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ZUR EINFÜHRUNG Die Ouvertüre zu dem romantischen .Schauspiel „Rosa munde“, die Franz Schubert im Jahre 1820 kompo niert hatte, war ursprünglich zu dem Melodram „Die Zauberharfe“ geschrieben und 1820 dazu erstmalig auf geführt worden. Später hat sie Schubert dem Schauspiel „Rosamunde“, das von Helmine von Chezy stammt, die die Textverfasserin von Webers „Euryanthe“ ist, vor- a.igesetzt und die ursprünglich dafür gedachte Ouver türe einer späteren Oper „Alfonso und Estrella“ bei gegeben. Schubert hat also die Ouvertüren zu den drei Werken aus bestimmten Gründen ausgetauscht. Das konnte er deshalb gut, weil die Stoffe aller drei Werke, die sich leider von der Handlung her gesehen nicht als lebensfähig erwiesen, im Grunde romantisch waren. Mit heftigen Schlägen beginnt die umfangreiche Einleitung, die darauf eine echt Schubertsche Melodie entwickelt, die, nach heftigen Akzenten, zur eigentlichen Ouvertüre überleitet, die den Aufbau eines ersten Sinfoniesatzes hat. Das erste Thema ist von liebenswürdiger Einfachheit, das zweite Thema (Klarinette und Fagott) von einer klaren Schönheit, wie sie Schubert zu Gebote stand. In der Durchführung zeigt er uns seine dramatische Be gabung, er greift Bestandteile beider Melodien auf und verarbeitet sie, indem er sie auf einen Konflikt hinführt. Er wiederholt die beiden Themen und schließt mit einer nochmaligen dramatischen Steigerung ab. Von Franz Schubert gibt es außer der Oyvertüre zu „Rosamunde von Cypern“ (wie der genaue Titel heißt!) noch zwei Zwischenakt- und zwei Ballettmusiken zu Rosamunde, die bei der Uraufführung am 20. Dezember im „Theater an der Wien“ mit erklungen sind. Die Zwischenaktmusik Nr. 1 und die Ballettmusik Nr. 1 be ginnen mit denselben Motiven und den gleichen Melo dien. Während allerdings die Zwischenaktmusik sich zu einem wirklichen Zwischenspiel mit dem Aufbau einer Ouvertüre kleineren Umfanges entwickelt, entfaltet sich die Ballettmusik mehr zu einer rhythmisch betonten Gebrauchsmusik für die Balletteinlage; sie schließt mit einem lyrischen Andante ab. Die zweite Zwischenakt musik mit ihrem schlichten, volkstümlichen Thema ist musikalisch gesehen eine kurze Kette von Variationen dieses Themas. Schubert gestaltet dies mit unnachahm licher Schönheit und einer lyrischen Weichheit sonder gleichen. Die, am Schluß stehende zweite Ballettmusik erinnert stark an ein „moment musical“ von Schubert. Auch hier ist, trotz aller rhythmischen Absichten, die das Tänzerische der Musik unterstreichen sollen, eine gewisse Verträumtheit nicht zu überhören. Alles ist echter Schubert. Es ist schön, daß diese Perlen edelster Musik, die volkstümlich und meisterhaft zugleich sind, im Konzertsaal ihre Heimat gefunden haben und nicht mit dem von der Bühne verschwundenen zeit gebundenen Schauspiel mit untergegangen sind. 1807 komponierte Carl Maria von Weber zwei Sinfonien in C-Dur. Er war Musikintendant und Kapellmeister des Herzogs Friedrich Eugen von Württemberg und lebte einige Monate, bis die Kriegswirren ihn vertrieben, auf dem Schloß Karlsruhe in Schlesien, einem Besitz des Herzogs. Die Möglichkeiten, die die kleine Hofkapelle ihm bot, nutzte er aus, diese Sinfonien zu schreiben. Interessant ist, daß Weber auf dem Titelblatt der zweiten C-Dur-Sinfonie schreibt: composta da Carlo Maria Baron di Weber (komponiert von Carl Maria Baron von Weber). Der erste Satz ist in der Art der Klassiker geschrieben. Nach einer viertaktigen symmetrischen Orchester einleitung trägt die Oboe das erste Thema vor. Das zweite Thema ist romantisch in der Klangfarbe (da es vom Horn geblasen wird) und im Charakter. Trotzdem bleibt die Behandlung des Orchesters, die Art der Durchführung, die Art des formalen Aufbaus ganz klassisch, so daß hier ein Beispiel dafür vorhanden ist, neue Inhalte in den ererbten Formen auszudrücken. Im zweiten Satze bricht die Empfindungswelt der Romantik schon spürbar durch, während das Menuett sich ganz deutlich auf seine Herkunft als Volkstanz besinnt. Der Schlußsatz ist eigentlich ebenfalls ein Menuett, allerdings hat Weber das Tempo sehr gestrafft, so daß sich der Charakter vom behäbigen Menuett zum geistreichen Scherzo verändert. Mit dem tonleitermäßigen Läufer durch den Raum einer Quinte hindurch, mit dem dieser Satz beginnt, schließt er auch, überraschend und von innerem Humor erfüllt. 