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Robert Schumann wurde zur Schaffung seiner ersten Sinfonie B-Dur an geregt durch Franz Schuberts große C-Dur-Sinfonie, die er in Leipzig hörte. Die B-Dur-Sinfonie wurde Schumanns erster Versuch mit dem Orchester. In vier Tagen wurde das Werk komponiert. Es war die für Schumann glückhafte Zeit der Ehe mit Clara, und von dem Glück jener Tage ist viel in die erste Sinfonie übergegangen. Die zweite Anregung war außermusikalischer Art: Schümann las das Gedicht: „Im Tale zieht der Frühling auf“ von Adolf Böttger und wurde dadurch angeregt, seinen Sinfoniesätzen die Überschriften „Frühlingsbeginn“, „Abend“, „Frohe Gespielen“ und „Voller Frühling“ zu geben. Zwar ließ Schumann den Plan wieder fallen, doch blieb das Thema des Frühlings weiter bestehen. Robert Schumann schuf seine erste Sinfonie aus der Fülle der Gedanken und Über fülle der Einfälle heraus. Ihm ging es weniger um thematische Verknüpfungen und Verarbeitungen, sondern mehr um das Auskosten der Stimmungsmomente. Das Glück führte Schumann die Hand, und so klingt die Musik — In der langsamen Einleitung erscheint das Hauptthema des ersten Satzes. in den Hörnern und Trompeten gleich einer Fanfare. Motto: Im Tale zieht der Frühling auf! Die Musik scheint von sonniger Helle durchwoben. Wir spüren etwas Drängendes und Keimendes und verstehen, daß dieser Satz „in einer feurigen Stunde geboren“ wurde. Der zweite Satz wurde als dreiteilige Liedform erfunden, Ruhe, Besinnung, Verhalten heit, Empfindungstiefe und eine zu Herzen gehende Innigkeit prägen'den Charakter dieser echt romantischen Musik. Der dritte Satz schließt sich unmittelbar an, in sich kontrastreich, lebhaft und rhythmisch bestimmt. Vereinzelt scheinen ein paar Schatten aufzuziehen, das Bild des Frühlings zu trüben, doch im letzten dominiert das Glück der Stünde. Beschwingt und tänzerisch 'gelockert eröffnet eine kurze Einleitung den Finalsatz, der in Sonatenform geschrieben wurde. Hell, strahlend und frohgemut wird das Werk beschlossen. G. Sch. Nach einem Besuch in Leipzig urteilte Felix Mendelssohn-Bartholdy überschwenglich über die pianistischen Leistungen Frederic Chopins, und Robert Schumann schrieb 1835 in seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“: „Wie durfte denn dieser in unserem Museum fehlen, auf den wir so oft schon gedeutet, wie auf einen seltenen Stern in später Nachtstunde“. 1836 erschien Frederic Chopins Klavierkonzerf f-moll im Druck, doch war es bereits vor dem 1833 veröffentlichten ersten Konzert in e-moll entstanden. Beide Konzerte gehören zu den bedeutendsten Zeugnissen romantischer Klavierkunst. Das zweite Klavierkonzert f-moll von Frederic Chopin ist dreisätzig: Das Orchester eröffnet den ersten Satz mit einem profilierten Thema, dem sich ein prägnant ge formtes Seitenthema' anschließt. Mit' diesem Material — alles wunderbar klaviermäßig empfunden — bestreitet Chopin eine technisch bemerken werte Durchführung. Was aber wird unter Chopins Händen daraus ? Die Motive und Themen werden piapistisch sehr reizvoll ausgeschmückt, und überall begegnen uns arabeskenhafte Verzierungen. Der Hörer erlebt ein elegantes, durchsichtiges, feinnerviges Spiel, mehr noch: er er lebt gleichsam den improvisierten Pianisten Chopin am Flügel, wie er vor mehr als 100 Jahren von Heinrich Heine charakterisiert wurde: „Nichts gleicht dem Genuß, den Chopin uns verschafft, wenn er am Klavier sitzt und'improvisiert. Er ist dann weder Pole, noch Franzose, noch Deutscher, er verrät dann einen weit höheren Ur sprung, man merkt alsdann, er stammt aus dem Lande Mozarts, Raffaels, Goethes, — — sein wahres Vaterland ist das Traumreich der Poesie.“ Ein liebliches Larghetto bildet den Mittelsatz, unterbrochen durch ein dramatisches Rezitativ. Der Finalsatz erinnert in .der Form an• ein Rondo: Tänzerisch und auf gelockert erklingt diese Musik, in der eine Episode auffällt, die von Bronislaw von Pozniak einmal treffend als „Dorfmusik“ bezeichnet wurde. G;' Sch. Johannes Brahms hat für die Vollendung seiner ersten Sinfonie fast zwei Jahr zehnte gebraucht. Er hat — immer wieder durch Jahre schöpferischen Pausierens unterbrochen — unerbittlich daran gearbeitet, gefeilt und um die letzte Form ge rungen. Hans von Bülow bezeichnete diese Sonfonie als „Zehnte“, — er meinte da mit, daß Brahms die Neunzahl der Beethovenschen Sinfonien um eine zehnte würdig erweitert habe. Der erste Satz wird durch eine langsame Einleitung eröffnet, in der die Stimmung des ganzen Satzes bereits zu spüren ist. Brahms bekennt sich zur strengen Überlieferung der Sinfonieform, die er in persönlicher Weise erweitert. Die Musik ist nachdenk lich, grüblerisch, geballt dramatisch und erfüllt von drängenden Zügen, echt sinfonisch im Zusammenprall der Gegensätze, verkörpert in den einzelnen Themen. Im leucht kräftigen E-Dur steht das Andante: Drei Teile wie ein ins Große gesteigertes Volks lied. Herrlich die Oboenmelodie im Mittelteil, und von tiefem menschlichem Gefühl erfüllt die Episoden der Solovioline im erweiterten dritten Teil. Statt eines Scherzos erklingt ein graziöser, heiter-beschwingter und zugleich besinnlicher Satz, wie das Scherzo dreiteilig mit einem Trio als Mittelpunkt. Mit einer von Spannung geladenen Einleitung führt Brahms zum Finalsatz. Die innere Verwandtschaft zu Beethoven wird offenbar. Und dann hebt im klaren festlichen C-Dur das Hauptthema an, einfach und volksliedhaft in der melodischen Formung, sieghaft im--Charakter. Noch einmal greift Brahms auf die Gedanken der Einleitung zurück und steigert das Finale zu einer mit reißenden Schluß-Stretta. Wie sich vom düsterbohrenden ersten Satz über das Andante und Allegretto der große Bogen des inhaltlichen Ablaufs bis zum festlichen Finale spannt, das ist eine bezwingende Erfüllung des sinfonischen Prinzips, durch kämpferische Auseinandersetzungen zur Lösung und Klarheit zu finden. G. Sch.