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Erste Beilage zu 102 des Dresdner Journals. Freitag, den 3. Mai 1901, nachm. Deutscher Reichstag. 86. Sitzung vom 2. Mai, nachmittag« l Uhr. Da« Hau« ist schwach besetzt. Am BundeSratSttsche: Die Staatssekretäre vr. Bras v. Posadowsktz, vr. Rteberding u a Auf der Tagesordnung fteht zunächst die dritte Beratung de« Besetzentwurs« betreffend die privaten Brrficherung»- unternehmungen Line Beneraldi-kufsion findet nicht statt. In der Spezialdi-kussion wird der Entwurf aus Antrag de« Abg Büsing (al.) ohne Debatte sn bloo definitiv an genommen. ES solgt die Fortsetzung der dritten Beratung de- Be- setzentwurss betreffend da» Urheberrecht an Werken der Litteratur und Tonkunst. Die Beratung beginnt bei dem 8 SS. Dieser Paragraph sah in der von der Kommission unverändert gelassenen Re gierungsvorlage für die Aufführung von Bühnenwrrken oder Werken der Tonkunst eine fünfzigjährige Schutzfrist nach dem Tode de- Verfasser« vor. In der zweiten Beratung war dies» Schutzfrist auf SO Jahre herabgesetzt. Abg. vr. Esche (nl.) befürwortet einen Antrag, die Schutz rist wieder aus LO Jahre zu verlängern. Rrdner bemerkt: ich glaube, rS ist in der That eine Ehrenpflicht, die Schutzsrist für Bühnenwerke auf SO Jahre zu verlängern. Wird die Schutzsrist nicht ausgedehnt, so ist es nach den Erklärungen der Genoffenschaft deutscher Komponisten nicht möglich, daß die Tantiemeanstalt zu stände kommt. Dann kommt die sranzvsische Socistö nach Deutschland, und wir müssen doch alles thun, um daS zu verhindern AllcS, was Hr. Richter gestern über die Tantiemeanstalt richtiges sagte, spricht sür unS Er wollte die Anstalt lächerlich machen, aber dir, die mit ihm lachten, wußten nicht, worüber sie lachten. (Wider spruch) Der Fluch der Lächerlichkeit trifft Hrn. v. Haase. Abg Richter (freis. Bp.): Hr. v. Haase hat mich nicht getäuscht; ich habe die ganze Sache jetzt aktenmätzig studiert; die ganzen Vorgänge sind nämlich aktenmäßig in einer Zeit schrift veröffentlicht Der eigentliche Urheber der deutschen Bestrebungen auf Bildung eines Musikrings ist der Leiter deS französischen MusikringS. Dieser hat die Schaffung eine» deutschen Rings angeregt und seitdem datieren die Bestreb ungen Der Staatssekretär kennt den aktenmäßigen Verlauf auch nicht; das geht auS seiner Rede von vorgestern hervor, die von Anfang bis Ende unrichtig ist. ES ist nicht wahr, daß die Verleger das Heft allein in der Hand haben wollten; sie wollten nur, daß Verleger und Komponisten im Vorstand gleich vertreten wären Nachher ist es zu einem Kompromiß gekommen, wonach im Vorstand drei Komponisten und zwei Verleger sitzen sollen. Dieses Kompromiß hat auch Hr. v Haase unterschrieben. DaS ist im Mai 1899 friedlich ver einbart worden. Kurz darauf brach aber zwischen den Parteien wieder Streit aus, hervorgerufen durch die ver schiedene Beurteilung des ersten Entwurfes des uns jetzt be schäftigenden Gesetzes, das die Schutzfrist auch sür Noten verlangen wollte. Seitdem haben sich die Gegensätze ver schärft und es sind wieder heftige Fehden ausgesochten worden. Bei der zweiten Lesung wollte Hr. vr. Nieberding unS dadurch erschrecken, daß er sagte, die deutschen Verleger würden inS Ausland gehen, wo die Schutzsrist nicht verlängert würde. Diese Auswanderung habe bereits begonnen. Ich habe mich danach genau erkundigt und gesunden, daß