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Dresdner Journal : 26.04.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190204268
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19020426
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19020426
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-04
- Tag 1902-04-26
-
Monat
1902-04
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 26.04.1902
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Zwette Beilage zu ^5 95 des Sonnabend, 26. April 1902, nachm. Veulscher Reichstag. 174. Sitzung, Freitag, li April, 1 Uhr Am Tisch« de« Bundesrat«: Staatssekretär vr. Gras ». P»sadow»ky Wehner. Präsident Gras valeftre» eröffnet die Sitzung und «eilt mit, daß der Großdtizog voi, Baden warmen Dank für da« Glückwunschtelegramm de« Reichstag« in herzlicher Weise tele graphisch au-gedrückt habe. Aus der Tagesordnung steht die dritte Lesoug der Seew»nn«ordnung und der zugehörigen Rebengesetze. In der allgemeinen Besprechung ergreift da« Wort Adg Frese (srj Vgg): Ich hoffe, daß die Seemann«, «daung zur Veravschiedung kommt; sie legt den Reedereien zwar große Lasten aus, aber diese wollen sie um der See» lerrte willen gern tragen Disziplin sittlich muß im Inter» esse de« Dienste« ausrechterhalten werden und auch um die deutsche Reederei aus ihrer Höhe zu erhalten, daß sie in de» letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht hat, ist erst jüngst von hervorragendster sachverständiger Sette in Amerika hervorgehoben worden, sowohl in Brzug auf »onstruktto« und Liarichtungen, wie aus LeistungSsähigkeit ist danach die deutsche Handelsflotte allen anderen überlegen. Man hat die deutjchen Schiffe jetzt so zu konstruieren sich bemüht und ver standen, daß die namentlich in Häsen häufig vorkommeaden und gefährlichen Kollisionen, wenn nicht vermieden, so doch unschädlich gemacht werden. Die neuerlichen Pressemeldungen, daß unsere großen transozeanischen Reedereiflrmen sich dem übermäch igen Einfluss« fremder Reedereien beugen müssen, sind völlig unrichtig. (Beifall.) Abg Metzger (Soz ): Die Stellung der Reeder zu den Schifflleuttn folgt recht klar au« der Bemerkung, die in einer Sitzung de« Nautischen Verein« auigesprochen wurde: Wir »erden dafür sorgen, daß die nächste Seemanu«ordnung noch »icht auf rotem Papier gedruckt wird. Wir stehen der Vor- läge mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber. Line große Zahl von Bestimmungen, die den Seeleuten zum Vorteil ge reichen, find io der ersten Lesung der Kommission an genommen, in ihrer zweiten Lesung aber und dann auch hier im Plenum abgelehnt worden Unsere Forderungen für Ge staltung der Seemann-ämter sind nicht anerkannt worden. Die Sonntagsruhe der Seeleute hat sich auch in der zweiten Kowmission-beratung ziemlich günstig gestaltet, jetzt aber ist wenig davon übrig geblieben. Bleibt da« Seeklarmachen am Sonntag gestattet, so sind die SonntagSruhebrstimmungen ein Messer ohne Hest und Klinge. Auch bezüglich der Arbeitszeit haben wir nicht genug erreicht. Bezüglich de« DiSziplinarbegriffeS soll ein ordentlicher See mann erklärt hrben, er fühle sich nur an Bord des Schiffe« wohl; aber keiner unserer darauf bezüglichen Anträge ist ge- rigue«, die Disziplin auch nur im geringsten zu schädigen. Gerade der DiSztplin ist ja in hohem Grade der große Auf schwung der deutschen Reederei zu danken. Bon der Stellung de- Hause« zu unseren Anträgen in der dritten Lesung wird e» abhäagen, ob wir der ganzen Vorlage zustimmen