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Dresdner Journal : 11.03.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190203113
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19020311
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19020311
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-03
- Tag 1902-03-11
-
Monat
1902-03
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 11.03.1902
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vrio,«vrct«: «tim Bezüge durch die »eschäfissteü, iukerdaN xre.de», 8,LV M. («nichl- Zutraguua), durch die «u Deutschen Reiche » M (»»«schließlich Bestellgeld) virrieljShrlich Einzelue Nummern 10 Pf Wird Zurücksrnduna der sllr dir Schriftleilung bestimmten, «der von dieser nicht eia» aesorderten Beiträge brau» spracht, so ist das Postgeld brizusügen. Dresdner W Journal. Hcrausgegeben vo» der Königl. Expedition des Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheinen t Werktags nachm 5 Utzr. AnründtgungSgedthre»: Dir Zelle kleiner Schrift d« 7 mal gespaltenen Ankündi gung«.Seite oder deren Raum Sv Ps Bei Tabellen- und gissernsad ö Pf Ausschlag für die Zelle Unterm Re- daktion-stnch (Eingesandt) die Textzeile mittler Schrist oder deren Raum bv Pf. Vrbühren - Ermäßigung bet Öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bis mittags 18 Uhr für die nach mittags erscheinende Nummer. 1902 Dienstag, den 11. März nachmittags. Amtlicher Teil. Dresden, 1l. März. Ihre Königl. Hoheiten der Prinz und die Frau Prinzessin Johann Georg, Herzog und Herzogin zu Sachsen, sind heute rormittag 10 Uhr 28 Min. von Stuttgart nach Dresden zurückgekehrt. -ruemtungm, Versetzungen rc. im össentl. Dienste. L» Geschäftsbereiche des Ministerium» »er Finanzen- LcideiPoft Verwaliungrst ernannt woid,n: Schmieder, jtührr Postlassirer, als Postdirecior in Falkenstein (Vogil) Hch-chl Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Tendenziöse Statistik. Der verstorbene Reichskanzler Fürst Bismarck hat einmal im Reichstage erklärt, er sei kein Freund »2» statistischen Zahlen, weit er den Glauben an sie bei näherem Studium verloren habe. Auch sonst hat der erste Kanzler sich verschiedentlich gegen die Beweiskraft einer zu polnischen Zw cken tendenziös gruppierten Zahlenzusammenstellung aus der Stati stik verwahrt. Dieser Aussprüche erinnert man sich unwillkürlich, wenn man wihrnimmt, in welch' großem Moßstabe gegenwärtig die Statistik gemißbraucht wird, um zur Rechtfertigung von Behauptungen zu dienen, die auf den ersten Blick als unbegründet erkannt werden müssen. Der frcihändlerlsch-sozial- demokratische Kampf gegen die Zolltarifreform, in- fonderhcit gegen die Getreidezölle, wird hauptsächlich auf der angeblich wissenschaftlichen Grundlage stati stischer Untersuchungen geführt, und eS wirkt fast verblüffend, wenn man betrachtet, was alles mit Hilfe geschickt gruppierter statistischer Zahlen zu be weisen versucht wird. Wir wollen nur einige wenige dieser statistischen Beweisführungen in Betracht ziehen; allem schon daraus wird man erkennen können, daß solche zu bestimmten Zwecken zusammengestellten Ziffern keines falls unbedingten Glauben verdienen. So beweist man auf freihändlerisch-sozialdemokratischer Seite „zahlengemäß", daß der landwirtschaftliche Kleinbesitz kein Getreide zu verkaufen vermöge, also auch an höheren Getreidepreisen kein Interesse habe. Ab gesehen davon, daß gerade aus Ländern, in denen fast gar kein Großgrundbesitz vorhanden ist — wie in Süddeutschland und in den Reichslanden —, die dringlichsten und höchsten Forderungen einer Ge treidezollerhöhung laut geworden sind, beweisen ander seits agrarische Fachzeitschriften wiederum ebenfo „zahlen gemäß" daS strikte Gegenteil. Einer der beiden Beweise also wird unbedingt