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Beilage zur Weitzeritz-Zeitung Donnerstag, am 24. November 1927 Nr. 273 93. Jahrgang - Das Reichskabinett will in den nächsten Tage, erneut zur Frage des Reichsehrenmals Stellung nehmen — Der Reichstag unterbricht seine Plenarberatungei am Freitag um einige Tage, um den AuHchüssen eine Bv schleuntgung ihrer Arbeiten zu ermöglichen. — Das mexikanische Parlament hat die Amtszeit del Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängert. — Der österreichische Gesandte in Moskau, Pohl, hat Abberufungsschreiben überreicht. — Zahlreicher Masernerkrankungen wegen mußte U Berlin-Zehlendorf eine Schule geschlossen werden. — In Kassel hat sich erneut ein schweres Straßenbahn, Unglück zugetragen. Dabei sind 14 Kinder zum Teil schwel verletzt worden. — Hinter der Saßnitzer Mole ist der Tourendampfei „Arkona" gekentert und gesunken. — Wegen Kindesmordes wurde vom Kattowitzei Schwurgericht ein 24 jähriger Arbeiter zum Tode verurteilt — Das Junkers-Flugzeug „D. 1230", das von Hort« (Azoren) nach Harbour Grace (Neufundland) gestartet war ist nach Horta zurllckgekehrt. — Nach 40 Zügen ist in Buenos Aires die 32 Schachrunde vertagt worden. Neichstags-Wirtschaftsdebatten Der AeItestenrat des Reichstags hat nunmchi den Arbeitsplan des Plenums für die nächsten Tag, fcstgclegt. Am heutigen Donnerstag und am Freita; kommen da» Gesetz über den endgültigen Reichswirt schastsrat, die Vorlage über die Krankenversicherunj der Seeleute und das Auslieserungsgesetz zur Verhand- lung. Dann erfahren die Plenarberatungen eine kurz, Unterbrechung bis Mittwoch kommender Woche. Jr der Zwischenzeit soll die Besoldungsvorlage von Ausschuß in erster Lesung verabschiedet werden, eben so soll der Wohnungsausschuß des Parlaments bst dahin die Beratung des Mieterfchutzgesetzes be enden, weil die Vorlage bereits in nächster Zeit da- Plenum beschäftigen muß. Beschleunigung ist deshall geboten, weil das alte Gesetz bereits am 31. Dezem- der abläuft. Am Donnerstag nächster Woche soll di, sozialdemokratische Interpellation übei die gegenwärtige Wirtschaftslage beantwortet werden Da außerdem auch die erste Lesung des Reichshaus Halts für 1928 noch vor Weihnachten vorgenomme» werden soll, sind für die nächsten Tage große Wirt fchaftsdebatten im Reichstag zu erwarten. Den Auftakt der Debatte über die deutsche Wirt schafts- und Finanzpolitik bildet die Beantwortun, der sozialistischen Interpellation durch den Reichs Wirtschaftsminister Dr. Curtius. Hierbei dürfte voi allem auch die letzte Rede des Reichsbankpräsidentei Dr. Schacht erörtert werden, die wegen ihrer schar fen Angriffe gegen die Finanzpolitik der Gemeinde, großes Aufsehen erregt und teilweise energische Gegen kundgebungen ausgelöst hat. Die Gegner des Reichs bankpräsidenten sind der Ansicht, daß die Finanzpolitik der Reichsbank der Wirtschaft zum Nachteil gereicht uni eine Verschlechterung der gegenwärtigen Konjunktiv auslösen mutz. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, das Dr. Schacht mit seinen Reden und Mahnungen zui Sparsamkeit im Auslande den Eindruck erweckt, als ol die Gemeinden durchweg schlimmste Mißwirtschaft trieben und die Wirtschaft sich mit Ausländsanleihe! übersättigt habe. Damit habe Dr. Schacht auch dü Gedankengänge des Reparationsagenten beeinflußt während er im anderen Falle den Reparationsagentei zu einer gerechteren Beurteilung der gegenwärtiger deutschen Wirtschaftslage habe veranlassen können! Dal hohe Maß der deutschen Verschuldung an das Auslani wird auch von diesen Kreisen zugegeben, doch wird bo tont, da-ß dabei nicht übersehen werden darf, das diese Kredite ja nicht in normalen Wirtschaftsjahre! ausgenommen seien, vielmehr zum Wiederausba, der deutschen Wirtschaft beigetragen hätten. Die web tere Entfaltung der deutschen Erzeugung auf indu striellem und