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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 29. April 1961, 19.30 Uhr Sonntag, 30. April 1961, 19.30 Uhr 10. Philharmonisches Konzert DIRIGENT Prof. Heinz Bongartz SOLIST Gerhard Berge, Dresden Florent Schmitt 1870—1958 Die Tragödie der Salome op. 50 Vorspiel — Tanz der Perlen Die Erscheinungen auf dem Meer — Tanz der Blitze —’ Tanz des Schreckens Gian Carlo Menotti geb. iqii Konzert für Klavier und Orchester Allegro Lento Allegro PAUSE Peter Tschaikowski 1840 —1893 6. Sinfonie h-Moll op. 74 (Pathetique) Adagio-Allegro non troppo Allegro con grazia Allegro molto vivace Adagio lamentoso ZUR EINFÜHRUNG ERGE Florent Schmitt, der 1870 in Blamont (Meurth et Moselle) geboren ist, war in Paris Schüler von Jules Massenet und Gabriel Faure (des ,,französisch en Bruckners“). 1900 errang er den Pariser Rom-Preis mit seinem in Fachkreisen berühmt gewordenen Klavierquintett, 1909 wurde er Mitbegründer der Societe independance de musique (Gesellschaft der Unabhängi gen), 1921 bis 1924 Direktor des Konservatoriums von Lyon und lebt seitdem wieder in Paris. Er schrieb reine Orchesterwerke, Bühnenmusiken, Balletts, Klavier-, Violin- und andere Instrumentalkompositionen. Die ,, Tragödie der Salome“ (die Partitur ist Igor Stra winski gewidmet) ist Programm-, Ballett-, impressionistische Musik. Dem Werk liegt eine Dichtung von Robert d’Humieres, ähnlich der Wilde-Straussschen Salome zugrunde, mit ungefähr folgendem Inhalt. I. Einleitung: Von einer Terrasse des Palastes blickt man mit Herodes, Herodias und Salome auf das Tote Meer, im rosig-goldgelben Florizont ist die Sonne im Sinken. Tanz der Perlen: Fackeln beleuchten die Szene. Herodias, die Geliebte und Gemahlin des Herodes, spielt gierig mit den Fländen im Geschmeidekästchen, die Lichter der Fackeln lassen die Kostbarkeiten aus Gold und Edelsteinen funkeln und blitzen. Salome nähert sich fasziniert dem Kästchen und führt in kindlicher Freude ihren ersten Tanz auf. II. Meeres erscheinung: Finsternis umhüllt den wollüstig und zugleich ängstlich träumenden König Herodes, Herodias belauscht seinen Traum. Da bewegen sich auf dem Meere geheimnisvolle Lichter. Die Bauten der im Meere versunkenen Stadt Pentapolis tauchen auf, ihre Sünden werden wieder lebendig: Musik von teuflischer Fantasie, Bruchstücke von alten Trink liedern, gedämpfte Beckenschläge, kurze Tanztakte, irres Lachen ertönt und alles wird erdrosselt von Pech- und Ascheregen. Aus den Tiefen des Meeres erheben sich gequält Seufzer, Verzweiflung und vergebliche Hoffnung. Plötzlich erscheint die alte Erbsünde: Salome! Tanz der Blitze: Auf der Szene herrscht völlige Finsternis, die nur durch grelle Blitze erleuchtet wird. Salome tanzt einen unzüchtigen Tanz, die Liebesflucht vor Herodes hat ihr nach und nach alle Schleier entrissen, sie ist nackt. Da tritt Johannes (der Täufer) auf und bedeckt ihre Blöße mit seinem Einsiedlermantel. Wütend überliefert ihn Herodias dem Henker, er wird enthauptet. Die triumphierende Salome bemächtigt sich der Trophäe des abgeschlagenen Kopfes und versucht einen Tanzschritt mit der fürchterlichen Bürde — da ertönt eine überirdische Stimme aus der Tiefe, überall und nirgends erscheint auf der blutig roten Szene der schreckhafte, abgeschlagene Kopf des Johannes. Tanz des Schreckens: Salome tanzt unentwegt weiter, während ein Sturmwind über das Meer braust und donnert. Bäume werden ausgerissen, Steine der Zitadelle fliegen umher, die Burg speit Flammen und begraben die zusammensinkende Salome. Ganz im Gegensatz zu diesem Drama steht das Klavierkonzert in F-Dur von Gian Carlo Menotti. Es ist ein üblich dreisätziges Konzert. Wenn es nicht um Akkordgewalt oder um harmonische Begleitung einer Espressivo-Partie geht, überrascht im ersten Satz (Allegro) eine geradezu tokkatahafte Zweistimmigkeit, unterbrochen von einem spielerischen Allegretto. Die durchsichtige Klarheit des ersten Satzes setzt sich im gesangvollen Lento des zweiten Satzes fort, man wird der ungemein schwierigen technischen und rhythmischen Knifflich- keiten gar nicht gewahr. Wer Sinn für feinen Humor besitzt, wird erst recht im letzten Allegro-Satz beglückt sein, daß es in dieser problematischen Welt noch solche Werke von unbeschwerter Lebenslust gibt. Menotti wurde 1911 in Codegliano am italienischen Ufer des Luganer Sees geboren, besuchte das Konservatorium Mailand und ging 1928 in die USA, um am Curtis Institute of Music in Philadelphia zu studieren. Da seine großen Opern wenig Erfolg hatten, entschied er sich für kurze Opern mit womöglich nur einem einzigen Bühnenbild und mit Kammerorchester, die sowohl von Liebhaber- als auch von Berufsvereinigungen gespielt werden konnten. Die Kurzopern „The Medium“ und „The Telephone“ liefen sechs Monate lang mit wöchentlich acht Vorstellungen in einem New-Yorker Broadway-Theater — ein Erfolg, den noch keine in Amerika komponierte Oper zuvor errungen hatte. Diese, die weiteren und Fernsehopern begründeten Menottis Ruf als Komponist in Amerika und in Europa. Neben den Bühnen werken komponierte er auch Orchesterwerke, Violin- und Klavierkonzerte im Stil zwischen Wolf-Ferrari und Hindemith.