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Dresdner Journal : 22.02.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190202224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19020222
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19020222
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-02
- Tag 1902-02-22
-
Monat
1902-02
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 22.02.1902
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Ve»n«»»re1«: Bet» Bezüge durch dt« innerlat» Gre»v»w 7,LV M («i ch! Zulm^uaa), durch di« V»S i» Deutschen «eich« » M (auSIchlieblich Bestellgeld) vieNeljährlich Einzelne «ummeru 10 Ps Wird Zurücks enduna der für di« Schriftleitung bestimmte», «der voa dieser nicht eia- geforderten Beiträge bean sprucht, so ist da» Postgeld beizufüge» Dtts-nel Jourml HerauSgtgeben von der Königs. Expeditton de- Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheine»« Werktag» nachm d Uhr AnkünbtGNNOsgebRdre», Dir Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen «ntündi- gunq» Keilt oder deren Ran« »v Pf Bei Pabellen- und Ziffernfatz » Pf Aufschlag für die Zeile Unterm Nr- vaktionSstrich ^Eingesandt) die Derizeile mittler Schrift oder deren Naum bv Ps. Gebühren - Ermäßigung del bsterer Wiederholung Annahme der Anzeigen bi» mittag» 12 Uhr für die nach, mittag» erscheinend« Nnmmer Sonnabend, den 22. Februar nachmittags. 1902 Amtlicher Teil. St. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Professor Diez an der Akademie der bildenden Künste zu Dresden daS ihm von dem Präsidenten der französtichen Republik verliehene OffizierSkreuz des Ordens der Ehrenlegion annehme und trage (Behdrdl Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Tie auswärtige Politik der Woche. Auch während der heute zu Ende gehenden Woche hat der englisch japanische Bündnisvertrag vom 30. Januar 1902 den Mittelpunkt aller Er örterungen zur auswärtigen Politik gebildet. In den Verhandlungen der Budgetkommisfion des Reichstages wurde angekündigt, daß dieser Beitrag auch bei den Plenarberatungen des Etats in zweiter Lesung zur Sprache kommen werde. Im übrigen war schon für die Kommission der Gesichtspunkt vorherrschend, daß durch die Begründung des neuen Zweibundes gerade Deutschlands ostasiatlsche Politik nur erleichtert werden könne. Wir sehen keinen Anlaß, dieser Auffassung zu widersprechen. Nur muß man sich nicht von dem lockenden ZukunflS- bilde bestechen lassen, daß wir nunmehr im fernen Osten die Hände in den Schoß legen und unsere dortigen Interessen englischer und japanischer Unter stützung anheimgeben könnten. Gerade für die Völker der gelben Rasse gilt bekanntlich nur der jenige etwas, der sich innerhalb ihrer asiatischen Welt fortdauernd kraftvoll behauptet. Auf diese alte Erfahrung baut auch Rußland; und in der Zu versicht, für ganz Asien ein gewaltiger, wenn nicht der gewaltigste Machtfaktor zu sein und zu bleiben, hat es die englisch japanischen Vereinbarungen ruhig ausgenommen. Man scheint in St. Petersburg dieses fünfjährige Bündnis nur als ein vorüber- gehendes Zwischenspiel zu betrachten, da» die all mähliche Annäherung Chinas, Japans und Ruß lands aneinander nicht verhindern, ja nicht einmal ernstlich aushalten kann. Diese Verständigung unter den drei asiatischen Großreichen ist bekanntlich auch das politische Glaubensbekenntnis des MarqurS Ito, und als Träger solcher Gedanken, in denen West europa wie Amerika als äußerer, Japan, Rußland und China als der innere Kreis der zukünftigen Menschheit und ihrer Kultur erscheinen, hat der ein flußreiche Vertraute des Mikado bei seinem jüngsten Besuch in St. Petersburg eine Aufnahme gefunden, deren Freundlichkeit durchaus aufrichtig