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1210 di« den Pforzheimer Wahlkreis noch nie befaßen, 10880 Stimmen, der nationalliberale Kandidat 7272, der Zmtrumtkandidat 4254, ein konservativer Kandidat 1509 Stimmen Ja der Stichwahl siegt« der Sozial demokrat Laster mit 12V72 Stimmen gegen 10530 Stimmen Da« Verhalten de« badischen Zentrum«, da« au« Abneigung gegen die Nationalliberalen dem Sozial demokraten zum verhalf, wurde von der Leitung der Gesamtpartei nicht gebilligt Freilich haben erst dieser Tage wieder die bavlschcn Zentrum«sührer den Kampf gegen die Nationalliberale» in erster Linie verkündet. — Da« preußische Abgeordnetenhaus beriet gestern in zweiter Lesung da« Aussahrungsgesetz zum Bürger- lichen Gesrtzbuche. Zunächst wurde ein Antrag de« Abg. vr. Hirsch (srs. Bp), welcher de» Zusatz der Kommission zu Artikel 1t, nach dem der Dienstherr berechtigt ist, Entschädig ungsansprüche au- dem Dienstverhältnis gegen di« Lohn sorderung de« Gesindes auszurechnen, gestrichen wissen wollte, mit großer Mehrheit abgelrhnt: dagegen wurde ein Antrag des Abg Krause-Waldenburg (srkons), zu Artikel 87 einen neuen Paragraphen (« 148 de» Berggesetze«) de- Sinne« »inzu- schalten: den Hypotheken-, Grund- und Stentrnschuld-Gläubigrrn wird eine besondere Entschädigung nicht gewährt, angenommen, obwohl der Regieruogskommipor empsahl, die Entscheid ung di.srr Frage bi« zu einer Revision de« Berggesetze» zu verschieben. Ein Antrag de- Abg. Sirombeck (Z.) wurde aus die Erklärung de- Justizminister« Schönstedt, daß er weder au» dem Wortlaute noch au- der Begründung habe er sehen können, was der Antragsteller bezwecke, vorläufig zurück gezogen, ebenso ein Antrag Brandenburg (g.) zu Artikel bl, nach welchem da-Inkrafttreten der Bestimmungen de- Bürger liche« Gesetzbuches über eheliche- Büterrecht für die jetzt bereits bestehenden Ehen für die Provinz Hannover ausgeschlossen werden sollte, nachdem der Jnstizminister sich gegen den Antrag im allgemeinen ausgesprochen und bi» zur dritten Lesung eine Fassung in Aussicht gestellt hatte, durch welche ge wisse als berechtigt anerkannte Bedenken in Betreff de- An- erbenrechtS au-geschlossen werden sollen Endlich wurde auch ein Antrag des Abg Gamp zu Artikel 7l, nach welchem die gerichtlichen Taxen für solche Grundstücke ausgeschlossen sein sollen, sür welche die Beleihung durch eine landschaftliche oder andere Kreditanstalt möglich ist, aus die Erklärung des Justizministers, daß zwar die Unzulänglichkeit der gericht lichen Taxen anzuerkennen fei, daß aber, da die Landschaften und andere Kreditinstitute nicht gezwungen werden könnten, da, wo eine Beleihung ihrerseits nicht in Frage komme, eine Taxe vorzunehmen, eine Lücke in dem Besetze bleiben würde, zurück gezogen. Ja demselben Sinne sprach sich auch der Land- wirtschastSminister Frhr. v. Hammerstein au» und der Vizepräsident de» StaatSministerium» vr. v. Miquel wies daraus hin, daß eS bei dm Taxen sehr daraus ankommr, sür welchen Zweck sie bestimmt seien, und daß es nur erwünscht sei» könne, wenn die landschaftlichen Taxatoren, deren Zweck lediglich sei, eine Taxe für die Bepsandbriefung de- Grundstück- aufzustellen, sich an die üblichen Taxgrundsätze für BerkausSzwecke gewöhnten. Hingegen wurde eine vom Abg Gamp und Genossen beantragte Resolution angenommen, dahin gehend, die Königl. StaatSregierung auszusordern, mög lichst bald einen Gesetzentwurf über die einheitliche Neuregelung de- gerichtlichen und namentlich des ländlichen TaxwesenS vor zulegen. Nachdem Abg. Winckler in längerer Rede die formalen und materiellen Bedenken näher dargelegt hatte, au» denen die konservative Fraktion zu dem Anträge auf