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In Empörung, Zorn erhob sie sich. Ihre Augen fun kelten Joachim an. Eine fiebrische Röte brannte auf ihren Wangen. »Was veranlaßt Sie, das nicht zu erlauben, Herr von Brandt?" »Die Wertschätzung, die ich für die Person Fräulein von Groenings besitze." »Sie drücken sich vorsichtig aus Warum nennen Sie es nicht beim rechten Namen ?" Ihre Stimme klang blechern vor Erregung. Krallend griffen ihre Hände in ihr Gewand. Er sah, daß eine von maßloser Eifersucht Gefolterte vor ihm stand. War dies Gefühl natürlich oder kranke hast? Vielleicht mehr das letztere; denn sie war ja nervös, jagte er sich. In Rücksichtnahme auf ihr Leiden versuchte er einzulenken: „Wir wollen doch nicht mehr davon reden!" jagte er ruhig. »Doch, ich will es, daß Sie mir die Wahrheit sagen l" »H- „Sie hörten sie!" sagte er ernst. Ah, er wollte si? täuschen, er wich ihr aus! Sie sollte im unklaren bleiben. Er glaubte wohl gar, sie wisse nicht, wie er zu Renate stehe? In blinder Besinnlosigkeit trat sie einen Schritt vor. »Soll ich Ihnen die Wahrheit sagen?" »Aber, Fräulein Burmann! Ich bitte Siel Wohin treibt Sie Ihre Erregung? Nein, ich wünsche in dieser Sache von Ihnen kein Wort mehr!" - Und in Hellem Empörtsein über ihre Anmaßung wandte er sich und tat ein paar große, weitausholende Schritte in den Raum. Edith stand noch einen Augenblick in zitterndem, wo gendem Empfinden. Dann sagte sie: „So weiß ich gewiß, woran- ich bin. Ich werde darnach zu handeln wissen!" Mit ein paar hastigen Schritten war sie zur Tür. Ehe Joachim noch recht wußte, was geschehen war, hatte sie das Zimmer schon verlaffen. Ein harter Klang rann durch den füllen Raum. Im ersten Besinnen wollte er ihr nacheilen. Dann überlegte er: Es veranlaßt mich nichts, es zu tun. Lauschend stand er und hörte den schnellen Tritt im Flur verklingen. „Es wird oorübergehen," sagte er sich. „Wenn sie zur Besinnung kommt, muß sie die Torheit ihres Be nehmens einsehen und sich mit einer Unmöglichkeit ab finden." Und laut^ wie zu einem Anwesenden sprechend, sagte er: „Ich kann nicht. Ich bin nicht imstande, ihr in thron Gefühlen entgegenzukommen." Dann fuhr ihm durch den Sinn: „Diüleicht reist sie nun ab? Ja, eigentlich muß sie nun abreisen. Denn es ist ja kaum noch möglich, Laß sie bleiben kann. , . ." Und dann? Kam dann doch der Sturz für Hessel- vorde, ging dann seine Existenz doch noch in die Brüche? Was würde Burmann tun, wenn Edith Hesselvörde ver lieb?-- Joachim atmete schwer. Graue Sorgen ballten sich abermals zusammen. Zu jungen Nöten bitterster Art kamen alte, abgetan gewähnte. Er wollt« zu Tante Malve gehen, um mit ihr zu sprechen. Einem Menschen wenigstens wollte er sich ganz anoertrauen können. Zu einem sein Herz leicht macken. Es war so übervoll an schmerzlichen Erfahrungen und neuer Sorgennot. . . . Die gute Tante Malve würde ihm schon ein gute», helfendes Wort sagen können. — Sie war ja erfahren in den Nöten des Lebens. Und wenn am Ende weiter nichts war — aber das Aussprechen können würde gut tun und beruhigen. . .. . * * ' . . . »Mein lieber*Iunge," sagte Tante Malve zuletzt, als sie mit Joachim eine lange Weile über die ganze Sachlage gesprochen hatte und über alles unter- richtet war, »mein lieber Junge, es tut mir sehr leid, daß Du gar nicht einmal zum rechten Frohsein kommst! Es scheint so, als wenn es das Leben mit Dir nicht besonders gut meint. LSach allerhand wirtschaftlichen Schwierigkeiten kam die Geschichte mit Sybille " Er wand fe sich mit einer ruckartigen Bewegung vom Fenster zurück, durch das er, die Stirn tief gefurcht und die Lippen ha.it geschlossen, düsteren Auges in Freie ge starrt hatte, nach den Dammwieseu zn, und unterbrach: „Bitte, Tante Malve, nichts van S lle .... der Fall ist abgetan, für