können; namentlich gilt da« von den Bestimmungen über die KoalitionS- freiheit Wenn hier nicht die Mindestforderungen de« KoalitionS- rechtS den Seeleuten bewilligt weiden, werden wir alle geschäst«- und ordnungsmäßig zulässigen Mittel anwenden, nm das Gesetz zu Falle zu bringen. Bedenklich ist auch, daß für die Prüfung der Seetüchtigkeit der Seeschiffe nicht einmal ebenso strenge Anforderungen gestellt werden sollen, wie be züglich der doch wesentlich weniger gefährdeten Flußschifferei- gesährte. Der verstorbene Frhr. v Stumm hatte recht, at er sagte, man bringt gar zu leicht daS Gewißen der Reeder mit ihrem Geldbeutel in Konflikt — dagegen müßte man den Seeleuten eine wenigsten« einigermaßen ausreichende Sicherheit durch StaatSbeaussichtignng schaffen. Kontreadmiral Schmidt: Der Abg. Metzger warf mir vor, ich hätte keine Definition de» Begriffes „seeklarmachen" gegeben Demgegenüber weife ich darauf hin, daß ich in der Kommission wenn nicht dem Wortlaute, so doch dem Siune nach erklärt habe: „Nach dem Linnehmen der Ladung müssen vor dem Auslaufen de« Schifft» folgende Arbeiten erledigt «erdin: Das Aufheben der Boote, da» Anholen de» Anker-, da- Befestigen von losen Gegenständen an Deck, da» Klarmachen der Troffen und für Dampfer da« Dampf- anmachen; alle diese Arbeiten zusammen bilden da« Seeklar- wachen des Schiffe«." Nach den stenographischen Berichten einer früheren Sitzung habe ich gesagt: „Da» Alter der Schiffe ist nicht so, wre hier angegeben, ein Grund sür See- untüchtigkeit; alte Schiffe sind ost noch seetüchtig." Ich wollte damit die Regierung dagegen verteidigen, al» ob st« einen Fehler damit begehe, wenn sie »o Jahre alte Schiffe auSlausen lasse; wollte sie da» nicht zulasten, so müßte sie ein Drittel aller unserer Schiffe aus Abbruch verkaufen lasten. Lei meinen Angaben darüber stütze ich mich auf amtliche Statistiken. England hat noch mehr SO Jahre alte Schifft; überhaupt ist da» relative Schiff-alter bei den Engländern höher al- bei un- Es ist gefragt worden, warum wir nicht die Erfahrungen über die Tiesladelinie benutzt haben, um eia Gesetz zu schaffen. Die heutigen Besetze sind auf Theorie ansgebaut. Die dabei in Betracht gezogenen Faktoren sind aber nicht allein maßgebend. LS haben auch Faktoren Ein fluß, die sich nicht in Formeln zwingen lasten, z. B die Art der Ladung, die Form, Fläch«, Stabilität de- Schiffe» Wir brauchen prakttsch« Erfahrungen, ehe wir au dir Festlegung der Ltefladelini« Herangehen Abg. vr Semler (al): wenn auch da» Besetz von sozialdemokratischer Seite adgelrhnt wird, so ändert da» an der Thatsach« nicht», daß e» den Seeleuten große Vortritt bietet. Freilich bringen diese Vorteile »er Seeleute den Reedereien starke Belastungen Heute schon wird freilich di« freie Beweglichkeit der Reeder und der Seeleute sehr eingeengt durch die Vorschriften über Arbeitszeit und Sonntagsruhe. Die Bestimmungen über die Sonntagsruhe sind geeignet, unsere Reedereien gtgenüber dem Au»lande konkurrrnzsähig zu machen Die Seetlaimachung läßt sich nicht so festlegen, nur von sozialdemokratischer Seite gefordert wird. Die Be griffe über DiSztplin sind außerordentlich vrrschieden; wa» die Sozialdemokraten darunter verstehen, weicht von unserer Auslassung wesentlich ab Die bereit« er lassenen Verordnungen gehen so weit, wie man ohne Schädigung der Reederei gehen kann E« ist rin unge heurer Irrtum, al« ob die Reedereien im Selbe schwimmen. Bisher stad nur Dienstleistungen während der Reise bezahlt worden, jetzt soll Lohn