Streichung de» Kommissionszusatzes wegen Zuerkennung der Mündel sicherheit für die Pfandbriefe der Hypothekenbanken sich ablehnend verhalten müsse, erklärte der Justizminister, daß daS Staatsministerium sowohl mit Rücksicht auf die Sicher heit der Mündelgelder als auS allgemeinen staatlichen Rück sichten der Aufnahme jenes die Mündelsicherheit der Pfand briefe der Hypothekenbanken in das vorliegende Gesetz auS- sprechenden Zusatzes nicht zustimmen könne. Hieraus führte der Abg. Schmitz Düsseldorf (Z.) die Gründe au-, die für die Mehrheit der Kommission bei Aufnahme de- beanstandeten Zusatze- maßgebend gewesen seien, und sorderte zugleich den Minister sür Landwirtschaft auf, als Aufsichtsbehörde über die Hypothekenbanken sich betreff» der Erfahrungen über die Sicher heit der Pfandbriefe dieser Anstalten zu äußern, woraus der Landwirtschaft-Minister erklärte, daß nach den bisherigen Erfahrungen die unter ausreichender und sorgfältiger staatlicher Kontrolle arbeitenden Hypothekenbanken in Bezug auf die Sicher heit ihrer Beleihung, war die Vergangenheit angeht, keinerlei Bedenken unterliegen, daß man aber allerdings nicht wissen könne, wie in Zukunft deren Geschäfte sich unter der Herrschaft de» neuen Reicht-Hypothekenbankgesetzc» entwickeln würden, und daher eine Gewähr für die Sicherheit der Hypothekenpsandbrirfe nicht übernommen werden könne. — Nächste Sitzung Dienstag. tsterreich-Uugarn. Buda-Pest. Abgeordnetenhaus. Finanzminister Lukac» brachte gestern den Gesetzentwurf, betreffend Er gänzung de« Bankübereinkommens ein Nach diesem Ent würfe erlischt da» bis Ende IS 10 giltige Bankprivilegium von selbst, fall« die Zollgemeinsamkeit am 31. Dezember 1907 aufhört, ohne daß die Volksvertretungen von Oesterreich und Ungarn die Verlängerung der Zollgemcm- samkeit mindestens bis zum 31. Dezember 1910 beschlossen hätten Die Bestimmungen bezüglich der Ausgabe von Zehnkronen-Noten und der bei der Bank geleisteten und zu leistenden Goldeinzahlungen bleiben für den Fall der Beendigung des Privilegium» im Jahre 1907 unver ändert so, wie sie für den Fall des Ablaufs des Privi legium« im Jahre 1910 und für den Fall der Auflösung der Gesellschaft getroffen worden sind Beide Regierungen verpflichten sich, fall« wirklich da« Privilegium im Jahre 1907 erlöschen sollte, für die ausgefallenen PrivilegiumS- jahre auf jede Aktie der Oesterreichisch-Ungarischen Bank 22 Kronen für die Jahre 1908, 1909 und 1910 zu »ahlen, bzw am 1 Februar i» jedem der nachfolgenden Jahre, also 1909, 1910, 1911 zu Händen d«S General rat» de, Bank zu erlege«. Ungarn zahlt zu diese, Ent schädigung im Verhältni» seine, Beteiligung am Rein gewinn. Da« Abgeordnetenhau» hat ferne, di« Gesetz- Vorlage übe, di» Reaelung der Zoll- undHandel«- verhältnisse mit Oesterreich angenommen Im Lauf« der Epezialdebatt« erwiderte der Ministerpräsident Koloman v. Szell auf eine Anfrage de« Abg Polontzi bezüglich der Schntahnsgebühren am Eisernen Thore, d»e Beschuldigung, da» Oesterreich da« Jntlebentreten de« Tar»f« verhindert habe, sei unbegründet. Die Frage der SchiffSzebühren sei nunmehr vollständig geregelt, der Tarif werde auf der Grundlage der internationalen Verträge in nächster Zeit in« Leben treten Bezüglich de, öster reichischen Agitation gegen ungarische Wertpapiere, di» Polonyi im Laufe der Beratungen erwähnt hatte, er widert» der Ministerpräsident: Die Befangenheit und da« wenig sympathische Gefühl, welche« leider in vielen österreichischen Kreisen gegen Ungarn herrscht, hat in der letzten Zeit auf diesem Gebiete eine delikate, schwere Situation geschaffen Auch die österreichischen Kapitalisten leiden unter dieser gegen Ungarn gerichteten