daS vollständig falsch ist. Den Vorteil von der Verlängerung der Schutzfrist würden nur die Verleger haben, aber nicht die Komponisten. Man weist darauf hin, daß die ersten Komponisten kein Auskommen haben. Wer sind diese ersten Komponisten, die kein Auskommen haben? Hr. Esche hat für die Hinter bliebenen der Komponisten Mitleid erwecken wollen, für die Witwen und Waisen. Ja, die armen Waisenknaben! Die Waisenknaben müssen schon mindestens SO Jahre alt fein, ehe sie von der Verlängerung der Schutzfrist Nutzen haben! (Heiterkeit ) Daß der AnSdruck ,. Cosima - Paragraph" all gemein üblich ist, liegt daran, daß die Familie Wagner die einzige ist, die offenbar großen Nutzen von der Verlängerung haben würde. Gerade Wagner sollte man hier nicht ansühren. Zwölf Jahre vsr feinem Tode hat man ihm SOO 000 M für den Bau seines Festspielhauses zur Verfügung gestellt. Gerade er kann sich über Undankbarkeit nicht beklagen. Man muß doch auch bedenken, daß die Familie Wagner die Schutzfrist zu einem Monopol sür den Pursival auSnutzt, der nur in Bayreuth aufgesührt werden dars. Auch bei der gegenwärtigen Vorschrift behält die Familie Wagner alle Tantiemen bis zum Jahre ISIS. Ich bitte Sie, bei dem Beschlusse der 2 Lesung zu beharren. (Beifall links.) Staatssekretär vr. Rieberding: Der Abg. Richler hat den Versuch gemacht, meine Darlegung von vorgestern zu be richtigen Er hat dabei aber den Ausgangspunkt der ganzen Jache verschoben Die Sache hatte damit angefangen, daß Hr Richter die in Aussicht genommene Tantiemeanstalt einen Musikring genannt hatte, der in eine Kampsgenossenschaft auS- arten werde, in der die Verleger auf der einen, die Kom- Die Insel des Friedens. Roman von A. v. Klinckowstroem. 27 (Fortsetzung.) „Zuerst kann sie nicht in Abwesenheit der Mutter heiraten, und jetzt wieder nicht ohne den Vater! Ich möchte nur wissen, wann dieses merk würdige Paar sich einmal vereinigen wird. Der arme Kees wird, scheint es mir, an der Nase herum geführt." „Er thut mir ja schrecklich leid. Er schreibt sehr unglücklich und möchte, wenn eS angeht, mit seiner Braut hier bei unS zusammentreffen und ein paar angenehme Wochen mit ihr und unS verleben. Es scheint, daß Grita die Luft im Engadin nicht bekömmlich ist, da sie dort stets von einer Art Berganämie befallen wird, darum wäre es ihrer» Mutter bequem, sie für einige Zeit, nur für ein paar Wochen bei uns lassen zu können, das heißt, wenn du nichts dagegen hast." „Aber ich bitte dich, Engelke, was sollen wir so lange Zeit hindurch mit dem Mädchen anfangen? Nein, nein! schreibe ihr nur, es thäte uns leid — schreibe war du willst, aber laß sie lieber nicht kommen." „Wenn du mir einen vernünftigen Grund an aeben kannst — gewiß. Aber es wird mir schwer, KeeS diese Enttäuschung zu bereiten. Ich hätte mich so gefreut, den lieben Jungen einmal wieder für längere Zeit um mich zu haben. Natürlich wird er dahin gehen, wo er mit seiner Braut zu sammen sein kann." „Und du meinst, daß es auch ihr Wunsch ist, ihn hier bei uns zu sehen? Schreibt sie das?" „Sie begnügt sich lediglich damit, den Wunsch ihrer Mutter auszusprechen. Es ist ja ganz natür lich, daß sie keinen Druck auf unS durch eine direkte Bitte aus üben mag. Vielleicht weiß sie auch noch gar nichts von KeeS' Plan, der möglicherweise erst infolge ihrer Benachrichtigung entstand, daß sie voraussichtlich einige Wochen hier verleben werde." Ian stand auf und ging im Zimmer auf und nieder, wie eS seine Gewohnheit war, wenn er etwas ponisten auf der anderen Seite ständen Ich erwiderte, daß diese Darlegung den Thaifachen nicht entspräche, und daß die Mehrzahl der Verleger Hand in Hand mit den Komponisten gehen wollte. Hr. Richter hat dem gegenüber in der Person de« Hrn. v. Haase einen Helfer gesunde», der in einem Briefe an Hrn Richter meine Behauptungen unrichtig nannte. Ich bleibe bei meinen Behauptungen aber auch gegenüber den heutigen Ausführungen de» Vorredner». Der Hauptpunkt ist, daß Hr. Richter gesagt halte, die Tantiemeanstalt werde eine Kampsgenoffenschaft fein. Nun, mir liegt hier eine Erklärung vor, die lS der größten deutschen Musikalienve, leger im Jahre lSvo erlassen haben Diese tS Firmen — die Firma Breit kopf u. Härtel, deren Inhaber Hr. v. Haase ist, befindet sich naturgemäß nicht darunter — wenden sich an ihre Kollegen und erklären ausdrücklich, daß zwischen beiden Parteien, Ver legern und Komponisten, vollkommene Einigung in allen Punkten geschaffen fei, und daß sie di» Kollegen bitten, sich ihnen anzu- schließen. Diese Erklärung ist in ganz Deutschland verbreitet worden. Da» Resultat war, daß sich l20 Firmen anschloffen. Angesichts dieser Thatsachc kann Hr Richter nicht behaupten, die Tantiemeanstalt werde eine Kampsgenoffenschaft sein. Er hat das ja auch heute nicht mehr behauptet; er hat vielmehr einen Rückzug angetreten und ganz geschickt andere, neben sächliche Dinge vorgeschoben, in denen er aber auch Unrecht hat. Hr. Richter meinte, Hr. v. Haase habe nur Gleich berechtigung für Verleger und Komponisten verlangt. Ich habe hier das von Hrn v. Haase vorgeschlagene Statut. Da nach sollte der Vorstand der Anstalt aus zehn Mitgliedern bestehen, davon sollten fünf gewählt werden von dem Verein deutscher Musikalienhändler alias Hrn. v. Haase — da» sind die Verleger - und fünf vom deutschen Musikervrrein, in dem Komponisten, Verleger und andere Musiker sind. Daß den Komponisten in diesem Statut keine Gleichberechtigung gewährt ist, ist klar. Darin lag der Keim deS ersten Bruchs zwischen den Parteien. Die Komponisten verlangten meines Erachtens vollkommen mit Recht größere Berücksichtigung; denn der deutsche Musikalienverein vertritt nicht das Gro bes KomponistentumS. Bei der Frage der Verlängerung der Schutzfrist handelt eS sich allein darum: Sollen die Erträge der Werke nach SO Jahren noch in den Händen der Erben bleiben, oder sollen sie vollständig den Theaterdirektoren und Konzertunternrhmern zu Gute kommen? DaS deutsche Volk ist daran weiter gar nicht beteiligt; denn das Volk muß die gleichen Preise zahlen, ob nun die Schutzfrist besteht oder nicht. Bei der ganzen Frage kommen die leichteren Sachen kaum in Betracht; denn die sind schon nach zehn Jahren ver schwunden. Aber bei ernsten Werken, dis ost lange zu ringen h iben, ehe sie anerkannt werden, würde die Verlängerung der Schutzfrist wertvoll sein; sie würde unsere ernste Musik sördern und schützen. Alle Einwendungen, die gegen die Verlängerung vorgebracht werden, sind schon vor 100 Jahren angesührt worden, al» man die Schutzsrist von lO aus SO Jahre ver längern wollte. Sie haben damals die Entwicklung nicht gehemmt; gegenwärtig erkennt sie keiner der Komponisten und Sachverständigen an, die wir gehört haben; sie sind durchaus Veraltet Wenn Sie die Schutzfrist verlängern, so handeln sie niemandem zu Leide, aber zum Vorteil der deutschen Kom ponisten, die eS Ihnen danken werden (Beifall.) " Abg. Tietz (Soz.) wendet sich gegen die Verlängerung der Schutzsrist, die ja doch nur besonders den ausländischen Komponisten zu gute kommen würde. Deutsche Kompositionen werden im Auslande selten aufgesührt, während die auslän dischen Komponisten bei unS gute Ausbeute haben. In ganz Deutschland pseifen es die Spatzen von den Dächern, daß die Familie Wagner den 8 33 beeinflußt hat. Dies wurde zu erst im amtlichen Teile des Buchhändler-Börsenblatts Nr. 168 vom 22. Juli 1899 behauptet, und niemand hat dem wider sprochen. vr. Strecker, der Verleger der Wagnerschen Werke, ist stets eifrig sür die SO Jahre eingetreten. Meine Partei genoffen sind entschlossen, wenn die 50 Jahre wieder in- da» Gesetz ausgenommen werden, gegen da» Gesetz zu stimmen. Abg. Träger (freis. Bp): Mich schreckt der Bor wurf „Musikagrarier" nicht. Wird denn etwa ein Rittergut 30 Jahre nach dem Tode deS Eigentümers der Allgemeinheit auSgeliefert? Man hat bisher von den Interessen der dra matischen Autoren so gut wie gar nicht gesprochen. In Deutschland hat man erst spät überhaupt die Autoren ge schützt. (Redner giebt eine kurze Geschichte des Tantieme- wesenS ) Ich würde es sür die richtige Konsequenz deS geistigen Eigentumsbegriffs halten, wenn überhaupt kein Heim- fallSrecht an die Allgemeinheit stattfände. Alle Einwände meines verehrten Freundes Richter in dieser Beziehung richten sich gegen daS Erbrecht im allgemeinen auch an körperlichem Eigentum Der Fortfall des 8 33 kommt nur den Theater- und Konzertunternehmern zu gute, aber nicht dem Publikum. (Der Schluß der Ausführungen des Redner- geht ver loren unter einer allgemeinen Bewegung im Hause. Diener verteilen da- Wolffsche Telegramm über die Einberufung beider Häuser des preußischen Landtage- aus heute zu einer gemeinsamen Sitzung Die Abgeordneten bilden Gruppen und unterhalten sich eifrig über diese unerwartete Nachricht.) Abg. vr Spahn (Z.) bekämpft dir Verlängerung der Schutzfrist aus »0 Jahre. Berechtigt sei ein weitgehender Urheberschutz, aber nur sür den Urheber und seine nächsten Erben, jedoch nicht länger al« »0 Jahre nach dem Tode de» AutorS. Die Verlängerung sei anscheinend besonder» sür die Wagnerschen Erben in den Entwurf ausgenommen worden; man wisse, daß ein Mitglied der Familie Wagner vor der Ausarbeitung der Vorlage beim Reichskanzler gewesen sei. Staatssekretär vr Rieberdt«»: Ich erkläre hiermit ersten», daß mir absolut unbekannt ist (Lachen und Zurufe link»), ja, daß mir absolut unbekannt ist, daß Frau Wagner oder irgend ein andere» Mitglied der Famrlie Wagner bei dem Reichskanzler gewesen ist - mehr können die Herren von mir doch wirklich nicht verlangen (Lachen link») —, und zweitens, daß irgend ein Einfluß aus die Gestaltung deS Gr'e(.enlwuns meine- Wissen» und meiner Wahrnehmung nach nicht au-geübt worden ist. Daß vom Hrn. Reichskanzler kein Einfluß aus mich in dieser Richtung au-geübt worden ist, habe ich bereit- in der vorigen Sitzung erklärt. Abg Schrempf (I): Namen» meiner Freundt erkläre ich, daß kein Mitglied der Familie Wagner un» besucht und unS auch keinen Brief geschrieben hat Wir werden nach reiflicher Erwägung aus sachlichen Gründen sür die 50jährige Schutzfrist stimmen. (Die Unruhe im Saale hat während der Ausführungen des Redner- stetig zugrnommen.) Die Diskussion über § 33 wird geschlossen. Persönlich bemerkt Abg. Richter (fr. Bp ): Der Staatssekretär hat sich aus ei» Statut deS Hrn v Haase auS dem Jahre 1900 berusen. DieS Statut steht mit meinen AuSsührungen nicht in Wider spruch, denn ich habe von einem Kompromiß aus dem Jahre 1899 gesprochen; in diesem Kompromiß war den Komponisten in der That Gleichberechtigung zugrstanden E» solgt die Abstimmung über § 33 und den Antrag Esche (fr. Bp). Diese ist eine namentliche. Der Antrag Esche wird mit 123 gegen 107 Stimmen bei einer Stimmenthaltung abgelehnt. § 33 wird unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung angenommen. Die Schutzfrist wird demnach 30 Jahre be tragen. Für den Antrag Esche hatten die Konservativen, ein kleiner Teil des Zentrums, der Nationalliberalen und der Freisinnigen gestimmt. Die 88 34 bi» 36, die weitere Bestimmungen über di« Dauer deS Schutzes enthalten, werden ohne Debatte ange nommen; ebenso die HK 37 bi- 39, in denen Vorschriften betreffs Rechtsverletzungen enthalten sind. «bg. vr. Müler-Eagan (frs. Bp.) beantragt, hinter 8 39 folgenden 8 3Su einzufügcn: „Wird wegen einer in diesem Gesetze mit Strase bedrohten Handlung der Redakteur oder Herausgeber einer Druckschrift als für ihren Inhalt ver antwortlich verfolgt, so sind hierfür ausschließlich zuständig die Gerichte, in deren Bezirk die Schrift herausgegeben worden ist." Es soll durch diesen Antrag die Anwendung deS sogenannten fliegenden Gerichtsstandes bei den durch dieses Gesetz mit Strase bedrohten Handlungen ausgeschlossen werden Die Abgg Albrecht (Soz.) und Gen. beantragen eben falls die Einfügung eines 8 89a, durch den der fliegende Ge richtsstand allgemein aufgehoben wird. Abg Fischer-Berlin (Soz) empfiehlt den sozialdemo kratischen Antram Abg. vr Müller-Sagan (frs. Bp.) begründet seinen Antrag Abg- vr. Spahn (Z) bittet um Ablehnung beider An träge. Nach den Entscheidungen deS Reichsgerichts sällt der Nachdruck überhaupt nicht unter das Prehgesetz, da es sich beim Preßgesetze stets nur um den Inhalt von Druckschriften handelt. Dadurch wird der Antrag Müller gegenstandslos. Der Antrag Albrecht paßt aber gar nicht in das Gesetz hinein. Staatssekretär vr. Rteberdtng: Die juristischen Aus führungen deS verehrten Vorredners sind durchaus richtig. Der Antrag Müller würde ein Schlag inS Wasser sein; bei Rachdrucksachen kann ein fliegender Gerichtsstand überhaupt nicht vorkommen. Den Antrag Albrecht bitte ich aus den bereits bei der zweiten Lesung erörterten Gründen abzu lehnen. Ich habe schon früher erklärt, daß ich mich mit den verbündeten Regierungen in Verbindung gefetzt habe, um hier ein gesetzgeberischls Eingreifen einzuleiten Der bis herige Verlauf berechtigt mich zu der Hoffnung, daß ich in nicht allzu langer Zeit mit einem Vorschlag an den Reichstag herantreten kann, damit die obwaltenden Uebelstände beseitigt werden. Ich bitte, diese wohlwollende Stimmung gegenüber den Wünschen des Reichstags nicht dadurch zu zerstören, daß Sie den Anttag Albrecht in dies Gesetz ausnehmen. Auf diesem Wege werden Sie nicht zu ihrem Ziele kommen. Ich kann nur erklären: Wenn der Paragraph in das Gesetz aus genommen wird, so würden die verbündeten Regierungen e» vorziehen, daS Gesetz zunächst auf sich beruhen zu lassen. Abg. Heine (Soz.): Wenn man unseren weitergehenden Antrag nicht annehmen will, so ist der Antrag vr. Müller- Sagan durchaus noch nicht so überflüssig, sondern bedeutet in Erwägung zog. Er sah, daß das Herz seiner Frau offenbar daran hing, die Freundin und den Bruder bei sich zu haben, und wußte nicht recht, wie er sich dazu stellen sollte. Auch wollte ihm kein stichhaltiger Grund einfallen, der den drohenden Besuch abgewendet hätte. Ja weshalb sollten sie eigentlich nicht kommen? Es würde sich lächerlich angehört haben, wenn er nach beinahe neunmonat licher Ehe gesagt hätte, er wolle mit Engelke allein bleiben. „Du brauchtest dich ja in keiner Weise durch den Besuch stören zu lassen!" fuhr seine Frau über redend fort. „Kannst deiner Thätigkeit nach wie vor obliegen. KeeS wird nicht viel nach Gesellschaft und Zerstreuung verlangen, wenn er seine Braut hier hat, und Grita auch nicht. Man weiß ja, wie Brautleute sind." „Na also meinetwegen denn." Engelke setzte sich gleich nach Tisch wieder an den Schreibtisch, um diese Angelegenheit ins reine zu bringen, und ihr Mann streckte sich einen Augen blick in seinem Zimmer auf dem Sofa aus. Er war sich nicht ganz klar darüber, waS er empfand, wollte sich einreden, daß der bevorstehende Besuch ihn in allen seinen Gewohnheiten stören, daß er nur Unbequemlichkeiten dadurch haben werde. Aber daneben regte sich eine geheime Freude bei dem Gedanken an daS frohe jugendliche Lachen, daS das stille Haus hell und fröhlich machen würde, an die flinke, elastische Gestalt, die so gut Schritt mit ihm zu halten vermochte. Und dann stellte er sich vor, ob das Mädchen wohl erstellt sein werde, mit dem Verlobten hier zusammenzutreffen. Nach allem, waS er von ihr gehört hatte, konnte er sich's eigent lich nicht denken. Eine gewisse Neugierde be mächtigte sich seiner, wie der Verkehr zwischen dem Brautpaare sich gestalten werde, ob KeeS sehr zärt lich sein, und ob sie geneigt sein würde, eS sich ge fallen zu lassen, oder wohl gar eS zu erwidern. Und statt wie sonst nach einem heißen langen arbeitsreichen Vormittage sofort einzuschlafen, lag er mit wachen großen Augen da und war ganz er staunt, als der Schlag der Uhr ihn mahnte, daß eS Zeit sei, der Nachmittagsruhe ein Ende zu machen. Engelle öffnete die Thür, um ihn wie gewöhn lich zu wecken. Sie stand auf ihren schwachen Füßen da und hielt sich am Pfosten, die arme kleine gebrechliche Frau! Er sprang mit einem Ruck auf, umfaßte sie und geleitete sie sehr sorgfältig und liebevoll in ihr Zimmer zurück. Vierzehn Tage später kam die Nachricht, daß Frau Fahland auf dem Wege nach dem Engadin Grita an der Bahnstation absetzen werde, und daß jemand kommen möge, um sie in Empfang zu nehmen. Sie mache diesen Umweg, um die Tochter selbst be freundeten Händen zu übergeben. Jan stand zur angegebenen Zeit auf den Bahn steig und spähte dem einlaufenden Zuge entgegen. Zuerst sah er nur Frau Fahlands Gesicht am Fenster einer Abteilung erster Klasse. DaS ärgerte ihn. Warum konnte nicht Grita nach ihm auSschauen. Ihretwegen war er doch hier. Dann schob sich etwas Schlankes, Rasches an der dicken Frau vorbei, sprang mit einem Satz von oben auf den Bahnsteig und rief heiter: „Da bin ich wieder; wenn Sie auch ein noch so böses Gesicht dazu machen!" Aber er war nicht böse. Nur seine Züge hielten einen bärbeißigen Ausdruck fest, denn zu seiner Be stürzung empfand er, daß die junge fröhliche Stimme auf ihn die Wirkung hervorbrachte, wie ein frischer Quell auf den Wanderer, der einen langen eintönigen farblosen Weg hinter sich hat. Er hörte gar nicht die höflichen Dankesworte von GritaS Mutter, sondern belud sich stumm mit den Reiseutensilien, die ihm herausgereicht wurden, und kam erst zum Bewußtsein, daß er froh sei, über die Maßen froh, als er auf dem hohen Vordersitz des gelben SelbstkutschierrrS neben dem schlanken schönen Geschöpf die sonnige staubige Landstraße entlang rollte. „DaS Uebereinkommen, daS Mutter mit Engelke getroffen hat, war Ihnen gewiß nicht lieb!" bemerkte Grita etwas kleinlaut. „Aber Mutter wußte im Augenblick wirklich nicht wohin mit mir. Diese steilen Felswände des Hochgebirges, die sich immer eine über die andere hinwegtürmen, sind mir so ent- immerhin einen Fortschritt. Alle sind darüber einig, da« der fliegende Gerichtsstand beseitigt werden muß. Die Gesetz gebung muß sobald wie möglich dagegen eingreisen Warum benutzt die Regierung, wenn sie wirklich die beste Absicht hat, diese Gelegenheit nicht dazu? Hier ist Rhodu«, hier tanzen Siel Abg. v. Kardorff (Rp.) spricht sich gegen die beide« Anträge aus. Die Anträge Müller und Albrecht werde» gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der Freisinnigen und der Antisemiten ab gelehnt. Der Rest de» Gesetze» wird ohne Debatte »ach den Be schlüssen zweiter Lesung angenommen; sodann wird da» Gesetz in der Besamtabstimmung desinitiv einstimmig angenommen. Hieraus vertagt sich da» Hau». Nächste Sitzung heute 1 Uhr. (Zweite Lesung de» KriegS-Jnvalidenversorgungsgesetzts, Petitionen.) Schluß s^S Uhr. — Die Kommission de» Reichstag» sür daSWein- gesetz beendete gestern die dritte Lesung und nahm eine von den Abgg. Baumann und Gen. beantragte Resolution an, die verbündeten Regierungen zu ersuchen: 1. dem Reichstage thunlichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Ber- schnitt von Weißwein mit Rotwein zur Herstellung von Rot wein und den Vertrieb dieses WeineS verbietet; 2. die Ber- waltungen der öffentlichen Krankenpflege- und Psründner- anstalten sowie die Militär- und die Marineverwaltung zu veranlassen, ihren Bedars an Rotwein nur von Produzenten und Händlern zu kaufen, bei denen ein solcher Verschnitt aus geschlossen erscheint, und dabei, wenn möglich, deutschen Rot wein zu bevorzugen. — Ferner nahm die Kommission eine von dem Abg Preiß beantragte Resolution an, den Bundes rat zu ersuchen, den zulässigen niedrigsten Gehalt an Exttakt- stoffen bei Weißwein auf 1,6 und bei Rotwein auf 1,8 fest- zusrtzen — Die ReichStagSkommiffion sür den vom Zentrum eingebrachten „Toleranzautrag" setzte gestern ihre Be ratungen fort. DaS Zentrum beanirogi wl ,enden 8 2o: „Nach beendetem 12. Lebensjahre steht dem Kinde die Ent scheidung über sein religiöses Bekenntnis zu" Statt de» 12. Lebensjahres beantragte Abg. Schrader (srs. Bgg) da» 21., Abg. Bassermann (nl.) das 18., Abg. vr. Hieber (nl.) daS 16. Lebensjahr zu setzen. Diese Anträge wurden ebenso wie der Vorschlag des Zentrum- abgelehnt und der Anttag deS Abg. Vr. Oertel-Sachsen (kons.) angenommen, daS 14. Lebensjahr zu setzen. Hieraus wurde der Antrag des Abg. Kunert (Soz.) beraten, solgenden Paragraphen zu be schließen. „Die Religion-unterweisung kommt in allen Schulen des Deutschen Reiche- al- Unterricht-gegenständ au-nahmSlos in Fortfall." Die Diskussion gelangte nicht zum