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Dresdner Journal : 09.12.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189912097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18991209
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18991209
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-12
- Tag 1899-12-09
-
Monat
1899-12
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 09.12.1899
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2314 sich ganz besonders um die Frage bewegten, ob es zu dulden fei, daß „Genosse" Millerand im Ministerium säße. Ein mit Mühe gesüßter Beschluß ging dahin, daß unter gewissen Umständen ein Sozialist dem Ministerium angehören könnte, daß die „Genossen" im allgemeinen aber nur Wahlämter zu erlangen suchen sollten. — Betreffs der Verhandlungen der „Komplott"-Sache vor dem StaatsgerichtShofe that die telegraphische Berichterstattung sehr wohl daran, sich zu beschränken. ES kam in der That bisher nichts bei dieser „Affaire" heraus, außer, daß etliche Angeklagte wiederholt der Theilnahme an royalistischen Umtrieben bezichtigt wurden und dies jedesmal lärmend in Abrede stellten. Der Krieg in Südafrika. Die Stimmung in England wird immer erregter. Der Oberst Sanderson hielt vorgestern in Belfast in einer großen Versammlung eine heftige Rede gegen die Regierung, weil sie nicht rechtzeitig Truppen nach Südafrika geschickt habe und stets dem Publikum falsche Berichte bekannt gebe, um den Glauben zu er wecken, Transvaal sei ein in der Zivilisation zurück gebliebener Staat, dessen Eroberung ohne große Opfer gelingen werde, während die Buren in Wirklichkeit eine Militärmacht ersten Ranges seien und auch „Daily Telegraph" beklagt sich bitter über die Zensur, die an den aus Südafrika einlaufenden Telegrammen geübt wird. Das Blatt teilt mit, daß ein Telegramm, da; über 1500 FrcS. gekostet hat und am 8. Noveniber aufgegeben worden ist, ihm jetzt erst zugestellt wurde. Es ist dies die zweite Hälfte der Telegramme über die Schlacht bei Ladysmith, dessen erster Teil vor 14 Tagen veröffentlicht worden ist. Die Erkenntnis, daß die Hilfsquellen an Truppen völlig erschöpft sind, ist auch nicht geeignet, die Stimmung zu heben. Trotzdem hat das Kriegsa-nt beschlossen, eine neue 7. Division für Südafrika zu bilden. Sie soll als äußerste Evcntualreselve für den unwahrscheinlichen Fall dienen, daß sich noch die Nachsendung weiterer Truppen nötig macht. Gerüchtweise verlautet, das Kriegsamt werde eine Brigade Miliztruppen bilden und sie dem General Buller nachfenden. Darüber herrscht in England naturgemäß große Beunruhigung, denn man verkennt nicht, daß die Mobilisierung einer Milizbrigad? als ein rationales Unglück anzusehen sein würde. Die heutigen Meldungen bringen in der Haupt sache Truppenbewegungen zur Kenntnis. Sie lauten: London. Das KriegSamt giebt bekannt: Von Lord Meld neu sind heute keine weiteren Nachrichten eingegangen. Indessen sagt ein Telegramm aus Orange River Station, daß gestern früh bei Graspan die Eisenbahnübersührung gesprengt wurde. Der Telegraph ser abgeschnitten Führer bringen Meldungen von hestigem Gcschützfeuer im Norden — DaS TranSportschiss „Tyne" ist wieder flott ge macht worden und in Portsmouth eingetroffen. — Das Kriegsamt veröffentlicht folgende Depesche deS besehligenden Offiziers in Kapstadt von gestern abend 9 Uhr: Die Streitmacht deS Feinde- in der Nähe deS Generals