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Durch die Schule des Ledens. NomanvoySlse von Buchcholtz. .38. S,iUch»ig ) ' „Sagen Sie es mir, bitte," flehte sie förmlich. Um HornauS Lippen spielte ein triumphierendes - Lächeln. Er beglückwünschte sich dazu, daß er so klug gewesen war, das arme Mädchen zuvorkommend be handelt zu haben, nun würde das reiche keinen Ver- > sacht schöpfen. ! „Wie dürfte ich wohl jetzt wagen, das, was mir ! schon lange das Herz bewegt, auszusprechen, jetzt, wo Eie die Erbin, ich der Enterbte bin." ! Wieder überkam Dora das Schuldgefiihl. „Sprechen Eie es aus, bitte, was wünschen Sie?" drängte sie. Hornau senkte die Augen. Dora sah, -atz er sehr blatz geworden mar. ; „Ein junger, verwöhnter Mann in der anspruchs- ! vollsten gesellschaftlichen Stellung liebte einst ein Mäd- ! chen," sagte er leise. „Er hoffte, das Mädchen besitzen ! zu können, da kam das Schicksal und ritz beide ausein- > ander. Das Schicksal für einen vornehmen, vermögens- ! kosen Mann heißt aber oft „Geld". Fehlt das, so muß i Lie heißeste Liebe schweigen. > Aber es kam die Zeit, wo jener junger Mann 1 hoffte, von diesem Zwange befreit zu werden, wo er glaubte, in der Lage zu sein, der Angebeteten ein bc- öagliches Los an seiner Seite bieten zu können, um — ! jetzt einzmsehen, datz er in seinen berechtigten Erwar- ' Zungen betrogen wurde. Jetzt war sie die Reiche: um ! sie zu werben, wagte er nicht, denn den Schritt, zu Leni ihn das Herz txieb, hätte sie mißdeuten können. Er schwieg und sah mit heißen, erregten Blicken § auf Dora. Ja, sie war anmutig und liebenswürdig, j und — was er noch höher schätzte: elegant —, aber ! wenn sie auch häßlich rvie die Nacht gewesen wäre, er i hätte mit nicht größerer Spannung ihrer Antwort ent- ! äegengesehen. Seine Gläubiger drängten schon längst Wie vom Himmel gesandt war ihm, gerade in der Höch- ! sten Not, die Aussicht auf die Erbschaft erschienen, und ! nun —? Die Werbung war sehr übereilt, aber er ! konnte nicht warten. Wenn seine Gläubiger jetzt, nach- - -em ihm die fette Erbschaft entgangen war, nicht we nigstens durch diese Verlobung Aussicht auf Befriedi- « gnng ihrer Forderungen erhielten, war es mit seiner - militärischen Laufbahn vorbei.' Dora sah den Freier, der seine Sache so geschickt zu führen wußte, verächtlich an. „Ich habe Sie noch nicht recht verstanden," sagte sie endlich, „ich kann nicht glau- i Len, daß Sie so plötzlich Er unterbrach sie leidenschaftlich. „Nicht plötzlich! Immer und immer hat Ihr Bild vor meiner Seele gestanden. Ich habe mir selber gesagt, Sie werden nicht i an die Echtheit meiner Gefühle glauben, denn der Ge danke, ich könnte in Ihnen nicht das reizende ' Weib, sondern die vermögende Gutsherrin begehren, ^wird Sie mit Mißtrauen erfüllen. Nur eins könnte Sie anderen Sinnes machen, die Stimme in Ihrem Herzen, die Ihnen die Ueberzeugung gibt, datz meine Liebe echt und grenzenlos ist. Dora, geliebtes, gött licheö Mädchen, hat die Stimme nicht gesprochen?" Er ergriff ihre Hände und küßte sie inbrünstig Dora wandte sich hastig ab. „Es tut mir leid, ich kann nicht." entgegnete sie ernst. „Werde mein Weib!" flehte Hornau. „Kannst du mich auch nicht gleich lieben, so will ich geduldig war ten, bis dein Herz durch meine unev bliche Liebe ge wonnen wird. Weise mich nicht ab, Dora, mache mich nicht unglücklich." Er wollte sie umfangen, sie wich zurück. „Ich kann nicht, Herr von Hornau, eine andere Entgegnung habe ich nicht." Seine Augen sprühten, sein Gesicht zuckte. „Den ken Sie daran, daß Sie mir mein Erbe genommen haben," stieb er erregt hervor, „fühlen Sie nicht dir moralische Verpflichtung, mich zu entschädigen?" Dora sah ihn voller Würde an. „Die moralisch« Verpflichtung?" wiederholte sie. „Haben Sie damals, als mein Vater starb, die moralische Verpflichtung ge fühlt, sich meiner anzunehmen, als alles über mich zu- fannnenbrach, nachdem Sie mir genügend Beweis« Ihrer sogenannten Liebe gegeben hatten? Wenn St« glauben, durch mich jetzt benachteiligt zu sein, so ant worte ich Ihnen: wir sind quitt!" Hornau ballte die Faust. „Sie haben