Abschlusse und wird heute fortgesetzt. — In der Reichstagskommission sür daS Süß- stossgesetz wurden heute die 8i 3 und 4 mit unwesentlicher redaktioneller Aenderung nach der Regierungsvorlage an genommen, wonach die gewerbsmäßige Herstellung von süß- fioffhaltigen Nahrung-- und Genußmitteln in Krankenanstalten und Kurorten, sowie sür Patienten nach näherer Bestimmung de- Bundesrats gestattet ist. Artliches. Dre-dev, 3. Mai. * Ihre Kaiser! und König! Hoheit die Frau Prinzessin Friedrich August, sowie Ihre Kaiser!, und König!. Hoheit die Frau Großherzogin von Toskana besuchten gestern da» Säuglingsheim und ließen Sich eingehend über die Verhältnisse der An- statt berichten. * Das Königl. Historische Museum wird von Sonntag, den 5. d. Mt« ab nach den für das Sommer halbjahr geltenden Bestimmungen wiederum für das Publikum geöffnet sein. * Am 7. Mai wird auf dem Truppenübungs plätze bei Zeithain eine Postanstalt mit Tele graphenbetrieb unter der Bezeichnung ,Leithain- ÜebungSplatz" mit der Befugnis zur Annahme und Aus gabe von Postsendungen der zu den Uebungen komman dierten Truppen eingerichtet Die Postanstalt bleibt während der Dauer der Uebungen in Wirksamkeit und erhält ihre Verbindungen durch Postbeförderungen nach und von Röderau (Sachsen). * In der gestrigen öffentlichen Sitzung der Stadtverordneten führte den Vorsitz der Vorsteher Hr. 0r. jur. Stöckel AuS der Registrande ist hervorzuheben: Ein Schreiben des Rate« vom 13 April, in dem er mitteilt, daß er beschloßen habe, das von Hrn. Privat ¬ setzlich beengend und die dünne Luft macht mich immer ganz elend " „Engelke freut sich sehr über Ihren Besuch." Wie kurz und unfreundlich das klang! Aber Jan konnte es nicht über sich gewinnen hinzuzufügen, wie er eS innerlich doch that: „und ich auch." „Ich bot Mutter an, sie zu begleiten", fuhr Grita fort. „Doch sie hat schon ihre Erfahrungen mit mir gemacht und wollte nichts davon wissen." „Es ist ja auch daS Natürlichste, daß sie bei der Schwester Ihres Verlobten Aufenthalt nehmen. Ich hoffe nur, daß Sie sich nicht allzusehr bei uns lang weilen. Ader da Kees wohl in nächster Zeit ein treffen wird, ist für Ihre Unterhaltung gesorgt. Hat er Ihnen schon geschrieben, wann er einzu- treffen gedenkt? UnS hat er darüber vollkommen im Dunkeln gelassen." „Ich weiß nicht, — vielleicht in vierzehn Tagen oder so." „Schreibt er Ihnen öfters? Wir können uns nicht über allzuviel Briefe von ihm beklagen." „O ja, er schreibt recht oft. Ich bin über alle Einzelheiten im Geschäft genau unterrichtet, auch über alle Vorkommnisse in seinem Leben. Es scheint mir nicht viel Abwechslung darin zu herrschen. Vom Comptoir zur Börse, zum Diner, zum Theater, zum Restaurant. ES ist immer dasselbe, nur daß die Namen der mitwirkenden Marionetten wechseln " Sie lachte ein wenig bitter. „Ich fürchte, Sie werden von unS das Nämliche sagen." „O nein. In Brigenz ist alles anders, als ich es gewohnt bin. Da giebt eS Ueberraschungen. Wenn nicht ander-, bereite ich sie Ihnen. Wissen Sie noch? Der Tanz oben im BauernwirtShauS?" Ihr leichter neckender Ton gab ihm die volle Unbefangenheit zurück. „Das soll mir nicht wieder vorkommen!" ent gegnete er heiter. „Ich werde Sie scharf bewachen, bis KeeS da ist. Dann übernimmt er die Ver antwortung." In heiterster Laune erreichten sie Brigenz, wo Engelke auf der Veranda ihrer wartete. (Fortsetzung folgt.)