Gatacre besteht, wie berichtet wird, auS folgenden Abteilungen: 800 Mann in Dordrecht, 700 Mann mit sechs Geschützen aus dem Marsche von Jamestown nach Dordrecht, lüo Mann in Storme, eine große Streitmacht von unbekannter Stärke in Waterwall, 4VV Mann in Molteno. — General French meldet vom 7. d MtS.: Die berittene Neusceland-Jnsantcrie verließ Naauwpoort bei Tagesanbruch und besetzte einen Bergrücken südlich von Arundel, um die Ausschiffung berittener Truppen aus drei Eisenbahnzügen zu decken. Arundel wurde sodann um 6 Uhr abends besetzt. Die Vorposten deS Feindes stehen drei Meilen jenseits Arundels. Eine Batterie Feldartillerie und ein Baiaillon Infanterie wurden vom Modderriver ab gesandt; sie trieben das PrinSloo Kommando in Stärke von 1000 Mann mit einem Geschütz, das die Eisenbahn zerstört hatte, zurück Aus unserer Seite wurde ein Mann gelötet und 14 verwundet Ein verwundeter Bure wurde in der Nähe von Enslin gesunden. Die Verbindung der Telegraphen- und Eisenbahnlinie nach dem Modderriver ist wieder eröffnet. — Den „Time-" wird vom Modderriver unter dem 5 d MtS. gemeldet: „Die Eisenbahnbrücke gehl ihrer Voll endung entgegen Der erste Zug soll heute abend die Brücke Passieren Auch die Pontonbrücke ist hergestellt. Ladysmith. („Reuter"-Meldung vom 7. Dezember über Weenen) Bisher sind seit dem l. November zusammen süns Osfiziere und 26 Mann getötet, 13 Offiziere und 130 Mann find verwundet; drei werden vermißt. Die Buren stehen noch in geschloffener Streitmacht ringsum. Alles ist wohl und monier. Frere. DaS „Rruterfche Bureau" meldet aus Frere vom 7. d. Mts: In der Richtung aus Ladysmith wurde heute früh hestigeS Gefchützfeuer vernommen. — Dir zweite Ausgabe der „Time» ' meldet au» ^,drm Lager bei Frere vom 6. d.MtS: Dir Buren brachen eins von den größten ihrer fünf Lager nahe bei Colenso ab und bewegen sich ostwärts. — Ein amtlich bekannt gegebenes Telegramm des Obersten Baden- Powell au» Mafekrng vom 27 November meldet, alles sei wohl, da» Bombaidement fetze zuweilen au-, und die belagern den Streitkräfte seien bedeutend fchwächer. QueenStown (Kapkvlonie). (Meldung de- „Reuterschrn BurrauS".) Ein Einwohner von Dordrecht, der hier angekommeu ist, erzählt, daß die Buren bei ihrem E-nzug in Dordrecht von der Mehrzahl der Einwohner mit offenen Armen empfangen worden seien. (Wiederholt.) - (Meldung deS „Reuterfchen Bureau»".) Nach Meld ungen, die hier aus Ladygrey am 5. Dezember eingetroffen sind, haben nicht die Freiftaalburen, sondern Aussländifche der Kapkvlonie Dordrecht besetzt Lourenyo MarqueS. (Meldung deS „Rruterfchen BureauS".) Der deutsche Dampfer „König" ist am Mitt woch hier mit einer deutschen und einer holländischen Abteilung des Roten KreuzrS eingetroffen. Die Abordnung wurde hier von den deutschen Konsuln in Transvaal empfangen und wird morgen in einem für sie bereitstehenden Ambulanzzuge nach Transvaal absahren. Pretoria. DaS „Reutersche Bureau" meldet vom K d Mts. aus Pretoria: Hier ist die Nachricht eingegangen, daß heule früh 6 Uhr in der Nähe des Modder - FluffeS rin Gefecht begann. Magalapye. Dem „Reuterfchen Bureau" wird auS Magalapye vom 30. November gemeldet: Alle Vorbereitungen sind getroffen, um mit der ganzcn hiesigen Truppenmacht morgen vorzurücken, die Eisenbahnlinie auszubeffern und die Verbindung mit Mafeking wiederderzustellen. Tie Buren befinden sich in einer starken Stellung am Mutfemaklata-Flufle, 100 Meilen