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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 5. Dezember 1959, 19.30 Uhr Sonntag, 6. Dezember 1959, 19.30 Uhr 1. Außerordentliches Konzert • Dirigent: Prof. Heinz Bongartz Solist: Prof. Horst Liebrecht, Weimar (Klavier) Ludwig van Beethoven 1770—1827 Sinfonie Nr.2, D-Dur, op. 36 Adagio molto — Allegro con brio Larghetto Scherzo, Allegro Allegro molto Richard Strauss 1864—1949 Sergej S. Prokofjew 1891—1953 Burleske für Klavier und Orchester, d-Moll PAUSE Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3, op. 26 Andante — Allegro Andantino (Thema und Variationen) Allegro ma non troppo Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 2, D-Dur, op. 36 Sie wurde in den Sommermonaten des für Beethoven so schicksalhaften Jahres 1802 in Heiligenstadt bei Wien vollendet. Während der Meister im Jahr zuvor noch hoffen konnte, von seinem sich täglich verschlimmernden Gehörleiden befreit zu werden, wurde es ihm jetzt zur schrecklichen Gewißheit, daß er sein Gehör bald vollständig und für immer ver lieren würde. Wenige Wochen nach Vollendung der zweiten Sinfonie schrieb Beethoven den unter dem Namen ,,Heiligenstädter Testament“ bekannt gewordenen Brief an seine beiden Brüder, der sein verzweifeltes Ringen mit dem grausamen Schicksal widerspiegelt. ,,Es fehlte nur wenig, und ich endigte selbst mein Leben —“ heißt es darin; „nur sie, die Kunst, sie hielt mich zurück, ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte . . . Empfehlt euren Kindern Tugend, sie nur allein kann glücklich machen, nicht Geld, ich spreche aus Erfahrung, sie war es, die mich selbst im Elende gehoben, ihr danke ich nebst meiner Kunst, daß ich durch keinen Selbstmord mein Leben endigte . . .“ Es spricht für die menschliche Größe Beethovens, daß er in dieser Zeit schwerster persönlicher Kämpfe ein so heiteres, lebensbejahendes Werk schrieb, in dem man nur wenig von dieser Krise spürt: die zweite Sinfonie. In ihr trium phiert das Licht, wenn auch die Schatten jener qualvollen Zeit nicht fehlen. Nach einer ausgedehnten, in ihrer Grundstimmung düsteren langsamen Einleitung bricht das helle D-Dur, Hauptthema des ersten Satzes, überraschend aus dem Dunkel hervor: Lange hat Beethoven um die endgültige Gestaltung des sich so einfach gebenden Themas gerungen. Das marschartige zweite Thema in A-Dur hat heroischen Charakter und erinnert an die signalartigen Themen der französischen Revolutionsmusik. Wie die langsame Ein leitung so ist auch die Durchführung des ersten Satzes (Sonatenform) im Vergleich zur ersten Sinfonie breiter angelegt. Die energische Anlauffigur (a) des ersten Themas löst sich bald von diesem und wird zu einem neuen Keim der Entwicklung. Danach übernimmt das marschartige zweite Thema das Geschehen, bis die gebieterischen Schläge der Adagio-Ein leitung zur Reprise überleiten. Eine volksliedhaft anmutende, innige Streichermelodie (aus einem Motiv der langsamen Einleitung entwickelt) eröffnet den zweiten Satz. Sie hat gewissermaßen zwei Strophen, die wechselweise von den Streichern und Holzbläsern vorgetragen werden. Ein anmutiger Seitengedanke schließt sich an, weitere folgen und beschwören eine Fülle glücklicher Bilder herauf, auf die nur in der Durchführung des ebenfalls in Sonatenform gehaltenen Satzes gelegentliche Schatten fallen. Während der dritte Satz der ersten Sinfonie noch die Überschrift „Menuette“ trug, erhielt der entsprechende Satz der „Zweiten“ zum ersten Mal in einer Sinfonie Beethovens die Bezeichnung ,,Scherzo“. Damit beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte dieser Gat tung. Mit großer instrumentatorischer Meisterschaft wird im Scherzo der zweiten Sinfonie ein kurzes Motiv (man kann es auf ein ins Scherzhafte umgedeutetes Motiv aus dem Haupt thema des langsamen Satzes zurückführen) zwischen den verschiedenen Instrumentengrup pen hin und her geworfen. Im Mittelteil (Trio) überrascht das nach D-Dur unvermittelt eintretende Fis-Dur, das die Terzverwandtschaft zwischen beiden Tonarten auf engstem Raum demonstriert. Strahlende Heiterkeit und Lebensfreude klingen aus dem Finale der Sinfonie. Man wird an Beethovens Worte aus dem Vorjahr, die er seinem Freund Wegeier schrieb, erinnert: „Oh, es ist so schön, das Leben tausendmal leben!“ — Formal gesehen ist das Finale wiederum ein Sonatensatz. Das Hauptthema beinhaltet einen energisch aufbegehrenden Vorder- und einen besänftigenden Nachsatz: Dieser Gegensatz wird zur treibenden Kraft des wirbelnden Schlußsatzes, dessen stürmi schen Ablauf auch die ruhigeren Seitenthemen nicht aufzuhalten vermögen und der in einer jubelnden Coda ausklingt. Richard Strauss: Burleske für Klavier und Orchester in d-Moll Im Jahre 1885 wurde der einundzwanzigjährige Richard Strauss als Musikdirektor nach Meiningen verpflichtet. Hier beginnt seine glänzende Dirigentenlaufbahn — Strauss war übrigens auf diesem Gebiet völliger Autodiktat —, deren spätere Stationen München, Wei-