verstanden, sich zu entschädigen," zischte er. „Sie haben es fertig gebracht, Frau von Vlissingen durch allerlei Künste st zu beeinflussen, daß Sie blindlings Ihren Willen tat Sie sind die Veranlassung, datz ich leer ausgehe,' ich durchschaue Sie, Erbschleicherin." Mit einem Wutlachen stürzte er hinaus. — Ge brochen sank Dora auf einen Sessel. Die ganze Nie drigkeit dieses Charakters hatte sich ihr enthüllt. Den noch fühlte sie sich entsetzlich gedemütigt. Erbschleiche rin! Wie ihr das Wort in die Ohren gegellt hatte! Sie hörte Geräusch auf dem Hofe und Hornaus Stimme. Er bestellte das Anspannen des Wagens, bei ihn nach der Station bringen sollte! Erleichtert atmete sie auf, als sie, verstohlen -urck das Fenster sehend, den Koffer des Offiziers auflader sah. Jetzt sprang dieser auf das Trittbrett. „Vor wärts!" Und nun fuhr er davon. Erschrocken zog sst' Dora zurück, sie hatte noch einmal das wutverzerrte Gesicht des Äbreisenden gesehen, und wie ein Dankge bet stieg der Gedanke in ihr auf! Wenn ich damals in meiner Verblendung sein Weib geworden wäre! Dora satz am Schreibtisch. Sie mußte die notwen digen Briefe schreiben. In diesen Tagen war Mariens Vermählung gefeiert worden. Heute wollte sie der Freundin von der großen Veränderung ihres Lebens- schiüsals berichten. Das junge Paar befand sich auf der Hochzeitsreise, wieder glaubte sie beim Wicdererzählen des Erlebten Hornaus wutzitternde Stimme zu vernehmen: Erb schleicherin! Was war das für ein häßliches Wort! Cs war ein herrlicher Sonnenschein. Dora yume sich in ihren Umhang, fetzte den Hut auf und liei förmlich ins Freie. Sie atmete tief. Die frische, kühle Märzluft tat ihr wohl. Sie ging weiter, -em Walde zu. Es war gar so still und feierlich. Da hörte sie Schritte. Unangenehm berührt durch Lie Störung, wollte sie sich eben der entgegengesetzten Seite znwenden, als sie stehen blieb: Tyras, des Oberförsters Jagdhund, kam freudig bellend auf sie zu- gesprungen. Krumbow! Den mußte sie sprechen. Sie erschrak, als sie ihn näher ins Auge faßte, Er sah grenzenlos verkommen aus, blaß, hohlwangig und mit einem finstern Zug in dem verfallenen Ge sichte. Sie streckte ihm beide Hände entgegen. „Mein lie ber Herr Oberförster! Weshalb haben Sie mich nich/ ein einziges Mal aufgesucht? Ich hatte solche Schm sucht nach Ihnen?" Er sah sie gar nicht an, sondern starrte sinster vo, sich hin. „Was soll das? Meine Gegenwart dient nicht zu, Aufheiterung," knurrte er sie an. Heißes Erbarmen stieg in ihr auf. Was mußte de, Mann gelitten haben! „Kommen Sie mit mir, trinken Sie den Kaffee i» Lindenau, wie in früheren Zetten," bat sie, „ich biq jetzt ganz allein." Die Erinnerung überwältigte siez sic weinte. Der Oberförster bewegte sich nicht. „Danke'/ murrte er, „warum soll ich Sie mit meiner Person aw öden? Sie würden keine Freude dabei finden, und i§ auch nicht." Dora dachte an das Gespräch der Männer t« Wirtshause. „Und ich — gelte als Erbschleicherin/ schluchzte sie. Wie sie so weinend da stand, an den rauhen Stavm einer Kiefer gelehnt, zog doch etwas wie Teilnahm« über das harte Gesicht -es Alten. Er wischte mit dem roten Tuche wieder über -I« Stirn. „Armes Kind!" murmelte er undeutlich. Armes Kindl Er mar nur ein so karges Zeichen -es Mitgefühls, und doch rührte es die Verlassene. Ihr Kopf sank an die Schulter -es vor ihr Stehew -en. Sie konnte nicht anders, sie mutzte sich an den, Herzen eines Menschen ausweinen. Heftig preßte si« seine Hand. „Kommen Sie wenigstens kurze Zeit mu nach Lindenau, bitte, bitte!" Und er kam. Wie schwer es ihm wurde, die Statt« wiederzusehen, wo Mutter und Sohn noch vor kurzen geweilt hatten — Dora ahnte es wohl, aber sie ermaj doch nicht die Tiefe dieser Empfindung. Der unsäglich« Schmerz hatte sein Gemüt förmlich versteinert. Sie hatte seine Hand gefaßt, und so betrat sie mis ihm das Wohnzimmer. Der Helle Schein der März« sonne fiel in das trauliche Gemach und ließ alle Ge' genstände deutlich hervortreten. Klar und lcbensvol sahen -a aus dem breiten, goldenen Rahmen, von Floi umhüllt, die von Dora gemalten Gestalten: Irene uni ikr Kin-,