Volltext Seite (XML)
KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H Y G I E N E - M U S E U M Freitag, 16. März 1962,19.30 Uhr, Anrecht C f. Betriebe Sonnabend, 17. März 1962, 19.30 Uhr, Anrecht B 1 Sonntag, 18. März 1962, 19.30 Uhr, Anrecht B 2 8. ZYKLUS'KONZERT 4. Abend im Anrecht C für Betriebe Dirigent: Siegfried Geißler Solist: Prof. August Leopolder, Frankfurt (Main) Michael Haydn 1737—1806 DIE WIENER KLASSIK Pastorello Andante Allegro Ludwig van Beethoven 1770—1827 Konzert für Klavier und Orchester G-Dur, op. 58 Allegro moderato Andante con moto Rondo: Vivace PAUSE Wolfgang A. Mozart 1756—1791 Sinfonie C-Dur, KV 425 (Linzer Sinfonie) Adagio-allegro spiritoso Poco adagio Menuetto Presto Johann Michael Haydn wuchs im selben Umkreis auf wie sein älterer Bruder Joseph Haydn. Vermutlich folgte er sogar diesem als Kapellknabe von St. Stephan nach Wien, wo er eifrig Orgel, Klavier, Violine und J. J. Fux’ „Gradus ad Parnas- sum“ zur Ausbildung seiner kompositorischen Fähigkeiten studierte. Nach der Mutation mußte er sich wie sein Bruder zunächst kümmerlich durchschlagen, ehe ihm 1757 die Kapellmeisterstelle beim Bischof von Großwardein angetragen wurde. Hier entstand bereits eine Reihe geistlicher und weltlicher Kompositionen. 1762 er folgte Michael Haydns Berufung nach Salzburg, einer Stadt, in der er, abgesehen von einigen Kunstreisen, bis zu seinem Lebensende wirkte. Hier in Salzburg war Haydn zunächst gemeinsam mit dem jungen Wolfgang Amadeus Mozart als Kon zertmeister des erzbischöflichen Hoforchesters tätig, das übrigens letzteren Vater, Leopold Mozart, als Vizekapellmeister leitete. Haydn schrieb nun viele höfische Gebrauchsmusiken, geistliche Werke und kam auch in Berührung mit der Musik bühne (Oper „Andromea e Perseo“, 1787, Singspiel „Die Hochzeit auf der Alm“, 1768). Als 1781 durch Wolfgang Amadeus Mozarts Weggang die Position eines Hof- und Domorganisten frei wurde, übertrug man Haydn dieses Amt. Auf Bestellung des spanischen Königshofes entstand 1796 die doppelchörige „Missa hispanica“. Reisen nach Wien, nicht zuletzt die Einflußnahme seines Bruders Joseph, brachten Michael Haydn zahlreiche Anerkennungen und Ehrungen ein. Seine Werke wurden einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die königliche schwedische Akademie für Musik nahm ihn 1804 unter ihre auswärtigen Mitglieder auf. Nachdem für den Wiener Kaiserhof bereits 1803 die hochbedeutende „Missa sub titulo S. Francisci Seraphici“ geschrieben worden war, bestellte Maria Theresia 1805 ein Requiem bei Michael Haydn. Der schon lange kränkliche, von Sorgen bedrückte Komponist (man hatte ihm den Kapellmeistertitel entzogen) starb über der Arbeit an dieser Totenmesse an der Auszehrung. Michael Haydn, dessen berühmtester Schüler übrigens C. M. von Weber war, hat sein Bestes als begabter, fleißiger Komponist auf dem Gebiet der Kirchenmusik ge geben. Seine zahlreichen geistlichen Werke, von den Tendenzen der Aufklärung stark beeinflußt, haben nachhaltig auf den jungen Mozart eingewirkt. Das gleiche gilt für Haydns Instrumentalwerke, Sinfonien, Serenaden, Notturni, Divertimenti, Quintette, alles liebenswürdige, volkstümliche Stücke mit interessanter motivischer Verarbeitung und besonderer Behandlung der Bläser, erwachsen auf dem Boden der Mannheimer und älteren Wiener Schule. Ein treffliches Beispiel für Michael Haynds bedächtig-bodenständigen, etwas beharrend-philiströsen Stil, der Barockes und Rokokohaftes gleichermaßen in sich vereinigt, ist das heute erklingende Pastorello