nördlich von Maseking Kapstadt Nach einer Meloung der „Daily News" aus Kapstadt vom K. d MtS ist das englische Dampfschiff „Mafhona", von N^w-Aork kommend, mit einer Ladung von 17 000 Sack Mehl an Boro für Transvaal über Delagoabai am genannten Tage in Port Elizabeth eingetroffen DaS Schiff wurde von dem englischen Kanonenboot „Partridge" mit Be schlag belegt. Yin sozialdemokratisches Zukunftsprogramm. Eine Rede, die der Reichstagsabgcordnete „Genosse" Bebel dieser Tage in einer von mehr als 1000 Personen besuchten Versammlung des Wahlvereins de« zweiten Berliner Reichstagswahlkreises gehalten hat, verdient, auch in weiteren bürgerlichen Kreisen bekannt zu werden. Tie „Nordd. Allg. Ztg " greift auf den Kern der Bebelschen Ausführungen zurück und bemerkt zunächst: Während zahl reiche nationalgesinnte Männer, welche gewiß die politische und wirtschaftliche Entwickelung unseres Vaterlandes auch fernerhin in ebenmäßigen, friedfertigen Bahnen sortsübren möchten, vielfach ein politisches Verhalten an den Tag legen, das geeignet ist, der Sozialdemokratie in mannig fachen Beziehungen Vorschub zu leisten, skizziert der „Ge nosse" Bebel mit dankenswerter Offenheit die nächsten Zielpunkte der von ihm vertretenen sozialistischen Be wegung und verrät damit die vorläufigen Etappen, deren baldige Erreichung die Sozialdemokratie von einer weiteren Stärkung ihrer politischen Machtmittel erwartet. Aus dem vom Redner vorgetragenen sozialdemokratischen Zu- kunfsprogramm mögen die Gönner der angeblichen „Re formpartei" ersehen, zum Vorspann welcher Bestrebungen sie sich hergeben Der Abg Bebel versichert auch diesmal, daß seine Partei den gewaltsamen Umsturz nicht unmittelbar herauf beschwören wolle, giebt aber zu, daß sie an der Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaftsordnung kein Interesse habe; vielmehr sei es selbstverständlich, daß die Arbeiterklaffe nicht ruhen würde, ehe ihre von der Sozialdemokratie vertretenen Ideen verwirklicht sind. Auf dem erfolgreich beschrittenen Wege einer stetig zu erweiternden Demo kratisierung von Staat und Gesellschaft müsse da» Pro letariat zunächst die Zügel der politischen Macht an sich bringen, dann würde die Durchführung der nachfolgenden Maßnahmen in Angriff zu nehmen sein: Umwandlung der in Privatbesitz befindlichen Wälder, Gewässer, Minen, Gruben und Verkehrsmittel, soweit sie öffentlichen Interessen dienen, in kommunistischen Besitz. Umwandlung der im Besitze der toten Hand befindlichen Güter in Staats- und Gemeindebesitz. Vorkaufirccht beim Verkauf von Grundbesitz für Staat beziehungsweise Ge meinde. Umwandlung der industriellen Großbetriebe, so weit sie öffentlichen Interessen dienen, insbesondere die Herstellung von Waffen, Munition, militärischen Aus rüstungs-Gegenständen sowie der Schiffsbau in staatliche Betriebe. Bildung von großindustiellen Genoffenschaften durch dazu geeignete handwerksmäßige Berufe mit Unterstützung de« Staate«. Uebergabe der Domänen an Ackerbau-Genoffenschaften, Bildung von genossenschaft lichen Großbetrieben durch Ackerbauer mit Unterstützung des Starte«. Zentralisation des gesamten Bank- und Kreditwesen« in Händen des Staates Verbot der Erb schaft an Delcendentrn de« dritten und folgenden Grades, Besch'änkung der Testiersreiheit an Fremde, bez. Heimsalt der Erbschaft an den S ar». Au ichfießlicheS Recht der Erwerbung von Grundbesitz behus» Errichtung von Wohn- gebäuden durch