als falsch angesehen werden müssen, und objektive Beurteiler der landwirtschaftlichen Lage werden auf Grund prak tischer Erfahrungen nur zu dem Schluffe gelangen können, daß auf beiden Seiten, auf der sreihänd- lerisch-sozialdemokratischen wie auf der agrarischen, eine tendenziöse Verwertung der Statistik statt- gesunden hat, daß mithin die Wahrheit in der Mitte liegen, also in gleichem Maße — nach dem Verhältnis der Erzeugungsmengen — der kleine wie der große Besitzer an guten Gctreidepreisen interessiert fein müsse. Durch ähnliche statistische Rechenexempel für und wider wird nachzuweisen versucht, daß der Vorteil der laufenden Handelsverträge ausschließlich auf deutscher bez. ausschließlich auf der Seite deS Auslandes sei. Beweiskraft aber wird man für feine Darstellungen auf beiden Seiten nicht in An spruch nehmen dürfen. Besonders eindrucksvoll gestalten sich die Hin weise auf lange statistische Zahlenreihen, um daraus .unwiderleglich" den Schluß zu ziehen, daß die Ge treidezölle nicht nur eine unabwendbare Einwirkung auf die Kindersterblichkeit sondern auch auf die Verbreit ung der Tuberkulose, ja sogar aus die Zahl der Dieb stähle und anderer Kriminatfälle auSübe. Mit großem Scharfsinn wird an der Hand des schön gruppierten Zahlenmaterials entwickelt, daß früher bei höheren Getreidepreisen sowohl die St.rblichkeit der Kinder als auch die Ausbreitung der Tuberkulose eine höhere gewesen sei als heute und daß ebenso die Zahl der Diebstähle sich mit der Verringerung der Getreide- Preise erniedrigt habe. Auch wer aus die Statistik an sich Wert legt, wie wir es thun, wird zugeben müssen, daß es ein höchst einseitiges Beginnen ist, Urlachen und Zusammenhang sanitärer und krimi neller Erscheinungen mit für ein weites Reich be rechneten Durchschnittspreisen einzelner Lebensmittel auf Grund statistilcher Ziffern nachweisen zu wollen. Insbesondere zur Herstellung besserer GesundheitL- verhältmsse ist in den letzten Jahrzehnten so viel in hygienischer Hinsicht geschehen, und was die all gemeine V-rbesserung der Lage der Minder bemittelten betrifft,so batdiesozialpolitischeGesetzgebung so viel Gutes geschaffen, daß dadurch der Boden für statistische Untersuchungen auf diesem Gebiete ein völlig anderer geworden ist. Die Kriminalität aber mit Getreidezöllen. die das Pfund Brot um den Bruchteil eines Pfennigs erhöhen würden, wenn sie bei den Einzelpreisen zum Ausdrucke kämen, in Zu sammenhang zu bringen, geht erst recht nicht an. Weit schlimmer wirkt in dieser Beziehung der Mangel an Arbeitsgelegenheit, wie er eintreten würde, wenn die Zolltarifreform nicht zu stände käme. UebrigenL schlagen die Freihändler sich bei dieser Anwendung statistischer Ziffern mit den eigenen Waffen. In freihändlerischen Blättern kann man gerade jetzt eine statistische Beweisführung gegen die sozialdemokratische Verelendungstheorie finden. Tort ist „zahlenmäßig" nachgewiesen, daß der Verbrauch von Roggen in den Jahren 1884 bis 1899 von 115,9 auf 149,8, der von Weizen von 64,3 auf 89,1 üx auf den Kopf unserer Bevölkerung gestiegen sei. Ferner wird unter Hinweis auf die Statistik für das Königreich Sachsen festgestellt, daß der jähr liche Rind- und Schweinefleischverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung 1885: 32,1, 1895: 37,2, 1898: 41,4, 1900: 43,1 Kg betragen habe. So dann wird auch dec Zuckerverbrauch in Betracht ge zogen. Er betrug 1871 bis 1875: 6,7, 1887 dis 1891: 8,4, 1897 bis 1900: 12 Schließlich wird damit die Sterblichkeitsziffer verglichen: Von je 1000 in Preußen Lebenden starben im Jahres durchschnitt 1846 bis 1850: 29,3, 1866 bis 1870: 28,2, 1876 bis 1880: 25,5, 1896 bis 1899: 22,3. Durch diese Ziffern wird, wie es in den bet,eßen den freihändlerischen Blättern heißt, mit