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ZUR EINFÜHRUNG Man schreibt uns über die beiden polnischen Komponisten, deren Partituren wir bei der Drucklegung dieser Einführung noch nicht in Händen hatten, folgendes: Die Toccata (— ursprünglich ein frei phantasierendes Werk für Tasteninstrumente) für Orchester von Boleslaw Szabelski zeigt den Orchesterstil des Komponisten — originell, neuzeitlich, jedoch in seinem Radikalismus gemäßigt. Szabelski operiert im Orchester mit prächtigen Farben auf eine freie und gleichzeitig zielbewußte Art. Er ist ein geborener Polyphonist und baut seine symphonischen Werke mit Anwen dung breiter Flächen. Er verliert sich nicht in Komplikationen, ist logisch und sicher in der Auswahl der Mittel. Er gehört den Komponisten an, die sich selten äußern — die sich nur dann äußern, wenn sie wirklich etwas zu sagen haben. Boleslaw Szabelski ist am 3. Dezember 1896 in Rador?z geboren. Sein Musikstudium beendete er am Warschauer Konservatorium bei Prof. M. Surzynski (Orgel), Roman Statkowski und Karol Szymanowski (Komposition). Er ist als Orgel-Virtuose, Pädagoge und Komponist tätig, in den Jahren 1929—1939 und von 1945 bis jetzt wirkt er als Professor an der Staatlichen Höheren Musikschule in Katowice. Die musikalischen Werke Szabelskis umfassen bisher: Drei Symphonien, die Toccata, ein Concertino für Klavier und Orchester, eine Symphonietta für Streicher und Schlagzeug, eine Festliche Ouvertüre, ein Concerto grosso, Kammermusik, Orgel werke und Gesangstücke, u. a. eine Kantate zu einer Dichtung von Mickiewicz, ein Magnificat, einen Soldatenmarsch mit Text von Broniewski und ein Heldenepos mit Worten von Bezymienski. — Die Toccata für symphonisches Orchester gehört zu den früheren Werken von Szabelski, sie stammt aus den dreißiger Jahren. Auf einem einzigen Thema basierend, beginnt sie pianissimo mit schneller Bewegung der Streicher in Sechszehnteln. Sobald das Horn das Thema intoniert, fängt die sich steigernde Aktivisierung des ganzen Orchesters an. Im Mittelteil der Toccata bemerken wir einen deutlichen Abstieg der Bewegungsspannung — als Vorbereitung für die große Ausdrucks- und Dynamik-Kulmination im Tutti-Fortissimo, den Höhepunkt des Werkes. Die Musik der Toccata zeichnet sich durch außerordentlich virtuose Behandlung des Orchesterapparates, durch frisches und kühnes Operieren mit den Errungenschaften erweiterter Tonalität, durch farbenprächtige Klang- Ausdrucksmittel aus. Der nun 62jährige Szabelski befindet sich in der glanzvollsten Periode seiner schöpferischen Tätigkeit. Bei der ganzen Einfachheit und Natürlich keit eröffnen seine Werke immer neue künstlerische Perspektiven und machen immer erneut klar, daß eine musikalisch-moderne Faktur keineswegs von komplizierten technischen Mitteln abhängt. Szabelski erhielt den Staatlichen künstlerischen Preis (2. Grades) und den Musikpreis der Stadt Katowice für seine dritte Symphonie. Seine Werke hatten außerordentlichen Erfolg bei den Internationalen Festspielen moderner Musik in Warschau im vorigen Jahr. Tadeusz Baird ist ein Vertreter der jungen Komponistengeneration Polens. Seine Studien begann er während des zweiten Weltkrieges bei Boleslaw Woytowicz und setzte sie nach dem Kriege an der Staatlichen Musikhochschule in Warschau fort. Von 1948 bis 1951 studierte Baird Musikwissenschaft an der Warschauer Universität. Baird hat eine ganze Reihe von Werken geschaffen, darunter zwei Sinfonien, ein Klavierkonzert, ein Streichquartett. Zweimal wurde er mit Staatspreisen ausgezeich net. 1958 errang er den 1. Preis im Grzegorz-Fitelberg-Komponistenwettbewerb mit seinen vier Essays für Orchester (die kürzlich hier von der Nationalphilharmonie Warschau unter Leitung von Witold Rowicki aufgeführt wurden).