die Gemeinden, sowie ausschließliche« Recht derselben, Wohnungen zu errichten und zu vermieten. Urbergang aller Heil- und Pfiegranstalten an Staat oder Gemeinde, Anstellung der Aerzte al« Beamte Ueber- nahme der Zentral-Heizung«-, Lrcht- und WafferversorgungS- sowie Reinigungsanstalten durch die Gemeinde. Daß ein Programm, wie das vorstehende, nur bei einer vollständigen Umwälzung der bestehenden staatlichen und sozialen Verhältnisse auf Verwirklichung Aussicht hat, ist auch dem sozialdemokratischen Redner wohl be wußt Er meint aber, daß diese „Revolutionierung" dennoch auf friedlichem Wege sich vollziehen werde. Da« ist zwar ein Irrtum, über ihn soll aber hier nicht ge stritten werden Hingegen sollten die bürgerlichen Gönner der Sozialdemokratie die Einzelpunkte des Bebelschen Programm« sich gründlich einprägen, damit sie allzeit wissen, welchen Absichten sie sich dienstbar machen, wenn sie der Sozialdemokratie ihre Unterstützung angedeihen lassen Tagesgeschichte. Dresden, 9. Dezember. Se. Majestät der König begaben Sick heute früh, begleitet vom Flügcl- adjutanten Oberstleutnant Senfft v. Pilsach, einer Einladung deS Kammcrherrn v. d. Decken auf Hof zur Jagd Allergnädigst Folge leistend, nach Stauchitz. Die Rückkihr Sr. Majestät nach Dresden-Strehlen er folgte heute nachmittag. Beide Königliche Majestäten werden heute abend mit Ihrer Großherzogl. Hoheit der Frau Erbprinzrsfin von Anhalt der Erstaufführung der Oper „Nubia" im Opernhause beiwohnen. Dresden, 9. Dezember. Ihre Königl. Hoheiten der Prinz Georg und die Prinzessin Mathilde besuchten gestern den von dem Dresdner Tonkünstier- Verein im Saale des Gewerbehauses veranstalteten ersten Aufsührungsabend. Se. Königl. Hoheit der Prinz Georg begab Sich heute früh mittels Königl. Sonderzuges, begleitet von dem persönlichen Adjutanten Rittmeister v. Metzsch- Reichenbach, einer Einladung zur Jagd des Königl. Kammerherrn v. d. Decken auf Hef Folge leistend, nach Stauchitz und kehrte heute nachmittag nach Dresden zurück. Deutsches Reich. Berlin AuS Bückeburg wird gemeldet: Se Majestät der Kaiser begaben Sich gestern früh um 9 Uhr mit dem Fürsten und dem Prinzen Adolf von Schaumburg- Lippe in das Jagdrevier nach BrandShrf und den Bücke bergen. Nachdem im Jagdschlöße Brandshof das Früh stück einaenommen war, fuhren Se Majestät zum Schaum- burger Walde, wo nachmittag« auf Hirsche gepürscht wurde Nach 5 Uhr kehrten der Monarch in die festlich beleuchtete Stadt Bückeburg zurück, wo um 8 Uhr das Diner im Schlöffe eingenommen wurde. — S.M großer Kreuzer „Deutschland", Kommandant Kapitän zur See Müller, mit Sr. Königl. Hoheit dem Vizeadmiral Prinzen Heinrich an Bord, wird voraus sichtlich Anfang Januar 1900 die Heimreise von Singapore au« antreten und über Colombo, Suez, Gibraltar, Ports mouth nach Kiel »urückkehren. Die Ankunft in Kiel ist etwa am 10 März 1900 zu erwarten. — Neben der ersten Beratung des Etats werden im Reichstage in nächster Woche die zweiten und dritten Beratungen des Telegraphenwegegesetzes und der Reichsschuldenordnung einhergehen. Die Durchbe ratung de« erstgenannten Entwurf« in diesem Jahre wird aus verschiedenen Gründen gewünscht; der eine Grund liegt darin, daß al» der in der Vorlage vorgeschlagene Zeitpunkt für das Inkrafttreten der 1. Januar 1900 von der Kommission beibehalten worden ist. Die Reichs schuldenordnung muß schnell von der Budgetkommission erledigt werden, um