klarer Deutlichkeit nachgewiesen, daß gerade auf dem Boden der heutigen Gesellschaft ein stetiger Fortschritt in der Lebenshaltung der Arbeiter stattfinde. Jedoch diese Ziffern beweisen noch ein-, daß nämlich dieser Fortschritt unter der Herrschaft unseres Schutzzoll systems und ganz ungeachtet, ob die Getreidezölle eine Zeit lang höher oder mäßiger gewesen sind, statt- gefunden hat. Wie also hier die Unrichtigkeit der sozialdemokratischen VerelendungStheorie statistisch nachgewiesen ist, so gilt dieser Nachweis auch für die Unrichtigkeit der freihändlerischen Theorien vom Zusammenhänge der Getreidezölle mit Krankheiten, Sterblichkeit und Verbrechen. Znr Amrrika-Reise deS Prinze« Heinrich ' von Preussen. Ueber den Aufenthalt deS Prinzen Heinrich in den Bereinigten Staaten von Amerika liegen die nachstehenden weiteren Meldungen vor: Se König! Hoheit empfing vorgestern in New-Uork auch mehrere Besuche, darunter eine Abordnung deS Commncial Club von Saint Paul In der Galerie des Hotels Waldorf Aftoria sang der Brooklyner „Arion" das Kaiserpreislied „Olä Kentucky bows" und „Dies ist der Tag des Herrn". Der Prinz dankte und be glückwünschte den „Arion" zu seinen vorzüglichen Leist ungen Nie habe er zartere, feinere Töne von einem Männerchore vernommen; er habe auch andere Musik in Amerika gehört, die ihn auf das höchste entzückt habe, und er habe die Ansicht gewonnen, daß der Sinn für Musik in da- Herz deS Menschen ohne Rücksicht auf Rasse und Hautfarbe gepflanzt fei Der „Arion" sandte telegraphisch einen Bericht über das Konzert an Se. Majestät den Kaiser und überreichte dem Prinzen eine künstlerisch auSgestattete Adresse Die Delegierten de» Präsidenten, Corbin, Hill, Evans, Bingham und Cowlcs, gaben dem Prinzen ein Luncheon im Umversity Club, bei dem die eben beendete Rundreise de« Prinzen leb haft besprochen wurde. Gestern vormittaa kurz nach s^9 Uhr begab sich der Prinz von Jersey City nach Philadelphia, wo er vormittag 10 Uhr LO Min eintraf, am Bahnhof« von dem Mayor und einer Bürgerdeputation begrüßt und sodann von diesen nach dem Rathause geleitet wurde, woselbst man ihm eine Adresse überreichte, durch die dem Prinzen das Ehrengastrecht der Stadt verliehen wird. Alsdann wurde eine Fahrt nach der Jndepedence Hall angetreten und später die Crampswerft besichtigt. An dem folgenden Diner der „Union League" zu Ehren de« Prinzen Heinrich nahmen 100 Bürger teil Dem Prinzen gegenüber war ein Bild Sr. Majestät des Kaiser« angebracht. Bei der Ausschmückung de» Saale» war in höchst charakteristischer Weise die Prinz H<7rich-Nelke, eine neue Art, mit Maiblumen ver wendet worden. Wahrend de» Mahle» hielt Prinz Heinrich nachfolgende Rede: „Ich wünsche Ihnen zu danken sür die freundliche Auf nahme, die ich in den Vereinigten Staaten gefunden habe. Meine Herren, es ist die» wohl die letzte Gelegenheit, die ich während meine« Aufenthaltes in den Bereinigten Staaten habe, öffentlich zu sprechen Ich bin sehr betrübt darüber, daß es so sein muß. WaS ich jetzt im Begriffe bin Ihnen mitzuteilen, sage ich vor der Welt Es war absolut kein ge heimer Zweck, der mit meiner Mission in Ihr Land ver knüpft war. Sollte irgend jemand von Ihnen etwa« Gegen teiliges lefen oder hören, fo ermächtige ich Sie hiermit, dies rundweg zu bestreiten. Mir wurde gesagt, bevor ich die Reise antrat, Vie Augen und Ohren so weit wie möglich zu öffnen und so wenig wie möglich zu sprechen. In letzter Be ziehung bin ich bange, daß meine Mission fehlgeschlagen ist. Ich sah bedeutend mehr Dinge, als viele von Ihnen glauben mögen. Ich hörte gleichfalls fehl viele Dinge, darunter viele freundliche Worte von Personen und ebenso die Jubclrufe Tausender Ihrer Landsleute. Was ich in Ihrer Gegenwart ausspreche, spreche ich in Gegenwart