Animosität; sie verletzt deren wahre» Interesse Die Regierung be schäftigt sich mit dieser Frage und wird bestrebt sein, den rechtmäßigen Zustand zu schützen und Mederherzu stellen, der unter in brüderlichem Einvernehmen lebenden Nationen der einzig richtige ist. Ob e» gelingen wird, diese Frage, die übrigen« nicht zum Au»gleich gehört, in jeder Beziehung erfolgreich zu erledigen, ist eine andere Sache. Die Regierung wird jedenfall« bestrebt sein, sie nach Recht und Gerechtigkeit zu erledigen Frankreich. Pari«. Deputiertenkammer. Die Tribünen waren gestern überfüllt. Die Abgeordneten waren fast vollzählig anwesend Um 2 Uhr erschienen die Minister mit Waldeck-Rousseau an der Spitze, hinter ihm General Gallifet. Verschiedene Deputierte drückten Waldeck-Rousseau und Gallifet die Hand Dieser unterhielt sich lebhaft mit Caillaux. Der Präsident eröffnete die Sitzung. Auf der äußersten Linken ertönten die Rufe: Es lebe die Commune! Diese Rufe dauerten etwa fünf Minuten an. Auf der Rechten wurde vereinzelt Beifall gezollt. Von der äußersten Linken wurde gerufen: „Nieder mit dem Mörder!" Gallifet warf einen verächtlichen Blick nach der äußersten Linken. Präsident Deschanel erklärte, er verlange von jedem Selbstbeherrschung. (Lebhafte Er regung.) Eine Stimme rief: „Wir verlangen den Henker!" Waldeck-Rouffeau begann die Verlesung der ministeriellen Erklärung, die von lebhafte« Zwischenrufen unterbrochen wurde. Der Deputierte Roch rief: „Nu, die Interessen EiffelS!" Roch wurde zur Ordnung ge rufen. Waldeck-Rouffeau fuhr fort, seine Stimme zittert» etwas. Der Deputierte Zeoae« gab den Anlaß zu einem neuen Tumult und wurde gleichfalls zur Ordnung ge rufen. Als Waldeck-Rouffeau die Stelle verlas, welche davon spricht, der Konstitution und der Gerechtigkeit Achtung zu verschaffen, ertönte Beifall. LasieS rief: Sie Schalk! Als Waldeck-Rouffeau sagte: Wir wünschen, daß Beruhigung Platz greife, wurde auf der Rechten und im Zentrum gelacht Auf der Linken rief man: „Sie zittern!" Al» Waldeck-Rouffeau die Stelle verlas, die von der Einigkeit aller Republikaner handelt, wurde ihm im Zentrum und auf einigen Bänken der Linken Beifall gezollt. Präsident Deschanel teilte mit, daß Maffabuau, Roche, ferner Caffagnac und Viviani über die allgemeine Politik interpellieren wollten. (Lärm) Caffagnac zog seine Interpellation zurück. Di« sofortige Erörterung wurde beschlossen Nachdem derMinistrr- Präsident Waldeck-Rouffeau die Regierungserklärung ver lesen hatte, interpellierte Ernest Roche (Sozialist) über die von der neuen Regierung einzuschlagende Politik. Er er hob gegen das Kabinett die Anklage, eine Regierung de« Kampfes und der Herausforderung zu sein (Anhaltender Lärm), und griff besonder» heftig den General Gallifet an. (Widerspruch) Mirman (Sozialist) tadelte ebenfalls die Zusammensetzung des Kabinetts und wurde infolge heftiger Angriffe, die er gegen General Gallifet und den Marmeminister de Laneffan richtete, zur Ordnung pe» rufen. Viviani (Sozialist) erklärte, daß er und seine Freunde da» Kabinett gegen di» cäsaristische und klerikal» Reaktion unterstützen würden. (Beifall auf den Bänken der Sozialisten.) Ministerpräsident Waldeck-Rouffeau beant wortete sodann die Interpellation. Er legte zunächst dar, von welchen Motiven er sich bei de, Bildung de» Kabi netts leiten ließ, und betonte, daß er al» Ausgangspunkt das Votum der Kammer vom 12. Juni genommen habe, durch daS die Kammer die Verteidigung der Republik sicherstellen wollte. Der Ministerpräsident erklärte weiter, daß er die gegen da» Kabinett erhobenen Vorwürfe vorau»gesehen habe E» sei richtig, daß die Minister be züglich zahlreicher politischer und