sein konnte. Den Vertrag mir England mochte Ito für fünf Jahre ruhig geschehen lassen, ohne übrigens persönlich an seinem Abschluß oder gar, wie der „Matin" gefabelt hat, an einem Angebot der japanischen Bundesgenossen schaft in Paris, das niemals gemacht worden ist, mitzuwirken. Die Betrachtungen der französischen Presse über den neuen Zweibund sind überhaupt in ihrer naiven Lebhaftigkeit interessanter als die zurückhaltende Ruhe deutscher wie auch russischer Blätter. Manche Pariser Leitartikel erinnern an Kinder, die im Finstern singen, um sich vorzutäuschen, daß sie sich nicht fürchten. Einige trösten sich über die unerfreuliche Aussicht, vielleicht im fernen Osten dem russischen Freunde gegen England und Japan HcereSfolge leisten zu müssen, mit dem Hinweise, daß für England der Eintritt des easus foeäerin, der Zusammenstoß des anglo japanischen mit dem franko-russischen Bunde noch Unit unerwünschter sein müsse. Man scheut sich, der ernsten Frage in- Gesicht zu sehen, wer in den ostasiatischen Möglichkeiten und in deren Rück wirkungen auf europäische Verhältnisse das glück haftere, in Schutz und Trutz bessere Los gezogen hat, Frankreich an der Seite Rußlands oder England als Bundesgenosse Japans. Im „GauloiS" wurde eS nachträglich fast als ein Fehler der französischen Politik bezeichnet, daß man durch das Zusammen gehen mit Rußland und Deutschland in der Liao- tong-Frage nach dem Frieden von Schimonosaki den Keim auSgesät habe, auS dem nunmehr eine Be denken, ja Beklemmungen erregende Mochtgruppierung hervorgewachsen sei. Der in dieser Betrachtung liegende Vorwurf kann sich weniger gegen Deutsch land richten, als gegen das damals als Protagonist zur Beschneidung der Siegesansprüche Japans her vorgetretene Rußland. Die jetzt ausbrechende Reue darüber, daß Frankreich sich mit seinem nordischen Verbündeten einmal gegen Japan tiefer eingelassen hat, enthält ein interessantes Geständnis. Halb aus Gefühl, halb aus Ueberlegung sind die französischen Politiker bestrebt, in der gegen wärtigen Lage nur ja die englische Sehne am Bogen Frankreichs nicht abreißen zu lassen. Man schilt nicht auf England, man bedauert nur, daß es japanischen Umgarnungen erlegen fei, statt in die geöffneten Arme Frankreichs zu sinken. Einigen Ersatz für dos nicht zu werke gebrachte umfassendere Einvernehmen soll der zur Zeit in London betriebene Abschluß einer kolonialen Uebereinkunft bieten, die man, um der Welt möglichst rasch dem japanisch englischen Vertrage einen englisch-französischen vorführen zu können, wenigstens für die Streitpunkte in Neu- Fundland und auf den Neu-Hebriden fertigzustellen hofft. Nun giebt es gewiß nichts, was Deutschland weniger berühren könnte, als eine freundschaftliche Erledigung solcher Kleinigkeiten zwischen den Kabinetten von London und Paris. Da aber eintretendcn Falles mit dieser neuen Vereinbarung von der Themse wie von der Seine aus geprunkt werden könnte, so mag schon jetzt ausgesprochen sein, daß Deutschland durch eine solche koloniale Verständigung Frankreichs mit England, an der der französische Minister des Auswärtigen Delcasse seit Jahren arbeitet, keineswegs, etwa wie die Pariser Regierung durch die Veröffentlichung des englisch-japanischen Zweibundes, überrascht werden würde. Inzwischen weist die durch dieses Bündnis in erster Linie beeinflußte Lage in Ostasierr immerhin schon gewisse Veränderungen auf. In dem russisch japanischen Jnteressenkampf um Korea spielt Eng land nicht mehr den bloßen Zuschauer. Britische Offiziere mit Artilleriematerial sollen in Söul auf getaucht sein. Das koreanische Ministerium hat neue Mitglieder erhalten, ohne daß sich schon jetzt über sehen läßt, ob durch diese Neuordnung