noch rechtzeitig in das Plenum ge langen »u können. — In einer Zuschrift an die „Schleswiger Nach richten" erklärt der freisinnige Reichstagsabgcordnete Jacobsen, er werde sein Mandat nicht niederlegen, da eine Neuwahl wegen der bevorstehenden Auflösung des Reichstags unnötig sei Durch die Mav^-tsi-iederlegung werde außerdem der Glaube erweckt, sein Konkurs habe ehrenrührige Ursachen. Gleichzeitig teilt Hr. Jacobsen mit, daß er aus der Fraktion der Freisinnigen Volks partei, der er bisher als Hospitant angehörte, ausgetreten sei. Bekanntlich hat sich die GeschäftSordnungskowmifsion deS Reichstag« mit der Angelegenheit besäst ss— Im Monat November sind auf den deutschen Münzstätten für 11 516360 M Dopvelkronen und für 3 Mill. M. Kronen, und zwar beide Münzsorten auf Privatrechnung, für 1 324 430 M Zweimarkstücke, für 107 292.10 M Zehnpsennrgstücke und für 82 978,94 M. E'»vfi"niaüück<- ousopräit -vorder«. Stuttgart. Au« der vorgestrigen Debatte der Zweite» Kammer über die Stellung »er württembergischen Re gierung im Bunde«rate zum ArdeitSwillrgengesetz sind die Erklärungen vom Regierungstische beachtenswert Der Minister de» Innern v. Pischek bemerkte zunächst, der Aba Gröber habe übersehen, daß eine Ablehnung seitens der württembergischen Regierung keinen praktisch«» Wert gehabt, sondern lediglich eine Gewiffenssalvierung bedeutet hätte, die zu einer Veränderung ihrer ganzcn Stellung im Bundetrate hätte sühren können Au» ver schiedenen Erwägungen habe die württrmbergische Regierung dem Entwurf ihre Zustimmung erteilt, auch wenn er ihr nicht gefallen habe; sie habe nicht ander» handeln können, sonst wäre sie von der Scylla in die Charybdis geraten! Nach dem Minister des Innern sprach der württem- dergische Ministerpräsident Frhr v. Mittnacht. Er führte u. a auS: Abg. Haußmann habe die Haltung der mittelstaatlichen Regierungen ins Buge gefaßt und sei zu dem Ergebnr« gekommen, daß sie zu bescheiden seien und eine stärkere Initiative ergreifen sollten Die realen Ver hältnisse zwischen den einzelnen Bundetstaatsregierunpen entsprächen nicht der Zahl ihrer Bundesratipimmen An sich scheine Preußen mit seinen 17 Stimmen leicht zu überstimmen. Hinter ihnen stünden aber etwa 32 Millionen de« preußischen StaatS, hinter allen übrigen 41 Stimme» nur eine Einwohnerzahl von etwa 20 Millionen Reuß älterer Linie habe bei 68000 Einwohnern 1 Stimme, Preußen bei 32 Millionen nur 17. Aber diese lägen in einer starken Hand, jene aber liege zugleich der Machtsphäre des preußischen Staals Preußen werde und könne niemals die Führung in wichtigen polisifchm Angelegenheiten der deutschen Nation au« der Hand geben. Unter den gegebenen Verhältnisfin seien die Ernzelßaaten, wenn sie etwa» erreichen wollen, auf den Weg de« Ein vernehmens angewiesen, de« gegenseitigen Vertrauens, nicht des Majorisierens. Er kenne den Bundesrat seit seinem Bestehen, er habe ihm angehört unter drei Kaisein und drei Reichskanzlern; er erfülle nur eine Pflicht, wenn er die Erklärung abgebe, daß die preußische Regurung fiel« bereitwillig auf ein Einvernehmen eingetrelcn sei, daß der führende Bundesstaat seine Rechte nie mißbraucht habe, sich aber, wa« den Schutz der Gesellschaft anbelanae, nicht von seiner Anschauung habe abbringen lassen Wer be ständig im Bundesräte sich abseits stellen wollte, der wäre bald ganz vereinsamt Ter Bundesrat sei kein Ferment, in dem eine Opposition sein müsse, e« sei