während der Reise gezahlt werden, auch wenn ft in« Dienste geleistet werden. Dem Hochdrucke der Sozialdemokraten haben wir uv« sügen müssen Ja der zweiten Lesung haben wir noch weitere Zugeständnisse an die Sozialdemokraten gemacht. Je größer aber die Opfer sind, die der R ederei auferlegt find, um so mehr wüsten wir un« jedensall« hüten, uuseemäunische Bestimmungen in da« Besetz hineinzubringen Die deutsche Reederei muß mit großer Vor sicht behandelt werden, weil ihr immer die Gefahr der au»- ländischen Konkurrenz droht. Da» pekuniäre Jnterefse geht mir nicht über da« soziale Jnterefse in dieser Frage, .cch hoffe, daß der Reichstag di» zu weitgehenden einseitigen sozial demokratischen Anträge ablehnen wird. Abg vnrgma«« (frs Vp.): Wir bedauern, daß di« Fragen der Seeschöffengerichte und Koalitionsfreiheit in der zweiten Lesung nicht geregelt worden sind. Wir haben einen Antrag gestellt, der die Lücke bezüglich der Koalitionsfreiheit autsüllen wrll; r« ist die« im wesentlichen »ine Wiederherstell ung der KommissionSbeschlüfle, und wir wünschen, daß diese« Minimum von Koalition«sreiheit den Seeleuten gewährt werd». Für di« Resolution werden wir stimmen. Unsere definitiv« Stellungnahme zu dem Besetze wüsten wir un« Vorbehalten, je nachdem e« durch die Beschlüsse in der dritten Lesung sich gestaltet. Wir find geneigt, ihm zuzustimmrn Sollte e» aber rackwärt« revidiert werden, so werden wir un» überlegen wüsten, ob wir unsere Zustimmung erteile« können. Abg. Schwirr-Lübeck (Soz.): Aus die großen Schiffahrts gesellschaften brauchen wir gar keine Rücksicht zu nehmen. Wir wissen ja gar nicht, ob sie nicht heute schon yauz unter amerikanischem Einfluß stehe«. Die kleinen Reedereien weiden aber von den strittigen Bestimmungen wenig berührt. Unter Seeklarmachen werden die verschiedensten Thätigkeiten zu- sammengesaßt; deshalb muß seftgelegt werden, wa- darunter begriffen werden darf. Abg. Kirsch (Z): Für die Resolution werden wir stimmen. Wir haben ohne den Hochdruck der sozialdemo kratischen Mitglieder in der Kommission sür die Besserung de- Lose» der Seeleute gearbeitet, soweit e» angängig war. Wir waren un- aber bewußt, daß wir noch wertere Inter essen zu wahren haben, daß auch auf die Reedereien im Deutschen Reiche Rücksicht zu nehmen ist. Ich verstehe die ablehnende Haltung der Sozialdemokratie nicht; denn, wenn da-Btsetz nicht zu stände käme, würde ja die alte SeemannS- ordnung in Beltung bleiben. Ich hoffe, daß die Sozialdemo kraten, auch wenn ihre Anträge abgelehnt werden, sich nicht auf die Negative stellen werden. Abg. Raab (Antis.): Im großen und ganzen kann ich die Vorlage al» sozialen Fortschritt begrüßen, wenn sich dieser Fortschritt auch innerhalb recht bescheidener Grenzen hält. Keinem von uns im Hause ist e- eingefallen, die Grundlagen der Disziplin anzulaften. Ich bestreite auch, daß die großen und kleinen Reedereien mit großen wirtschaftlichen Sorgen zu kämpfen haben, mehr als andere große Gewerbe Bei den Verdiensten der Reederei kann sie wohl einige Lasten im sozialen Interest« übrrnehmrn. Aber selbst wenn die Reederei nur schwer solche Lasten übernehmen könnte, wüsten wir ihr die Verpflichtung genügender Bemannung rc. auserlegen. Ein Gewerbe, da- nur bestehen könnte, wenn e» seine Leut« auf» Spiel setzt, hat die moralische Berechtigung verloren. Kontreadmiral Schmidt hat sich heute zu großen AuS- sührungen veranlaßt gesehen, weil er wohl selbst da» Befühl hatte, daß da», was er neulich gesagt ha», ziemlich bedenk