für Streichorchester, Trompeten, Pauken und Cembalo (als Generalbaß instrument). Das liebenswürdige zweisätzige Werkchen, eigentlich ein Weihnachts stück, stammt aus Haydns schönster und fruchtbarster Schaffenszeit. Der wie immer bei diesem Komponisten sauber und sorgfältig geschriebene Autograph trägt das Datum: Salzburg, 20. Oktober 1766. Das Pastorello erfreut durch die Anmut seiner Thematik, die Sauberkeit der Verarbeitung und die reizvolle kammermusikalische Instrumentation. Dem langsamen ersten Satz (Andante) folgt ein kontrastierender schneller Satz (Allegro). Wie Ludwig van Beethoven in der Reihe seiner Sinfonien zwischen Werken kraft voll-männlichen und anderen mehr lyrisch-weiblichen Charakters abwechselte, steht auch sein 4. Klavierkonzert G-Dur op. 58 ein wenig träumerisch zwischen dem heroi schen c-Moll- und dem grandosen Es-Dur-Konzert. Erstmalig aufgeführt wurde dieses Werk, von Beethoven selbst gespielt, im März 1807 bei einer seiner Akade mien im Palais Lobkowitz. Der bekannte Liederkomponist und Musikschriftsteller Johann Friedrich Reichardt, der das Konzert bei einer Wiederholung im Dezember des folgenden Jahres zusammen mit zahlreichen anderen Kompositionen Beet hovens hörte, berichtete darüber: „Das achte Stück war ein neues Pianoforte- Konzert von ungeheurer Schwierigkeit, welches Beethoven zum Erstaunen brav in den allerschnellsten Tempis ausführte. Das Adagio, ein Meistersatz von schönem durchgeführtem Gesang, sang er wahrhaft auf seinem Instrumente mit tiefem melancholischem Gefühl, das auch mich dabei durchströmte.“ - In der Tat ist im G-Dur-Konzert die Form des Solokonzerts mit Orchester in ganz idealer Weise gemeistert. Der Solist, dessen virtuos-pianistische Forderungen nie außer acht ge lassen, aber geistvoll als organischer Bestandteil des Werkes eingesetzt werden, und das Orchester sind hier durchaus selbständige und doch motivisch-thematisch aufs genialste miteinander verknüpfte Partner. Sie dienen gemeinsam der sinfoni schen Idee, die die drei kontrastierenden Sätze des Werkes zu einer entwicklungs mäßigen Einheit verbindet, so daß man hier, wie auch beim Es-Dur-Konzert, mit vollem Recht von einer „Klaviersinfonie“ sprechen kann. Als Kernstück des Kon zertes, in dessen Grundhaltung die lyrisch-idyllischen Züge dominieren, ist der dialogisierende Mittelsatz mit seinem poetischen Gegenspiel von Klavier und Orchester anzusehen. Der 1. Satz (Allegro moderato) bringt zu Beginn, solistisch vorgetragen, das zarte, weiche G-Dur-Hauptthema, dessen motivische Beziehung zu dem berühmten „Schicksalsmotiv“ der 5. Sinfonie häufig aufgezeigt wurde. Auf der Dominante endend, erfährt das Thema durch einen plötzlichen Wechsel nach H-Dur eine neue Beleuchtung. Nach einer Weiterentwicklung im Tutti erklingt zuerst in den Vio linen das stolze, signalartige zweite Thema. Mit diesen Hauptgedanken, die jedoch durch mannigfache neue Seitenthemen bereichert, vom Klavier in ausdrucksvollen Akkordfigurationen umspielt und immer wieder abgewandelt werden, entsteht nun ein wundervolles, von größtem Empfindungsreichtum zeugendes Zusammenwirken von Soloinstrument und Orchester, das nach der großen Kadenz rauschend schwungvoll beendet wird. Höchste poetische Wirkungen erreicht der ergreifende langsame Satz (Andante con moto), der die Romantiker verständlicherweise ganz besonders begeisterte. Einer Überlieferung zufolge soll er von der Orpheus-Sage inspiriert sein und die Bezwin gung der finsteren Mächte der Unterwelt durch die Macht seelenvollen Gesanges