wirtschaftlicher Fragen verschiedener Ansicht seien (Gelächter recht»), doch habe da» Kabinett ein Ziel, da» alle Streitigkeiten überrage, nämlich alle Republikaner zusammenzuführen (Bewegung) Jeder der Minister vertrete sein republikanisches Ideal. (Unterbrechungen, Tumult) Der Kammerpräsident Des chanel drohte damit, daß er sich bedecken werde. Waldeck-Rouffeau fuhr dan« fort und erklärte, daß da» Ministerium bereit» für einzelne Maßnahme« die Verantwortlichkeit übernommen hab«, daß «» aber, um w»iterg»hen zu können, der Unterstützung de« Parlament« zu bedürfe» glaube (Beifall links, Lärm recht« ) Minister- Präsident Waldeck-Rouffeau fuhr fort und fragte, ob «» irgend ei» Ministerin» gebe, da« Handlungen hält« dulden können, di» den Glauben erwecken konnten, da» Heer wolle sich zum Richter der Politik machen (Beifall auf zahlreichen Bänken.) Redner hoffte, nicht gezwungen »u sein, strengere Maßregeln zu ergreifen (Bewegung), die Hauplsach« sei, auf alle Posten Männer zu stellen, die Achtung vor der Verfassung u»d de» Gesetzen hätten. Ueberall finde di» Regierung dieselbe Unterstützung E» würd« ihm (Redner) leicht sein, nachzuweisen, von welcher Seite d»e Angriff» grgrn die Einrichiunaen de» Staate» gekommen seien Sei nicht in der Dreyfu«.Angelegenheit de, Beschluß der Kriminalkammer angegriffen worden, ehe er gefaßt war? Da« Ministerium wolle jede Juri«- drktion achte«. Waldeck-Rouffeau setzte dann auseinander, warum er den General Gallifet um seine Mitarbeit er sucht habe, und erklärte, kein General habe sich wehr au» freien Stücken vor der Verfassung gebeugt, al» Gallifet. „Ich habe geglaubt", schloß der Ministerpräsident, „daß die gegen gewlffe Militär» zu ergreifenden Maßregeln um so maßvoller sein könnten, von je höherer Stelle sie kämen (Zwischenrufe); übrigen» hat di« Regierung, al» sie sich gebildet hat, keinen sehr lebhaften Mitbewerb gefunden Wir haben eine schwere Aufgabe übernommen, und Sie wissen, in welche« Sinne wir sie aulzuführen gedenken. Welche Entscheidung die Kammer auch treffen möge, ich wrrde meine Pflicht ganz gethan haben. (Beifall, Beweg ung) Hierauf wurde die Diskussion geschloffen; von den eingebrachten acht Tagesordnungen billigte Waldeck-Rouffeau diejenige PörillierS, in der e« heißt, daß di« Kammer die Erklärungen und Handlungen der Regierung billigt. Unter großer Bewegung de« Hause« gaben dann mehrere Deputierte Erklärungen darüber ab, wie sie stimmen würden. Brisson erklärte, er werde für da« Ministerium stimmen, da» die Republik in der augenblicklichen Gefahr verteidigen werde. (Lebhafter Beifall auf der Linken) Die von Waldeck-Rouffeau abgelehnte einfache Tages ordnung wurde sodann von der KaiWner mit 271 gegen 248 Stimmen verworfen und die von Waldeck Rousseau gebilligt» Tagesordnung Perillier» mit 263 gegen 237 Stimmen angenommen. (Beifall links.) Nach Annahme der Vertrauens-Tagesordnung verlangte Goujon, daß dieser ein Zusatz hinzugefügt werde, in dem die Kammer ihrem Bedauern über die Zusammensetzung des Kabinett« Aus druck giebt. Pourquery de Boisserin wie» darauf hin, daß ein solcher Zusatz, der mit der Tagesordnung selbst im Widerspruch stehe, eine Unmöglichkeit sei; Goujon zog hierauf seinen Antrag zurück. Di« Regierung legte so dann den Gesetzentwurf beuiglcch der vier direkten Steuern vor, worauf die Sitzung aufgehoben wurde. — In der Kammer wurde von Waldeck-Rousseau und im Senate vom Minister Moni» folgende mini sterielle Erklärung verlesen: Nachdem die Kammer ihren Entschluß au»gesprochen hat, nur eine Regierung zu unterstützen, die entschlossen ist, mit Entschiedenheit die republikanischen Einrichtungen zu verteidigen und sür die öffentliche Ordnung zu sorgen, ist die Ausgabe, die dem neuen Kabinett zufällt, klar bestimmt. Wir haben keinen anderen Wunsch, al» diese Aufgabe zu erfüllen. E» handelt sich darum, da» uns allen gemeinsame Erbe unversehrt aufrecht zu erhalten. Wir find der Ansicht, daß die Spaltung der Parteien hiergegen zurücktreten muß, daß da» Werk, da» wir unternehmen wollen, die Mitwirkung aller Republikaner erfordert. Wenn so unser Ziel deutlich vorgezeichnet ist und sich nicht mit den zur Erreichung derselben führenden Mitteln und Wegen geändert hat, so ist es leicht sich zu verständigen Die Streitfragen ruhen gegenüber der gemeinsam zu er füllenden Pflicht, die dahin geht, den Umtrieben ein Ende zu machen, welche unter leicht zu durchschauenden Vorwänden sich gegen die Realerungssorm richten, die da» allgemeine Stimmrecht sanktioniert hat und welche es aufrecht zu er halten wissen wird. E« erfordert die« in allen Dimftzweipen treue Mitarbeit und den Mut der Verantwortlichkeit. Die« muß die erste Sorge der Regierung sein, welche sich Ihnen vorstellt. E« wird nicht ihre Schuld sein, wenn die Gerechtigkeit nicht ihr Werk in voller Unabhängigkeit vollendet. Die Regierung ist entschlossen, ihren Ent scheidungen Achtung zu verschaffen, sie kann diejenigen, welche die verantwortungsvolle Aufgabe haben, über Menschen zu Gericht zu sitzen, nicht mit verschiedenem Maße messen, und wenn man dem Wunsche de« Lande« vor allen Gehör schenkt, werden die weiteren Entscheidungen in Ruhe und Achtung sich vorbereiten. In die erste Reihe der mit der Erhaltung und der Würde einer Nation auf« Engste verknüpften Interessen stellen wir diejenigen der Armee, welche die dritte Republik auf so starker und breiter Grundlage neu organisiert hat, daß fle der Aus druck zugleich der Sicherheit und de« Stolze« von Frank reich ist. Wir denken mit den bedeutendsten und zuver lässigsten Führern derselben, daß ein unverletzliche« Festhalten an der Di«ziplin die erste und die wesentlichste Garantie für di« Größ« d»r Armee bildet. Wir fi»d entschlossen, dieselbe mit derselben Energie zu verteidige« sowohl gege» die Angriff«, de««n sie au«ges«tzt sei» könnt«, al« auch gegen di» Bestreb»»»»«, welch« di» unverdientepr all« Beltidcgunge» sind Wir wünsch»» vor allem und wie alle diejenigen, welche in der moralische» Ewigkeit Frankreich« die Hauptbedingung für di« nvilisatorische Rolle sehen, für die e« bestimmt ist, daß Beruhigung rinteete. Sie wird sofort emtrete«, wenn jeder darauf verzichtet, sich selbst Recht zu verschaffen und Urteil«- sprüch« vorzudereiten und zu diktiere», und vor dem Gesetze sich beugt. Um da« un« obliegende Werk zu vollenden und alle hierzu nötigen Maß nahmen zu beschließe«, bedürfen wir der Mitwirkung de« Parlamente« und seines ganzen Vertrauen« Da«- selbe wird un« nach unserm Handlungm, nicht nach unsere» Versprechungen beurteilen Wir verlangm die weitestgehenden Vollmachten von Ihnen, wogram wir unsere volle Verantwortlichkeit Ihnen gegenüber ver pfänden. Wir bittm Sie, «inen Waffenstillstand zu schließe» in den erregenden Kämpfe», die ein Uebel für die Interessen de« Lande« zu s«i« scheinen, und ohne Aufschub die für ei» gute« Funktioniere« der onentUchen Dienste notwendigen Gesetze zu genehmigen Wenn unser« Anstrengungen nicht unfruchtbar sind, wird die Republik altbald ihr Werk de« wirtschaftlichen und soziale« Fort schritte« wieder aufnehmm, und wir werden glaubm, unsere Pflicht erfüllt zu haben, wmn wir von neuem einer Politik den Wog eröffnet habm werden, die geeignet ist, alle« da« auszuschließen, wa« die Republikaner vo» all' dem getrmnt hat, was sie einigen kann. — Im Senate wurde die ministerielle Erklär ung mit lebhaftem Beifalle aufgenommm. Guyot brachte folgenden Antrag ein: Der Senat nimmt Akt von dm Erklärungen der Regierung und indem er auf ihre Wach samkeit und Festigkeit für die Verteidigung der republi kanischen Jnstlt tionm und in der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung rechnet, geht er zur Tagesordnung über. Der Antrag wurde mit 187 gegen 25 Stimmen angenommen (Beifall.) Die Sitzung wurde hierauf auf gehoben. — Auf Wunsch der Gruppe der Rechten hat Cassagnac darauf verzichtet, gestern eine Interpellation einzubringen. In dm Wandelgängen der Kammer herrschte reges Leben. E« machte sich mehr und mehr eine dem Ministerium günstig« Stimmung gellend Die radikal-sozialistische Gruppe und die Gruppe der demo kratischen Linken beschlossen, dem Kabinett ein Vertrauens votum zu erteilen. Die fortschrittlichen Republikaner ver einigten sich gestern morgen, um ihre im Laufe der Inter pellation am Nachmittage einzunehmende Haltung festzu setzen Die Mehrheit der Gruppe beschloß, daß Meline, wenn die Umstände e« erfordern, im Laufe der Kammer debatte eingreifen soll. — DaS Ministerium, da» unter der Präsident schaft von Waldeck-Rousseau gebildet wurde, hat dm Charakter eine» Ministerium» der Verteidigung der Re publik. E« begreift Mitglieder der verschiedencn Gruppen der republikanischen Partei in sich, mit Ausnahme der reinen Sozialisten. Seine Hauptaufgabe wird sein, die endgiltige Erledigung der „Affaire" und der verschirdmm mit ihr verknüpften Zwischenfälle, sowie die Anerkennung dieser Regelung in der öffentlichen Meinung vorzubereitm. Die republikanische Partei rechnet darauf, daß da» künf tige Kabinett in allen Grade» der Armee der DiSzivlm volle Achtung verschaffen werde. Wmn gewisse Maß regeln zur Erreichung diese« Ziele« notwmdig sein werden, so wird man sie auch sicherlich ergreifen. E» handelt sich dabei wohlverstanden nicht etwa um Akte der Vergeltung. Eine Politik der Rache würde von dem größtm Teil der republikanischen Partei selbst verurteilt werden Fall» je doch die anhängigm Untersuchungen und die angeordnrtm Erhebungen feststellen sollten, daß Uebertretungrn be gangen worden sind, welche unter da« Strafgesetz fallm, so ist man der Meinung, die Regierung könnte und dürfte die Schuldigen der Strafe mcht entziehm. Von diesm Geficht«punkten ist man bei der Konstituierung de« Kabinetts aulgegangen, und von diesen wird e« auch in seinen Handlungm geleitet werden Darin wird e« eine nahezu einstimmige Majorität in der republikanische« Partei finden Man glaubt übrigm«, daß die Regierung, nachdem sie da« Vertrauensvotum de« Parlament« ent gegengenommen und die Abstimmung über die vier direktm Steuern derart durchgeführt habm wird, daß die Generalräte die Departemmt«budget« feststellm können, zum Schluß der ordentlichen Kammersesfion schreiten wird. Die Angabe, daß die Regierung auf die sieben Offiziere, welche das Kriegsgericht in RenneS bildm, einen Druck übm wolle, ist ganz willkürlich. Wahr ist nur, daß der Regierungskommissar bei» Kriegsgericht« di« An klage fallm lassen kann, wmn er nach Prüfung der Akten zur Ueberzeugung gelangt, daß auf dem Kapitän Dreyfus keinerlei Schuld lastet Allein bisher berechtigt nichts zur Annahme, daß der RegierungSkommiffar that- sächlich in dieser Weise Stellung nehmm wird. Im Gegmteil hat man allen Grund, zu glaubm, daß die An klage erhobm werden und daß da» Verhör mehrere Sitz ungen in Anspruch nehmen wird. die Bekanntschaft de» Künstler» mit dem Lebm auf der See in der Lithographie zum Auidruck, auf der wir den Kapitän de» Schoner» „Durango" bei dem Studieren der Karten erblicken (Nr. 904). Neben der Landschaft hat da» Porträt in