lichem Kopsschütteln begegnen muß. In der Kommission hat er mehr zu unserer Unterhaltung, al» zu unserer Belehrung beigetragen. Sollte er unsere alten Schiffe damit ent schuldigen, daß wo ander» auch alte Schiffe vorhanden sind? Kontreadmiral Schmidt: Meine Ausführungen in der Kommission waren nötig, um die Angriffe auf die Regierung zurückzuweisen. (Redner verlieft da- betreffende KommissionS- protokoll.) Abg. vr. Stockman« (Rp): Die hohe Bedeutung dieser Vorlage liegt nicht nach der materiellen Seile hin, sondern sie hat auch eine große nationale Bedeutung Die Ver mehrung unsrer Kriegsmarine wäre nur ein halber Schritt, wenn wir nicht auch sür da» Blühen unsrer Handelsmarine sorgten. Je mehr wir für unsre Seeleute sorgen, um so größer wird auch der Rutzen sein, den indirekt unsre Reederei hat Doch dürfen wir die Laste« nicht zu sehr anschwellen lasten, da wir sonst unsre Reederei unrentabel machen und dadurch auch die Seeleute schädigen würden Ferner wüsten wrr die DtSziplin aufrechte,hatten; denn die Disziplin ist da» Rückgial der Schiffahrt. Glücklicherweise sind dir Anträge der Sozialdemokratie aus Untergrabung der Disziplin abge- l«hnt worden Ich glaub» nicht, daß di» Soziald«mokrat«n »s wage» werden, eine Vorlage abzulehne«, die den Seeleuten so viele Vorteile bringt (Beifall rechts) Damit schließt di« allgemein« Besprechung. Zu tz 4, der von der gusammeasetzuug der SermannS- ämter handelt, ist in der zweiten Lesung rin Zusatz an- grnommrn worden, wonach m Fällen, bei denen da« Ver fahren fich gegen einen Seemann richtet, eia Mitglied de« SremannSamte« den seeb,fahrenden Seeleuten entnommen sein muß. Abg l)r. Herzfeld (Soz.) begründet einen Antrag, wo nach die« nicht nur daun stattfinden soll, wenn da« Verfahren sich gegen einen Schiff«mann richtet; ferner beantragt er, daß die Beisitzer ihr Amt ehrenamtlich au«üben sollen und sie für die baren Au«lagen einen Ersatz, sowie auch einen Pauschal betrag für Zeitverlust erhalten sollen Abg. vr. Semler (ul) tritt für die Streichung de« ganzen Absätze« rin; man dürfe keine Förderung der Klassen- l«stiz rintreten lasten Staat«sekretär vr. Graf p. PosrdowSky-Wehner: Ich kann mich diesem Vorschläge nur anschließen und verweise darauf, daß ich schon io der ersten Lesung mich gegen die damal« intendierte, in der zweiten Lesung angenommene Aenderung energisch ausgesprochen habe. Abg. vr. Spahn (D.) wünscht ebenfalls di« gegen de» Willen der Kommission in der zweiten Lesung vorgrnommene Aenderung beseitigt zu sehen Abg. vr Semler (nl): Ich habe nicht- gegen die That- sache, daß ein Schiff-marin Richter sein soll, wohl aber da gegen, daß er e- immer sein soll Die Debatte schließ», die sozialdemokratischen Anträge werden abgelehnt, der in der zweiten Lesung beschlossene Zu satz wird wieder abgrschafft. Die 88 b bi» inkl. »i werden debattelo» genehmigt. Abg. vr. Spaß» (Z ) (zur Geschäftsordnung): E» be steht Unklarheit, wa» der Präsident al» Beschluß de» Hause» zu 8 t verkündet hat. Fall» ein Versehen gemacht ist, würde bei 8 lll Gelegenheit sein, e» wieder gutzumachen Präsident Graf Balleftrr«: So viel ich weiß, ist der Absatz S gestrichen worden; da» Protokoll wild darüber Aus kunft geben. Im 8 »2 wird aus Antrag der Sozialdemokraten die in der zweiten Lesung zugesügte Bestimmung gestrichen, wonach dem Seemann in einem Hasen des Reichsgebiete- di« Er laubnis, daS Schiff zu vrrlasten, nur „nach Beendigung der Rückreise" nicht verweigert werden dars. Im 8 öS ist «. a. bestimmt, daß Ueberftundenarbeit be sonder- vergütet werden muß wenn e- sich nicht um Arbeiten zum Seeklarmachen de- Schiffes handelt. 