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Dresdner Journal : 12.12.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190212123
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19021212
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19021212
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-12
- Tag 1902-12-12
-
Monat
1902-12
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 12.12.1902
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WWWMW Aresdner Journal Herausgegeben von der Königl. Expedition des Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Krschetuenr Werktag» nach», d Uhr. — Origtaalberichte »nd Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe nachgcdruckt werden. M288 1902 Freitag, den 12. Dezember nachmittags Vczu«spreis: Beim Bezüge durch dir HclchiMrsttKt ia,,rhar» Dresden» 2,SV M (rinichl Zuiragung), durch die im Deuychen Reiche 3 M. (ausschließlich Bestellgeld) vierteljährlich Einzelne Nummern 10 Pf. Wird Zurückfenduno der für die Schristleitung bestimmte», aber von dicfer nicht ein» geforderten Beiträge bean- sprucht, fo ist da» Poftgeld beizusügeu. Unkündtgung-gebühre«: Die .»teile Neiner Schrift der 7ma.' gespaltenen Ankündi» gung» Seite oder deren Raum 20 »Pf. Bei Tabellen- und Zissernsav ü Pf Aufschlag für die Zeile Unterm Re- daktionSstrich (Eingesandt) die Textzeile mittler Schrift oder deren Raum so Pf. Gebühren»Ermäßigung bei öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bi» mittags 12 Uhr für die nach mittags erscheinende Nummer. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben dem Geheim- kämmerierer Emil Clemens Lahmann den Titel und Rang eines Kommissionsrates Allergnädigst zu verleihen geruht. Nichtamtlicher Teil. Vie Verbündeten Negierungen und der Antrag v. Lardorff. Mehr als fünf volle Sitzungstage hat das Vor tragen der achtunddreißig Kommissionsberichte nebst den sich an jeden von ihnen anknüpfenden Geschäfts- ordnungsdebatten und Abstimmungen in Anspruch genommen. Dank dem am Dienstag angenommenen Antrag Groeber, durch den das Reden zur Geschäfts ordnung auf das bisher übliche Maß zurückgeführt worden ist, konnte gestern endlich in die Diskussion über den bereits am 27. November eingebrachten Antrag v. Kardorff eingetreten werden. Dieser An trag bildet bekanntlich, abgesehen von den noch bei der dritten Lesung bevorstehenden Abänderungen, betreffend die Mindestzollsätze in 8 1 des Zolltarif gesetzes, die Grundlage des Kompromisses, den die zolltariffreundlichen Parteien mit einander ab geschlossen haben. Es ist selbstverständlich, daß diese zwischen den Mehrheitsparteien mit großer Mühe erreichte Uebereinkunft alle Abänderungen des vorliegenden Antrags von vornherein ausschließt. Die Erwägungen für und wider den Inhalt des Kompromisses haben in ausgiebigster Weise in den Fraktionen und in der Presse stattgefunden. Die Mehrheitsparteien haben sich endlich in dem Bewußt sein, daß das Zustandekommen der Zolltarifreform eine wirtschaftliche und politische Notwendigkeit sei, zusammengefunden und auf einen großen Teil ihrer Wünsche Verzicht geleistet. In der Rede, mit der der Abgeordnete Basser mann die Diskussion über den Antrag v. Kardorff eröffnete, legte der Redner namentlich die Gesichts punkte dar, die für die Nationalliberalen bei der Unterzeichnung des Kompromisses maßgebend ge wesen sind. In erster Linie war es, wie auch bei den übrigen Parteien, die Erwägung, daß vaterländische Interessen die Verabschiedung der Zolltarifvorlage erfordern, daß andernfalls ein un säglicher Wirrwarr in unserem Wirtschaftsleben ein reißen würde, die zum Abschluß des Kompromisses führte. Nach dem Uebcreinkommen werden die Sätze der Bundesratsvorlage für Weizen, Roggen und Hafer wiederhergestellt, was den Gerstenzoll anlangt, so wird eine Differenzierung zwischen Futter- und Braugerste