der Regierung Koreas Herrscher eine bestimmte Hinneigung zu der Gruppe Rußland-Frankreich oder England-Japan bekundet hat. Anch in der mandschurischen Frage werden neue Einzelheiten bekannt. Die Echtheit des Wortlauts der vom Bureau Loffan mitgeteilten Note des amerikanischen Staatssekretärs Hay an Rußland vom 1. d. Mts. mag dahingestellt bleiben. Zutreffend aber ist jedenfalls, daß vor wie nach dem Bekannt werden des Lansdowne-Hayaschi -Vertrages in St. Petersburg und Wasbingion ernste Auseinandersetz ¬ ungen über Rußlands frühere Versprechungen über die Räumung der Mandschurei staltgefunden haben. Die Union scheint entschlossen zu sein, sich von der Zusage der „offenen Thür" für die Mandschurei nichts abhandeln zu lassen. Ein Kriegsschiff der Vereinigten Swaten liegt nach wie vor in dem als Freihafen in Anspruch genommenen Niutschwang. Man braucht die Schwierigkeit dieses zunächst rein theoretischen Streites nicht zu überschätzen, nament lich nicht vom russischen StaMpunkte aus. Immer hin beweist er, daß Rußland geiade angesichts de- neuen Zweibundes auf eine wohlwollende Neutralität der Amerikaner für seine mandschurische Politik nicht rechnen kann Bei dieser Sachlage dürfte die Frage, ob der englisch japanische Vertrag noch durch eine nicht veröffentlichte Miliiärkonvention ergänzt woiden ist, sowie ob er überhaupt geheime Klauseln enthält, an Bedeutung gewinnen. Aus Rom kam im Anschlusse an die Demas kierung deö neuen Sternbildes am Himmel der ost asiatischen Politik die viel oder wenig sagende Meldung, man müsse sich noch auf weitere Bündnisüberraschungen gefaßt machen. Der „Figaro" hat bestätigt, der König von England werde nach Cannes zum FrühjahrSaufenthalt kommen, und in dieser Zeit werde fast das gesamte englische Mittelmeergeschwader an der Riviera vor Nizza anbrn. Ta ergiebt sich eine Begegnung des britischen mit dem französischen Staatsoberhaupt wie von selbst, und in der Einbildung der Pariser Presse erscheint als Dritter wohl König Viktor Emanuel von Italien zum Besuche an der schönen „Cöte d'Azur". Daß sich für den Sohn König Umbertos an den Namen Nizza nicht gerade erfreuliche Gedanken knüpfen, wird von den Franzosen leichtherzig übersehen. Sie machen sich noch immer sonderbare Vorstellungen von dem jurgen Monarchen, der gerade jetzt wieder in seiner ersten Thronrede eine Probe seines ernsten Sinnes und seines PflichtbcwußtseinS gegeben hat. Ueber die Mittel, durch deren Anwendung König Viktor Emanuel Italien glücklicher und mächtiger zu machen wünscht, haben wir nicht mit ihm zu rechten. Die starke Betonung der sozialen Pflichten wird ge- > v^en sein in einem Londe, wo die Gegensätze von Arm und Reich schärfer ausgeprägt sind als in unserer mehr allmähliche Uebergänge aufweisenden wirtschaftlichen Gliederung Die Trennung von Staat und Kirche hat für Italien ihre besonderen Schwierigkeiten, denen der junge König entschlossen ins Auge sieht. Die Erwähnung der ausgezeich neten Beziehungen zu den fremden Mächten be deutet gerade in der gegenwärtigen Loge Italiens mehr als die übliche Formel. Das apenninische Königreich kann in jüngster Zeit auf Zeichen freund licher Annäherung von Frankreich und Rußland Hinweisen, während die alten Verbindungen mit England und namentlich mit dem Deutschen Reiche noch ungelockert fortbestehen. König Viktor Emanuel hat mehr als sein Vater die Wahl zwischen ver schiedenen Wegen für seine auswärtige Politik. In dieser Wahlfreiheit liegt aber auch die Verantwort ung für Entschließungen, deren Folgen auch bei einer nicht so günstigen Gestaltung der Umstände wie augenblicklich, von Italien ertragen werden müßten. Erwähnt sei noch, daß die aus Paris on- gekündigte Reise