dort kein Grund für Parteibildung. Wa« sollte bei der Zerklüftung unserer Verhältnisse in Parteien und im Volke werden, wenn ein Krieg unter den Re gierungen daneben hergingc, im Bundesräte und weiter im Parlament und den Einzellandtagen? (Sehr richtig!) Die Regierungen hätten allen Grund, hohen Wert zu legen auf solidarisches Vorgehen in großen Fragen. Daran liege ein großes nationales Interesse, und daran die Hand zu legen, bedinge eine große politische Verant wortung. Damit wolle er nicht gesagt haben, daß man in allen Fällen nur Ja sage Die Ausschüsse des Bundes rat« seien der Ort, wo die Einzelregierungen zum Wort kämen und wo auch recht häufig ein Ausgleich zwischen den einzelnen Interessen und Meinungen erzielt werde. Schließlich stehe man im Plenum vor der Alternative: für oder gegen da« Ganze. Wenn durch di« Verhand lungen im Reichstage noch etwas Brauchbares erwartet werden könne, werde man, nachdem man seine Meinung jm einzelnen geäußert habe, für das Gesetz stimmen. Oesterreich-Ungarn. Wien. Einem Communiqus zufolge beschloß der Polen klub nahezu einstimmig, der Regierung nur ein zwei» monatige« Budgetprovisorium zu bewilligen. Rutowskc sprach sich für ein dreimonatiges Budget provisorium aus und sagte, er sehe nicht ein, warum man dieser Regierung weniger Vertrauen entgegenbringt» sollte als anderen. Madcyski erklärte, er sehe gleichsav» keinen G und zu Mißtrauen gegenüber der Regierung. Jawortzki erklärte, die Obstruktion schwäche das System der Rechten; das mögen die Tschechen bedenken. Frankreich. Paris. StaatSgerichtShof. In der gestrigen Sitzung wurden die Entlastungszeugen vernommen Jule- Lemaitre versicherte, daß die den Angeklagten zum Bor wurfe gemachten Kundgebungen Nicht nach vorheriger Ver abredung unter den Ligen veranstaltet worden seren Tie betreffenden Kundgebungen seien die Antwort gewesen auf die gegen da« Heer gericht-ten Kundgebungen Millcvoye erklärte ebenfalls, daß zwischen den verschiedenen Ligen kein Einverständnis bezüglich einer gemeinsamen Aktion bestanden habe. Mehrere Zeugen versicherten sodann, daß Dörouldde und GuSrin republikanisch gesinnt seien. Tur- quet und Oberst Monteil gaben zu, die Kundgebung vom 12. Dezember vorigen Jahre« veranstaltet zu habe», diese Kundgebung habe aber einen durchaus republikani schen Charakter gehabt. Monteil gab firner zu, daß die vatriotischen Ligen sich untereinander zu verständigen suchten, aber au« rein patriotischen B,w ggründen Hier aus warne die Verhandln»«! aufaehcbkn forderlichen Dekorationsstücke rc. emgelchlosten sein können Was mehr wert ist, als die Feststellung der That- sache, ob sich der schlichte Bürger mit 750 M und der Arbeiter mit 400 M. sein Heim zweckentsprechend und behaglich einzurichten vermag, das ist der durch diese Ausstellung erbrachte Beweis, daß die moderne kunst gewerbliche Bewegung nicht mehr, wie eS zuerst den Anschein hatte, für die Bedürfnisse der bevorzugten Klaffen allein Geltung hat, sondern daß sie auch den Minderbemittelten zu gute kommt. Die Wohnungseinrichtungen, die im AuSstellungSpalaste ausgestellt sind, sind, obwohl der Preis einer Gesamteinrichtung die Summe von 800 M. nicht übersteigt, fast durchgehend« von Künstlern ent worfen; sie genügen also nicht nur den Zweckmäßigkeits- Prinzipien, die die Urheber der Ausstellung zunächst im Auge hatten, sondern tragen auch zum weitaus größten Teile in gelungener Form dem künstlerischen