erfolgen. Auf die Mindestzölle sür Vieh wird, entsprechend der Bundesratsvorlagc, Verzicht geleistet. Was den autonomen Tarif betrifft, so treten die in der Kommission beschlossenen Sätze, mit Ausnahme der im Anträge v. Kardorff besonders normierten, in Kraft. Dies ist in kurzen Worten der Inhalt des Kompromisses, über dessen Annahme der Reichstag sich schlüssig zu machen hat. Wie der nationalliberale Führer zutreffend bemerkte, zweifelt niemand mehr daran, daß auf der Grundlage des Antrages v. Kardorff der Zolltarif zu stände kommt. Um aber den Parteien die Stellungnahme vor dem Lande zu erleichtern, brachte der Abgeordnete Basser mann den Wunsch zum Ausdruck, daß bei dem Ab schlusse der neuen Handelsverträge die wichtigsten ZU -tm deutsch-englischen vorgehen gegen Venezuela. Wie ein „Rcutcr"-Telegramm aus La Guayra besagt, haben die vereinigten deutschen und cug- Jnteressen der Industrie und Landwirtschaft gewahrt werden und daß, soweit die landwirtschaftlichen Er zeugnisse in Frage kommen, auch bei Zöllen, die nicht gebunden sind, der notwendige Schutz gewährleistet werden möge. Dem Ersuchen, über diese Fragen eine Erklärung abzugeben, entsprach der Hr. Reichskanzler sofort. Er bemerkte, daß es sich bei der Zolltarifvorlage um einen autonomen Tarif handle, der bestimmt sei, als Grundlage für die bevorstehenden Handelsvertrags verhandlungen zu dienen. Hätten die Sätze dieses Tarifs in der Kommission teilweise eine Acnderung nach oben oder nach unten erfahren, so könne das für die Verbündeten Regierungen nicht von ent scheidender Bedeutung sein Immerhin aber müßten sie Wert darauf legen, daß die Kompensationsobjekte im Tarif keine zu weitgehende Abschwächung erführen. Als erwünscht könne also die im Anträge v Kardorff vorgesehene Herabsetzung von Jndustriezöllen nicht angesehen werden. Dessenungeachtet würden, so er klärte Graf v. Bülow, die Verbündeten Regie rungen den Vorschlag in eine der Wichtigkeit der Sache entsprechende ernste und wohlwollende Er wägung ziehen. Was die Wahrung der land wirtschaftlichen Interessen, insbesondere der Viehzucht anlangt, so erklärte der Hr. Reichskanzler mit er hobener Stimme, die Verbündeten Regierungen seien fest entschlossen, bei dem Abschlusse von Handels verträgen der heimischen Viehzucht eine» Zollschutz zu sichern in einer Höhe, die erforderlich sei, um die gedeihliche Fortentwickelung dieses landwirtschaftlichen Produktionszweiges zu gewährleisten. Die Ver bündeten Regierungen werden ferner, so fügte der leitende Staatsmann hinzu, keine Bestimmungen in ihre Handelsverträge oder Abkommen mit andern Staaten aufnehmcn, die sie verhindern würden, alle diejenigen veterinärpolizeilichen Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, unsere heimische Viehzucht vor der Gefahr der Einschleppung von Viehseuchen in der bisherigen Weise zu bewahren. In diesen mit lebhaftem Beifall von den Mehr heitsparteien aufgenommenen Erklärungen des Hrn. Reichskanzlers ist nicht nur das Einverständnis mit dem zur Verhandlung stehenden Kompromiß aubge- drückt, sondern es ist darin zugleich vor dem Jn- und Auslande den deutschen Unterhändlern eine Richtschnur für die demnächst bevorstehenden Handels- vcrtragsverhandlungcn gegeben worden. Die Freunde des Kompromisses werden durch diese sehr entgegen kommenden Worte des Grafen v. Bülow in ihrer Stellungnahme nur noch gefestigt werden; denjenigen schutzzöllnerischen Abgeordneten aber, die bislang noch zögern, auf den Boden des Antrags v. Kardorff zu treten, werden die Zusicherungen des leitenden Staatsmannes die Gewähr geben, daß die Ver bündeten Regierungen auch ohne durch weitergehende Mindestzollsätze gebunden zu sein, die Interessen der deutschen Produktion in vollstem Maße wahren werden. Ein Grund, gegen das Kompromiß zu stimmen, liegt also für jene noch beiseite stehenden nicht mehr vor. Möchten