immer abgetan. Es ifi unnütz, de Sache noch zu erwähnen, nein, nicht unnütz nur, töricht direkt .. Denn ich errege mich jedesmal van neuem!" „Also doch nicht abgetan," lächelte Tante Malve sein. „Denn was uns noch Erregung ins Blut gibt, ist noch lange nicht tot" „Oh, man regt sich auch manchmal noch über Tote auf!" „Rein," sagte Tante Malve ernst. „Tote läßt man ruhen! lind Du bist ja auch gar nicht die Natur, anders zu denken. Du bist nur in einem eingebildeten Gefühl befangen, wenn Du Sybille als jemand betrachtest, der Dich nichts mehr anginge. . . . Schließlich mußt Du eines Tages... Aber ich sehe, Du willst nichts mehr davon hören heute. Es führt uns auch seitab,davon zu sprechen. Alsolassen wir 's!" Tante Malve seufzte und schwieg einen Augenblick. „Ja, lassen wir 's, Tante, es ist besser!" Aber er seufzte auch. Die alte Dame dachte: „Da haben wir 's ja Er hat sie noch lange, lange nicht vergessen Und ich glaube, er denkt recht oft an sie." , Dann kam sie auf ihre unterbrochenen Auseinander setzungen zurück. „Ja, und weiter: Als Du nach den Sorgen um die Existenz aufatmen konntest, gewannst Du Renate lieb und erlebtest eine harte Enttäuschung. Du bist davon überzeugt, wie Du mir vorhin sagtest, daß ihr Herz bereits anderweitig entschieden hat Es kann sein. Es ist auch möglich, daß Du Dich irrst und die Beweg gründe für ihr Tun ganz woanders zu suchen sind. . . Wer ist imstande, da klar zu sehen ? Ich sehe vielleicht klar, wenn ich Renate für ein tapferes Mädchen halte." Er blickte auf. „Ich verstehe Las nicht!" „Nun, Joachim, so schwer dürste das nicht sein: Re nate kennt Deine Verhältnisse. Sie selbt ist arm. Da ist es doch leicht, die Tapferkeit, von der ich sprach, zu er kennen. Sie sagt sich eben, ich meine, es ist möglich, daß sie sich jagt: Ich muß die Regungen meines Herzens in Abwehr und Abweisen kleiden, denn ich bin arm. Und er braucht notwendigerweise eine reiche Frau." „Herr Gott, Tante Malve, ziehe doch nicht solche ma teriellen Dinge heran!" Er war ärgerlich, daß sie die Person Renatens mit dem Begriff ,Geld zusammen brachte. „Sie denkt viel zu ideal, um sich in Herzens angelegenheiten mit Geldhändeln zu befassen." „Nein. Das wäre gar nicht ideal, wenn sie so in blauen Dunst hinein Deine Frau werden wollte, nur um eben Deine Frau zu sein. Das wäre berechnend, herzlos, direkt töricht." „Meine Vorstellungen über Len Begriff iveal sind völlig entgegengesetzter Art, liebe Tante," sagte Joachim etwas spöttisch. „Wirkliche, aufrichtige Liebe fragt über haupt nicht. Weder nach wirtschaftlicher Lage des anderen Teils noch nach sonst was. Die ist eben so großzügig, so über alle materiellen Dinge erhaben . . . ." „Ja, gewiß," unterbrach Tante Malve, „soweit die Person des so Denkenden in Betracht kommt. Aber im Hinblick auf das geliebte Wesen fragt sich wahre Liebe sehr wohl: was kann ich Leni anderen Teil sein? Und wenn sie zu der Einsicht gelangt, baß Lie Zukunft dieses anderen Teils durch eine ungünstige Verbindung in Frage gestellt werden könnte, so ist es nach meiner Ueberzeugung nicht ideal, wenn sie eine Verbindung trotzdem herbei- führt. Ganz gewiß: wo nichts auf dem «spiele steht, nichts zu verlieren ist, da soll man s wagen im guten Glauben an die Gewißheit auf ein Stück Brot und ein Dach über dem Haupte. Der Himmel hat der treuen armen Liebe von jeher seinen Segen nicht versagt. Aber in Deinem Fall? Denke einmal nach! Willst Du, daß Hesselvörde Dir verloren geht? Du hängst doch daran. Und Renate wird von dieser Ueberzeugung aus ihre Ent scheidung getroffen haben. Ich glaube es sicher: sie hat Dir zu Liebe ein Opfer gebracht und ihre Neigung ver borgen gehalten. Und das ist ideale Liebe, die sich still verblutet, um dem geliebten Wesen zu dienen." — (Fortsetzung folgt.)