Gedanken Rech nung, der im modernen Kunstgewerbe zum Ausdruck kommt — bisher allerdings nur in Stücken und Ein richtungen de» Luxuskunstgewerbes. Von den aus gestellten Gesamt-Wohnungseinrichtungen im Preise von 750 M. ist die von den hiesigen Architekten Lehnert und v Mayenburg entworfene, von dem Tischlermeister Ernst Naumann angefertigte mit dem ersten Preise ausgezeichnet worden Sie hat ihren Platz im Vorraume zur Aus stellung gefunden und besteht aus Wohn- und Schlaf zimmer, sowie Küche Besonders geschmackvoll nimmt sich da« au« hellpolierter Kiefer hergestellte Schlafzimmer au«; trotz der Schlichtheit der Linien und Formen wallet in den Geräten künstlerischer Geist; da« Ganze ist in vollendeter Harmonie durchgeführt Die Möbel de« Wohnzimmers sind aus braunrot gebeizter Kiefer her gestellt, gefällig in den Formen und sogar nicht ohne kleine künstlerische Ausschmückungen Das Hauptgewicht ist hier jedoch auf die Stabilität der Geräte gelegt Nächst dieser Einrichtung fesseln insbesondere die Aus stellungsgegenstände der hiesigen Werkstätten für Hand- wert-lung, Denen yeroorragenoe veloraltve jiunfll.r tue Entwürfe liefern. Ausgestellt sind zwei Gesamtwohn ungseinrichtungen, die eine nach den Entwürfen Erich und Gertrud Kleinhempels, die andere nach den Zeichnungen Karl Groß'. Die erstere läßt sich zum Preise von 800 M. Herstellen, der Kostenpreis der letz teren ist nicht verzeichnet In beiden Einrichtungen tritt das moderne DekorationSprinzip schärfer hervor als in der Lehnert-Mayenburgschen Einrichtung Die Schränke zeigen, bei aller Zweckmäßigkeit, reichere Formen, nament lich die Großschen mit den geschmackvollen Ahorn einlagen An den von den Werkstätten ausgestellten Ge räten fallen besonders die sehr gefälligen, außerordentlich originellen Metallbeschläge auf, die nach Entwürfen von Gertrud Kleinhempel, Karl Groß und I V. Ciffarz her- gestellt worden sind. Uebrigen« haben die Werkstätten außer diesen beiden Gesamtwohnungseinrichtungen noch eine Anzahl einzelner Möbelstücke ausgestellt, die aller dings nicht in den Rahmen dieser Ausstellung hinein gehören, nichtsdestoweniger jedoch wegen der Originalität der darin zum Ausdruck gekommenen Formen — e« be finden sich u a. ein Schreibtisch, ein Wandsofa, ein großer Speisetisch, eine Kredenz, ein Eckschrank darunter — die Aufmerksamkeit der Besucher aus sich ziehen. Sehr beachtenswert vertreten ist die Leipziger Deko rationsfirma F. A Schütz in Leipzig mit einer Gesamt- wobnungSeinrichtung im Preise von 750 M Die Möbel de« Wohnzimmers bestehen au« rotbraunem la siertem Fichtenholz, tragen in den Polstergeräten ge schmackvolle blaue Bezüge mit farbiger Paffementerie und hoben gefällige Formen In dem Schlafzimmer, das grün gehalten ist, wirkt der Gegensatz der rosaqefärbtcn Glasureinlage in dem originell geformten Waschtisch und den Nachttischen zu der grünen Tönung sehr wirksam und gefällig Sehr hübsch macht sich die malerische Au», schmückuna an den Möbeln der Küche Ein au« hellge beiztem Eichenholz hergestellte« Schlafzimmer hat die yiegge auooeciuvzit von zLug-ttnui.u u Lcyveee»« uuv- gcstellt. Die Zeichnungen zu den etwa« nüchtern wirkenden Geräten hat der hiesige Dekorationtlünstler Hugo Bieger entworfen. Uebrigens überschreitet diese Einrichtung auch den ausgeworfenen Höchstbetrog für ein einzelne« Schlafzimmer, denn sie kostet 550 M Sehr geschmackvoll ist das von derselben Firma