landwirtschaftlichem Gebiet sei jedock geradezu eine Lebensfrage für Deutschland. Ihre Er- füllung erfordere Kapital, damit müsse dann allerdings sparsam gewirtschaftet werden; und das geschehe auch Wenn Gemeinden Sportplätze und anderes errtch tet hätten, erscheine das zwar überflüssig, sei es abei nicht, weil Deutschland heute keine Exerzierplätze meh, habe und deshalb ein um so größeres Interesse darar hätte, daß die Erhaltung seiner Volksgesundheit durck andere Maßnahmen gesichert werde. Das wichtigste Er fordernis für eine friedliche Aufwärtsentwicklung sei eine gesunde Arbeiterschaft. Daraus geht hervor, daß sich hier zwei scharf von einander getrennte Auf. sassungen gegenüberstehen und von einem Ausgleich noch nicht gesprochen werden kann. Was die gegen wärtige Wirtschaftslage betrifft, kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sic ernst ist. Die gleich- Aussassung vertritt übrigens auch der Ehrcnpräsideni des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Dr Sorge, der in einem soeben veröffentlichten Artikel die wirtschaftliche Lage Europas und insbesonderr Deutschlands als sehr ernst bezeichnet und den Völ- kerbund auffordcrt, durch Herstellung freundschaftlicher Beziehungen aus politischem Gebiet ein enges wirt schaftliches Zusammenarbeiten der einzelnen Länder zu ermöglichen. Eine ähnliche Sprache redet auch die letzte Bilanz des deutschen Außenhandels. Danach hat die Einfuhr im Oktober eine Zunahme um 70 Millionen Mark erfahren. Der Einfuhrüberschuß ist erfreulicher- weise in gleichem Maße nicht gestiegen, weil dir Aufwärtsbewegung im deutschen Ausfuhrhandel an- gehalten hat. Immerhin erfuhr der Einfuhrüberschuß auch so noch eine Steigerung um 42 Millionen M. aut 284 Millionen Mark! Sluck das ist noch betrüb lich. Das gleiche gilt von dem Rückschlag aus dem Arbeitsmarkt, der in erster Linie natür lich durch die Jahreszeit seine Erklärung findet. Dal überraschend hereingebrocheue Winterwetter hat land wirtschaftlichen Außenarbeiten und der Bautätigkeit ein Ende gemacht, überdies ist das Baugewerbe 1» gewünschten Umfange in Mitleidenschaft gezogen wor den. Die Beschäftigung in der Eisen- und Stahl industrie, im Maschinenbau und in der che mischen Industrie ist jedoch nach wie vor gut. EL besteht daher berechtigte Hoffnung, daß unsere Wirt schaft trotz aller Hemmungen gut durch den Wintei hindurchkommt und die Vollendung des deutschen Wie- deraufbaues keine Verzögerung erfährt. Einstellung des Zollkrieges. Einigung über die deutsch-polnischen Handelsvertrags- Verhandlungen .— Vereinbarung eines Holzabkommens — Beratungen im Reichskabinett. Die Vorbesprechungen zwischen dem Reichsmini ster des Auswärtigen Dr. Stresemann und dem Sonderbeauftragten der polnischen Regierung v. Ja ck owski über die Wiederaufnahme der deutsch-polni schen Handelsvertragsverhandlungen sind zu einem Ab schluß gekommen. Es ist im Laufe der Besprechungen eine Einigung über die Grundlinien erzielt worden, die für die nunmehr wieder anfzunehmenden Delega- tionsverhandlungen gelten sollen. Das Ziel der De legationsverhandlungen wird sein, so schnell wie mög lich zn einer Aufhebung der beiderseitigen wirtschaft lichen Kampsmatznahmen zu kommen und dabei gleich zeitig Vereinbarungen aus den Teilgebieten zu tref fen, die auf Grnnd der früheren Verhandlungen ab schlnßreif sind. Im Anschluß an den Abschluß der Vorbesprechun gen trat das Neichskabinett am Mittwoch zu einei Sitzung zusammen und beschäftigte sich mit der Er nennung der mit diesen Verhandlungen zu betrauen den Persönlichkeit. Den ersten Verhandlungen werde« dann Beratungen über einen endgültigen Handels- vertrag mit Polen folgen. Gleichzeitig mit der grund- ! sätzlichen Verständigung über die allgemeinen Wirt schaftsverhandlungen sind auch die Verhandlungen über ein Holzabkommen zum vorläufigen Abschluß gebracht worden. Deutschland