1823 konstruierte der Lautenmacher und Musiksintru mentenbauer G. Staufer in Wien ein Instrument, das er „Arpeggione“ nannte. Der Name deutet darauf hin, daß auf ihm Wirkungen erzielt werden konnten, die einer Harfe ähnelten. Das Instrument hatte die Größe einer Viola da Gamba, war also eine Großgeige, die man aufs Knie stellen mußte, da der Arm nicht reichte, sie unter dem Kinn (wie bei der Geige üblich) zu‘halten. Hinzu kam, daß sie sechs Saiten besaß, die in Quartabständen, die dritte und vierte Saite jedoch nur im Terzabstand gestimmt waren. Schon 1824 komponierte Franz Schu bert für dieses Instrument die „Arpeggione-Sonate“, damit beweisend, daß er tätigen Anteil an musikalischen Neuerungen nahm. Das Instrument verschwand jedoch schnell wieder aus der Musikpraxis, weil nur eine geringe Literatur dafür da war. Gaspar Cassadö, der 1897 in Barcelona geborene berühmte Violoncellist, ein Schüler seines ebenso berühmten Lehrers Pablo Casals, machte die Schönheiten der Schubertschen Sonate durch seine Bearbeitung für Violoncello und Orchester der Welt zugänglich. Die lyrischen, echt Schubertschen Melodien blühen in großer Zahl und Fülle auf; und was kraftvoll und männlich in Schubert war, findet Gestalt in den konzertanten Teilen des Werkes, vor allem im ersten und dritten Satz. Durch diese Bearbeitung hat die Welt ein neues, bedeutendes Violoncellokonzert gewonnen, wofür sie Gaspar Cassadd dankbar sein sollte. 1816, im September, schreibt Franz Schubert seine fünfte Sinfonie, die ebenso wie seine frühere zweite in B-Dur steht. Am 3. Oktober 1816 macht er den Schluß strich unter das Werk, womit er wiederum einen Beweis seiner großen Schöpferkraft, seines Fleißes und einer be deutenden Schreibarbeit liefert. Wiederum überrascht der Stil dieser Sinfonie, die die eigentlich für Schubert charakteristischen Züge, wie sie aus seinen Liedern, aus der Unvollendeten, aus dem Forellenquintett usw. be kannt sind, nicht enthält. Der erste Satz geht auf italie nische Vorbilder zurück, Rossini steht Pate. Die Leich tigkeit und Unbeschwertheit dieser Musik reizt Schu bert, er gleicht sich ihr an, kann aber doch nicht auf dramatische Akzente verzichten, die schon deutlicher daran gemahnen, daß ja Schubert hinter diesem Werke steht. Im Andante, dem zweiten Satz, rückt er ein schönes Thema in die verschiedenartigsten Beleuch tungen. Hier ist der echte Schubert. Er ist es auch im Menuett, das, wie immer bei ihm, auf die Abkunft aus dem Volke hinweist. Der Schlußsatz ist ein quick lebendiges Rondo mit einem einfachen, aber gerade deshalb einprägsamen Thema. In den Zwischensätzen kommt Schubert zu witzigen, geistreichen Formu lierungen, die Beweis genug dafür sind, daß er nicht nur das Herz am rechten Fleck hatte, sondern auch einen ausgezeichneten und gutgeschulten Musikverstand be saß. Diese beiden Seiten des Wesens bedeuten in ihrer Fülle die Hauptmerkmale eines Genies, woran gerade bei Schubert nicht zu zweifeln ist. Carl Maria von Weber (1786—1826) schrieb 1820/21 eine Schauspielmusik zu Pius Alexander Wolffs Schau spiel „Preziosa“. Schauspielmusiken sind oft an da^^ Schicksal des Bühnen Werkes gebunden, sie können i^^B Vergessenheit geraten wie das Stück selbst, sie könne^^^ lebensfähig bleiben mit dem .Stück — und manchmal sogar trotz des Stückes. Dafür gibt es viele Beispiele. Das Schauspiel „Preziosa“ ist vergessen, nicht dagegen die geniale Ouvertüre, die Weber dazu komponiert hat. Sie ist fast gleichzeitig wie der Freischütz entstanden und enthält alle Züge der künstlerischen Hochgestimmt- heit, die Weber während dieser Jahre auszeichnen. Gleich im ersten Takte charakterisiert Weber die Hand lung, die in spanischen Zigeunerkreisen spielt. Der Rhythmus des Beginns ist der des Bolero mit der typi schen Kastagnettentriole auf dem zweiten Achtel des Dreivierteltaktes. Schellen, Triangel und vor allemTam- burin, die das spanische Kolorit noch besser treffen, färben den darauf folgenden Zigeunermarsch, der, nach einet echten Zigeunermelodie geschrieben, von den Holz- und Blechbläsern gespielt wird. Ein außerordentlich glanzvoller, mit leidenschaftlichem Feuer erfüllter Hauptteil schließt die Ouvertüre ab. Rhythmische Viel falt in allen Stimmen unter Bevorzugung der Synkope läßt das geniale Stück kühn und fortschrittlich erschei nen, läßt es sich als weit seiner Zeit vorauseilend er weisen. Joh. Paul Thilman