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IV. Söeetijofcett Briefe an einen Neuling Dresden, den 16. Mai 1937 Cieber greunb, roir wollen und alfo Ijcufc ein roenig übec biegormberSinfonie unterhalten. Scf)on bedl>alb, weil gleich groei SeethooeroSinfonien auf uns roarfen, bie erfte unb bie briffe. ffeine Slngft, bitte, itS) will Derfudffcn, Sie nid)f gu langtocilen. @0 wirb nid)f „gefachfimpelt". O^ne bafj Sie Koten [efen lernen, foüen Sie einen Segriff Don ber gorm ber Sinfonie befommen, bie Sie bann leidster „begreifen" roerben. Kid)f nur bad Iperg, aud) ber 23erftanb muff babei fein, roenn man Ktufif gang oerfte^en roitl. Seim Äomponiflen ifl ed nidj)f anberd. @0 F>ilff ihm nicf)fd, menn if>m in einer milben Sommernacht mit Ktonb unb Sternen eine fd)öne, gefühldfrunfene Ktelobie einfäHt. Sann Fommf bie 2Irbeif am Schreibtifcf). Sann mu)3 ber dinfaü Der= arbeitet ioerben. Ser dinfall ifl bie 33lüfe. Sie Verarbeitung erfi Iäjjf bie grud)f reifen. Ser erfte Sa§ ber Sinfonie (unb ber Sonate) ift faft immer in bie fogenannfe „Sonaf enfjauptfat)form"(Furg bie „Sonatenform" genannt) gebraut. Sie beflefjt aud brei großen Xeilen. Ser erfte ift bie (SCpofition, bie XhemenauffteHung. Sn ber Kegel fteljen fidf) groei Xhemen gegenüber, bad erfte, bad jjaupffl)ema unb bad groeife, bad Seitentljema. Sad groeife ftel>f in einem geroiffen ©egenfa^ gum erffen. 23efrarf)fen mir gum Seifpiel bie Xl)emen bed erflen Satfed ber erflen Sinfonie, fo fi'nben mir, baff bad erfte bie Kicf)fung na cf) auftoärfd, bad groeife bie Kid)fung nacf) abroärfd hat. Sie Xöne bed erflen finb abgeftoffen, bie bed groeiten gebunben. Sad erfte ffefxt in ber .tpaupffonarf, in C=Sur, bad groeife flef>t in G=Sur, in einer anberen Xonarf alfo, aber in einer, bie C=Sur nidf)f gang fremb, bie mit C=Sur „oerroanbt" ift. Sen beiben Xhemen folgt bann innerhalb ber dppofifion nDd) bie Schlufjgruppe. 3df) habe oben gefagt: in ber Kegel jtel>en fid) groei Xhemen gegenüber. Kun, feine Kegel oljne 2ludnal>me, befonberd mdf)f biefe. ©erabe bei Seef^ooen frnben mir ed felfr häufig, ba|j er fid) nidft mit ber ilufftellurig Don groei Xl>emen begnügt, fonbern baj) er mehrere aneinanber reilft. (Später I)af bad Dor allem 2lnfon Srucfner nocf> roeifergefüfjrf.) ©erabe bie briffe Sinfonie ift ein Seifpiel bafür: beDor bad Seifentlfema erreicht roirb, (teilt Seef^ooen bem ^aupttlfema nodf) brei Kebenf^emen gegenüber. Ser drpofition folgt i»ie ^ttrtfffüljtuttg. 3n biefem Xeil roerben bie oorfjin aufgeftetlf enX^emen „Derarbeifef". Sie erfdf) einen roieber, aber nid)f in ber gleiten Kei^enfolge, nxd)f in ber gleichen ©ejtalf. Sie roerben Deränberf, umgebogen, fie hüben fogufagen ein anbered ff leib an, fo, bafj man fie manchmal faum mef)r erfennt, fie fragen Klaäfen, fie DerfteHen ficf), roenn fie Dorier gelacht haben, meinen fie je^f, roenn fie gemeint haben, ladf>en fie, fie roerben burdf* einanbergerüffelf, burc^einanbergefcf)üffelf, fie oermengen ficf) mifeinanber, fleine SfücEdfen roerben abgefrennf unb felbftänbig gemacht. 2öieber ift ed Seefffooen, ber bie Sinfonie an biefem entfdffeibenben f)uuf( mafi= geblid) roeitergefü^rf ^af. 2Bir Fönnen bad an fpanb ber beiben Sinfonien befonberd beutlidf) Derfolgen. Sie Surcf)fül)rung in ber erffen Sinfonie ift nocf> rerf)f „jaftm", roir fönnen ihren Verlauf bequem Derfolgen, roir feljen leicfjf hinburdf), eigentlich roirb nur bad jpaupffF>ema ein wenig Derarbeifef. Sie Surcf>fül)rung nimmt auch feinen fel)r breiten Kaum ein. Sad ift auch in ber groeifen Sinfonie noch ähnlich- drpofition unb Surdf)fül)rung flehen fid) im iöerhälfnid 3:2 bjro. 3:4 jueinanber. 311 ber briffen Sinfonie änberf fidf) bad grunblcgenb. Spiee übertrifft bie Surchfülfrung mit ihren 250 Xnften bie dppofition mit ihren 147 XaFfen faft um bad Soppclfe. 2lufjer=