wird an Polen ein Kontingenl für Schnittholz bewilligen; insoweit soll also dai gegenwärtige Einfuhrverbot für polnisches Schnittholz außer Kraft gesetzt werden. Polen wird zugestehen daß die Erhöhung des Einfuhrzolles für Rundholz gegenüber Deutschland nicht gilt. Außerdem solle» Einfuhrkontingente für einzelne deutsche Industrie« be willigt werden, so für Automobile, Fahrräder, Uhren Durch dieses Abkommen wird also schon ein Anfanj mit dem Abbau der beiderseitigen Kampfmaßnahmer gemacht. Für den formellen Abschluß dieser Verein barungen sind noch Besprechungen mit der polnischer Regierung in Warschau notwendig. Um eine rasch- Verständigung herbeizusühren, ist der deutsche Ge sandte in Warschau, Rauscher, noch am Mittwoch abenl nach der polnischen Hauptstadt zurückgekehrt. Es is- damit zu rechnen, daß das Abkommen noch in diesei Woche in Warschau unterzeichnet werden wird. Dei Inhalt wird dann alsbald bekanntgegeben werden. -» Reichsminister Schiele beim Reichspräsidenten. — Berlin, 24. Novbr. Reichspräsident v. Hin denburg empfing den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Schiele, zum Vortrag. Wie ver lautet, hat Reichsminister Schiele dem Reichspräsiden ten auch über die zwischen Dr. Stresemann und den polnischen Sondcrdelegierten getroffenen Vereinbar»« gen unterrichtet. * Ratifizierung eines deutsch-Polnischen Grenzabkommeus — Berlin, 24. Novbr. Im Auswärtigen Ami hat der Austausch der Ratifikationsurkunden zu den Abkommen zwischen Deutschland und Polen über di- Verbesserung und die Unterhaltung des Wasserlaufs der die deutsch-polnische Grenze bildenden Strecke des Drewenzslusfes stattgefunden. Das Abkomme« tritt am 7. Dezember in Kraft. Ministerpräsident Braun in Münch, n. Teilnahme an der Einweihungsfcier in der preußi schen Gesandtschaft. Der preußische Ministerpräsident Braun ist am heutigen Donnerstag in Begleitung des Staatssekre tärs Dr. Weismann in München eingetroffen unL wird in den Abendstunden an der Einweihungsfeie, der Räume der preußischen Gesandtschaft teilnehmen Bei dieser Gelegenheit wird Ministerpräsident Braun dem bayerischen Regierungschef Dr. Held seinen lange beabsichtigten Gegenbesuch abstatten. In politi schen Kreisen begrüßt man die persönliche Fühlung nahme der Kabinettsführer der beiden größten Länder, und das umsomehr, als gerade jetzt die Diskussion über die Beziehungen zwischen Reich und Ländern mi1 im Vordergrund steht. I * ! Zustimmung der Bayerische» Volkspartei zu den Ver einbarungen mit dem Zentrum. ! — München, 23. Novbr. Wie in Parlamentari schen Kreisen verlautet, beschäftigte sich die Landespar teileitung der Bayerischen Volkspartei in ihrer letz ten Sitzung, an der Ministerpräsident Held und sämt liche Parteiministcr teilnahmen, mit den Regensburger Abmachungen zwischen Bayerischer Volkspartet und ' Zentrum. Die Abmachungen wurden aebilliat. — Der Parteivorstand des Zentrums nimmt am Montag zu den Vereinbarungen Stellung. Wie verlautet, dürfte auch der Zentrumsparteivorstand den Abmachun gen zustimmen, und so die Wieder-Annäherung beider Parteien Wirklichkeit werden. Litwinow in Berlin. Vorbereitungen für die Genfer «brüstuugsdebatte. - Di« Delegationen der Machte. — AnSsPrache Litwinows mit Chamberlain? Die Vorbereitungen der Mächte für die Dezember tagung des Rates und den Zusammentritt der Ab- rüstungskommission am 30. November sind voll irr Gange. Der Führer der russischen Delegatton Lit winow hat in Begleitung des stellvertretenden Gene- ralstabschess der Roten Armee Lunartscharski Moskau verlassen, um sich nach Genf zu begeben. Di« Russen berührten auf dem Wege nach der Schweiz Berlin und unterbrachen hier ihre Reise um einig« Tage. Die vcutsche Delegation wird wie bisher von Graf Bernstorff geführt England ist durch Lord Cushendun, dem frühere« McNeill vertreten und Amerika durch seinen Ber ner