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Die erregte kämpferische Auseinandersetzung des Vor angegangenen hallt selbst in dem auf Ruhe und Nachdenklichkeit bedachten Grave-Satz noch wider. Wohl wird sein Anfang von einer ruhig strömenden Melodie der Solovioline getragen, doch sofort setzen ihm die Kontrabässe eine bewegtere Tonkette entgegen. Auch die anschließende wehmütig-klagende Episode (2. Thema) entwickelt sich mehr und mehr zu einem heftigen Aufbegehren, das sich motivisch auf einen Melodieteil des 2. Themas stützt. Kein anderes Bild ergibt sich endlich auch für den Mittelteil des Satzes. Auch hier führt ein zunächst ruhig und natürlich im sich wiegenden 6 / 8 -Takt dahinfließendes drittes Thema allmählich zu einer geheimnisvollen, mit Seufzern der Solovioline durchsetzten Unruhe des Orchesters. Bei diesem Wechsel der Stimmungen ist es nicht verwunderlich, daß am Schluß das 2. klagende Thema wieder Raum gewinnt und Resignation den Ausklang beherrscht. Der dritte Satz, ein Allegro con brio, räumt mit aller Kopfhängerei und Un entschiedenheit auf und führt eine klare, befreiende Entscheidung herbei. Er stützt sich dabei zunächst auf schwungvolle, andrängende Thematik, die teils stürmisch (1. Thema), teils mehr gesanglich (Seitenthema) gehalten ist. Zum eigentlichen Träger höchster Entschlossenheit und festen Siegeswillens aber wird dann erst der zweite Hauptgedanke des Satzes, ein rhythmisch scharf profiliertes Thema, das im weiteren Verlauf der Entwicklung die Hauptrolle spielt und schließlich in der Coda auch den siegreichen Ausklang des Werkes und seines leidenschaftlichen Ringens heraufführt. Dr. Flerbert Koch Dmitri Schostakowitsch 7. SINFONIE, OP. 60 In der Schostakowitsch-Biographie von I. Martynow wird die 7. Sinfonie unter dem Titel „Die Sturmgeborene“ betrachtet. Der Wille des Komponisten ließ diesen gewaltigen Bau entstehen, eine sinfonische Aufgabe für ein Orchester größten Aus maßes, für die Akustik großer Konzertsäle. Die Sinfonie wurde am 19. März 1942 in der Stadt Kuybischew von dem dorthin evakuierten Orchester des Moskauer Großen Akademischen Theaters unter der Stabführung von S. Samossul urauf geführt — ein musikalisches Nacherleben des Kampfes, der das Land erschütterte. Sie wurde 1941 geschrieben in den Bombennächten und unter dem Donner der Geschütze, die Leningrad bedrohten. „Der Stadt Leningrad gewidmet“ steht in der Partitur! Ein Mikrofilm der Partitur wurde sogleich nach England und Amerika geschickt. In London kam sie am 22. Juni 1942, am ersten Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, durch das Londoner Philharmonische Orchester unter Henry Wood, kurz darauf in New York unter Toscanini zur Aufführung und trat dann einen Siegeszug an durch nahezu alle Konzertsäle der Welt. Die Siebente Sinfonie, die „Leningrader“, von Dmitri Schostakowitsch ist keine Programm-Musik, sie hält sich streng an die Form der klassischen Sinfonie, sie gibt keine Schilderung der Kämpfe um Leningrad. Sergei Barski schreibt in seiner Einführung zu diesem Werke: „Das Programmatische besteht in einer sehr bestimm ten, doch äußerst verallgemeinerten ideellen Symbolik“. Kurz: Die Kräfte der Kultur und der Barbarei, des Guten und des Bösen stoßen aufeinander und führen im Final satz zum unwiderruflichen Siege des Positiven, zum Hymnus auf den Frieden. Im ersten Satz schleicht sich in die Welt männlicher Kraft und erhabener Poesie (Tutti- Violinen, Flöte, Solo-Violine) mit teuflischer Stetigkeit ein unheimlicher Trommel klang ein. Um diesen Trommelklang, Symbol des Krieges und der Zerstörung, gruppieren sich alle Themen bis zum grausam-trommelnden Ende. Das Scherzo (Moderato, poco allegretto) wird vom Komponisten als „sehr lyrisch“ bezeichnet, es gemahnt in der Zartheit und Beschwingtheit geradezu an ein altrussisches Volks lied oder an Tschaikowski. Nichts erinnert an den Schostakowitsch der spöttischen und ironischen Scherzi! Dem Scherzo folgt ein Adagio von lichter Majestät, von feierlichem Choralklang, unterbrochen von Flötenmelodien und exakt pochenden Rhythmen. Die immer erneute Stetigkeit zum kriegsfernen, beglückenden Friedens gedanken ist wohl das Charakteristische dieses Adagio-Satzes, der mit sanften Tönen der Flolzbläser und duftigem Pizzicato der Streicher schließt. Und wieder rasseln im Schlußsatz die sich sofort anschließenden Pauken im Pianissimo und die gedämpften Streicher unheildrohend, die unruhige Musik des ersten Satzes kehrt zurück — und am Ende erstrahlt hoffnungsvoll die Vision des Sieges! Dmitri Schostakowitsch wurde am 25. September 1906 als Sohn eines Ingenieurs in Petersburg geboren. Er studierte, nach Beweisen seiner frühen Begabung, am dortigen Konservatorium Komposition bei Maxim Steinberg (dem Schüler und Schwieger sohn Rimski-Korsakows) und Klavier bei Leonid Nikolajew. Schostakowitschs 1. Sinfonie von 1926 machte ihn in kurzer Zeit bereits weltberühmt: Arturo Tosca nini, Leopold Stokowski und Bruno Walter dirigierten sie. Über Gebrauchsmusik der Zeit, über Filmmusik, über die Oper, über Klaviermusik und Kammermusik wurde Schostakowitsch in seinen Sinfonien der große Künder seiner Zeit. Prof. Dr. Hans Mlynarczyk LITERATURHINWEISE: Karl Laux: Die Musik in Rußland und in der Sowjetunion, Berlin 1958 I. Martynow: Dmitri Schostakowitsch, Berlin 1947 VORANKÜNDIGUNG: Nächste Konzerte im Anrecht A 8. und 9. April 1961, jeweils 19.30 Uhr Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr 21./22. März 1961, jeweils 19.30 Uhr 11. Außerordentliches Konzert Dirigent: Prof. Heinz Bongartz Solistin: Monique de la Bruchollerie, Paris (Ausverkauft!) 25-/26. März 1961, jeweils 19.30 Uhr 12. Außerordentliches Konzert Gastdirigent: Odissej Dimitriadi, Tbilissi Freier Kartenverkauf! 8. Philharmonisches Konzert 6082 Ra III-9-5 361 1,5 ItG 009/23/6: