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Dresdner Journal : 13.12.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189912131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18991213
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18991213
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-12
- Tag 1899-12-13
-
Monat
1899-12
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 13.12.1899
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Erste Vellage zu 289 des Dresdner Journals. Mittwoch, den 13. Dezember 1899, abends. Nachrichten aus den Laudesteiteu. Limbach i. S. Der im September hier verstorbene Rentner Hr Karl Scherf hat der hiesige« Stadtgemeind« 2000 M mit der Bestimmung testamentarisch vermacht, daß di« Zinsen diese« Kapital« im Monat Dezember eine» jeden Jahre« an zwei verschämte Arme, welche mindesten« zehn Jahre in hiesiger Stadt wohnen und völlig un» beschatten sein müssen, zu gleichen Teilen verteilt werden Cainsdorf. Am Sonnabend vormittag ist in dem Neubauten Turbinenhau« der Königin Marienhütt» hier ei» seit über 40 Jahren in de, Hütte thätiger Arbeiter durch ein 85 Ztr schwere« Magnetkreuz, welche« in di« Höh« gehoben worden war, aber durch Zerreißen de« Seile« herabstürue, getötet worden. Glauchau. Auf ein 50jährige«,reichgesegnete« Wirken im Dienste werkthätiger Menschenliebe konnte am 10. De zember unser Frnuenverein zurückblicken Mit der Ge denkfeier au« Anlaß der 50 Wiederkehr de« Gründung«- tage» war die die«jährige Chriftbescherung verbunden Plauen. Der Bund der Landwirte im 23 Reich«- tagtwahlkreise hat in seiner dietjährigen Hauptversamm lung Hrn Rittergut«besitzer Kasten auf Rosenberg al« Hauptdelegierten und Hrn Wauer auf Bösenbrunn al» dessen Stellvertreter einstimmig wiedergewählt. Dem Wahl- alte folgte ein Vortrag de« Hrn O«win Schmidt au« Freiberg über „Die Stellung de« Bunde« der Landwirte zu den hervorragenden Tagesfragen" Meißen Gestern sind hier in einer Wohnung in der Uferstraße zwei Kinder erstickt Die Mutter hatte die Wohnung auf kurze Zeit verlassen und die beiden Kinder im Alter von 6 und 2H Jahren ringeschlossen In ihrer Abwesenheit ist nun auf bi« jetzt unerklärt« Weise in der Stube Feuer entstanden Al« der Rauch bemerkt wurde und Nachbarn die Thür erbrachen, waren di« Kinder bereit« erstickt. I-. Au« dem oberen Elbthale Seit Sonnabend haben sich im Elbstrome allenthalben GrundeiLmasien gebildet; da« Treibei« blieb am Montag vormittag gleich oberhalb Herrn«kretschen — Station Schöna sühen. Dampfer, die mit ihren Schiffszügen diese Eismaffen durchbrechen wollten, mußten von ihrem Vorhaben ab- sehe» und lagen bi« Dienstag nachmittag bei Station Schöna inmitten de« Eises Auf Anordnung der Strom behörde mußten selbige diesen Platz verlaffen und haben im Postelwitzer Hafen Zuflucht gesucht Bi« mit 10. d Mt«. sind in diesem Jahre insgesamt 8636 befrachtete Schiffe und 2245 Flöße von Böhmen nach Deutschland eingefahren — Auf der Höhe de« Großen Winterberge» herrschten heute früh 12^, im Elbthale 10 Grad Kälte bei reicher Schneelage. WücHevscHcru. „Chinesische Charakterzüge". Von Arthur H. Smith Deutsch frei bearbeitet von F. C. Türbig. Mit 28 Titelvignetten von Fritz Tersch und 18 Vollbildern nach Originalphotographien. Würzburg, A. Stuber« Ver lag (C Kabitzsch). Ein Urteil über China und die Chinesen läßt sich von Europäern sehr schwer gewinnen. Diejenigen, die sich dieser Aufgabe unterziehen, weisen darauf hin, daß man gerade auf immer größere Wider sprüche stößt, je länger man mit der bezopften Raffe ver kehrt und je gründlicher die Kenntnis der Sprache und Sitten de« fernen Lande« wird. So hat auch Sir Robert Hart, Generalvirektor de« chinesischen Seezolldienste», der mit wenigen Unterbrechungen länger al« vier Jahrzehnte im Reich der Mitte gelebt hat, sich einmal geäußert: „China ist wirklich ein schwer zu verstehendes Land. Vor ein paar Jahren glaubte ich endlich soweit gekommen zu sein, etwa» von seinen Angelegenheiten zu wissen, und ich suchte meine Ansichten darüber zu Papier zu bringen Heute komme ich mir wieder wie ein vollkommener Neu ling vor. Wenn ich jetzt aufgefordert würde, drei oder vier Seiten über China zu schreiben, würde ich nicht recht wissen, wie ich die« ansangen sollte. Nur ein« habe ich gelernt: In meinem Vaterland« heißt e« gewöhnlich: Laß dich nicht biegen und wenn eS dabei auch zum Bruck» kommt, in China dagegen gerade umgekehrt: Laß dich biegen, aber laß r« nicht zum Bruche kommen " Auch Arthur Smith äußert sich ähnlich über dr« Schwierigkeit der von ihm behandelten Aufgabe und wendet sich an di« Nachsicht der Leser, weil auch sein Urteil trotz de« langen Aufenthalte« in China nicht Anspruch aus absolute Richtig, keit machen könne. Kenner von Land und Leuten sind indessen darüber einig, daß sein Buch zu dem Besten ge- hört, wa« über die Chinesen geschrieben worden ist Der Verfasser hat allerdings nur einen verhältnismäßig kleinen Teil deS ungeheuren Reiche» kennen gelernt, aber 22 Jahre lang Mitglied der amerikanischen Mission in China, ist er folge diese» seine» Berus« in sehr nahe Beziehungen zu den Chinesen getreten, deren Sprache er au»- gezeichnet beherrscht. Smith hat Sitten und Ge- bräuche der chinesischen Bevölkerung kennen ge lernt und einen lieferen Einblick in da« Seelen leben der Chinesen gethan, al« e« vielen anderen Schilderern möglich gewesen ist. Vor allem sind seine Beobachtungen kritisch gemacht und in einer anregenden Darstellung wiedergegeben. Er schreibt von der Sparsam keit, dem Fleiß, der Höflichkeit, von der Geduld und Beharrlichkeit, von der Kinderliebe de« Chinesen, ander- seit« aber auch von dessen Geringschätzung der Zeit und der Genauigkeit, dem Talent für Mißverständnisse und Umschweife, der biegsamen Unbeuasamkeit, dem Fehlen de« Gemeinsinn«, dem Fehlen der Aufrichtigkeit rc. Dabei beanspruchen die „Charakterzüge" nicht, etwa« Er- schöpfende« oder Universelles zu bieten Sie sollen viel mehr eine Auswahl sein, denn e« herrscht unter den Chinesen selbstredend genau dieselbe Verschiedenheit der Charaktere wie bei uns. Der sehr gewandte Uebersetzer, Kaufmann und mit den VerhäUniffen und Zuständen im Reiche der Mitte offenbar wohlvertraut, hat sich ein besondere» Verdienst um da» Buch dadurch erworben, daß er auf die Punkte, bei denen seiner Ansicht nach der Verfasser zu sehr durch die Brille des Berufes gesehen hat, in Anmerkungen und einem Nachworte hin weist In letzterem bestreitet er u. a auch die Ansicht von Smith, e» werde nicht die Diplomatie sein, die China reformieren werde; er erinnert demgegenüber an die Ereignisse in den letzten Jahren, die das Gegenteil darthäten, und betont, daß gerade dem durch die Diplomatie auSgeübten Drucke westliche Nationen die Menge der seiten der gelben Raffe gemachten Zu geständnisse verdanken. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhänge auch der Satz: „Wir Deutsche sind im ostasiatischen Handel nach England am meisten interessiert, und nicht» hat mich auf meinen Reisen im fernen Osten mit mehr Stolz erfüllt, al» mich auf Schritt und Tritt von dem hohen Ansehen, das der deutsche Kaufmann überall genießt, überzeugen zu können " In den gebildeten Kreisen Deutschlands, die seit der Erwerbung von Kiautschou an chinesischen Verhältnissen und Fragen stark interessiert sind, wird man dem nunmehr auch unserem Publikum zugänglich gemachten Buche von Smith Be achtung schenken und von seinem unterhaltenden und belehrenden Inhalte profitieren. In Ketten de» Kalifen. Zwölf Jahre Gefangen schaft in Omdmman von Karl Neufeld Berlin und Stuttgart, Verlag von W. Spemann. Als die Eng länder im vorigen Jahre dem Reiche de« Mahdi ein Ende bereiteten, brachten sie dem Verfasser de« vorliegen den Buche« Erlösung von einer zwölfjährigen Gefangen schaft und Befreiung von den Ketten, die er fast ohne Unterbrechung die langen Jahre getragen hatte. Seitdem ist der Name Karl Neufeld viel In den Zeitungen und Zeitschriften genannt worden, und e« erscheint, bevor wir auf den Inhalt seine« Buches eingrhen, nicht unangebracht, den Lesern zunächst ins Gedächtnis zurückzurufen, wie der der Freiheit und den Seinen glücklich wiedcrgcgebene Mann in die Gefangenschaft der fanatischen Mahdifien geriet Neufeld wollte im Jahre 1887 mit einer großen Handelskarawane nach Kordofan ziehen, wurde unterwegs von den Derwischen überfallen, geplündert und vor den Kalifen gebracht, wo man ihn das traurige Geschick Slatin Pascha«, Pater Ohrwalder« und anderer europäischen Gefangenen teilen ließ. Was er an körperlichen und seelischen Qualen in der langen Kerkerhaft erduldet, waS er unter der Last der schweren Ketten erlebt und beobachtet hat, da« hat er jetzt in einem reichlich 300 Seiten starken Buche niedergeschrieben Wenn man erwägt, daß der Verfasser, mangel« jeglicher Tagebuchnolizen, gezwungen war, die Einzelheiten seit»« entsetzlichen Martyrium« Punkt für Punkt dem Gedächtnisse adzuringen, so wird man sich der Meinung nicht entschlagen können, daß ihn die Natur mit außergewöhnlichen physischen und geistigen Kräften au«gestattet haben muß Denn ander» ist e» kaum denkbar, daß ein Mensch, dessen Körper Torturen der grausamsten Art zugemutet wurden, noch soviel gesunde» Hirn behalten hat, um anschaulich und folgerichtig di« Zustände im Lande seiner Peiniger, ihr religiöse« und politische« Leben, die kulturellen Verhältnisse lind das Geld wesen rc schildern zu können Würde e« räumlich nicht zu weit sühren und fürchteten wir nicht, da» Interesse an der Lektüre de« Bucht« abzuschwächen, so könnten wir versucht werden, einige« daraus mitzuteilen Wir be schranken un« jedoch auf den Hinwei«, daß die Neuseld- schen Aufzeichnungen ein treue« Bild der Zustände im Sudan geben und das Ende de« auf Gewaltthat und Be trug gegründeten Mahdireiche« anschaulich und zweifello« auch wahrheitsgemäß schildern Und wenn in der Ein leitung wegen litterarischer Laienhaftigkeit de« Verfassers an sie Rücksicht der Leser appelliert wird, so erscheint solche Bescheidenheit zwar lobenswert, im Hinblick auf da« bekundete Darstellungsgeschick aber unangebracht. Da« Buch ist mit einer Anzahl photographischer Ab bildungen au«gestattet und zeichnet sich durch großen und gut leserlichen Druck au«. E» kostet broschiert 8 und ge bunden 10 M. Lebende Bilder au« dem Reiche der Tiere. Augenblicksaufnahmen nach dem lebenden Tierbestande de» Berliner Zoologischen Garten«. H»rausgkgrben und mit erklärenden Unterschriftsätzcn versehen von vr L Heck, Direktor deS Berliner Zoologischen Gartens. Ouersolio (Werner Verlag G. m d. H, Berlin, Equitablegebäude). Wer berücksichtigt, wa« in Illustration-Werken, Tierbilder- büchern oder auf Bildertafeln al« die getreue Schilderung de« Tierkörper« und der Tier-Physiognomie oft Gering, wertiges dargeboten wird, und zugleich erwägt, wie wichtig gute Anschauungsmittel für Schule und Hau« sind, wenn anders keine falschen Vorstellungen bei der lernenden Jugend aufkommen sollen, der wird das Werk vr. Hecks mit lebhafter Zustimmung begrüßen. Wissen wir doch, daß die beiläufige» Abbildungen aus der Tierwelt, auch wenn sie im allgemeinen noch leidlich gut gezeichnet sind, immer nur den Typus, die Durchschnittsfigur drö be treffenden Objekts wiedergeben, da« ursprüngliche und individuelle Leben jedoch nicht vorzutäuschen vermögen. Die Bilder des vorliegenden Werk« dagegen geben ein lebenswahres und treues Bild, denn sie sind von kundigem, von dem Verständnis für das Eigentümliche des Tiere« ge leitetem Blick mittels photographischen Apparat« festgehalten und danach vervielfältigt worden. Darum sind sie aber keine mit bloßer photographischerTreuewiedergegebenenTierbilder, denn der, der die Tiere photographierte, hat da« ur eigene Wesen, die charakteristische Haltung de« einzelnen scharf beobachtet und bei der Aufnahme den Augenblick benutzt, wo das einzelne Tier eine seiner Natur ent sprechende Stellung, Haltung oder Lage dar bot. Auf solche Weise sind Bilder von individuellem Reiz ent standen, die jeden, der sie ansieht, überraschen und ent zücken müssen Als nicht zu unterschätzender Vorzug muß ferner hervorgehoben werden, daß die Bilder sämtlich in ziemlicher Größe ausgenommen wurden, wodurch erreicht ist, daß Fell oder Gefieder deutlich und plastisch hervor - treten. Die Naturtreue hat damit erheblich gewonnen. Es kann nicht der Zweck dieser Besprechung sein, einzelne» auS dem Werke besonders hervorzuheben, doch soll nicht unerwähnt bleiben, daß Bilder wie die des Nashorns, des Elfanten, de» Löwen in Bezug auf naturgetreue Wiedergabe nur selten dargeboten werden dürften Tier freunde, Natmkenner, Lehrende und Lernende und nickt zuletzt auch Künstler mögen auf das interessante Werk, zu dem vr. Heck einen paffenden instruktiven Text ge schrieben hat, hierdurch hingewiescn sein Es verdient zahlreiche Verbreitung, umsomehr, als e» technisch vorzüg lich hergestellt und im Preise niedrig bemessen ist E* ist in 16 Lieferungen mit 200 Bildern erschienen und die Lieferung für 50 Pf durch die Buchhandlungen zu br- ziehen. , VermischtrZ. * Eine eigenartige Bruderschaft, die noch einen Rest au« dem Mittelalter darstellt, feierte dieser Tage m Paderborn ihr 550jähriges Bestehen: die sogenannte „Eilanden - Bruderschaft". Eie wurde im Mittelalter be gründet mit dem Zwecke, die durchreisenden armen Fremden zu beherbergen, zu verpflegen und wenn sie dort starben, ihnen «in anständige« Begräbni« zu bereiten Di«Bruder schaft ist die ganzen Jahrhunderte hindurch ständig auf. recht erhalten worden, auch nachdem die veränderten Zeit« Verhältnisse ihre ursprüngliche Bestimmung nicht mehr in Erfüllung gehen ließen Interessant sind die alten Ge bräuche, die noch deutlich mittelalterlichen Einfluß verrat«», insbesondere da« jährliche Mahl oder, wie man sich ehe- dem ausdrückte, „die Zehr" Am Vorabend der Stiftungs feier, die stet« im Dezember gehalten wird, findet zum Andenken an die Verstorbenen eine „Vigilie" statt, be stehend au« Gesang und Gebet, welche der „Dechant' der Bruderschaft, der zeitige Propst der Gaukirche, abzuhalten hat. Am Stiftung«tage selbst findet morgen« feierlicher Gottesdienst statt und mittag» ein gemeinsames Esten, zu dem jeder Teilnehmer sein Besteck mit Serviette mitzu bringen hat. Die Speisenfolge ist streng geregelt, und zwar giebt es: Hühnersuppe mit Huhn, Rindfleisch, grauen Kohl mit Bratwurst, Sauerkraut mit gekochtem Schinken, Kalbsbraten mit gekochten Pflaumen undAepfeln Jeder Teilnehmer erhält außerdem einen Schoppen Mosel wein. Diese Speisenfolge ,st, wie man sieht, dadurch be achtenswert, daß sie den mittelalterlichen Küchen entspricht und augenscheinlich mindestens au» der Zeit vor Ein führung der Kartoffel stammt. Die Mitglieder haben für das Esten nebst Wein nicht» zu entrichten, die Kosten werden aus den Mitteln der Bruderschaft bestritten Jeder unbescholtene Bürger (natürlich Katholik) kann Mitglied werden und hat ein Eintrittsgeld von 6 Thalern ein für alle Mal zu zahlen Der Name der Bruderschaft rührt her von den mittelalterlichen „olliulant", was „Fremde" bedeutet Im Mittelalter bestanden in verschiedenen Städten Ellavden- oder Elandre-Herbergen. * Ein bemerkenswerter Bolksgebrauch, über dessen Wert sich freilich streiten läßt, wird in dem Dorfe Meyersheim im Elsaß geübt Ter „Straßb Post" wird darüber geschrieben: Wenn unsere Bauern, ob jung ob alt, lustig aufgelegt sind, besonders in der fröhlichen Laune nach einem guten Esten oder noch einem tüchtigen Männer« trunk, so spielen sie „Mummelis". Dieses sonderbare Spiel besteht darin, daß sich je zwei Männer mit den Köpfen anrennen, sei eS in der freien Stube, sei es auch über den Tisch hinüber, wobei nicht selten Gläser zer brochen werden und Teller in Scherben gehen Die Be teiligten suchen sich gegenseitig so Übel als möglich zuzu- richten undzielen nichtnur aufdenhierzulandeimmerhm harten Schädel, sondern auch auf Lippen, Nase und Augen, so daß mancher auS dem Kampfe mit entstelltem Gesichte her vorgeht. Regeln giebt eS bei diesem Kampfspiel nicht, Preise auch nicht; es gilt bloß um die Ehre, den Gegner möglichst übel zuzurichten. Auch ist es verboten, dem Sieger böse zu sein, und trotz der erlittenen Beulen, Püffe und Stöße muß man am Ende friedlich auseinander» gehen Dieser eigentümliche Brauch, über dessen Entstehung nichts bekannt ist, steht, so viel wir misten, im Elsaß ganz vereinzelt da. Der Name „Mummelit" ist zusammen- zubringen mit dem mundartlichen „Mummel" gleich Stier. * Berlin. Der junge Mann, der gestern den Aba vr. Lieber vor dem Reichstagsgebäude thätlich angrifs, wurde als der Verlagsbuchhändler Adolf Brand au« Neu-Rahnsdorf festgestellt, der von vr Lieber Rechenschaft wegen seine« Verhaltens in der bekannten Entmündigung«- angelegenheit de» Stabsarztes a. D. vr. Sternberg forderte. * Osnabrück. In dem benachbarten Dorfe Eving hausen wurde der Besitzer Barrenpohl ermordet aufgefunden. Der Thater wurde verhaftet. Universal - Uaßaxin Mr Internationales Xunslxewerde. WMIIZPf) K II M.tt 7 7. Gagarin feiner uns soliäer I^äerwaaren. Das WtihuachtSoratorinm. Novelle von Adolf Stern. b (Fortsetzung.) Und nun standen sie im Obergeschoß deS Pfarr hauses, wo Gottfried Döhlers eigene Schlafstube und ihr gegenüber ein sauber gehaltenes, wenn schon nur dürftig eingerichteter Gastgemach lag. Der hoch- gewachsene Ankömmling mußte sich unter der Thür beinahe bücken, dann zeigte sich zwischen den geweißten Wänden ein grüner Kachelofen mit umlaufender Bank, ein Bett und ein Tisch mit Wasserkrug und Wasch schüssel, darüber ein kleiner Spiegel und zwischen Fenster und Thür ein paar Wandhaken. Bernhard Folz nickte gravitätisch, er mochte im Geiste diese Herberge mit der letzten, in der er genächtigt hatte, schon ver glichen haben. Ter Wirt aber richtete einen schüchtern fragenden Blick auf seinen Gast und setzte dann hinzu: „Du hast keine Habseligkeiten bei dir oder irgendwo abzuholen, Bernhard?" „Ownia weu meoum porto!" antwortete der Lange mit trotzigem Aut drucke. „Der Weg von Polen nach Sachsen ist weit genug, um unterwegs zu ver zetteln, waS man etwa aus dem Schiffbruche noch ge rettet hat. Ich null dir nichts vorlügen, hilf mir auS, so viel du vermagst! Du siehst ja ungefähr, was ich brauche. Der brave Ofen da steht hoffentlich nicht bloß zur Schau " „Beate soll, während wir zu Abend essen, eine ReiSwelle und Scheitho'z hineinweifen!" versetzte ler Pfarrer. „Ich gehe jetzt und bringe dir, waS ich ver mag, dann gehen wir hinunter, urd indessen wird's warm bei dir werden!" „Du sorgst gut — ich habe auf der Pilgerfahrt von der Warthe zur Mulde wohl kälter geschlafen als hier!" sagte Folz mit leiser Stimme und einem An bauche von Rührung, der so rasch verflog, als er ge kommen war. „Mach hurtig, Umerzellbursch, sonst schilt schluß'ich deine Beate, daß wir sie warten lassen." Gottfried Döhler schüttel e den Kopf. „Gehext wird hier nichts, Bernhard!' und ging in sein Schlaf zimmer hinüber, mit hilfsbere tem Eifer in seinem Kleiderspind und Woschekasten kramend, aber wunder lich bewegt und bedrückt zugleich. DeS Wiedersehens mit dem alten Schulgenossen hatte er sich zwar von Herzen ge stellt, in seinem treuen Ge müte batte er dem wilden Bern hard immer eii e warme Erinnerung bewahrt, und das Gedächtnis mancher bösen Stunde, die ihm dieser bereitet, weit zurückgedrängt. Er war immer darauf gefaßt gewesen, den trotzigen Gesellen in üblen Um ständen wieder zu begrüßen. Jetzt schien's, daß die Umstände schlimmer waren, als sich der junge Pfarrer jemals vorgestrllt hatte, und dazu kam der Genosse und Tyrann seiner Schülertage zu unglücklicher Stunde inS HauS. Jetzt, wo er kaum an antereS denken mcchte, als an seine Liebe und an den Stein deS Anstoßes, der sich seinem Glück in den Weg stellte, jetzt hätte Gottfried am liebsten keinen, am wenigsten solchen Gast im Hause haben mögen. Sein ehemaliger Präfekt sah nicht aus wie der Freund, dem der schamhafte Gottfried das Geheimnis seiner Lebens und seiner Seele hätte enthüllen mögen. Und dazu überkam ihn eine Ahnung, daß der Wilde nicht auf einen oder zwei Tage Obdach und Zuflucht bei ihm gesucht habe, und er konnte sich gewisser Besorg nisse nicht erwehren, die er selbst, kaum daß er sie empfand, unchristlich und ungastlich schalt. Doch unter diesen stillen Selbstvorwürfen hatte Magister Döhler zufammengeschafft, was dem An kömmling, dessen Tritte er draußen auf dem Garge hörte, dienen konnte. Er lauschte, wie er vo» zwanzig und mehr Jahren im Obergeschoß der Leipziger Thomasschule in der Zelle an der Treppe dem He«m- kehrenden ertgegergelauscht hotte. Und «Iwos von der Angst um leie Widen, der immer gewogte Wege ging, wollte ihn auch heute beschleichen. ÄlS er aber die Thür zum Gange austdat, sah er, daß die Thür dcS Gastes weit offen stand und über die Schwelle rief ihm Bernhard Folz entgegen: „Ich war einen Sprung unten bei Jungfer Beate. Mein al er Abscheu vor dem kalten Wasser zum Trinken und zum Waschen ist von der Staude zur Eiche ge wachsen, ich habe mir in der Küche warm Wasser geholt und der Köchin unten den Rat erteilt, bei den Eiern mit Speck die Scheiben nicht zu dünn zu schneiden und weder zu viel noch zu wenig zu bräunen." „Du verstehst noch immer, eS dir bequem zu machen, wie als Präfekt der Alummn/, verfehle Magister Gottfried. ^Hier sind die größten und nachgiebigsten meiner Wollstrümpfe, ein Paar Filz pantoffel und ein leichtes Kamisol aus dem Nachlaß meines Vaters selig, der ein größerer Mann war als ich, auch ein frisches Leinenhemd zur Nacht wird dir vielleicht gut thun." Der Gast hob sein triefendes Gesicht aus der Waschschüssel und rief in halb singendem Tone: „Den edlen Geber ehrt, wer sich der Wohlthat freut, dem frommt die Gabe nicht, der sich des Nehmens scheut! Du sollst bedankt sein, daß du nicht vergessen hast, wie vielmal ich dir übergeholfen habe, wenn du im Begriff warst, falsch zu singen und Meister Bachs zornblitzende, große Augen auf dich zu lenken! Träumst du nicht auch manchmal nachts, daß er über dir ist und dich anherrscht, fest einzusetzen und Takt zu halten? Wir wollen deS Alten gedenken, Gottfrsid — seiner Witwe und den Töchtern joll's gar übel ergehen, seitdem sich der König und die Kaiserin wegen Schlesiens in den Haaren lie>.en! Sieh! zu, daß Jungfer Beate un» das heiße Getränk weder zu dünn noch zu karg zumißt — so kann'» ein hübscher Abend werden! Laß den Pastor beiseite, mein Zellbnrsch, die Gab»n und Humme der Men'chcn sind verschieden, für ein gut Glas aber alle empfänglich!" Wohrtnddesscn hatte sich Bernhard Folz in aller Eile trocken gerieben, seine Füße in die dargrbotenen warmen Hüllen gezwängt, den Pelzrock abgeworfen und das alte stahlfarbige Kamisol angelegt — er blickte etwas bekümmert auf die abgelegten, vom Schnee halb zerweichttN Schuhe herunter. „Laß den Schuster von Colditz gleich morgen kommen, Gottfried. In diesen Schuhen kann ich schwerlich davongehen, je bälder du mich neu versohlen lassest, um so bälder wirst du mich lot! Und nun komm hinunter, ich muß ins Warme, wenn ich dem Schnupfenfieber, das wider mich heronschleichh ein Schnippchen schlagen soll." Und ohne auf den Vorangang des Pfarrers zu warten, schritt er hinaus und trat fester in den alten Filzpantoffeln auf, als Magister Gottfried in seinen guten Klappstiefeln. „Hast du etwas wie ein Clavicembalo und ein paar von den guten Sachen, die du fleißig abschriebst, im House, daß wir gleich ein paar Stücke Musik machen könnten? Du wirst doch der edlen Musika nicht abgesagt haben?" fragte er ungestüm und stimmte dann, ohne die Antwort seines Wirtes zu erwarten, die Baßarie des Simeon „Schlummert ein, ihr matten Augen!" so kräftig an, daß eS das ganze stille Haus durchklang. Gottsried hörte wohl, daß noch ein guter Rest von der Procht- stimme vorhanden war, die in seinen Schülerjahren ihn und mit ihm Tausende entzückt hatte. Einzelne Töne waren noch wunderschön, andere klangen so heiser und verwüstet, daß dem hinter seinem Gast die Treppe Herabgehevden die Augen feucht wurden. Der Gast achtete darauf nicht, er sang seine Arie werter und langte im Studierzimmer drunten wieder an, als Beate eben den Trsch in die Nähe des Ofens, rückte und zum Abendessen deckte. Auch die alte Jungser lauschte verwundert dem Gesang, der ihrem ungeübten Ohr wunderbar deuchte — mit hilflosem Ausdruck sah sie ihren Pfarrer an, als ob sie von ihm eine Erklärung der Wund«r dieses Abends erwart«te. (Fortsetzung sorgt )
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