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Dresdner Journal : 08.10.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190210086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19021008
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19021008
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-08
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 08.10.1902
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vtiu««»rei»: Vei» Vezuge durch die chefchästußeSt iuuerßut» Pr»»,« 2,so M (riuschl- Zuttaguna), durch die im Deutschen Reiche » M. (ausschließlich Bestellgeld) vierteljährlich. Linjelue Nummern 10 Ps. Mrd Zurücksrnduna der sär die Schrift! ertung desiimmlr», aber von dieser nicht ein» gesorderten Bettrüge bean sprucht, so ist das Postgeld bei^ufügen. Dresdner W Zmrnal. Hera«gegeben von der Königl. Expedition de- Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Rr. 1295. Krscheinen: Werktags nachm. ü Uhr. Aukstndignngsgebsthren: Die Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Ankündi- gungS-Stite oder derenRaum 20 Pf. Bei Tabellen- und Ziffernsatz » Pf. Ausschlag für die Zelle Unterm Re- daktionsstrich (Lingesandt) die Textzeile mittler Schrift oder deren Raum so Pf. Srbühren»Ermäßigung bei öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bi« mittags 12 Uhr für die nach- »littogS erscheinende Nummer. W234 1902 Mittwoch, den 8. Oktober nachmittags. Amtlicher Teil. Sr. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Postpackmeister Händel in Leipzig das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zn genehmigen geruht, daß der Kaufmann Gustav Gott fried in Leipzig den ihm von Sr. Hoheit dem Her zoge von Anhalt verliehenen Titel Herzogl. Anhal- tischer Kommerzienrath annehme und führe. (BehSrdl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Der Gruudcharakter dtr Zolltarisvorlagk. In den Erörterungen über die Zolltarifvorlage kommt, soweit es sich um die Tagespresfe handelt, in erster Linie und stellenweise fast ausschließlich der wirtschaftliche Jnteressenstandpunkt oder die partei politische Stellung zum Ausdrucke. Hier werden Agrar- und Jndustriezölle gegeneinander abgewogen; dort wird gegen die Erhöhung der landwirtschaft lichen Zollsätze im Interesse der Konsumenten an gekämpft, und von anderer Seite wiederum verlangt man eine Fortführung der bis herigen Handelsvertragspolitik auf Grund unseres gänzlich veralteten und unbrauchbaren Ge neraltarifs. Es wird nicht zu bestreiten sein, daß jeder dieser Standpunkte zu einer einseitigen Be urteilung der Zolltarifreform führen muß und daß schließlich in dem herüber und hinüber wogenden Kampfe der Grundcharakter dieser wichtigen natio nalen Reform verdunkelt wird. Bevor die zweite Lesung der Vorlage im Reichstags-Plenum beginnt, scheint uns der weder von parteipolitischen Vorurteilen noch von wirtschaftlichen Sonderinteressen beeinflußten Presse die Aufgabe obzuliegen, die große nationale Frage der Zolltarifreform aus dem verdunkelnden Meinungsstreite herauszuheben und ihren Charakter wie ihre Ziele klarzustellen. Schon bald nach dem Abschlusse der jetzt noch in Kraft stehenden Handelsverträge hatte der um ihr Zustandekommen sehr verdiente damalige Staats sekretär des Auswärtigen Amts, Frhr. Marschall v. Bieberstein, im Reichstage erklärt, daß es, bevor wiederum in Handelsvertragsverhandlungen eingetreten würde, unbedingt notwendig sei, unsern Generaltarif umzugestalten, da er sich namentlich in bezug auf sein Schema als unbrauchbar erwiesen habe. Es wurde hierauf auch innerhalb des Bundesrats alsbald in Erwägungen über eine Zolltarifreform eingetreten, und als unmittelbare praktische Maßnahme erfolgte bereits im Jahre 1897 die Berufung des Wirtschaft lichen Ausschusses, dessen Aufgabe cs war, einen allseitig befriedigenden Weg znr Regelung unserer handelspolitischen Beziehungen zum Auslande zn suchen. Diese Aufgabe wurde unter Mitwirkung von Ver tretern und besonders hcrangezogencn sehr zahlreichen Sachverständigen aus allen Erwerbsständen nach langer und mühevoller Arbeit insofern gelöst, als dem Bundesräte eine Grundlage geliefert wurde, auf der dieser unter Berücksichtigung der Landesinteressen der Einzelstaaten das Reformwerk aufbaucn konnte. Maßgebend für die Reform waren dem Bundesräte drei Gesichtspunkte: 1. ein gleichmäßiger Schutz der vaterländischen Erzeugnisse auf gemeinsamer Grund lage unter besonderer Berücksichtigung der in großer Notlage befindlichen Landwirtschaft, 2. die Aus gestaltung des Tarifs zu einer möglichst geeigneten Basis für Tarifverhandlungen mit dem Auslande und 3. die Förderung des Gemeinwohles. Dieser drei großen Gesichtspunkte also wird man sich auch bei der Beurteilung der Zolltarifvorlage bewußt bleiben müssen. Das Verhältnis zwischen den Tarifsätzen für landwirtschaftliche und industrielle Erzeugnisse haben wir bereits wiederholt beleuchtet. Wir können deshalb bei dieser Gelegenheit uns auf die Feststellung beschränken, daß es eine irrtümliche Anschauung ist, wenn behauptet wird, in dem neuen Entwürfe werde die Industrie auf Kosten der Land wirtschaft bevorzugt. Auf der anderen Seite aber muß hervorgehobcn werden, daß das landwirtschaft liche Gewerbe zu seiner Erhaltung, die unbestreitbar im Interesse des Gemeinwohles liegt, desjenigen wesentlich erhöhten Zollschutzcs bedarf, der ihm durch den neuen Zolltarif zugewiesen werden soll. Es ist Thatsache, daß die Industrie unter der Herrschaft des geltenden Generaltarifs einen glänzenden Auf schwung genommen hat, während sich Jahr um Jahr die landwirtschaftlichen Zollsätze im alten Tarif als unzulänglich erwiesen haben. Eine einfache Ver längerung des jetzigen zollpolitischcn Zustandes auf längere Dauer ist demnach ausgeschlossen. Wer also der richtigen Meinung ist, daß für unser Handcls- und Jndustriegewerbe langfristige Tarifverträge not wendig seien, wird der Landwirtschaft den höheren Zollschutz zubilligen und für die Vorlage cintreten müssen. Der Bundesrat, dessen zuverlässige Sachkunde auf diesem Gebiete außer Zweifel steht, hat bei der Ausgestaltung des neuen Tarifs dafür Sorge ge tragen, daß er das Zustandekommen neuer Handels verträge gewährleistet Die aus Handelskreifen ge äußerten Bedenken, daß der Entwurf neuen günstigen Verträgen hinderlich sein würde, sind daher jedenfalls hinfällig. Von feiten der Handelsvertragsfreunde giebt man sich der irrigen Anschauung hin, es handle sich bei künftigen Vcrtragsverhandlungcn lediglich um die Regelung der handelspolitischen Beziehungen zwischen den alten europäischen Bertragsstaaten. Be kanntlich ist das aber nicht der Fall. Für die Besserung unserer heimischen Wirtschaftslage und für die Besserstellung unserer vaterländischen Erzeugnisse im internationalen Wettbewerb kommen auch die jenigen überseeischen Länder in Betracht, mit denen wir in einem Mcistbegünstigungsverhältnisse uns bc finden und die darum an den allen übrigen Ländern gewährten Zugeständnissen teilnehmen, ohne uns Gegenkonzessionen zu machen. So lange also der jetzige handelspolitische Zustand währt, ist eine Regelung der Handelsbeziehungen mit jenen Meist begünstigungsstaaten nicht möglich und der uns von dort zugefügte Schaden nicht abwendbar. Die Zolltarifvorlage kann also — rein sachlich betrachtet — für alle diejenigen als eine Einigungs grundlage gelten, die auf dem Boden des Schutzes der nationalen Arbeit stehen und das Zustandekommen von neuen, unserem Wirtschaftsleben günstigen Handelsverträgen wünschen. Aber auch das ganze deutsche Volk ist an dem friedlichen Aus gange der Zolltarifreform interessiert. Es würde dadurch nicht nur endlich der erbitterte, unser nationales Leben schädigende Interessen kampf beendigt, sondern auch der Grundstein ge legt für ein gutes Gedeihen unserer vaterländischen Arbeit und damit für die Hebung unseres Volks wohlstandes. Ohne das bewährte Schutzzoll system, dessen Lücken nunmehr ausgcfüllt werden sollen, würde sich das Deutsche Reich niemals zu der wirtschaftlichen Macht von heute haben auf schwingen, würde es die gewaltigen sozialpolitischen Aufgaben niemals haben lösen können. Die Zoll tarifreform ist darum auch ein wichtiges nationales Werk, dessen Zustandekommen jedem Deutschen am Herzen liegen muß. Der Vertrag zwischen Frankreich und Siam. In dem gestern im Elysee abgehaltenen franzö fischen Ministerrate teilte der Minister des Aus wärtigen Tclcasss mit, er habe vormittags mit dem Gesandten von Siam einen Vertrag unterzeichnet, der die zwischen Frankreich und Siam schwebenden Fragen regele. Dieses Abkommen, das angesichts der kürzlich verbreiteten Nachricht von der erfolgten Anbahnung einer französisch englischen Verständigung etwas überraschend kommt, ist für die Entwickelung der Verhältnisse im südöstlichsten Asien von nicht unerheblicher Bedeutung. Es enthält nach der bis her vorliegenden Drahtmcldung nachstehende Be stimmungen: Frankreich erhält die Provinzen Malpurci und Bas- sak, sowie das Gebiet am Großen See zwischen dem Proluos (?) und dem Prekompongtiam (?) -Flusse. Die französischen Truppen räumen Tschantabun; Siam er hält das Recht, Truppen nach verschiedenen Punkten auf dem rechten Ufer des Mekong, die Siam verbleiben, zu entsenden, doch ausschließlich siamesische, von siamesi schen Offizieren befehligte Truppen. Siam darf ferner in dem siamesischen Teile des Flußbettes des Mekong Häfen, Kanäle und Eisenbahnen bauen, doch mit siamesi schem Personal und unter siamesischer Leitung. Ohne Zustimmung der französischen Regierung darf keine Differenzialabgabe für die Benutzung der Häfen, Kanäle und Eisenbahnen in dem Gebiete des Mekong und in ganz Siam erhoben werden. Asiaten, die auf französi schem Gebiete geboren sind, oder unter französischem Schutze stehen, sowie deren Kinder, können wie französi sche Staatsangehörige in die Listen der französischen Ge sandtschaft und der französischen Konsulate in Siam ein getragen werden. Bezüglich anderer Asiaten sollen Frankreich dieselben Rechte zustehen, die Siam anderen Machten eingeräumt hat. Die Einwilligung Siams in den Vertrag dürfte im wesentlichen durch die Rückgabe von Tschantabun erlangt worden sein. Nach der englisch-französischen Vereinbarung des Jahres 1896 hatten die Franzosen Tschantabun besetzt, um ein Unterpfand für die Räumung der in diesem Vertrage fcstgcstclltcn neutralen Zone am Mekong seitens der Siamesen zu haben Die Besetzung dieses nahe am Meere und unweit der Hauptstadt Bangkok gelegenen Platzes durch die Franzosen hat seinerzeit die siamesische Bevölkerung ziemlich erregt und dem englischen Ein flusse Vorschub geleistet. Tie Bereitschaft zu einer friedlichen Räumung wird denn auch von den Pariser Rcgierungsorganen für eine den französischen Interessen eher nützliche Maßnahme erklärt, weil damit die wichtigste Ursache der Mißstimmung Siams beseitigt erscheine. Wenn Frankreich damit einen gewissen Einfluß in Bangkok erkaufe — und einen guten Anfang bedeute die Berufung aus schließlich französischen Personals für das zu er richtende siamesifche Gesundheitsamt — werde kein verständiger Franzose dieses Arrangement mißbilligen. Die Entschädigung, die Frank reich sonst für die Räumung erhält, fällt unter diesen Umständen um so mehr ins Gewicht. Abgesehen davon aber hat gerade der Besitz der Provinzen Maluprei und Bassak im Kambodja- Gebiete einen sehr großen Wert für die Kolonie. Von dem sogenannten großen See besaßen die Franzosm bisher nur die östliche Hälfte, der Ver trag macht den See zu einem ausschließlich fran zösischen. Zur geographischen Erläuterung sei be merkt, daß durch den neuen Vertrag die Südwest spitze Kambodjas, das ganze Gebiet zwischen dem 11. und 13. Grad nördlicher Breite, in französischen Besitz übergeht. Die Franzosen erhalten einen Ge bietszuwachs von etwa 3000 «zstw, und zwar wird durch den Vertrag die Westgrenze des französischen Besitzes bis beinahe zu der Linie Norstwestspitze des großen Sees — Tschantabun, die Südgrenze bis znr Küste vorgeschoben. Siam erhält durch die neue Vereinbarung das Recht, Truppen nach verschiedenen Punkten des Mekongufers zu entsenden, während es nach dem früheren Vertrage mit Frankreich hier eine neutrale Zone herzustcllen hatte. Bemerkens wert ist in dem Vertrage auch die Abmachung über die Tifferenzialabgaben; es handelt sich hier, wie zutreffend bemerkt wird, um die Aufhebung einer Art siamesischen „Likins", Tie neue Vereinbarung scheint geeignet zu sein, den Engländern eine gewisse Enttäuschung zu be reiten. Siam wird durch den Vertrag wirtschaftlich ge kräftigt; die Siamesen können sich jetzt im Osten ihres Reiches bcthätigen, und die Franzosen werden ihnen dabei nicht hinderlich sein. Tie heutigen Londoner Morgeublättcr besprechen das Abkommen mit großer Zurückhaltung und wollen den genauen Wortlaut ab- warten. „Standard" und „Daily Cronicle" glauben nicht, daß ein direkter Konflikt mit den englischen Rechten in ihm vorliege. Tagesgeschichte. Dresden, 8. Oktober. Ihre Majestät die Königin-Witwe wird Sich morgen, Donnerstag, vormittag zu einem etwa vierwöchigen Aufenthalte nach Schloß Sibyllcnort in Schlesien begeben. Ihre Königl. Hoheit die Frau Gräfin von Flandern, Höchstwclche zur Zeit zu Besuch in Villa Strehlen weilt, wird Ihre Majestät nach Sibyllcnort be gleiten und voraussichtlich bis 12. dss. Mts. dort- selbst verbleiben. Im Allerhöchsten und Höchsten Gefolge werden sich befinden: Frau Oberhofmeisterin v. Pflugk, Exc., Hofdame Gräfin Reuttner v. Weyl, Hoffräulcin v. Abeken und Oberhvfmcistcr Wirkl. Geh. Rat v. Malortic, Exc., sowie Hofdame Gräfin van der Burch und der Ordonnanzoffizier Oberst leutnant Terlinden. Dresden, 8. Oktober Ten zur Zeit in Frank furt a M. stattfindcnden nationalen und inter nationalen Konferenzen der Vereine zur Be kämpfung des Mädchenhandels wohnt als Vertreter der Königl. Sächsischen Regierung der Polizeipräsident von Dresden Le Maistre bei. Dresden, 8. Oktober. In Nr. 10 seines Verord nungsblattes veröffentlicht das Evangelisch-luthe rische Landeskonsistorium eine Beiordnung, nach der auf Antrag der VII. ordentlichen Landessynode das Gehalt der Hilfsgeistlichcn, neben dem noch ein ent sprechendes Wohnungsgeld oder Freiwohnung zu ge währen ist, vom 1. Juli d. Js. ab von 1500 M. auf 1800 M. erhöht worden ist, soivie eine Verordnung wegen Einschaltung einer Fürbitte in das allgemeine Kirchengebet für die Arbeiten des demnächst zusammen- trctenden Reichstags. In derselben Nummer empfiehlt das Evangelisch-lutherische Landeskonsistorium die im Berlage von Arwed Strauch in Leipzig erscheinende „Neue Sächsische Kirchcngalerie", wovon bereits die Ephorien Leisnig, Freiberg, Oschatz, Schneeberg und Zwickau vollständig, Meißen und Chemnitz I und II teilweise zur Ausgabe gelangt sind; ferner das vom Kunst und Wissenschaft. Aus den Berliner Kunstsalons. Die große Berliner Kunstausstellung am Lehrter Bahnhof und die kleinere Ausstellung der Sezession in der Kantstraße sind beide mit einem Defizit vom Schauplätze der Betrachtung verschwunden. Das Defizit aber, das in den letzten Jahren das sichere Ergebnis fast jeder Ausstellung war, will nicht heißen, daß Kunstintercssen und Kunstbcstrcbungen im Rückzüge begriffen sind. Wir haben im Gegenteil in Berlin unter einer erdrückenden Fülle der künstlerischen Produktion — zu leiden, wenn das Wort erlaubt ist. Wir sehen in den zahlreichen Kunstsalons die Wände bis an den Sims behangen mit neuen Schöpfungen Die Serien wechseln in der Regel alle vierzehn Tage bis vier Wochen. Es geht ins Un geheure, was hier in einem Winter an Kunstwerken auf- aestapelt wird. Die dramatische und die musikalische Produktion steht weit zurück hinter dieser Fruchtbarkeit der bildenden Kunst. Und alles, was gezeigt wird, ist relativ gut, hat ein eigenes Gepräge, eine eigene Wirkung. Die Landschaft dominiert; das Porträt und das Interieur begnügen sich mit einem geringen Anteilsatz. Ein ge sundes Charakteristikum für die Wünsche nach dem Farbenreichtum der Natur. Die erfahrene Kunst übt sich in den Feinheiten des Porträts und versenkt sich in Stimmungen, und die naive künstlerische Sinnlichkeit quillt Farbenharmonien hervor, vom Sonnenstrahl und dem Licht des blauen Himmels überschüttet. Beide be stehen »u Recht, und beiden verschaffen erst die Kräfte der Persönlichkeit ihren Wert. Bei Eduard Schulte, Unter den Linden, hat Han» Fechner eine Reihe neuer Porträt« ausgestellt. Alle von gefälliger, liebenswürdiger Wirkung, wenn auch ohne tiefe Kraft. Am charakteristischsten in allen ist die Pose; durch sie erhalten die Bilder gleich von vorn herein eine innere Lebendigkeit, wie sie sich im eigent lichen Bilde nicht immer deutlich und springend aus prägt. Das schärfste der Porträts und das geistreichste ist das Bild der Frau M.; eine feine psychologische Studie und von wundervoller Pose. Tas Bild des Kronprinzen ist flott gemalt und prächtig beleuchtet. Das frifche, jugendliche, unbesorgte Wesen des Kron prinzen leuchtet aus jedem Strich der Gcsichtszüge sym pathisch hervor. Im selben Saale hat Emile Claus Landschaften ausgestellt: Licht- und Luftexperimente, an die Malweise Segantinis erinnernd. Dick aufgetragene, leuchtende Farbcnstrichelchen, mit einem dünnen Pinsel aneinander getupft, eine Manier, die nur die Vollendung des talentvollen Jtalicncrs zu harmonischem Farbenrausch bilden konnte. Claus' Landschaften sind hell und glänzend, doch durch die einseitige Verwendung nur Heller Farben oft eintönig. Von Müllcr-Kurzwelly hängt eine Winterlandschaft im Saale, die der Stimmung entbehrt. Jules Potwins (Brüssel) Porträt „Im Theater" ist grotesk und herb; sein Porträt „Nach dem Tanze" ist ruhiger und feiner. Der Norwege G. A. Fjanstad bringt einige Schneelandschaftcn, die andere schön finden mögen. Kalte Bilder ohne Luft und Licht; merkwürdige Launen. Allein die „Berglandschaft" ist schön und eben, von ruhiger, feierlicher Wirkung. Lebendig und plastisch sind auch noch die Fichten rm „Fürstenmald". Alles andere ist jedoch malerische Laune, Episode. Von Hans Bohrdt sieht man ein tolles Wellengetriebe am Strande der Insel Sylt, und ron Hans Thoma ist ein un bedeutendes Bild „Pan und Mädchen" da, eine humor lose Scene in Braunmalerei. Auch mit den dunkeln, aufdringlich gemalten Mond- und Abcndlandschaftcn von Kallstenius wird man sich nicht sonderlich befreunden können. Im Künstlerhause jin der Bellevucstraße ist die Auslese besser. Besonders die aus dem FontanehauS in der Potsdamer Straße dorthin übcrgcsiedelte Mathilde Rabl hat eine Reihe Bilder von gutem Geschmack mit gebracht. In den beiden Zimmern, die sie sich für ihren