicht anders, wollen betrogen sein!" „Das ist Unsinn," polterte der junge Lehrer derb, „aber wer nur einmal einer so bösen, gehässigen Schwätzerin begegnet, wie sich hier eine im Hochzeits zuge befindet, der bekommt einen Schrecken vor den jungen Mädchen und Frauen, und denkt nicht wieder ans Verloben und Verheiraten." Käte warf dem Sprechenden einen boshaften Blick zu und blieb von nun an stumm. Eng aneindergeschmiegt betrat das Brautpaar die Kirche. Die Orgel erklang in feierlichem Vorspiel und ging langsam zu dem Choral „Befiehl du deine Wege" über. Damals, als Margot ihren ersten Verlobten frel- gab, glaubte sie ihrer Schwester ein Opfer zu bringen; denn trotzdem sie Waldenstein innerlich fremd blieb und in seiner Gegenwart nie aus Ler Befangenheit herauskam, meinte sie doch, ihn zu lieben, und sie gab ihn schweren Herzens frei. . Bald danach aber mußte sie einsehen, daß das, was sie für Liebe gehalten, ein wenig Schwärmerei, nichts weiter gewesen war. Und als Gronwald sie dann mit aller Zartheit, doch auch mit feurigem Ungestüm unkwarb, pochte ihr Herz bald die Antworh wenn er sie mit seinen strah lenden, blauen Augen so innig flehend ansah. Da erst begann sie zu fühlen, was Liebe ist. Daran aber dacht« sieffetzt nicht, war sie doch ganz erfüllt von dem Ernst und der Heiligkeit dieser Stunde. Dor dem Altar gab es noch einen kleinen Zwischenfall. > . ' Es war vorher verabredet worden, daß Käte der Braut, ihrer „lieben Freundin", das Bukett beim Wechseln der Ringe abnrhmen sollte. Als es so weit war, wußte der Lehrer durch ein geschicktes Manöver Eischen oorzuschieben; in ihre un schuldsvollen Hände legte Margot ihren Myrtenstrauß. Und Elschen machte ihre Sache gut. Sie paßte auf und reichte mit einem zierlichen Knix, als es so weitstvar, das Bukett zurück. Käte war wütend, aber zeigen durste sie es ja nicht. > s ' ? Der Priester sprach den Segen. Ein Sonnenstrahl umschwebte wie eine Glorie Las andächtig geneigte Blondköpschen,der jungen Braut. ,— ! - Wenn such das Müdere des Städtchens etn durch aus altmodisches ist, so hat doch die Einwohnerschaft, wenigstens die bessere Gesellschaft, ein durchaus mo dernes Aussehen. Da gibt es zum Beispiel einen „Aka demischen Klub", bestehend aus den studierten Leuten des OrteS, dort wird die Fahne der Kunst und Wissen schaft hochgehalten, und zwar so hoch, daß sie die äußerst anregenden und unterhaltenden „Abende" meist bis in den Hellen Morgen ausdehnen. Da gibt es ferner den mit Recht so beliebten „Frauenverein", in dem sich die sogenannten gebildeten Damen des Städt chens zusammenfinden, um über das Wohl der ärmeren Bevölkerung zu beraten und nebenbei auch zu erfahren, was im Ort Neues sich ereignet hat. — Da gibt eS ferner das stets so anregende „Vesekränzchen" der jungen Und noch jüngeren Damenwelt, in Lem man sich nach Kräften vergnügt und nach bekannten Vorbildern zu gefallen strebt. Dann gibt es einen Bürgerverein, drei Gesangvereine, vier Kegelklubs, drei Turnvereine, zwei Athletenklubs, drei Vereine für Vieh-, Fisch- und Vogel zucht und endlich sogar einen herein der Kahlköpfe". Man sieht als», daß «es Städtchen in keiner Beziehung hinter anderen pirückzustehen braucht, denn es bietet seinen Einwohnern alle», was gewöhnlich der Bildungs- mensch zur Nahrung des leiblichen und geistigen Woh les bedarf. An Las beschauliche Dasein dieser guten Leute fiel plötzlich di« Bombe einer Neuigkeit, die nahezu geeig net war, die Ruhe sämtlicher Einwohner zu stören; ein neuer Arzt beabsichtigte, im Städtchen sich nie- derzulasjen! Seit Menschengedenken war etwas Derartiges Nicht vorgekommen. Wozu auch so etwas? Alle Welt schlug di« Hände zusammen. Ein Arzt war vollständig genug gewesen, und gottlob, es gab wenig Kranke im Ort. Wozu nun also noch einen zweiten? Man stritt sich herum, was daraus werden sollte, und manches böse Wort über den neuen Dok tor wurde laut und noch dazu kam er aus Berlin, Ina« hatte ein geheimes Mißtrauen gegen alles, was tzus der Hauptstadt kam. >7 Plötzlich aber änderte sich Lie Situation. Irgend jeMand hatte der Frau Postmeisterin im geheimen Knvertraut, daß der Doktor ein bildschöner, unverhei- tüteter Mann fei, daß er ein bedeutendes Vermögen besäße, bei der Garde geLient habe und in dem Ruf Mvde, ein kleiner Schwerenöter zu sein. Das stimmte die gute Postmeisterin nachdenklich. Sie hatte eine heiratsfähige Tochter, und deshalb be schloß sie, von nun an für Len neuen Arzt Stimmung zu machen. Es geschah auch, und Mac so nachdrücklich, daß bereits in wenigen Tagen alle Welt von dem neuen Ankömmling nur in Tönen des höchsten Lobes sprach; eS gab eben noch mehrere heiratssiihige Töchter mit hoffnungsvollen Müttern in dem Städtchen; ganz im geheimen aber flüsterten die guten Leute sich zu: „Ha ben Sie denn auch schon gehört? Er soll ja ein arger Schwerenöter sein!" Ein Kopfnicken dazu, dann ein Lächeln und Augenzwinkern, und dann trug inan diese interessante Neuigkeit weiter, bis jeder im Orte wußte, was für ein ausgemachter Lebemann und Schwere nöter der junge Arzt sei. Endlich war der heißersehntc Tag da, an dem der Neuling seinen Einzug hielt. Man steckte die Köpfe zusammen, sprach dies und das — der eine war ent täuscht, der andere begeistert, interessiert aber waren sie alle. Doktor Fritz Schwallach war mit einem Tage der Löwe des Tages. Als er dies wahrnahm, mußte er heimlich lächeln; er tat aber nichts dagegen, sondern spielte den harmlosen Menschen, der von alledem nichts sah und hörte. Er machte seine Besuche bei den Hono ratioren und maßgebenden Leutchen Les Städtchens, wurde von allen Seiten mit offenen Armen empfanden Und bekam bald so viel Einladungen, daß er gar nicht mehr z«r Ausführung seiner zu erhoffenden Praxis « r-T« " « Zo ÄK « e: 28L-7Z--°?L