8 »ö sieht sür Sonntagsruhe die analoge Ausnahme vor. Auf Vorschlag de- Abg. vr. Semler (nl) wird die Be sprechung beider Paragraphen miteinander verbunden. Die Sozialdemokraten beantragen, die Bestimmungen de» 8 ss zu streiche«. Abg LuhenSlh (Z) verbreitet sich über da» Maß der zu gewährenden Sonntagsruhe und spricht der Hamburg- Amerika-Linie seinen Dank dasür au-, daß sie vom I. April die bisher am Sonntag vorgenommrnen Arbeite« am Sonn abend auSsühren laste; sie habe damit freiwillig getha», wa» hier gesetzlich ftstgelegt werden soll. Abg. Metzger (Soz.) begründet den von seiner Fraktion gepellten Antrag und spricht für genaue Festsetzung der Sonn- tagSruhebestimmungen. Staatssekretär vr. Graf ». PosutzowSkh-Weh«er: Ich muß einige Worte der Aufklärung der Ausführungen drS Hrn. Abg CahenSly sagen. E» ist richtig, daß die Hamburg- Amerika Linie ihr« Seedampfer jetzt nicht mehr am Sonntag, sondern am Freitag von Hamburg abgehen läßt. Da» hängt aber mit ganz anderen Verhältnisse» zusammen. Die Hamburg- Amerika Linie hat sich entschlossen, ihre Seedampfer in fünf- wöchentlichem Turnus statt wie bisher in sechswöchentlichem Turnus gehen zu lasten Nun mußte sie aber al» ExpeditionS- tag in New Uork den Dien-tag bestimmen. Würde aber in New-Uork der Dien»tag al» Expeditton»tag bestimmt, so könnte au» Gründen, die hier darzulegen zu weit führen würde, al» Expedition»tag in Hamburg nur der Freitag oder Sonnabend gewählt werden. Es ist aber der Hamburg-Amrrika-Linie zweifelhaft, ob der sünfwvchentliche Turnus ausrechterhalten werden wird und ob sie nicht genötigt sein wird, zu dem bis herigen Bersahren zurückzukehren. Abg Ares« (frs. Bgg ) wendet fich gegen die Au»führunge« deS Abg Metzger Die Annahme, daß die Leute auch am Sonntag gezwungen würden, gewisse Ladearbeiten an Bord vorzunehme«, sei durch die ganzen SchiffSverhältniste wider legt. Er bitte, die Bestimmung über daS Seeklarmachen so zu regeln, daß im 8 öS dafür keine besondere Bezahlung nötig sei, im 8 öS ihre Erledigung nicht al» Störung der Sonn tagsruhe angesehen werde. Abg ». Sadtgnh (Z.) bittet, dem Wunsche de« Abg Frese nicht nachzukommrn, denn eS handle sich um sehr er hebliche Arbeitsleistungen, Ueberschreitungrn de» Arbeititag» und Störungen der Sonntagsruhe. Grad dör! Erzählung von L. v. Doruau. » (Fortsetzung.) Der alte Landarzt war in die Gartenpforte ge treten und hielt daS Mädchen, daS in- Haus schlüpfen wollte, am Aermel fest. ,Haltl" brummte er, „wo will sei hin, Frugen»- minsch?" „JnS HuS, der Fru seggen —" „Daß ich hier bin? Wozu? Ich kann ihr ja leider, leider GotteS nicht helfen — nu rohre nich, «in leiweS Deern! Dat Rohren hülpt tau nick-. — Der Herr Pastor ist drin bei deiner Frau — ich will ihn hier erwarten. Du kannst mir ein Glas Putbuser herau-bringen, hierher in die Laube — und — täuw, Kinning — ok eenS für den Pastor — hei ward glik hler sin!" Er trat in die Laube, grüßte Klaus flüchtig und ließ sich schwerfällig an der andern Seite deS Tisches nieder. Klaus rückte tiefer in das Dunkel zurück — er kannte den kleinen Herrn da sehr wohl, der so lebhaft Hoch- und Plattdeutsch im bunten Gemische hervorsprudelte. Da- war Doktor KämmekenS Ge wohnheit gewesen, so lange er denken konnte und den Prediger kannte Klaus Behrendt auch, der jetzt mit ernstem Gruße in die Laube trat und sich neben dem Arzte niedrrließ. Pastor Rolfen war ein echtes Kind