Ihrer Nation auS, näm lich meinen herzlichen Dank sür die freundliche Ausnahme und die Sympathie, die ich während meines Aufenthaltes in Ihrem Lande gesunden habe. E» wird mir am Herzen liegen, Sr. Majestät dem Kaiser hiervon Kenntnis zu geben. Morgen trete ich die Rückreise an. Es wäre nicht recht von mir, wenn ich lagen würde, daß eS mir leid ist, wieder nach Haufe zurllck- zureisen, aber gleichzeitig überkommt mich ein trauriges Be fühl, ein Land zu verlassen, in dem ich mit soviel Güte und Gastfreundschaft ausgenommen worden bin. Lasten Sie, meine Herren, mich noch sagen, lasten Sie unS danach trachten, Freunde zu sein, und e- auch wirklich sein!" Prinz Heinrich ist gestern nachmittag 5 Uh7 45 Min in Hoboken eingetroffen. Der Krieg in Südafrika. Nachstehend bringen wir verschiedene Meldungen über einen neuen und offenbar bedeutenden Sieg der Buren unter ihrem Führer Delarey tin süd westlichen Transvaal über die Briten, die von dem General Lord Methuen befehligt wurden. Der Höhepunkt des burifchen Erfolges liegt in der Gefangennahme Methuens selbst. So hat Delarey seinem Siege bei KlerkSdorp wieder einen neuen folgen lassen, während der in den ersten Monaten des Krieges viel genannte, nunmehr gefangene General wohl als einer der in Südafrika am wenigsten glücklichen englischen Osfiziere an gesehen werden muß. Hat er doch auf dem west lichen Kriegsschauplätze bei dem Ve>suche, Kimberley zu entsetzen, den britischen Waffen mannigfache Schlappen eingetragen; es ist hier an Modderriver und MagerSfontcin zu erinnern. Als dann die Strategie des Lord Roberts dem Verlaufe deS Krieges eine andere Wendung gegeben hatte und die Eisenbahnen und Hauptstädte der beiden Republiken in die Hände der Engländer gefallen waren, da erhielt Lord Methuen als Operations- bezirk das südwestliche Transvaal zugewiesm, wo er nun diese neueste Niederlage erlitten hat. Die Person deS bejahrten Delarey dagegen kann, so hat es jetzt allen Anschein, seinen Landsleuten Dewet und Botha ebenmäßig an die Seite gestellt werden. Die erste Depesche Lord Kitchener« ist Pretoria, den 8. März datiert und lautet wie folgt: Ich bedaure sehr, eine traurige Nachricht über den General Lord Methuen melden zu müßen Er war mit 900 Berittenen unter Major Pari«, 300 Mann Infanterie, vier Geschützen und einem Pompom auf dem Marsche von Wynburg nach Lichtenburg und beabsichtigte, am 8. März mit Grenfell, der 1300 Berittene unter seinem Befehl« hatte, bei Rovirainekfontein zusammenzustoßen 500 Mann berittener Truppen, die in Maridogo und Kraaipan eingetroffen und von den Buren noch vier Meilen weit verfolgt worden waren, be richten, Methuen« Geschütze, Bagage rc. seien von den Buren genommen worden Al« Methuen zuletzt gesehen worden, war er Gefangener Die Verluste der Engländer betragen außerdem 3 Osfiziere, 38 Mann tot, 5 Osfiziere und 72 Mann verwundet, 1 Offizier und 200 Mann vermißt. Gestern früh wurde Methuen zwischen Tweebosch und Palmietknill von Delarey« Truppen angegriffen Die Buren griffen von drei Seiten an Ich hatte bereit« Dispositionen getroffen, um Truppen rn diesen Distrikt zu entsenden Ich denke, dies plötzliche Wiederaufleben der Thätigkeit der Buren bezweckte, die Dewet bedrängenden Truppen abzulenken Eine weitere Depesche Kitcheners meldet au« Pretoria vom 9 d. Mt«.: Major Pari« ist mit dem Reste der Mannschaft in Kraaipan eingetrofien Er berichtet: Die Abteilung marschierte in zwei Kolonnen und verließ um 3 Uhr früh Tweebosch Eine Stunde später, kurz nach Tagesanbruck, griffen die Buren an, ehe Ver stärkungen eintreffen konnten Inzwischen galoppierten die Buren in großer Zahl gegen beide Flanken Dieser Angriff wurde anfangs von den Flankenabieilungen ab gewiesen, aber eine Panik war eingerifsen. Alle mit