sie die warmen Worte des Reichskanzlers in Erwägung ziehen und sich von der großen Reichstagsmehrhcit nicht absondcrn, damit die Zolltarifreform ein Werk des Friedens und der Versöhnung werde. lischen Geschwader angesichts des fortgesetzt ver messenen Verhaltens des Präsidenten Castro drei venezolanische Schiffe in den Grund gebohrt. Die erwähnte Depesche enthält hierüber und über die da mit in Zusammenhang stehenden Thatsachen folgendes: Zehn deutsche und vier englische «Utter kamen am ver gangenen Dienstag längsseits der venezolanischen Schiffe und forderten sie, ohne zu schießen, auf, sich zu ergeben. Die Verbündeten nahmen alsdann die venezolanische Flotte im Namen des Deutschen Kaisers und des Königs von England weg. Das Kanonenboot „Panther" dampfte während dieser Vorgänge in den Hasen hinein und machte klar zum Gefecht. Die venezolanische» Schiffe wurden hieraus außerhalb des Hafens geschleppt und um 2 Uhr morgens wurden der „General Crespo", „Tutumo" und die „Margarita" ver senkt. „Assun" allein entging diesem Geschick, weil der französische GeschüstSträger den Einwand erhob, daß er Besitztum eines Franzosen sei. Um 10 Uhr abends am s. d. Mts. landeten 130 deutsche Matrosen und begaben sich nach der Vorstadt Cardonal, woselbst die Wohnung des deutschen Konsuls Lentz ist. Sie geleiteten den Konsul samt seiner Familie zur „Äneta". Als sie von Cardonal zurückkamen, begegneten sie einem Trupp venezola nischer Soldaten, ohne daß es zu einem Zusammenstoß kam. Vorgestern um ü Uhr morgens landete eine Abteilung von 30 englischen Matrosen und begab sich nach dem britischen Kon sulat; von hier aus geleiteten sie den Konsul Schunck mit Fa milie nach der „Retrrbution". Die in La Guayra ansässigen Deutschen und Engländer wurden verhaftet, außer einigen, die sich in ihren Häusern verbarrikadiert hatten; 320 Seeleute der Verbündeten befreiten sie ohne Widerstand. Inzwischen machten die Schiffe klar zum Gesecht. Die Verbündeten fuhren in den Hafen ein und liegen 300 Fuß von dem Zollhaus« entfernt. Die Landung von Marinesoldaten Hal begonnen. Z» Auch im übrigen dauern die militärischen Maß regeln gegen Venezuela fort. Im englischen Unter hause teilte in Beantwortung einer Anfrage Unter staatssekretär des Aeußern Lord Cranborne die neuesten amtlichen Nachrichten gestern mit; er bestätigte die Beschlagnahme der drei venezo lanischen Schiffe in La Guayra durch Boote der englischen und deutschen Kriegsschiffe und erwähnte ferner, daß ein viertes Schiff kampfunfähig gemacht und daß das venezolanische Kanonenboot „Bolivar" ebenfalls beschlagnahmt worden sei. Zwei Prism, die vom deutschen Kommodore genommen seien, seien versenkt worden. Ferner wird berichtet: La Guayra Nach einer Meldung des „Reulerschen Bureaus" sind die Kriegsschiffe „Bineta" und „Retribution" gestern abend 6 Uhr abgedampft Man nimmt an, daß sie die Antwort der nenezolanischen Regierung aus die Forderung der beiden Mächte an Bord haben In La Guayra sind 18 Geschütze aus Caracas eingetroffen. Nach dem Fort Lavigia wird Munition geschafft. Die Wegnahme des „Bolivar" soll große Aufregung hervorgerufen haben. London. Einer Meldung aus Kingstown auf Jamaica zufolge nahm das englische Kriegsschiff „Alert" im Golf von Para das venezolanische Truppenschiff „Miamora" und ein Schiff der Strandwache; beide wurden nach Port of Spain auf Trinidad gebracht. Caracas. (Telegramm des „Reuterschen Bureaus") Das britische Kriegsschiff „Quail" ist gestern nachmittag in La Guayra eingetroffen. Das deutsche Kanonenboot „Panther" verließ gestern morgen den Hafen in der Richtung auf Caru- pano, „Falke" fuhr nach Puerto Cabello, um die Ueberreste der venezolanischen Flotte aufzusuchen. Man glaubt, der „ Jndefatigable" sei unterwegs nach Guatemala, woselbst sich der venezolanische „Rcstaurador" befindet. Die Meldungen über die Festnahmen deutscher und englischer Uuterthancn in Venezuela haben ihre Bestätigung gefunden. Wir teilten näheres darüber bereits in der gestrigen Nummer unter Drahtnach richten mit. Auch fand sich dort die Depesche, daß der amerikanischen Gesandte Bowen sofort unter Berufung auf den ihm übertragenen Schutz der eng lischen und deutschen Unterthanen Einspruch wider die Verhaftungen erhoben hat Obwohl Castro nun zunächst sich dagegen passiv verhielt, ja seine Ge waltmaßnahmen zu rechtfertigen versuchte, scheint er inzwischen doch zur Einsicht gekommen zu sein, daß Kunst und Wissenschaft. Nefidenztheater. — Am 11. d. Mts.: „Er hat etwas vergessen". Volksstück in einem Akt von L. Berthold. — „Ein blauer Teufel". Genrebild in einem Akt von Max Stieler. — „Die Medaille". Komödie in einem Akt von vr. Ludwig Thoma.— „Der Schützenkönig". Ein Akt aus „Almenrausch und Edelweiß" des vr. Hermann v. Schmid". (Gast spiel des Schlierseer Bauerntheaters.) Mit vier Einaktern, die sie zum ersten Male hier in Dresden gespielt haben, haben die Schlierseer Bauern schauspieler sich neue Sympathien bei uns gewonnen. Von Bedeutung ist keine der Kleinigkeiten, selbst nicht die Thomasche Komödie „die Medaille", die in stark satirischer Form die Wirkung einer Dienstauszeichnung auf den von ihr Betroffenen und seine Freunde und Gönner schildert. Ein Festmahl, das zu Ehren des mit einer Medaille Dekorierten abgehalten wird, endet mit einer Rauferei der Beteiligten. Die Scene ist jeden falls ganz humorvoll aufgefaßt worden und mit einigen guten Wortwitzen durchsetzt, aber viel zu zugrcifend be handelt, als daß sie größere litterarische Bedeutung habe. Die übrigen Einakter sind kleine Bluettcn, eine davon — „Ein blauer Teufel" — nach dem berühmteren Vorbilde „Kur märker und Picarde" gestaltet, alle aber geeignet, für einige Stunden Unterhaltung und Belustigung zu spenden. Die in ihnen beteiligten Darsteller — wir nennen die Damen Mirzl Meth, Fanny Terofal, Anna Dengg nnd Anna Terofal und die Herren Joseph Meth, Laver Terofal, Veri Niedermeier und Matthias Gailing — erweisen sich wieder als frische, lernhaste Bauernkünstler, die den Aufgaben, die sie zu erfüllen haben, vollkommen gewachsen sind und sie mit Lust und Liebe ausführen. Der Beifall, der den bairischen Bauernspielern gestern abend gezollt wurde, war ein sehr reicher, leider ließ der Besuch wieder zu wünschen übrig. W. Dgs. Neber neue Forschungen in Chinesisch-Turkestan. In dem Berichte vr. Steins über seine Forschungen in den Ruinen bei Niya finden sich einige interessante Einzelheiten. Er erzählt, daß durch die Ausgrabungen eine Anzahl sehr interessanter Gegenstände, welche die Handfertigkeit jenes untcrgegangcncn Volkes zeigen, und die meist aus Holz waren, zu Tage gefördert wurde. So fand man zerbrochene Waffen, häusliche Gerätschaften, ein musikalisches Instrument rc. Es zeigte sich, daß die letzten Bewohner oder deren Nachfolger von in den Häusern befindlich gewesenen Gegenständen alles beseitigt hatten, was einigen Wert besaß. Aber es gab noch Schutthaufen, und gerade deren Erforschung ergab Funde von großem antiquarischen Interesse. Am ergiebigsten in dieser Hinsicht war ein kleines, fast ganz zerstörtes Gebäude, in dem sich ein Naum befand, der mit einer festzusammengelagerten Masse von Schutt angefüllt war. Zwischen den Schichten, die aus zerbrochenen Töpfen, Filzlumpen und anderen Resten von Geweben, Leder- fetzen und Schutt gebildet waren, entdeckte man über Kundert Dokumente von Holz in allen Formen und Größen. Außer Tafeln, mit der indischen Kharoschtischrift bedeckt, fand inan kleinere Holzstückc, die mit chinesischen Charakteren beschrieben waren, ferner etwa zwei Dutzend Kharoschti- dokumente, die auf Leder geschrieben waren, ein Material, das man kaum zu finden erwarten konnte, als Rest der Habe einer buddhistischen Bevölkerung mit