Salon reserviert hat, hängen eine Serie stimmungs- rcichcr, herbstlich herber und schöner Landschaften von Franz Lippisch, eindrucksvolle Bilder vonO. H. Engel, eine ganz kleine meisterhafte Studie von Leibl, ein wunderlicher, bizarrer Hendrich, Bilder von Hamacher, Günther Naumburg, Hans Herrmann, Radie rungen ron O. Protzen, stehen zwei Büsten von M. Schauß und eine junge Löwin des Meisters Gaul. Die Zimmer sind eng und nicht sonderlich hell; die Bilder sind dicht auseinander gerückt und verlieren durch die schnacke Beleuchtung. Aber die Auswahl der Bildcr^ist eine ausgezeichnete Jedes hat seinen künst lerischen Wert und Reiz; in jedem steckt eine starke Individualität. Und daö ist immer das beste, was uns im Kunstwerk geboten werden kann. — Die Bilder in den großen Hellen Sälen zeigt uns der „Verein Berliner Künstler". Alb. Bcsnards Kolossal- gcmälde „die glückliche Insel" überragt die anderen an räumlicher Größe und Breite aber nicht an künst lerischer Eigenart und Größe' Das Bild ist wüst und leer. Die Dimensionen der Fläche übertünchen nicht die Eintönigkeit des künstlerischen Inhalts. Das letzte und ergreifendste Bild des Saales ist G. Melchers „6hristuS und die Jünger ron Emmaus". Christus teilt mit den beiten von Emmaus das Brot und wird von ihnen erkannt. Es ist eine dramatische Spannung in dem Bilde und eine tiefe Feierlichkeit, die die persönliche Charakteristik des einzelnen zu einem hohen ethischen Momente erhebt. Das gesättigte und erstaunte Philister tum der Jünger steht dem schlanken Idealismus Christi gegenüber. Das Bild ist von herrlicher Pracht; keines herum erreicht mit allen glänzenden malerischen Mitteln diese innerliche Wirkung. In Fouries „Eva" stört die schlechte Stellung des rechten Beines; in Burmester» „Meeresstille" und in I. Alberts klaren Landschaften erfreut die Stille, die eine bedeutende Wirkung schafft. Die Franzosen hat man diesmal zahlreich cingeladen. Jeanniot, Maillaud, Pichot, Maurin, Besson und andere begegnen wir unter den Zeichnern, Maillaud, Douzette, Daubigny mit sehr schönen Stücken unter den Malern. Von M. de Munkaczy ist ein feines Interieur „Groß vater schläft" ausgestellt. Bruno Pinkows, des beliebten Porträtisten und Landschaftsmalers, Privatausstcllung in seinem Atelier in der Wichmannstraße erfreute sich in letzter Zeit hoher Besuche. Pinkow bietet in seinem originellen Heim einige durch ihre Licht- und Farbenwirkung frappierende Neufchöpfungen. Keller und Reiner an der Potsdamer Brücke, die bis zur Thürklinke Modernen, zeigen »>ls Clou Melchior Lcchtcrs Ricfengemäldc „Die Weihe am mystischen Oucll", das für das Kunstgewerbemuseum in Cöln be stimmt ist. Ein Bild, das blendet, vor dem man eine Zeit lang ohne ein bestimmtes Gefühl und Empfinden steht. Der Titel klingt gesucht; wenn man ihn das zweite Mal hört, klingt er banal, und schon ist ein Vorurteil für das Bild entstanden. Die goldenen Säulen des Brunnens erscheinen maniricrt, die dürren Gestalten mit ihrer steifen Pose sind körperlos. Tie feine Zeich nung wird bewundert; aber der künstlerische Inhalt dieses Bildes hat etwas gesuchtes, erkünsteltes, erklügeltes an sich. „Die Weihe am mystischen Oucll." Der Pilger, der die Züge Tantes trägt und die Pose der Düse in sich hat, empfängt von der Priesterin des mysti schen Brunnens den heiligen Trank Roter Abcndhimmel leuchtet über dem Haine und färbt das Wasser. Das Bild ist ein Triptychon So verzückt ist die romantische, weltferne Schwäche Macterlinks und Stefan Georges. Fleischlos und leichnamsbleick sind ihre Gestalten; auch diese hier auf dem Bilde Melchior Lechters sind es. Eine Kunst, nicht aus dem Verhältnis zu Natur und
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