Maultieren bespannten Wagen und berittenen Mann schaften stürmten dahin, wild durcheinandergeworsen; ihnen folgten die mit Ochsen bespannten Wagen Alle Kunst und Wissenschaft. Königl. Opernhaus. — Am 10. d Mt» : „Die Zauberflöte". Große Oper in zwei Akten von Schikaneder Musik von W. A Mozart. Als eine seltsame Fügung mag e» erscheinen, daß Frl Nast bisher die Rolle der Papagena noch nicht gesungen hatte. Ist die geschätzte Künstlerin doch gerade sür sie in besonderem Grade bestimmt! Hier, wo e» sich nicht um da» Einsetzen eine» romantisch gesteigerten Empfinden» handelt, wo vielmehr jene unterm nordischen Himmel nicht eben häufig zu findende Gabe natürlicher Anmut und naio-liebenSwürdigen Frohsinn» da» vor nehmste Erforderni» ist, konnte sich, wie vorauszusehen »ar, Frl Nast auf einem wie für sie geschaffenen Boden bewegen Und so hatte die Künstlerin denn auch gleich beim ersten Auftreten Fühlung mit dem Publikum ge wonnen Wie sie e« verstand, in der Vermummung mit zitternder Stimme und zitternden Händen drollig die Greisin zu markieren, da« ließ sofort wieder offen bar werden, welcher Sinn für eine feine Charakteristik in ihr lebt Scenen, die nicht selten fast spurlo« vor- tbergingen, gewannen durch diese scheinbare Kleinigkeit innere« Leben, und man konnte die Entrüstung de» guten Papageno wohl verstehen, al« er, entzückt von dem Anblick seine« Weibchen», ungehalten war, daß sich der Sarastro-Priester in seine „Familienangelegenheiten" mischte Selbstverständlich kam dann auch die einzige Hauptscene de« liebenswürdigen Pärchen«, da«, in rafaelische Schönheit getaucht, dem nach den reineren Freude» der „Eingeweihten" dürstenden anderen Paare, Pamino-Pamina, gegenüber so ergötzlich dre materia listische Weltanschauung verkörpert, zu einer mehr al« nur episodischen Wirkung Und dabei muß c« noch besonder» anerkannt werden, daß e« Frl. Nast verstand, in der natürlichen Anmut ihres ganzen Sichgeben» den Duft jener naiven Sinnlichkeit über dem Ganzen zu belasten, di« dieser Scene ihre besondere Bedeutung verleiht und sie in einen wahren Hymnus auf die Lebensbejahung („E« ist da» höchste der Gefühle rc") ausklingen läßt. In ihrem Bestreben, die kleine, aber bedeutsame Rolle zur Geltung zu bringen, wurde die Künstlerin von ihrem Partner, Hrn Geißler, in lobenswerter Weise unter stützt Sichtlich in Stimmung, machte letzterer auch au-giebigen Gebrauch von der Nachsicht, die man kleinen Soaderspäßen seit den Tagen Mozart» und Schikaneder« selber walten läßt, hatte dafür aber die Lacher auf seiner Seite. In der weiteren Besetzung der Oper hatten sich einige Aenderungen nötig gemacht Die erste Dame sang ein Gast, Frl. Hüttel, mit gutem Gelingen, aber ohne den Beweis zu erbringen, daß ihr besonder« be achtliche Mittel zur Verfügung stehen. Den Sarastro hatte für den erkrankten Hrn Wachter Hr Rain« über nommen Der Künstler erfreute durch eine schöne, ruhige Tongebung, die er nur noch etwa« beseelter gestalten könnte. Da» „Gebet" am Anfänge de« zweiten Akte» verträgt zum mindesten die gleiche Durchwärmung de» Vortrag», die Hrn Rain» nach den „Heiligen Hallen" mehrfachen Hervorruf eintrug Au« der Reihe der übrigen Mitwirkenden greifen wir nur die Damen Krull und Abendroth herau» Erstere hat als Pamina an Bühnensicherheit erfreulich gewonnen, aber die poetische Durchdringung der Gestalt läßt noch immer auf sich warten Frl. Abendroth, die den ersten der drei Genien sang, wird auf eine gefestigtere Tonbildung zu achten haben Die musikalische Leitung führte Hr. Hofkapellmeistcr Hagen O S. Konzert. Ebenso reichhaltig wie vielseitig erschien da« Programm de« Konzert», da« gestern abend zum Besten der König Albert-JubiläumS Stiftung sächsischer Staatsbeamten im Saale de» Verein-Hause» stattfar.d. Willkommenerweise