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ONGRESS-SAALDEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 30. Januar 1960, 19.30 Uhr Sonntag, 31. Januar 1960, 19.30 Uhr 4. ZYKLUS-KONZERT „Musik von großen Meistern — um große Meister“ VERDI - WAGNER - BERLIOZ GASTDIRIGENT Ude Nissen, Erfurt SOLISTIN Brünnhild Friedland, Dresden (Sopran) Robert Heger geb. 1886 Variationen über ein Thema aus „Ein Maskenball“ op. 23 Walter Braunfels 1882—1954 Fantastische Erscheinungen über ein Thema von Berlioz op. 25 Richard Wagner 1813—1883 PAUSE Fünf Gedichte (Wesendoncklieder) a) Der Engel b) Stehe still! c) Im Treibhaus d) Schmerzen e) Träume BRÜNN Hector Berlioz 1803—1869 Aus „Fausts Verdammung“ a) Sylventanz b) Tanz der Irrlichter c) Ungarischer Marsch ZUR EINFÜHRUNG Von den sechsundzwanzig Opern des italienischen Opern-Großmeisters Giuseppe Verdi (1813—1901) sind das Dreigestirn „Rigoletto“, „Der Troubadour“ und „La Traviata“ bei uns die volkstümlichsten und berühmtesten Werke dieses Meisters. Kaum minder bekannt sind aber nach diesen der „Maskenball“ und das grandiose Meisterwerk „Aida“. Während das frühe Schaffen Verdis noch unter dem Zeichen Bellinis und Donizettis steht — freilich bereits durch einen staik erregten nationalen Ton ausgezeichnet — und das berühmte Drei gestirn trotz des glühenden Pathos und des scharfen dramatischen Blicks Verdis sich dem Geiste der französischen Oper nähert, beginnen im „Maskenball" die Versuche, die bis herige „große Oper“ aus sich selbst heraus zu überwinden. In der „Aida“ hat Verdi das Ziel erreicht — anders als Wagner, sein großer Zeitgenosse und deutscher Konkurrent. Richard Wagner (1813—1883) kommt in seinem Gesamtkunstwerk von der Erlöseridee und der Symbolik her, Giuseppe Verdi bleibt als Sohn des Südens auf dem Boden des Sinnlich- Realen. Nicht die Flucht in eine übersinnliche Welt, sondern lediglich die künstlerische Ver klärung der sinnlichen Welt ist sein Ziel. Wer kann sich der hinreißenden Glut des genialen Musikers, der betörenden Sinnlichkeit seiner Melodik und seiner Rhythmen entziehen? Robert Heger, 1886 in Straßburg geboren, als Kapellmeister in Ulm, Barmen, Wien, Nürn berg, als Generalmusikdirektor in Wien und Berlin tätig, schließlich Präsident der Münchner Akademie der Tonkunst, ist als Dirigent, als Musikdramatiker und Sinfoniker außerordent lich erfahren und erfolgreich. Seine Oper „Der verlorene Sohn“ wurde 1936 in Dresden an der Staatsoper uraufgeführt. Auch seine anderen Opern — „Bettler Namenlos“, „Lady Hamilton“ — sind unter Theaterfreunden, seine zwei Sinfonien, sein Violinkonzert, seine Chorwerke unter Konzertfreunden bekannt. Nicht zuletzt dem vielfachen Verdi-Dirigenten Heger imponierte der große italienische Opernmeister. Hegers Variationen über ein Thema aus „Ein Maskenball“ von Verdi setzen in überlegener Berechnung Sinnlich- Schwelgerisches gegen raffinierte Orchesterfeinheiten des späten Neudeutschtums im Stile eines Richard Strauß. Aus echtem Variationsgeist ist namentlich der dreiteilige Schluß satz gestaltet. Hector Berlioz, der französische Programm-Musiker, der seine „Idee fix“ freundschaftlich einigte mit der „Poetischen Ganzheit“ Robert Schumanns, mit der brillanten „Neudeutschen Schule“ eines Franz Liszt, mit den russischen Fortschrittlern, ist am Schluß unsres Pro gramms mit drei Stücken aus „Fausts Verdammung“ vertreten. Berlioz wurde 1803 zu Cöte St. Andre in Frankreich geboren. Er sollte wie sein Vater Mediziner werden, studierte jedoch bei den berühmten Musikern Lesueur und Reicha am Pariser Konservatorium Musik, gewann den Rompreis des Konservatoriums und ging nach Italien. Nach Paris zurückgekehrt, schrieb er geistreiche, musikalische Feuilletons, die heute noch bedeutungs voll sind, reiste als Vorkämpfer seiner Ideen vielfach als Dirigent seiner Werke durch Deutschland, Österreich und Rußland. Frankreich selbst versagte sich seinem größten musikalischen Romantiker, so daß sich Berlioz zeitlebens mit einer kümmerlichen Stellung als Bibliothekar am Konservatorium behelfen mußte. In] seinem Stil berührt, sich der Überschwang der „Revolutionsmusiker“ (Cherubini, Auber, Meyerbeer), aus dem gleich zeitig die Große Oper erwuchs, und die Feinheit einer neuen Instrumentation (Flageolett töne der Streicher und Harfen, raffinierte Verwendung des Schlagzeugs, vergrößerte Besetzung der Bläser). Natürlich spielt für Berlioz — ähnlich wie für Liszt und Wagner — der romantische Stoff von Goethes Faust eine bedeutsame Rolle. Nachdem er bereits die noch an Goethe gesandten acht „Faustszenen“ komponiert hatte, schrieb er später in seinen zwei großen Oratorien „La damnation de Faust“ (Fausts Verdammung) und „L’enfance du Christ“ (Die Kindheit Christi) im ersteren nochmals über dieses Thema, das ursprünglich auch bühnenmäßig aufführbar gedacht war.