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gibt aber viele Menschen, die sind viel häßlicher als Sie l“ — „Wenn ich gescheit wäre, würde ich Ihnen ein dankbares Kompliment machen. Leider bin ich eben nichts als eine häßliche Frau.“ — „Wollen Sie meine Frau sein?“ — „Nein, nein, ich die häßliche Frau! Aber nun sterbe ich zufrieden. . — „Nein, liebste Häßliche, Sie werden nicht sterben, Sie werden leben, um mein Gemahl zu werden!“ (Die Häßliche verschwindet, an ihrer Stelle steht ein Prinz, viel schöner als Amor, und dankt der Schönen, daß sie ihn aus seiner Verzauberung erlöst hat.) Diese (französischen) Worte sind offenbar für die Franzosen gedacht, die die Märchen kennen. Vielleicht helfen sie auch den Deutschen, die märchenhafte Stimmung des Balletts zu erleben. Ähnlich entscheidend wie für Ravel wurde Debussy für Beta Bartok (1881—1945), besonders in der ersten Zeit seines Schaffens bis zum „Allegro barbaro“, diesem ersten höchst persönlichen Klavierwerk. Die Stilmittel des Impressionismus sind freilich mit einer ursprünglichen Lebenskraft erfüllt, die sie bei Debussy und Ravel nicht besitzen. In einem Gespräch mit Bartok, das Serge Moreux aufzeichnete (Bela Bartok, Leben/Werk/Stil, Deutsche Ausgabe 1950), nennt der Komponist Bach, Beethoven, Debussy die „drei Klassiker“, nämlich darum: Bach führt uns „in den letzten hohen Sinn des Kontrapunktes ein“, Beethoven „offenbart uns die Ent wicklungsformen“ und Debussy stellt „den Sinn für die Akkorde wieder her“. Und Bartok fuhr fort: „Ich stelle mir immer die Frage: Kann man diese drei Klassiker in einer Synthese vereinen und sie für die Moderne lebendig machen?“ In seinem Dritten Klavierkonzert ist ihm diese Synthese wirklich gelungen — es war bei der Unterredung mit Moreux noch nicht komponiert. In dem dritten Klavierkonzert führt er tatsächlich „in einen modernen Kontrapunkt ein“, er „offenbart uns neue Entwicklungsformen“, und er „stellt einen neuen Sinn für die Akkorde her“. Das Werk wurde 1945 komponiert, als Bartok bereits schwer krank war. Er beendigte die Komposition bis auf die Ausführung der letzten 17 Partiturseiten, die nur in der Bartökschen Noten-Kurzschrift vorlagen. Sein Freund und Schüler Tibor Serly übertrug sie in die Partitur und ergänzte noch fehlende Ausdrucksbezeichnungen. Das dritte Klavierkonzert steht (mit dem Konzert für Orchester) zweifelsfrei an der Spitze von Bartöks Konzerterfolgen. Nach ihm sind die Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug, das schwierige Violinkonzert und die Klaviersonate zu nennen. Fast völlig brach liegen Bartöks Bühnenwerke, seine Lieder, vielleicht seine Violinsonaten. Bedeutungsvoll und gefragt sind seine pädagogischen Werke, der Mikrokosmos und die Geigenstücke sind aus dem Unterricht nicht mehr wegzudenken. Heute spielt die ganze Welt Bartok, Deutschland entdeckte ihn — obwohl es in Deutschland an gelegentlichen Aufführungen selbst während des Krieges nicht gefehlt hat — eigentlich erst nach 1945. Mit Bartok dringen ganz neue Melodietypen in die Musik ein. Ihre Eigenart liegt in der scharfen rhythmischen Profilierung, der harmonischen Gestalt, in der Bündigkeit der Aussage. Natürlich hat nicht nur beim Lied und Tanz, sondern auch beim Sinfoniker Bartok der hervorragende Folk lorist eine bedeutsame Rolle gespielt. Seine Autobiographie von 1921 und deren Bekenntnisse wirken sich noch in seinem Klavierkonzert von 1945 aus: „Das Studium der Bauernmusik war für mich deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil es mir die Befreiung von der Alleinherrschaft der bisherigen Dur- und Moll-Systeme möglich machte.“ Jean Sibelius (1865—1957) wurzelt in den großen Traditionen des 19. Jahrhunderts. Tschaikowskis Klänge, französische (Debussy), deutsche und schwedische Musik beeinflussen ihn. Er entwickelt sich zur Gestalt des Nationalmusikers Finnlands par excellence. Der Klang des heimischen Volksgutes, die Landschaftsstimmung, gelegentlich auch wohl bewußte Landschaftsmalerei, verleihen seiner Musik den eigenartigen weiträumigen, bald versunkenen, bald mächtig aufrauschenden Klang. Die finnischen Volksepen der Kalevala, die uralten Gesänge des Kanteletars bilden die stofflichen Ausgangspunkte, unmittelbar angesprochen in den sinfonischen Dichtungen, mittelbar unausgesprochen in den sieben imposanten Sinfonien (und im Violinkonzert). In der zweiten Sinfonie in D-Dur von Jean Sibelius, 1902 geschrieben, herrscht zwar die Form der klassischen Sinfonie vor, dennoch hat man das Empfinden, daß dem Komponisten das romantische Gefühl wichtiger ist als die Form. Ein vorwärts- strebendes Thema der Streicher und Holzbläser, eine weit geschwungene Melodie der Streicher als weiteres Thema, ein kurzes Motiv in der Durchführung, das am Ende durch eine fallende Quinte gekennzeichnet ist, bestimmen den ersten Satz. Der zweite Satz erinnert an eine Ballade. Das Temperament und der lebhafte Schwung des dritten Satzes werden wirkungsvoll unterbrochen von eingeschobenen breiten und gehaltenen Episoden. Das Finale beginnt mit einem rhythmisch prägnanten Thema, ein Trompetensignal in der Durchführung erhält plötzlich wichtige Bedeutung: Der Schlußsatz steigert sich endlich zu einer gewaltigen Apotheose auf die Heimat Sibelius’, auf die Landschaft Finnlands. Prof. Dr. Mlynarczyk LITERATURHINWEISE! Ringbohm: Jean Sibelius, 1950 Olten, Schweiz Manuel: Maurice Ravel, 1951, Potsdam Szybolcsi: Bartok, Weg und Werk, 1957, Leipzig Vorankündigung: Nächste Konzerte im Anrecht A 5. und 6. November 1960, jeweils 19.30 Uhr Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr 20. November 1960, 19.30 Uhr Festkonzert zum 90jährigen Bestehen der Dresdner Philharmonie Dirigenten: Prof. Heinz Bongartz Siegfried Geißler Siegfried Kurz I 2. Philharmonisches Konzert 1960/61 6188 Ra III-9-5 1060 1,4 ItG 009/60/68