befanden sich unter den künstlerischen Darbietungen auch Vorträge auf der Orgel, die bei öffentlichen musikalischen Gelegenheiten im allgemeinen noch viel zu wenig zu Worte kommt Hr Wolfgang Richter spielte außer einem Sonatensatze eigener Kom position (Manuskript) kleinere Stücke von I. S Bach (O-ckur-Fuge), Guilmant (Pastorale) und Fischer (Adagio), in denen der Künstler einerseits seine bewährte technische Gewandtheit und Sicherheit, anderseits seinen Sinn sür eine geschmackvolle Registrierkunst vorteilhaft zur Geltung brachte. Vielleicht zieht Hr. Richter bei späteren Ge legenheiten auch die neuesten Kompositionen eine» Max Reger oder H W Nicholl in den Bereich seiner Konzert- thätigkeit Hr. Konzertmeister Lewinger wurde für seine vorzüglichen solistischen Darbietungen, bestehend in einer Meditation von I. Massenet und in einem ungarischen Tanze (0-moU) von BrahmS-Joachim, mit so anhaltendem Beifall ausgezeichnet, daß er sich zu einer (oon 8oräino gespielten) Zugabe verstehen mußte. DaS von dem verdienstvollen Künstler begründete Streich quartett, dem die Herren E Warwa«, Rich. Rokohl und Ferd v. Liliencron angehören, erfreute durch eine außerordentlich klangschöne und rhythmisch beschwingte Wiedergabe eine» Haydnschen Streichquartetts in v äur (mit dem Terzenanfang) und mit der warmbeseelten Vor führung des wundervollen, weltentrückten Adagio-Satze» aus dem Beethovenschen Streichquartett op 59 Nr. 2. Hr. Viktor Porth, der vortrefflich bei Stimme war, trug mit künstlerisch vornehmer Auffassung Lieder von Strauß, Schubert, Schumann, Weingartner und R. Becker vor und verhalf einer neuen, in wirkungsvoller Steigerung auSklingenden Komposition (Ballade „Ragnar« Tod") von Albert Fuchs zu schönem Erfolg Die Be gleitungen am Klavier wurden in musikalisch feinfühliger Weise von Hrn Clemens Braun auSgeführt. U S. Sascha Schneiders Kolossalgemälde: „Um die Wahr heit" in Emil Richters Kuustsalon. 11. Man ist nun geneigt, anzunehmen, daß die Gestalten recht« und link« von der Wahrheit, die neben ihr in einer Art ParallelikmuS ungeordnet sind, die Vertreter gewißer Lebensanschauungen in ihrem Ringen nach der Wahrheit verkörpern sollen. Offenbar sind sie auch so gemeint, aber während sich das Streben nach der Wahr heit, wenn überhaupt, nur durch eine Art von Thätig keit andeuten läßt, hat sich Schneider damit benügt, sie, mit einigen Abzeichen versehen, in ruhiger Stellung an zubringen, da die Darstellung einer Handlung offenbar seine Sache nicht ist. Links von der Wahrheit sehen wir einen Athleten, in Waffen starrend und da« Haupt mit zugeklapptem Visierhelm bedeckt Seine Beziehungen zu der Wahrheit können nur mit Hilfe eine« sehr künstlichen Schluffe» ermittelt werden. Denn der Krieger pflegt nicht nach der Wahrheit, sondern nach Macht zu streben, weshalb nur der Ausweg übrig bleibt, sich vorzustellen, daß die Figur besagen soll, daß nie mand auf dem Wege der Gewalt in den Besitz der Wahrheit gelangen kann Recht« von der Wahrheit schreitet ein Grei« mit wallendem blauen Gewände neben einem halbnackten Jüngling, der sich mit einem leichten Stoff au« Rosa drapiert hat Der Grei« bedeckt sein Gesicht mit beiden Händen, al« ob er daran verzweifeln wollte, je in den Besitz der Wahrheit zu kommen. Der Jüngling sieht sorglos in da» Weite; ihn kümmert die Sorge um die Wahrheit noch nicht Dieser Gegensatz ist gut er funden und bedarf keiner Erklärung Um, so bedauer licher ist die Ausführung diese« Teilstücke«. Haltung und Gebärde deS Greise« haben etwa« Theatralische«. Der Jüngling aber, dessen Oberkörper schlank und zart ge baut ist, steht aus ganz unförmlichen Füßin, die ver mutlich das mit Frostbeulen geplagte Modell in Wirk-
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