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geschrieben ist, sind diesem freudigen Charakter angepaßt. Ihr Bau ist so einfach, so schlicht, daß jeder Mensch sie begreift, sie versteht, von ihnen sofort angespro chen wird. Von hier aus erklärt sich die weltumspannende Wirkung dieser Sinfonie, die die tiefsten Gedanken ausspricht und dennoch die breiteste, ja fast populärste Wirkung hervorruft. Nicolo Paganini Der Hexenmeister aller Geigenvirtuosen, dessen Name als Solist heute noch eine Art magischen Zaubers ausübt, so daß man bei einigen Geigern von Weltruf von einem zweiten Paganini spricht, war trotz aller ihn umwitternden Dämonie und der legendarischen Satanik auch ein hochbegabter Komponist. Natürlich schrieb er vor allem für sein Instrument. Sein 1. Violinkonzert, op. 6, komponierte er 1811. Es ist dreisätzig. Mit einer maje stätisch schnellen Einleitung beginnt der 1. Satz. Das 1. Thema der Solovioline wird gleich höchst virtuos umspielt und abgewandelt. Das 2., diesmal sehr aus drucksvolle Thema, geht nach kurzer Zeit ebenfalls ins Virtuose über, wobei sich Terzen- und Sextenketten ablösen, Dezimengriffe keine Seltenheit sind, Passagen über alle Saiten hinwegstürmen und drei- und vierstimmige Akkorde gewisser maßen zum alltäglichen Brot gehören. Der zweite Satz entfaltet eine sehr inten sive Ausdrucksgewalt. Ein ungemein geistvolles und übermütiges Rondo schließt wirkungsvoll ab. Hierin scheint der Technik keine Grenze mehr gesetzt zu sein. Richard Slrauli 1895 ist das geniale Werk „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ von Richard Strauß geschrieben worden. Über ein halbes Jahrhundert ist dieses op. 28 schon alt und hat noch nichts von seiner Jugendfrische, Unbekümmertheit, Drastik und Unver wüstlichkeit eingebüßt. Strauß schildert die Lausbübereien, die Streiche, die Narre teien und Einfälle des witzigen, geistvollen, lustigen Till Eulenspiegel. Erbeschreibt den Ritt durch die zum Verkauf ausgestellten Tontöpfe und die darob kreischenden Marktweiber, die Maskerade Tills, der, als Pastor verkleidet, Moral predigt, wie er dann ausreißt, wie er sich verliebt, wie er in eine Diskussion mit verstaubten Gelehr ten gerät, die nur den „grünen Tisch“ kennen und nichts vom Leben wissen, wie er sie auslacht, sich vor Gericht verantworten muß, verurteilt und gehenkt wird. Richard Strauß wählt für dieses Geschehen aus einer prallen, vollblütigen Welt die Rondoform, die durch ihre immer wiederkehrende Zitierung des Hauptthemas an die Art Till Eulenspiegels erinnert, überall seine Finger drin zu haben, überall seine Glossen zu machen. Dieses Aufeinanderbeziehen eines lebendigen Geschehens und einer musikalischen Form ist genial. Und genial ist auch das Können, mit dem Strauß aufwartet. Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll an diesem Werk und an seinem Schöpfer: die instrumentalen Künste, die Gabe der Drastik, mit der Strauß die verschiedenen Situationen schildert, oder den Reichtum an geist vollen Wendungen und Veränderungen der musikalischen Substanz. Dieses Werk erobert die Herzen der Hörer. Mit Recht. Hätte Strauß nur den „Till Eulenspiegel“ geschrieben, es hätte allein genügt, ihn unsterblich zu machen. 6621 Ra 111-9-5 1055 1.25 ll G 009/55