Sr. Majestät des Kaisers mit dem, Reichskanzler Grafen v. Bülow nach Rom nicht in Aussicht genommen ist. Der zweite Souverän in der ewigen Stadt, Papst Leo Xlll. ist beim Eintritt in das fünsund- zwanzigste Jahr seiner Regierung auch von Berlin auS halbamtlich begrüßt worden, und eine besondere Abordnung überbringt dem greisen Oberhirten die Glückwünsche deS Deutschen Kaisers zu seinem Krönungsjubiläum am 3. März. Diese Kundgeb ungen entsprechen der völkerrechtlichen Stellung des Papstes und berücksichtigen überdies das persönliche Verhältnis zwischen Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Leo XIU., das durch wechselseitige Sym pathie gekenvzeichmt ist. Niemand kann hierin einen Stein des Anstoßes finden und als durchaus ver unglückt muß der nörgelnde Hinwels gellen, Fürst Bismarck würde dem Papste nicht so rücksichtsvoll begegnet sein Zu solchen Behauptungen gehört ein sehr schlechtes Gedächtnis, dessen Auffrischung am besten seinem tadelsüchtigen Inhaber selbst über lassen bleibt. ' Jnbetreff der Lage in Marokko haben wir durch einige spärliche Pariser Mitteilungen erfahren, daß die im Süden Marokkos, hart an der algerischen Grenze gelegene Oase Higrg durch französische und marokkanische Soldaten besetzt worden ist. Pariser Blätter nannten das ein „Ereignis", ohne weitere Kommentare hinzuzufügen. Diese Schweigsamkeit im Hinblick auf die marokkanischen Dinge bleibt für die amtlich beeinflußte französische Presse charakte ristisch; man bemüht sich, alle Ereignisse in Marokko in ihrer Tragweite möglichst zu bemänteln, und be tont immer wieder, Frankreich sei und bleibe für die Beibehaltung des «Satus guo in Marokko. Es muß sich bald zeigen, wie weit die Pläne der französischen auswärtigen Politik mit derartigen Versicherungen zusammen stimmen. Bisher sind aus den marokka nischen Begebenheiten keine Mittelmeerfragen im weiteren Sinne entstanden; und die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß sich auch Hinfort solche Fragen akuteren Charakters nicht entwickeln werden. Denn wir möchten es doch für einigermaßen fraglich halten, ob ein franko italienisches Einvernehmen hinreichen würde, um das marokkanische Pioblem, soweit eL im Be reiche einer Mittelmeer-Angelegenhett sich bewegt, im Sinne Frankreichs zu lösen. Wie wenig Frank reichs russischer Bundesgenosse für Sachen zu haben ist, die, gleich Marokko, außerhalb seines Interesses liegen, haben Beispiele der jüngsten Zeit genugsam bewiesen. Die Widerstände aber, die sich der einer stärkeren Aktion Frankreichs in Marokko erheben müßten, würden stärker sein, als eS sich die zu jener Aktion drängenden französischen Kolonial politiker vielleicht träumen lassen. Nachrichten ^auS Afghanistan, wonach dem neuen Emir Habib Ullah von seinen Verwandten Schwierigkeiten bereitet würden, sodaß im Lande Unruhen befürchtet werden mußten — möchten wir nicht anders einschätzen, als ähnliche frühere De peschen über drohende Wetterzeichen an den Nord grenzen Britisch - Indiens. Die beteiligten Kreise werden sich durch derartige Botschaften kaum all dem Gleichgewicht bringen lassen. Jede Zuckung einer Bewegung, die aus Afghanistan bemerkbar wird, dürfte die Organe der anglo indischen Regier ung nur zu erhöhter Wachsamkeit antreiben. Im übrigen darf schon früher Angcdeutetes nochmals wiederholt werden: Lord Curzon, der indische Vize könig, wird einen gewissen Wert darauf legen, De peschen obgedachten Inhalts gerade in London ver breitet zu wissen. Den Staatsmännern an der Themse mag erneut zum Bewußtsein gebracht werden, daß es außer in Südafrika und in Ostasien auch noch in Indien bez. Zentralasien Interessen für das britische Mutterland wahrzunehmen giebt. Noch Kunst und