Gesandten Wilson. Wie aus Washington gemel det wird, ist der amerikanische Delegierte angewiesen worden, nnr an den Beratungen des eigentliche« Ab rüstungsausschusses teilzunehmen; mit »er Kommission zur „Organisierung der Sicherheit" will Washington nichts zn tun haben! Den Vorsitz in der neuen Ta- gung des Abrüstungsausschusses führt wie bisher de» niederländische Gesandte in Paris, Loudon, de» Mitte der Woche eine längere Unterredung mit Bri«m» hatte. Die Tatsache, daß die Anwesenheit der russische» Delegation in Gens zeitlich mit der Anwesenheit Cham berlains zusammensallen kann, hat der Presse zu Mud maßungen über die Möglichkeit eines Zusammentreffens zwischen Ehambcrlain und Litwinow zur Erörterung der englisch-russischen Lage Veranlaß fung gegeben. Wie aus London gemeldet wird, ist man dort iv unterrichteten Kreisen der Ansicht, daß der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Rußland von de, britischen Regierung niemals als Dauerzustand gedacht war. Die Gründe, die zum Abbruch der Be ziehungen geführt hätten, seien jedoch so schwerwiegen der Natur, daß überzeugende Beweise für die Behe bung der Mißstände vorhanden sein müßten. E«glan» ist also einer neuen Erörterung seines Verhältnis ses zu Moskau nicht abgeneigt, scheint jedoch die Ein leitung von Verhandlungen mit Rußland von „Si cherheiten" für den erfolgversprechenden Verlauf de, Diskussion abhängig zu mache«. Es ist daher seh, wohl möglich, daß in Gens eine Aussprache zwischen Chamberlain und Litwinow zustandekommt. * Amerika gegen eine neue Flottenkonserenz. — Washington, 24. Novbr. Die aus London ge- meldeten Andeutungen, wonach Großbritannien de« Wunsch hege, daß eine neue Flottenabrüstungs-Kon- ferenz einberufen werde, werden hier mit geringe, Begeisterung ausgenommen. Sächsisches. Dresden. Der 22 Jah alte Schlosser Hellmuts Vater aus Johnsbach bei Glashütte wurde in der hie sigen Zentralherberge von Kriminalbeamten beim Ver- kaufevon Diebesgut betroffen und festgenommen Vater ist wiederholt wegen Einbruchsdiebstahls Vor besttaft. Ihm konnte von hier aus ein weiterer Ein bruch nachgewiesen werden, den er gemeinsam mit zwei Komplicen in der Nacht zum 16. November in einer Bäckerei in Johnsbach bei Glashütte verübt hat. Tal Diebesgut konnte dem Eigentümer wieder zurücker stattet werden. Tie beiden Mittäter sind noch flüchtig Dresden. Dem Vernehmen nach ist die Entschei dung über den Haftentlassungsanttag des Barons Ed gar von Bleichröder erst am Freitag zu erwarten Wie neuerdings bekannt wird, soll dem Dresdener Rechtsanwalt Tr. Roßner, der die Vorverhandlungen in der Ehescheidungssache Herschel geführt hatte, de, Zutritt zu Baron v. Bleichröder mit der Begründung verweigert worden sein, daß Tr. Roßner eventuell als Mitbeschuldigter in der Kindesentführungssache i« Frage komme. Seine Akten in dieser Angelegenheii wurden von der Dresdener Kriminalpolizei in sei nem Bureau beschlagnahmt. Zittau. Montag früh wurde au dem Wehr unter- halb der Olbersdorfer Brücke der 23 Jahre alte Kellne, Rudolf Grünwald tot aufgefunden. Tie Leich» wurde polizeilich beschlagnahmt. Es ist noch nicht fest- gestellt, ob ein Unglücksfall, ein Verbrechen oder Selbst mord vorliegt. Leipzig. Tas Gemeinsame Schöffengericht verur teilte wegen schwerer Rückfalldiebstähle dev Schlosser Friedrich Bachmann, der bereits wegen ver- suchten Totschlages eine 6jährige Zuchthausstrafe zn verbüßen hat, zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus, und den Klempner Friedrich Hetzel zu der gleichen Strafe Tie beiden Angeklagten hatten viele schwere Einbruchs diebstähle, teilweise mit Revolvern und Brecheisen be waffnet, ausgeführt. Loipztg. Vor dem Schöffengericht in Leipzig hatte» sich der Handlungsgehilfe Josef Voigt und seine Ehe- srau Marie in Altona wegen Rückfalldiebstahll zu verantworten. Tas Ehepaar batte gemeinsam ein«