seiner Hei« matSinsel: groß, breitschultrig, starkknochig, äußerlich einem Landmanne ähnlicher, al- einem Geistlichen, mit starkem rötlichen Barte, der ihm bi- auf die Brust herabhing, und milden, blauen Augen unter borstigem Blondhaare. „Einen Augenblick will ich mich hier bei Ihnen niederlassen, alter Freund", sagte er halblaut, „ich bin den ganzen Tag über noch nicht zur Ruhe ge kommen, und meiner braven Rofinante wird ein Biertelstündchen AuSruhen» auch nicht unwillkommen sein — ich bin heute mindestens zehn Stunden im Sattel gewesen! Und gestern auch drei Sonntags predigten an drei verschiedenen Orten, und heute früh die Beisetzung in Görlitz " „Ja, ja!" meinte der alte Doktor sinnend und nickte schwermütig mit dem grauen Haupte. „'S ist 'ne stimme Tid up Sturms! Alle Augenblicke passiert was Neues, fast nie ist'- was Erfreuliches, und wir beiden müssen immer dabei sein — hier freilich" (er wie- über die Schulter weg nach dem Hause) — „hier freilich können wir nicht viel auSrichten — ich schon gar nicht», und wie ich die Frau hier im Hause kenne, findet sie sich allein wieder zurecht auch ohne Sie —" „Sie ist wunderbar gefaßt"', sagte der Prediger ernsthaft. „Zu gefaßt beinahe, unnatürlich ruhig, würde ich sagen, wenn ich die Leute hierzulande nicht von Kindheit an so ganz genau kennte! Gehöre ich doch mit Leib und Seele zu ihnen — wir haben alle etwas von der Kraft unseres Boden», der Härte unserer Felsen —" „Und der Unberechenbarkeit unsere» Meeres!" er gänzte der Landarzt trocken. „Da sind wir ja 'mal wieder bei Ihrem Lieblingsthema, Pastor! Un berechenbar bi» zum letzten Atemzuge — wer hätte gedacht, Mann Gotte», daß wir beide einmal den eisenfesten alten Knut Behrendt zu Grabe tragen würden?" „Da» sagte ich mir heute auch, al- ich früh morgens zur Beisetzung nach Görlitz ritt! Am Mittwoch hatte ich ihn zuletzt gesprochen, da war er noch voll weitgehender Pläne, frisch und un- gebrochen, wie eine knorrige, alte Eiche, und am Freitag hörte ich, daß ein Herzschlag all dem ein jähes Ende bereitet hat —" „Ja, nun müssen wir beide doppelt fest zu sammenhalten, Pastor, wa»?" sagte Doktor Käm- meken mit einer Art widerwilliger Rührung in seiner rostigen Stimme. „Wir zwei beide passen ja nun auch mal zu schön zusammen — Pastor und Doktor — ich bringe die Leute unter die Erde und Sie begraben sie!" Er lachte kurz auf und schob daS angetrunkene Gla» in die Mitte des Tisches zurück. „Haben Sie eine Ahnung, was aus dem Neffen deS alten Herrn geworden ist?" fragte der Pastor, die Stimme senkend. vr. Kämmeken zuckte die Achseln. „Ebensowenig wie Sie!" versetzte er kurz. „Sie wissen ja, daß der Alte freiwillig nie mit einem Worte den davongelaufenen Jungen erwähnte er war keiner von denen, die leicht und schnell ver zeihen!" „Leider nicht — wie oft habe ich versucht, in versöhnendem Sinne auf ihn einzuwirken!" sagte der Prediger nachdenklich. „Aber er schnitt mir stets die Rede ab — er konnte eS nicht überwinden, daß der Knabe sich damals bei Nacht und Nebel heimlich au» seinem Hause fortgestohlen hatte, um in die weite Welt zu laufen in dem glühenden Wunsche, ein Künstler zu werden —" „Ein Künstler! Pah!" machte der Arzt verächt lich. „Ich habe nie verstanden, wie ein vernünftiger Mensch sein Leben damit hinbringen mag, mühselig auf ein Stück Leinwand abzukonterfeien, was er in der Natur draußen viel schöner und besser jeden be liebigen Tag sehen kann." „ES ist gut, daß die Ansichten so verschieden sind!" unterbrach ihn der Pastor