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Richard Greß, Suite „Shakespeare“ für Orchester mit obligatem Cembalo, Werk 32 Das Werk ist nicht darstellende Programm-Musik, sondern knüpft nur in Form, Stil und Stimmung an die Musik der Shake spearezeit an, sie mit neumusikalischen Mitteln nachgestaltend. 1. Vorspiel. Es gliedert sich deutlich in eine Einleitung, zwei Themengruppen, eine Wiederholung der ersten Themengruppe und eine abschließende Code. Aus der etwas grüblerischen Grundstimmung tritt die zweite mit einem Englischhorn-Solo beginnende Themengruppe durch ausdrucksvolle, leidenschaftliche Kantilenenführung hervor. 2. Variationen. Das Thema, vom Cembalo allein gebracht, ist eine akkordisch gestützte Melodie aus dem „Fitzwilliam Virginalbook“, einer berühmten Sammlung von Klavierstücken aus der englischen Hausmusik um 1600. 1. Variation: Das Thema in einfacher Weiterführung vom Orchester übernommen. 2. VaHation: Leidenschaftlich, mit einer zarten Geigenkantilene inmitten. 3. Variation: Spielfreudig arabeskenhaft, Solovioline und Bratsche als Gegenspiele des Cembalos. 4. Variation: Große, kunstvoll und mächtig gesteigerte Fuge. 5. Variation: Trübsinnig, versunken; kammermusikalisch durchsichtiger Satz. 6. Variation: Ein Scherzo; schalkhaft, spitz. 7. Variation: Eine Basso-ostinato-Studie im breiten s / 2 Takt. 3. Ausklang, ln Ausdruck, Form und Charakter dem Vorspiel verwandt, an das auch motivisch angeknüpft wird. 1. Teil: reinlativisch beginnend, dann mit Cellokantilene zu breitausladender schwungvoller Melodik führend. 2. Teil: eine Courante, im bewegten 3 /„ Takt, fast nur für Cembalosolo. 3. Teil: Schlußsatz mit großer pompöser Steigerung. Paul Dukas, Der Zauberlehrling (L’apprenti sorcier) Der jungfranzösische Komponist hat mit diesem Orchesterscherzo eine Art Seitenstück zum „Eulenspiegel“ von Richard Strauß gegeben. Er versucht, die bekannte Goethesche Ballade in Tönen nachzudichten, ln der langsamen Einleitung scheint Mittags glut und Mittagsstille zu glitzern. Nun spricht der von dem alten Hexenmeister einsam zurückgelassene Zauberlehrling mit keckem Mut die gelernte Beschwörung. Damit beginnt der schnelle Hauptsatz. Pianissimo aus den Bässen aufsteigend, gewinnt der zum Knecht umgewandelte Besen Gestalt. Das geschäftige Treiben, mit dem er das Wasser zum kühlenden Bade abschleppt, prägt sich in dem immer lebhafter dahinrauschenden Presto aus. Wir vermeinen das Traben des gespenstischen Gesellen und das Rauschen der Wasser güsse deutlich zu hören. Aber die erst fröhliche Stimmung wird unheimlicher und unheimlicher. Das Treiben wilder und wilder. Der Lehrling hat die Macht über den Geist verloren. Ängstlich gellende Beschwörungsrufe erklingen, aber sie verhallen wirkungslos. Plötzlich bricht der Tonstrom ab. Der Lehrling hat den Geist mit dem Beil entzwei gespalten. Aber die augenblickliche Stockung weicht alsbald verdoppelter Wiederkehr der früheren wilden unheimlichen Bewegung. Beide Hälften des Geistes sind zu unermüd lichen Wasserträgern geworden. Auf dem Gipfelpunkt klingender Chaotik ertönen plötzlich wiederum beschwörende Rufe, aber dies mal mit feierlicher Bestimmtheit. Der Meister ist zurückgekehrt, und bannt die Geister zur Ruhe. Die Mittagsstille des Anfangs breitet sich wieder über das Klangbild und beherrscht den Schlußeindruck, nur die letzten Takte gemahnen nochmal an den kecken Zauberlehrling. Johannes Brahms, 2. Sinfonie Die pastorale Romantik, die den Grundcharakter dieser ganzen Sinfonie ausmacht, ist dem ersten Satz (Allegro non troppo, D-dur %) in besonderem Maße eigen. Romantische Hornklänge, träumerische Geigenfiguren, ernste Posaunenakkorde, anmutige Holzbläsermotive geben die Farbenmischung zu dem in klaren Strichen gezeichneten lieblichen Bild, das im Durchführungsteil wohl auch heftige Akzente findet, aber rasch genug wieder ins Reich der Anmut zurückkehrt. Den zweiten Satz (Adagio non troppo, H-dur */,) eröffnet eine schwermütige Kantilene der Celli, die die Grundlage für seine Gesamtstimmung abgibt. Denn, wenn sich das Gegenthema auch eine liebliche Tanzmelodie im IS /s Takt auftut, hält sich der weitere Verlauf doch in der Sphäre leidvollen, auch leidenschaftlichen Schwärmens. Der dritte Satz (Allegro grazioso, G-dur %, Presto a / 4 ) ist eine reizvolle Tanzszene, ganz auf den Ton naiver Schlichtheit gestimmt und nicht ohne humoristische Überraschungen. Ein zweites im a / 8 Takt gehaltenes Presto trägt den Charakter ungarischer Volksmusik. Das Finale (Allegro con spirito, D-dur */ 4 ) sprüht von Lebenslust und Heiterkeit. Auch kräftig behagliche und romantisch träumende Episoden tun seiner frohen Grundstimmung keinen Eintrag.