Karlsruhe viele tüchtige Vertreter Da ist z B Sigmund v. Sallwürk, dessen Bildnis eines offenbar ziemlich placierten Herrn in neuester Modetracht, eines Typus, wie man ihm n»mmtlich unter den Wiener Gigerln häufig begegnet (Nr. 431), die ihm durch Verleihung der kleinen Plakette gewordene Auszeichnung wohl verdient; da ist femer Walter Conz, dessen Dame in Rot (Nr. 45) trotz ihrer etwa« steifen Haltung durch die aus dem Bilde sprechende Vertiefung de« Künstler» in die Seele seine» Modell« hervorragt, und Heinrich Kley, der in seiner auf einem Divan liegenden Dame, die soeben die Lektüre von Tolstoi« „Kreuzetsonate" (Nr. 239) bemdet hat, «ine emsthafte Charakterstudie darvietet. Vor allen anderen aber ist auf den Grafen Leopold v. Kalckreuth hin zuweisen, dessen „Kinderbildni»" (Nr. 217) wegen seiner ungesuchten Schlichtheit und Anmut nicht genug gerühmt werden kann Die Berufung Kalckreuth« zum Professor der Karl«ruher Kunstschule war für da» dortige Kunstleben von großer Wichtigkeit Die Herbheit seiner Kunst, seine Neigung für die stilistische Vereinfachung, sein stet« auf große Wirkungm «»«gehender Naturalilmu« bildm ein gesunde« Gegengewicht gegen dm manchmal zu stark brr- vortretenden lyrischen Ton Echönleber« und einzelner seiner Schüler. Dieser Unterschied tritt in der al« „Ge witterwolken" (Nr. 215) bezeichneten Landschaft Kalck reuth«, die dem „En,wehr" Schönleber« gerade gegen über hängt, deutlich hervor. Noch kräftiger aber wirkt der Gegensatz in dem großen Dreitafelbilde mit dem Motto: „Unser Leben wahrt 70 Jahre" (Nr 216). E« ist ein ganzer und echter Kalckreuth, freilich weder in der Auffassung, noch in der Malerei nm, sondern die Fort setzung früherer Arbeiten und wenigsten« in der altm, am Abend ihre» Leben» von schwerer Arbeit au«ruhenden Frau de» Mittelbilde« derselbe Typus, wie ihn die beidm „Gänsehüterinnen" unserer Galerie zeigen, aber nach jeder Richtung kräftig und gesund und so kerndeutsch wie wenig andere Bilder der Ausstellung Erwägt man den Einfluß, den eine so starke Natur wie diejmige Kalckreuth» auf die jüngeren Künstler in seiner Nähe au»üben muß, so begreift man, daß für die phantastische Kunst in Karlsruhe kein rechter Boden zu finden ist Sie kann sich hier nur auf dem Gebiete der graphischen Künste halten, da» ihr ja eine größere Frei heit der Bewegung sichert, al» da» auf den RealiSmu» mehr »der weniger angewiesene Oelgemälde, und wo sie sich trotzdem im Oelgemälde zeigt, wie in Franz Hein» „Fischweibern" (Nr. 167 und 168) oder m Emil Ru dolf Weiß' „Einbrechender Nacht" (Nr. 537), bleibt sie schwächlich und unklar H A Lier. Unsere Neuen Kolonien. VIN. Die Bewohner Uap> zerfallen in Häuptlinge, Freie und Sklaven oder Pomilangai«. Die Angehörigen der letzteren Klasse leben in besonderen Dorfschaften zusammen, zahlen täglich eine Art von Tribut in Form von Feld- früchten an die Freim, sind jederzeit gehalten, deren Ruf zu folgen, müssen sogar unweigerlich ihr Eigentum, ihre Frauen und Töchter den Freien hingeben, sobald dies« e« verlangen, und dürfm dm Häuptlingen nur in kriechm- der Stellung nahm Im übrigm arbeitm auch die Freim:. sie bestellen die Pflanzungen, fangm Fische und führen Krieg Namentlich der Krieg ist auf Map ein« Liebling«- beschäftigung d«r vewohnrr gewesen und hat sich in un- adligen Fehden zwischen dm «inzelnen Dörfern au»- getobt, ist jetzt aber gemildert worden Aber obwohl die 2 bi» 3 m langm Speere au» leichtem Palmholz mit alternierenden Widerhaken an der Spitze durch die Feuer- waffen verdrängt worden sind, so ist doch der kriegerische Charakter den Alpern geblieben Anderseits sind sie auch wieder al» ein fröhliche», fast kindlich