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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Zur Ei nfüh r u ng Donnerstag, 20. April 1961, 19.30 Uhr 15. Außerordentliches Konzert F E S T K O N Z E RT anläßlich des 10jährigen Bestehens des Verbandes Deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler. Gemeinsame Veranstaltung mit dem Bezirksverband Dresden des VDK DIRIGENT Prof. Heinz Bongartz S O 1.1 S T I N Christa Maria Ziese, Leipzig (Sopran) Otto Reinhold geb. 1899 Fidelio F. Finke geb. 1891 Festliches Vorspiel 3. Suite für Orchester Ostinato (fließend) Scherzo (sehr lebhaft) Nachtstück (sehr langsam) Fugato und Fanfare (breit, bewegt) Job. Paul Thilman geb. 1906 Sinfonischer Prolog, op. 94 Heinz Bongartz geb. 189+ Dmitri Schostakowitsch geb. 1906 PAUSE Japanischer Frühling, op. 27 (Aus dem Japanischen übertragen von Hans Bethge) 9. Sinfonie Es-Dur. op. 70 Allegro Moderato Presto - Largo - Allegretto, Allegro Der in Thum (Erzgeb.) geborene, seit 1929 in Dresden wirkende Komponist Otto Reinhold, Schüler von Fiermann Grabner in Leipzig, hat bisher ein zwar nicht quantitativ, jedoch qualitativ sehr gewichtiges Oeuvre vorgelegt und kann auf eine stattliche Aufführungszahl namentlich seiner Orchester-, Chor-, Kammermusik- und Liedkompositionen in der Deutschen Demokratischen Republik, CSSR, in West deutschland, Polen, China, USA, Italien, Belgien und Finnland zurückblicken. Auf gabe und Inhalt seiner knappen Orchestermusik ,,Festliches Vorspiel“ geht schon aus der Bezeichnung hervor: diese Komposition stellt eine Einleitungs-, Eröffnungsmusik festlichen Charakters dar, die beziehungsvoll das Festkonzert der Dresdner Philharmonie anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Verbandes Deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler eröffnet. Reinhold, der zu den profiliertesten Komponisten unserer Republik gehört, erreicht diese angestrebte festliche Wirkung jedoch nicht durch äußerliche dynamische Mittel, sondern durch eine konzentrierte, immer formal gebändigte, zuchtvolle musikalische Aussage, die den Hörer — ohne Effekthascherei — in eine wahrhaft festliche Stimmung versetzen möchte. Den formalen Aufriß seines Werkes beschreibt der Komponist folgender maßen : ,,Das ,Festliche Vorspiel* wird in der Hauptsache von zwei Themen bestritten, einem breiten und einem belebten. Das erste Thema eröffnet signalartig den Satz und findet seine unmittelbare Fortsetzung in einem Fugato, das das zweite Thema zur Grundlage hat. Ein sich anschließendes Zwischenspiel erreicht wiederum das erste Thema, dem nunmehr die weitere Durchführung des Fugenthemas in der Vergröße rung folgt. Ein Ausläufer desselben mündet im Themenkopf (der fallenden Quart) des Anfangsthemas, dessen kontrapunktierte Halbe schließlich das gesamte variierte — erste Thema herbeiführen, welches stark intensiviert das Vorspiel be schließt.“ Zu den wichtigsten Repräsentanten des Musiklebens unserer Republik gehört auch Fidelio F. Finke, einst Schüler von Vitezslaw Noväk am Prager Konservatorium, nach führenden Stellungen in der Tschechoslowakei seit 1945 als Rektor der Dresdner Akademie für Musik und Theater und 1951 bis 1959 als Professor für Komposition an der Leipziger Musikhochschule tätig, jedoch ständig in Dresden wohnhaft. Sein zahlreiches Genre umfassendes Schaffen fand seit dem ersten Weltkrieg — nach Auf führungen in Donaueschingen, Wien, Baden-Baden und Prag — zunehmende inter nationale Anerkennung. Zu den Werken, mit denen Finke nach 1945 besonders erfolgreich an die Öffentlichkeit trat, gehört auch die dritte Orchestersuite (1949), die substanziell und ausdrucksmäßig fast sinfonisches Gewicht besitzt. Auch die thematisch-motivische Durchführungstechnik, die der Komponist hier angewandt hat, ist eigentlich sinfonisch. Die Formel ,,Durch Nacht zum Licht“, seit Beethoven immer wieder Grundgedanke in der sinfonischen Weltliteratur, symbolisiert den Inhalt des konzentrierten, plastisch-bildhaften musikalischen Geschehens dieses Werkes. Die Nacht — das ist die niederdrückende Zeit, die ersten Jahre nach Beendi gung des zweiten Weltkrieges, das Licht — Hoffnung auf eine bessere Zukunft, der Optimismus, der uns erfüllt, nachdem Leid und Not des Krieges, Zweifel und Ängste überwunden sind und uns heute ein neues Lebensgefühl gegeben ist. Die vier Sätze der Suite tragen Bezeichnungen, die dem Hörer formale und inhaltliche Anhalts punkte geben. Der erste Satz, ein Ostinato (d. h. ein Tonstück, in dem gewisse Ton figuren hartnäckig wiederkehren), ist gekennzeichnet