mit halbem Lächeln. Er strich mit der Hand die widerspenstigen, blonden Haare zurück, die immer wieder in seinebreite, eckige Stirn fielen, und sagte noch leiser, mit einem warnenden Blicke nach der anderen Seite der Laube: „Ich glaube be stimmt, daß die Aufrufe in den verschiedenen Zeitungen Erfolg haben werden und der Neffe de» Verstorbenen plötzlich hier wieder auftaucht — e» war ein tüchtiger Kern in dem Jungen, und ich kann mir nicht vorstellen, daß er zu Grunde ge gangen sein soll!" Der skeptische Landarzt lachte. „Hoffen wir'»!" Abg. «ulteubutr (So») führt dem Abg Fr»se gegen' üb«r au«, daß c« sich nicht darum Handl«, daß di« Schiff»- lrut« sich wichtig, r Arbeiten fallen weigern dürfen, fonder« darum, daß sie dafür Bezahlung follen verlangen können. Vortragender Rat im Re,chSamle de« Innern ». Jung »t^re«: Ich halte für wichtig, festzustellen, daß die Bedenken gege« di« Wort« „zum Seeklarmachen" nur an die zweifelhafte Be deutung der Worte angrknüpst haben: ob geme,ut feie« ei«ige wenige Vo,berettungrn unmittelbar vor Abfahrt der Schifft oder weitere, längere Zeit in Anspruch nehmende Arbeiten. Nur deshalb werden die Worte vom Zentrum be anstandet Ich konftatlere deshalb, daß, mag die Abstimmung «»«fallen, wie sie wolle, e« die Absicht de« Reich«»age» nicht fein kann, für dir erstgenannten Arbeiten dem Schiff«mann eilten Anspruch auf Ueberftundenlohn zuzugestehen. Abg vr Semler (natl): Man darf auch nicht nur die Jateresfen der großen Seedampfer im Auge haben, fonder« muß auch die kleinen Schiffer beachten, und für sie wäre« Bestimmungen, wie sie die Abgg. v Savigny und Molkrn- buhr befürworten, unerträglich. Abg. v. Savigntz(Z): Recht charakteristisch ,st, daß auch heute, weder von Hrn v. Jonquiöre» noch vom Hrn. Abg. Ermler feftgestellt ist, welche Arbeiten zum Seeklarmachen ge hören. Wer da» Prinzip will, darf sich vor den Folgen nicht sch,u,n Der Normalarbeit-tag für den Seemann dars durch dieselben Bestimmungen nicht unterbrochen werden, und wenn deu Reedereien, auch den kleinen, darau» Kosten »wachsen, so dars un» auch da» nicht irre machen. Damit schließt die Besprechung Die Abstimmung fällt so au», daß Arbeiten zum See- klarmachen weder am Sonntag, noch auch ohne besoudere Bezahlung in Urberflunden an Wochentagen vorgenowmen werden dürfen. Nachdem die nächsten Paragraphen bi» 4 t einschließlich genehmigt sind, vertagt da» Hau» die Beratung aus Sonn abend I Uhr. Präsident Braf Ballestre« teilt schon heule mit, daß er morgen Vorschlägen werde, am Montag die Diätenvorlage in erster Lesung zu beraten, damit die Herren die nötigen Kräfte dazu heranzichen könnten. (Heiterkeit.) Schluß S Uhr. Vermischtts. * Giebt e» diphtheritiskrank«» Geflügel? Es ist in letzter Zeit mehrfach davon die Rede gewese«, daß unter Umständen eine Krankheit von Tieren auf den Menschen übertragen werden kann, im besondere» Scharlach und Diphtherie durch Katzen E» ist, schon um ungerechtfertigte Besorgnisse zu zerstreuen, von Wert, daß jüngst von wiffenschaftlicher Seite eingehende Unter suchungen über die etwaige Anstcckungskraft gewisser Geflügelkrankheiten unternommen worden find. In einem Bezirk von Wale» macht« vr. Ion«» die auf fallende Beobachtung, daß gleichzeitig mit dem Au-bruch von Diphtherie in verschiedenen Orten «in« sehr ver dächtige Epidemie unter dem Geflügel herrschte In drei Fällen wurde au» den Kehlen kranker Hühner ein Material entnommen, dessen bakteriologische Prüfung jedoch keinen Anhalt für die Uebertragbarkeit gegeben