heitere« Volk zu betrachten, dessen Leben zu einem großen Teile mit Tanz, Festlichkeiten und Ge sängen verbracht wurde. Auf Ponapö warm Diebstähle unbekannt, da es nicht« zu stehlen gab, und Lügen nutz- lo« Diese idyllischen Zustände haben sich seit der An kunft der Europäer natürlich geändert, doch sind nur solche Sitten und Gebräuche von den Karoliniern an genommen worden, die ihnen eine pasieüde Neuerung in ihrer Leben»weise zu sein schienen. Freilich habm auch sie unter Krankheiten schwer gelittm: 1854 wurden bei- spiel«weise drei Viertel der Bewohner von Ponapö durch die schwarzen Blattern hingerafft, und Geschlechttkrank- heitm haben auch bei ihnen Eingang gefunden. Unter den geistigen Eigenschaften und Fähigkeiten sind Intelligenz, gepaart mit Schlauheit und Hinterlist, bemerk bar. Ein sichert« Urteil läßt sich jedoch nur nach langer Bekanntschaft mit ihnen abgeben, da die Sittm und Ge bräuche auf Denken und Handeln dermaßen einwirken, daß alle geistigen Eigenschaften unter ihrer Herrschaft stehen Die religiösen Ansichten der Karolinier wurzeln in einer Art Ahnenkultu«, der dem Kalit-Glauben der Palauer nahe steht. Wie diese erflehen sie dm Schutz der Geister ihrer Vorfahren und fragen die Priesterschaft um Rat unter Hingabe vo« Opferspendcn Eigentlicher Götzendienst scheint aber nicht vorhanden gewesen zu sein. Dennoch konnte da« Christentum anfang« »ur gering« Fortschritt« machen, ist aber seit 20 Jahrm kräftiger vor- aeschritten, und heut« darf man die Karolinirr wenigsten« äußerlich al« Christen betrachten Auf mehreren Marianm- und Karolinen-Inseln, wie Tinia«, Ponaps, Ngatik und Kusaie, stößt man auf Steinbautm von großem Umfange und anscheinend hohem Alter, deren Bedeutung und Zweck lange Zeit unsicher gewesen sind. Es ist da» Verdienst Kubary», die Bauten der Karolinen, dercn kyklopische« Mauerwerk alle» Besucher» aufgefallen war, genau unter sucht und einen Plan der Altertümer von Ponaps aus genommen zu haben. Sie liegm im Osten am Meered strande, sind auf dm die Insel an dieser Stelle begleiten den Riffen erbaut und durch schmale Kanäle von deren Hauptkörper geschieden. Auf einem Raum von fast 42 da bilden sie einm Komplex von großmteil« vierseitigm Um zäunungen Die einzelnen Vierecke find entweder Quadrate von 18 bi« 27 m Seitenlänge, oder Parallelogramme vo» 8 bi« 37 und 24 bi« 120 m Seitmläng«, selten Trapeze Da« Material ist Basalt. Die einzelnm großen Basaltsäulm und Blöcke find r»h aufeinander gelegt und im ganzen gut erhalten. Kabary hält sie für Wasser bauten, da ein Kanoe bei Hochwasser bequem anleg«« kann, sodaß fie al» Fundamente von über da« Wasser hinau«ragenden Wohnungm dienten; «in 8 m breiter und fast ebmso hsher Wall schützte fie gegen die Wogen Vom Lande au« wurden sie auf den fast gleich tiefen, bei Ebb« fast trocke nen, bei Flut 1 m Wasser führenden Kanälen erreicht. Drei Vierteile dieser unter dem Namm der „Ruinen von Nanmatal" zusammmgefaßten Bautm waren Unterbauten für Wohnhäuser, die übrigen dienten anderen Zwecken. Der Gebäudekomplex von Nan Tauacz war eine Gruft der Häuptlinge, ein au« Basaltsäulen ausgeführtes Ge wölbe, auf dessen Boden Mmschmknochm, Geräte, Stein äxte und Schmuckgegenstände gefunden worden sind. Auf einer 70 m langen und 60 m breiten Plattform be finden sich ineinander geschachtelte Mauerviereck« mit offenen, 3 bi« 4 m breiten Eingängen. Die einzelnm Basaliblöcke, di« dirs« schweren Mauern bilden, wiegm 3800 dg und noch mehr, sodaß e« unverständlich ist, wie di« Jnselbrwohnrr di«s« Lasten auf die Höh« von 5 bi« 10 m zu h«bm vermochten Die Ruine» der Inseln Nangutra und Jtal bringt Kubary mit de» religiös«« Zerrmonien de» Geheim bund«»