durch eine unruhvolle, fast ständig durch die verschiedenen Stimmen des Orchesters laufende Achtelfigur (zuerst in den tiefen Streichern). Einen gespenstischen Charakter hat der Scherzo-Satz, aus dem äußerste Not und Verzweiflung sprechen, irres Lachen. Äußerst knapp und kontrapunktisch dicht gefügt ist das von gedämpften Streichern gespielte Nachtstück. Ein Ausdruck der Klage zwar, aber schon kündigen sich jene Kräfte an, die aus dem Leid herausführen und die im Schlußsatz, betitelt Fugato und Fanfare, vollends künstlerische Gestalt gewinnen. Die Nacht, das Leid ist überwunden, der Mensch Sieger geblieben. Die aufbauenden konstruktiven Elemente finden im Fugato hör baren Ausdruck. Die optimistisch-sieghafte Schlußsteigerung bringt die Fanfare, in der der Komponist ein russisches Volkslied verwendete. Vielseitig, nahezu alle Gattungen umfassend und auch zahlenmäßig schon erstaunlich umfangreich ist das im In- und Ausland stark geschätzte Schaffen des an der Dresdner Musikhochschule als Professor für Komposition wirkenden und zu unseren bedeu tendsten Komponistenpersönlichkeiten gehörenden Johannes Paul Thilman, Schüler von Grabner, Hindemith und Scherchen. Über seinen Sinfonischen Prolog, op. 94, ein Auftragswerk, äußerte der Komponist selbst einmal: „Was lag näher, als vor der Dresdner Philharmonie anläßlich ihres 90jährigen Bestehens (im November vorigen Jahres) eine Verbeugung vor ihrem augenblicklichen Können, das sie in die Weltklasse einordnet und das sie sich in den nächsten hundert Jahren erhalten möge, zu machen? Also wollte ich ein Werk liefern (die Dresdner Philhar monie bestellte es liebenswürdigerweise bei mir), das die Vielfalt der Orchesterkultur zeigen sollte, das die einzelnen Klanggruppen herausstellen und auch den Solisten Gelegenheit geben sollte, sich zu zeigen — und das natürlich auch der feierlichen Gelegenheit des Jubiläums angemessen wäre. Die breite Einleitung soll einstimmen, darum Fanfarenmotive zu Beginn, darum auch der Einsatz des gesamten Orchesters (mit Englischhorn und Baßklarinette), um gewissermaßen zu sagen : ,Seht, wir sind 's !* Der nun folgende lebhafte Teil hat virtuosen Charakter, damit die Spieler (die Kammervirtuosen und Kammermusiker) auch nach dieser Seite hin befriedigt werden können. Es folgt ein langsamer Teil, der hauptsächlich der Streichergruppe zur Ton entfaltung und Ausdrucksgestaltung dienen soll, worauf abschließend ein lebhafter Teil wieder alle Gruppen zusammenfaßt. Also nur ein Werk für das Orchester, nur, um ihm Material zum Brillieren und zum Auftreten zu geben? Natürlich nicht! Das Entstehungs- und Jubiläumsjahr 1960 spielt selbstverständlich eine bedeutende Rolle. Der Sinfonische Prolog ist auch ein Werk für die Hörer von heute (hoffentlich auch für die von morgen!) aus unserer heutigen Zeit heraus. Das verdeutlicht wohl am besten der Schluß, der sich in ein ganz offenes F-Dur hineinbegibt, damit die Hoffnung andeutend, die das politisch so wichtige Jahr 1960 für die Menschheit ins gesamt und für unsere sozialistische Entwicklung insbesondere bedeutet. Mit seinen Klängen soll das Werk auch für den Frieden werben und kämpfen, der allein das Bestehen der Kultur garantieren wird. Und in dieser hoffentlich friedliebenden Welt soll die Dresdner Philharmonie weiterhin in der Reihe des Kultur Vermittlers mit an erster Stelle stehen.“ Heinz Bongartz, aus Krefeld stammend, studierte in seiner Vaterstadt sowie in Köln bei Steinbach, Neitzel und Elly Ney. Seit 1921 war er Dirigent in Düren, Mönchengladbach, Berlin, Meiningen. Vom Jahre 1931 wirkte er als Generalmusik direktor in Gotha, Kassel und Saarbrücken. Später war er als Leiter der Dirigenten klasse an der Leipziger Musikhochschule tätig. Seit 1947 ist Prof. Bongartz Chef dirigent der Dresdner Philharmonie. Es ist sein Verdienst, diesen Klangköiper nach dem Zusammenbruch zu neuen Höhen geführt zu haben. Für seine außerordentlichen künstlerischen Leistungen wurde er mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber und mit dem Nationalpreis unserer Republik ausgezeichnet. Prof. Bongartz trat auch mehrfach als Komponist hervor. Seinem 1940 komponierten Liederzyklus „Japanischer Frühling“ für Sopran und Orchester, op. 27, liegen Gedichte unbekannter japanischer Dichter in der Übertragung Hans Bethges zugrunde. Die wiederholt mit großem Erfolg erklungenen Lieder brachte übrigens die Hamburger Kammersängerin Clara Ebert zur Uraufführung. Heinz Bongartz’ Vertonung der ungemein zarten, lyrischen Gedichte bedarf keiner näheren Erklärung. Die Musik