Bedrich Smetana (1824—1884) Symphonische Dichtung „Die Moldau“ aus dem Zyklus „Mein Vaterland“ Zwei Quellen entspringen ira Schatten des Böhmerwaides: die eine warm spru delnd, die andere kühl und ruhig. Die lustig in dem Gestein dahinrauschenden Wellen vereinigen sieh und erglänzen in den Strahlen der Morgensonne. Der schnell dahineilende Waldbach wird zum Flusse Vlata, der, immer weiter durch Böhmens Gaue dahinfließend, zu einem gewaltigen Strome anwächst. Er fließt durch dichte Waldungen, in denen das fröhliche Treiben einer Jagd immer näher hörbar wird und das Waldhorn erschallt; er fließt durch wiesenreiche Triften und Niederungen, wo unter lustigen Klängen ein Hochzeitsfest mit Gesang und Tanz gefeiert wird. In der Nacht belustigen sieh die Wald- und Wassernymphen beim Mondensdiein auf den glänzenden Wellen, in denen sich die vielen Burgfesten und Schlösser als Zeugen vergangener Zeiten widerspiegeln. In den Johannis stromschnellen braust der Strom, durch die Katarakte sich windend, und bahnt sich gewaltsam mit schäumenden Wellen den Weg durch die Felsenspalte in das breite Flußbett, in dem er mit majestätischer Ruhe gegen Prag weiter dahin fließt, bewillkommnet vom ehrwürdigen Vysebrad, worauf er in weiter Ferne vor den Augen des Tondichters entschwindet.