hat Anderseits giebt e« in der That Geflügelkrankheiten, die höchst ansteckend sind und in ihren Erscheinungen der Diphtheriti» auffallend gleichen Die» ist namentlich bei der al» Darre bekannten Hühnerkrankheit der Fall. Ob eine unmittelbare Uebertragung dieser oder einer anderen Krankheit vom Geflügel auf den Menschen mög lich ist, wird schwer festzustellen sein, und für wahr scheinlich wird man sie nicht halten Immerhin muß e« im Jitterrssr der Geflügelzucht selbst al» wünfchen»- wert bezeichnet werden, daß die Züchter und Händler mit dem Wesen und der Verhütung der Geflügelkrank heiten vertraut gemacht werden E» würde gewiß von Nutzen sein, wenn auch einmal bei un» eine zusammen- fastende Belehrung über di« Erscheinung der Geflügel- krankheiten und ihre Behandlung in möglichst wetten Kreisen durch Flugschriften verbreitet werden würde versetzte er lakonisch. „Schade wär'», wenn Görlitz in schlechte Hände geriete! Aber nun muß ich auf brechen — min oller Jürgen treckt süß woll gar ahn mi tau HuS! Hadd'S all schon einmal so makt, aS ick tau lang un tau vel im „Wald frieden" kneipt hädd — da führte hei tauletzt ganz vusement af, det ick mußt tau Faut achterher loopen!" Die Kalesche des alten Landärzte» rasselte über da» holprige Dorfstraßenpflaster davon; noch einmal fuhr da» rötliche Antlitz mit den grauen Bart stoppeln unter dem Verdecke hervor und nickte grüßend; dann bog der Wagen um die nächste HauSecke. Ein Knecht auS dem Wirt-Hause brachte das Pferd des Pastors — einen hochbeinigen Braunen, genau so kräftig und starkknochig wie sein Besitzer, dem er schon seit langen Jahren fast auf allen AmtSwegen diente. Denn Pastor Rolfen hatte zweiundzwanzig Dörfer und einzelne Gehöfte in seinem Amtsbezirke, die teilweise weit auSeinander- lagen, und erledigte den größten Teil seiner seel sorgerischen Besuche zu Pferde, statt der Reitpeitsche einen großen karnerten Regenschirm unter den Arm geklemmt. Als die beiden älteren Männer den Garten verlassen hatten, erhob sich auch Klaus Behrendt schwerfällig und ging langsam in- HauS hinein. Die Magd zeigte ihm sein im Giebel gelegenes Zimmer E» war klein und sehr einfach möbliert, aber von derselben Sauberkeit, wie das stanze übrige Hauswesen KlauS riß da- winzige Fensterchen auf und ließ die Nachtluft ungehindert einströmen. Lange lehnte er am Fenster und blickte in die stillen Baumwipfel deS Garten-. Er konnte die See nicht sehen; die dunklen Zweige verbargen ihm ihre schimmernde Ge stalt. Aber ihr würziger Atem streifte durch die Wipfel und ließ sie leise erschauern, als wollte er dem Hause, daS sie schützend umgaben, Grüße bringen von dem, der nicht wiedei kam — (Fortsetzung solgt.) Wucher schau. Zeitschriftrnlitt«raiur. „Die Grenzbott«." Zeitschrift für Politik, Litteratur und Kunst. 61. Jahrgang. Leipzig, Verlag von Fr. Wilh Brunow Die am 24. April aurgegebene Nr. 17 enthält folgende Aufsätze: OesterrrichischcS. 1. Der Katholizi-muS in Oesterreich. Bo« Iuliu» Patzelt. S. Staatsstreichgedanken. — Geistige Ström ungen im Katholizismus Bon einem Katholiken (Schluß). — Die britische Regierung Bon Hugo Bartel« (Fortsetzung), Hermann AllmerS. — Geschwollen. — Doktor Duttmüller und sein Freund. Eine Beschichte au« der Gegenwart von Fritz Ander» (Max Allihn). Sechzehnte» Kapitel: Wie sich zeigt, daß Kops und Herz zweierlei Dinge sind. — Unter der Rubrik „Maßgebliches und Unmaßgeblich«»": Mittelschul- rrform in Frankreich. — Lustig« Blättrr.
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