auS- geführte', von Fr. Heydel entworfene Wohnzimmer aus dunkelbraun gebeiztem Erlenholz. Weniger gelungen er scheint die aus mahagoniartig gebeiztem, mit Wachslack lasiertem deutschen Rüsternholze hergestellte Wohnzimmer- cinrichtung nach den Entwürfen Hugo Biegers, die von dem Tischlermeister Hugo Zimmer ausgesührt worden ist. Die Formen sind zu massig, die einzelnen Geräte zu schwerfällig, sodaß sie höchsten« für bäuerliche Wohnungin geeignet sind. Gefälliger in ihrem Gesamteindruck ist die von derselben Firma ausgestellte Schlafzimmereinrichtung au« grüngebeiztem Rüsternholze, deren geistiger Urheber ebenfalls der hiesige Möbelzeichner Hugo Bieger ist. W. Toenge«. Neue skandinavische Litteratur. II. Mit dem Uebergang von Dänemark nach Schweden kom men wir au« dem Gebiete objektiver Lebensdarstellung in das der subjektiven Bekenntnisse. Zwei neue Werke von August Strindberg: „Legenden"(E Pierson,Dresden 1899).— „Nach Damaskus" (Ebenda) betitelt, find, wa« man auch über ihren poetischen Wert denken möge, bedeutsame Zeugnisse einer seltsamen Entwickelung Ten Weg „von Babylon nach Jerusalem" oder „nach Damaskus", dessen Stationen diese Bücher bezeichnen, sind vor dem be rühmten schwedischen Naturalisten gar viele ursprünglich ebenso revolutionär gestimmte Geister al« Strindberg gegangen. DaS Wunderbare der Konversion Strindberg« besteht hauptsächlich darin, daß er sich, nachdem er im Jahre 1V94 p«n.^pi»u lene «,>ep>s, „v»e n-uutt- tuelle Leben zu verwüsten gedroht hatte", hmtcr sich ge laffen, zunächst „experimcmicrend" auf den Standpunkt eines Gläubigen stellte, um dann sreilich Schritt für Schritt zum uralten „Orecko gvia sdsurckum vkt" zurück- getrieben zu werden und zu dem Endresultat zu gelangen: „daß da« Forschen in den Geheimnissen der Vorsehung, wie alles Himmelsstürmende, mit Verwirruno getroffen wird, und daß jeder Versuch, auf dem Wege de« Raisonnementö sich der Religion zu nähern, zu Ab surditäten führt". Die Uebereinstimmung mit dem letzten Ziel aller Seelenkämpse, denen ein Tag von Damaskus bereitet ist, paart sich mit ein« Besonderheit, die am stärksten in d«n dramatisierten Scenen de« Buche« „Nach DamaSkur" hervortritt. Im Grunde sind diese neuesten Werke Strindbergs nur für Naturen bestimmt, die eine ähnliche Verekelung an der Welt und dem Dünkel irdischer Wissenschaft empfinden wie der Verfasser selbst. Dabei ist auffällig, wie ent schieden noch die Reflexion, die scharfe geistvolle Beobacht ung überwiegt, wenn sich auch die Reflexion in ewige Regionen zu erheben trachtet und die Beobachtung in einer Art von Hellseherei schwelgt. Jedenfalls entbehren die „Legenden" wre die Scenen „Nach DamaikuS" nicht deS mystischen Hauches, wohl aber der überwältigenden Innig- keit und der sehnsüchtigen Wärme, die z B Ang-luS Silesius' „Cherubinischen Wandersmann" erfüllen, und die auch den Andersgesinnten in dir Grundstimmurg de« Gottsuchenden hineinziehen. Die Strindbergschen Bekehr- ungSzeugnisse behalten immer noch zu viel vom kritischen Geist, dem SensationShunger und dem Uebcrmenlchcntum der jüngsten litterariscben Bewegung Aber höchst denk- würdige und wohlzubeachtende Wegweiser, wohin diese Bewegung zuletzt treibt, sind sie freilich und ragen nicht bloß durch ihre eigentümlich selbständige Form üb« andere Sensationen weit hinaus Während der Schwede Strindberg sich anderen Regione»
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