Wissenschaft. Konzerte. Ein gewähltes und interessantes Pro gramm hatte das in Dresden seit Jahren künstlerisch auf da« vorteilhafteste bekannte Sänger-Ehepaar Anna und Eugen Hildach für seinen gestrigen, gutbesuchten volkstümlichen Lieder» und Duetten-Abend (Vereins- hau«) zusammengestellt. Neben einer Auswahl selten gehörter, von Hrn Hildach vortrefflich vorgetragener Einzelgesänge von Brahms — darunter das rück schauende „Mit vierzig Jahren" und da« düstere, drama tisch auiklingende Lied „Verrat" — brachte der Abend je zwei Liederreihen für Sopran und Baryton von Christian Sinding und Eugen Hildach, Kompositionen, die in der ebenso charakteristischen wie wirkungsvollen Ver tonung der gehaltvollen und eigenartigen Dichtungen von Rückert („Liebesfrühling") und Albert Matthäi („Zigeunerleben") al« eine dankenswerte Bereicherung der nicht allzu reichlich bebauten vokalen Duett-Litteratur zu bezeichnen find. Die warmbeseelte, durch feines musikalische« Verständni« und einen bi» auf die geringsten Kleinigkeiten sich erstreckenden Fleiß in der Vorbereitung de« Zusammengesanges ausgezeichnete Wiedergabe der Gesänge wurde mit allgemeinem und lebhaftem Beifalle begrübt Vortrefflich bewährte sich Hr Henry Pusch (Berlin) am klangvollen Bechstein-Flügel; ja es war eine angenehme Ueberraschung, dem neuerdings beliebt gewordenen „Säuseln" der Klavierbegleitung auch ein mal kräftigere Farben entgegengestellt zu kören Im festlich geschmückten Saale de« Gewerbehauscs fand gleichfall« gestern da« Konzert (Winterfest) de« Akademischen Gesangvereins „Erato" statt In der Aufstellung der Vortragsordnung, die sich auf Solo-und A oapolln-Gesänge sowie auf Männerchöre mit Orchester- begleUung (Kompositionen von F. I. Löwenstamm) er streckte, war aus das volkstümliche Element desonvere Rücksicht genommen worden Unter Hrn Prof Jüngst wurde mit prächtigem Ausdruck, frisch und fröhlich und mit ersichtlicher Lust und Liebe gesungen In C Bieber« „Tanzlockung" und einem (etwas rührseligen) Chore von Franz Abt gesellte sich einem Doppelquartett der Eratonen Frl Olga Maihak als Sopranistin zu. Außerdem kam die angenehme, mehr dem Mezzosopran zuneigende Stimme ter Künstlcrin in Gesängen von CH. v. Koß, Jüngst und Hildach zu ansprechender Geltung, wenn auch für die Textaussprache noch einige Wünsche offen blieben Im „Abschied des Trompeters" (Simon Breu) hatte Hr Weihbusch, Schüler de« Königl Konservatoriums, da« Pistonsolo übernommen Orchesteroorträge der GewerbehauSkapelle unter Hrn Musik direktor Trenkler vervollständigten da« Programm U. S. „Münchens Niedergang als Kunststadt." Im April vorigen Jahres hat zuerst Han« Rosen hagen, einer der besten Berliner Tageskritiker, der sich gleichzeitig auch als Kunstschriftsteller eine» vorteilhaften Rufe« erfreut, die Frage aufgeworfen, wie e« zur Zeit um die lange unbestrittene Stellung München« „als führender deutschen Kunststadt" beschaffen sei, und sie dahin beantwortet, daß diese Stellung mehr und mehr ge fährdet werde Seine Ausführungen sollten nicht sowohl einen Angriff auf die Kunststadt München, al« eine Warnung bedeuten und waren schon deshalb wohl« *) München» „Niedergang al« Kunststadt". Eine Rund frage von Eduard Engel«. Beantwortet von H. Bahr, B. Becker, H. E v. Berlepich, M B. Conrad, C «urlitt, Georg Hirth, F v. Lenbach, M Liebermann, R Muther, H Obrist, Ad. Paulu«, H. Petersen, H. Rosenhagen, P Schultze, Naumburg, F Servan, F Stuck, Fr Uhde u a. Lerlageanpalt F. Bruckmann A. G., München 1902 8'. gememl, wert Rosenhagen in der Aufrechterhaltung ver führenden Stellung Münchens gegenüber dem Empor kommen Berlins, „wo von oben her die Kunst von vor gestern mit aller Macht wieder lebendig gemacht