einer indischen Zivilisation. Viele von den ausgcgrabcnen Kharoschti- tafeln sind sehr gut erhalten und noch mit den Fäden und Wachssiegeln versehen, mit denen sic an einander befestigt waren. Man kann daran die Technik des Ge brauches von Holz als Schreibmaterial genau studieren. Augenscheinlich hat man es mit Briefen oder Berichten von einiger Bedeutung zu thun, denn jedes Schriftstück hat noch eine sauber geglättete Decktasel, auf der die Adresse oder der Inhalt angegeben sind Ein klug aus- gesonnenes System des Verschlusses mit Fäden und einem Wachssiegel verhinderte Unberufene, Einsicht von dem Schriftstücke zu nehmen. Die bemerkenswerte Sammlung von Wachssiegeln ist von besonderem Interesse, weil sie in überzeugender Weise erkennen läßt, daß die westliche Kultur bis in das entfernte Khotan vorgedrungen war. Ein häufig wiederkehrendcs Muster der Siegel, wahr scheinlich das eines Beamten, zeigt die Figur der Pallas Athene, mit Schild und Acgis, in griechischer Manier ausgeführt. Ein anderes Siegel zeigt die gut in reinen klassischen Linien ausgeführte nackte Aigur eines sitzenden Eros. Auf anderen Siegeln erscheinen Porträtköpfe in klassischer Ausführung, obgleich die Züge einen barbarischen Stempel tragen. Man erkennt den Einfluß der klassischen Kunst, der sich bis nach Vaktricn und an die Nordwcstgrenze Indiens erstreckt hat. Eine interessante Entdeckung machte Prof. Karabacek; er sand auf einem der erwähnten Siegel einen griechischen Text, augen scheinlich eine magische Formel, die ein Bildnis der Athene Promachos umgiebt. Ter Inhalt der Dokumente selbst dürfte manch neues Licht über ein Kapitel der Ge schichte und Zivilisation Zentralasiens verbreiten, das bis jetzt absolut dunkel war. Infolge der großen Zahl der Texte, des eigenartigen Charakters der Schrift und besonderer Schwierigkeiten, die in der Natur der Berichte begründet sind, wird ihre Entzifferung viel Zeit und Mühe erfordern Aber so viel ließ sich schon bei der ersten Prüfung an Ort und Stelle erkennen, daß die Sprache der Dokumente eine frühe Form des indischen Prakit, untermischt mit die willkürliche Verhaftung friedlicher deutscher und englischer Staatsangehöriger ein grober Bruch dcS Völkerrechts war, der für ihn die bittersten Folgen hätte haben müssen. Offenbar hat namentlich auch das energische Eintreten jenes amerikanischen Ge sandten viel dazu beigetragen, um Hrn. Castro die Augen zu öffnen. Nach einer vom Wolffschcn Bureau auSgegebenen privaten Depesche aus Caracas, die offenbar die venezolanische Zensur passiert hat, befinden sich die verhaftet gewesenen Deutschen wieder auf freiem Fuß. Dies wird durch ein Tele gramm des amerikanischen Gesandten in Caracas ver vollständigt, das die Freilassung sämtlicher deutschen und englischen Staatsangehörigen mittcilt. Tie Befreiung der in La Guayra verhafteten Deutschen und Engländer durch deutsche und englische Mariue- detachements (zu vergleichen die erste obige „Reuter"- Tepesche in Kleindruck) wird noch durch eine besondere Drahtnachricht des „Reuterschen Bureaus" aus La Guayra bestätigt; danach sind alle dort verhafteten Deutschen und Engländer freigelassen worden. Die Antwort der venezolanischen Regierung an Deutschland und England ist vorgestern durch den amerikanischen Konsul übermittelt worden; ihr Inhalt ist noch unbekannt. Es liegt jedoch bei der Lage der Sache nicht außer dem Bereiche der Wahrschein lichkeit, daß die Rückäußerung für die verbündeten Mächte nicht befriedigend ausgefallen ist. Ter deutsche Geschäftsträger und der englische Gesandte sind nach Trinidad abgereist. Auch weiß eine Depesche des „Newyork Herald" aus La Guayra zu melden, daß Präsident Castro einen Aufruf erließ, worin er die Wegnahme der Kriegsschiffe als eine von zwei der mächtigsten Nationen begangene unerhörte, ungerechtfertigte und unedle Handlung bezeichnet und erklärt, das Recht sei auf Seite Venezuelas. Zu gleich hat er eine Truppenmacht unter dem Befehl dcS Kriegsministers Ferrer nach La Guayra geworfen. Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus" sind dort gestern früh 2000 Mann unter Befehl Ferrers eiugetroffen. Im Hafen befindet sich das englische jkriegSschiff „Jndefatigable". Nach einer weiteren Meldung werden in La Guayra außer den 2000 Mann, die unter Ferrer dort eingetroffen sind, noch 800 Mann unter dem Befehle des Bruders des Präsidenten Castro erwartet. Der letztere hat cs sogar verstanden, die Bevölkerung von Caracas durch sein agitatorisches Benehmen dermaßen in Erregung zu versetzen, daß sie sich Hinreißen ließ, einen Angriff auf die Ge sandtschaft und das Konsulat des Deutschen Reiches zu machen. Ter deutsche Konsul wurde dann ver haftet, jedoch wohl bald wieder frcigclassen Der „Berl. Lok. Anz" erhält über die Vorgänge folgende Privat- Kabcltclegramme: New-Port. Gestern kam cs in Caracas zu Demon strationen gegen die Engländer und gegen die Deutschen. Präsident Castro hielt eine Ansprache an die Bevölkerung, die dann die Fenster der deutschen Gesandtschaft und des deutschen Konsulats einwarf. Tie deutsche Flagge wurde öffentlich verbrannt. Der deutsche Konsul wurde verhaftet, aber aus Betreiben des amerikanischen Gesandten wieder frei- gegeben. London. Aus Caracas wird gemeldet: Ter Pöbel be warf die deutsche Gesandtschast mit Steinen und versuchte, glücklicherweise vergeblich, die Thure zu erbrechen. Man hegte Besorgnis, da Frau v. Pilgrim-Bnltazzi, die Gattin des deutschen Gesandten, krank in dem Gebäude lag; sie war außer stände gewesen, ihrem Gatten auf das Kriegsschiff zu folgen. Die venezolanische Regierung hat bekanntlich die britische La Guayra-Bahn, sowie die deutsche Zentral- bahn mit Beschlag belegt, nnd Präsident Castro Sanskrttwenduugcn, ist. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die meisten von ihnen amtlichen Charakters sind und Geleitsbriefe, Befehle, Korrespondenzen rc. enthalten. Es finden sich aber auch solche mit privaten Mit teilungen und Berichten. Religiöse Texte, Gebete rc. mögen auf einigen der langen Tafeln stehen. Viele von den Dokumenten tragen genaue Daten, in denen das Jahr ihrer Herstellung mit dem RegicrungSjahr eines bestimmten Herrschers bezeichnet ist. Dadurch wird man in den Stand gesetzt sein, einen Teil der histori schen Chronologie des Landes wieder herzustellen. Aber was immer für interessante Einzelheiten noch entdeckt werden mögen, eine wichtige historische Thatsache steht bereits unzweifelhaft fest. Der Gebrauch einer indischen Sprache in der Mehrzahl der Dokumente bestätigt in auffallender Weise die alte Tradition, von der Hyuen Tsianq berichtet, daß das Land Khotan erobert und kolonisiert wurde durch indische Einwanderer, die zwei Jahrhunderte vor Christus aus dem Pcndschab kamen. Es ist bezeichnend, daß die Kharoschti-Schrift, die in den Dokumenten angewendet ist, in dem Lande gebraucht wurde, das die Alten „Taxila" nannten, und welches in der oben genannten Tradition als die eigentliche Heimat jener Einwanderer bezeichnet wird. Es ist seltsam, daß die Ruinen einer Ansiedelung, fern im barbarischen Norden, umgeben von dem, was in der indischen Mytho logie als „der große Sandozean" bezeichnet wird, erst nach etwa zweitausend Jahren die ältesten geschriebenen Dokumente herauSgegebcn haben, und zwar solche von rinem Typus, wie sie in Indien selbst noch nicht an» Licht gekommen sind Ebenso seltsam ist cs, aber durch die geschichtliche Verbindung zwischen Khotan und China leicht erklärlich, daß man auch die ältesten chinesischen geschriebenen Berichte mit vorgefundcn hat. Die Vermutung liegt nahe, daß diese An siedelungen schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeit-
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