werden soll", einen Vorteil für die freie Entwickelung der deutschen Kunst zu erblicken geneigt ist. Dieses Warnungssignal ve« Berliner Kritiker« ist anfangs von der Presse wenig beachtet worden, selbst die Münchener Zeitungen haben ihm nicht genügende Bedeutung beigelegt, angeblich „weil sie sich scheuen, scharf Stellung zu den verschiedenen Vorgängen zu nehmen" Noch weniger hat sich die bayrische Regierung um jenen Artikel Rosenhagens gekümmert, denn sie hat cs ruhig geschehen lassen, daß sich die in kurzer Zeit zu großer Blüte und Ansehen gelangten „Vereinigten Werkstätten" auflösten und die leitenden Persönlichkeiten einem Rufe der württembergischen Regierung nach Stutt gart Folge leisteten, daß sich der allgemein al« eine hervorragende Kraft anerkannte Münchener Stadtbau meister Theodor Fischer gleichfalls für Stuttgart ge- winnen ließ und daß sich endlich auch derjenige deutsche Keramiker, der zuerst die modernen Anschauungen auf da« Gebiet der nützlichen Gebrauchsgegenstände übertrug, Theodor Schmuz-Baudin, nach längeren Verhand lungen zur Uebernahme einer Stellung an der Königl. Preußischen Porzellanmanufaktur in Berlin bereit erklärte, ohne daß es in dem einen oder anderen Falle bekannt geworden wäre, daß von feiten der Behörden in München auch nur der Versuch gemacht worden sei, diese Männer an München zu seffeln Selbstverständlich sind diese Thatsachen in der Oeffentlichkeit nicht unbekannt geblieben und haben dazu geführt, daß nicht nur die außerbayerischen Zeitungen allerhand München« Ruf al« Kunststadt mehr oder minder angreifende Schlußfolgerungen au« ihnen ge zogen haben, sondern daß auch im Publikum, soweit e« sich überhaupt um Dinge der Kunstpolitik kümmert, die aufgeworfene Frage vielfach erörtert wird, und zwar nicht nur in München und Bayern selbst, sondern auch außerhalb der weiß-blauen Grenzpfählr. Und da« ganz mit Recht Denn die Frage, ob die Vorherrschaft der deutschen Kunst bei München bleiben oder auf Berlin oder eine andere deutsche Stadt übergehen soll oder wird, ist für alle deutsche Kunstfreunde von ausschlag gebender Wichtigkeit So sehr jeder wünschen mag, daß die Stadt, an die er durch seinen Wirkungskreis ge bunden ist, in der er sich durch Geburt oder sonstige Verhältnisse am meisten heimisch fühlt, anch in künstle rischen Dingen immer weiter vorwärts kommen möge, so warm ein gegenseitiger Wettstreit der deutschen Kunstplätze aus diesem Gebiete, selbst wenn ihm zunächst nur lokalpatriotische Motive zu Grunde liegen, zu be grüßen ist, so ist es doch nicht gleichgiltig, von welcher Stadt au« der Ton angeschlagen wird, der zeitweilig die Kunst beherrscht Denn die Bedingungen, unter denen sich da« geistige Leben einer Stadt entwickelt, sind gerade bei uns in Deutschland so verschieden, daß di« eine vor allen anderen in der oder jener Richtung immer einen Vorsprung haben wird, der nicht so leicht einruholen sein dürfte Für München aber liegen die Bedingungen zum Gedeihen der bildenden Künste — denn nur von ihnen ist in diesem Zusammen hänge die Rede — von jeher so günstig, daß ein besseres Milieu für ein solche« bi« vor kurzem (und vermutlich auch heute) noch nirgend» in Deutschland ge funden werden konnte. Denn, ganz abgesehen von der wundervollen Lage in der Nähe der Alpen und auf dem Wege nach Italien, zeigt das alt- und speziell ober bayrische Wesen, in dem bi« heute da« sich mehr und mehr zur Großstadt entwickelnde München wurzelt und au» dem eS seine beste Kraft rieht, von Haus aus eine entschiedene Begabung und Neigung für die Pflege der bildenden Kunst Nur eine völlige Verkennung dieser Thatsache kann zu der immer und immer wieder
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