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KONGRESS - SAAL DEUTSCHES HYGIENE -MUSEUM Sonnabend, 17. Februar 1962, 19.30 Uhr Sonntag, 18. Februar 1962, 19.30 Uhr 7. Philharmonisches Konzert GMD Prof. Takashi Asahina, Osaka (Japan) Wolfgang Amadeus Mozart 1756—1791 Sinfonie Es-Dur, KV 543 Adagio - allegro Andante con moto Menuetto Allegro Hiroshi Ohguri Suite in zwei Sätzen „Un-Sui-San“ Lento Andante - allegro Johannes Brahms 1833—1897 1. Sinfonie c-Moll, op. 68 Un poco sostenuto - allegro Andante sostenuto Un poco allegretto c grazioso Adagio - allegro non troppo ma con brio ZUR EINFÜHRUNG Takashi Asahina Die letzten drei großen Sinfonien Wolfgang Amadeus Mozarts (Es-Dur, Köchelverzeich nis Nr. 543 - g-Moll, Köchelverzeichnis Nr. 550 - C-Dur, „Jupiter“-Sinfonic, Köchelverzeichnis Nr. 551), die in den drei Sommermonaten 1788 entstanden sind, waren ursprünglich für Subskrip- tionskonzertc bestimmt - die „Subskription“, die Unterschrift, von Kunstfreunden verpflichtet zum bezahlten Besuch des Konzertes. Das oder die Konzerte sollten im Juli 1788 stattfinden. Sic wurden aber immer weiter hinausgcschobcn und sind wahrscheinlich überhaupt nicht zu stande gekommen. Für den Hörer, der in den musikalischen Kunstwerken großer Meister den seelischen Niederschlag ihres Lebens herauszuhören glaubt, ist die Mozartschc Es - Dur- Sin f o n i e in ihrer ungetrübten Dascinsfrcude eine Enttäuschung. Denn Mozart schrieb diese glückliche Sinfonie inmitten verzweifelter Briefe im Juni Juli 1788 an seinen Freund Michael Puchberg: „Gott! ich bin in einer Lage, die ich meinem ärgsten Feind nicht wünsche; und wenn Sie bester Freund und Bruder mich verlassen, so bin ich unglücklicherweise und unschuldigerweise sammt meiner armen, kranken Frau und Kind vcrlohren . . . Sic wissen meine Aussichten: ich schreibe 6 leichte Klaviersonatcn für die Prinzessin Friederika und 6 Quartette für den König, welches ich alles hey Kozeluch auf meine Unkosten stechen lasse, nebstbei tragen mir die 2 Didicationcn (=Widmungen) auch etwas ein; nun kömmt es blos auf Sic an, einziger Freund, ob Sie mir noch 500 fl. leihen wollen oder können?“ Und nachdem Puchberg seinem Wunsch nachgekommen ist, schreibt Mozart offenbar in gleicher Bedrängnis: „Ich habe seit der Zeit, als Sie mir einen so großen Freundschaftsdienst erwiesen in Jammer gelebt, so daß ich nicht nur nicht ausgehen, sondern auch nicht schreiben konnte aus lauter Gram. Der malen ist sie (Mozarts Frau Konstanze) ruhiger, sie erwartet Besserung oder Tod, mit thränen- den Augen schreibe ich dieses . . .!“ In der äußeren Not entsteht die uneingeschränkte Pracht und Beschwingung der Es-Dur-Sin- fonie. Das einleitende Adagio entfaltet den auch für andere Es-Dur-Stellen Mozarts eigen tümlichen, straff punktierten Rhythmus. Im folgenden Allegro, im eigentlichen ersten Satz, liegt etwas energisch Heidenmäßiges von stolzem Kraftgefühl, das Hermann Kretzschmar, den Autor des „Führers durch den Konzertsaal“, zu der Bezeichnung der Es-Dur-Sinfonie zur „Mozart- schen Eroika“ verführte. Das Hauptthema des zweiten Satzes, des Andante con moto, erinnert in seiner marschartigen Natur an Haydnsche Vorbilder. Das Menuett setzt kräftig ein mit Nutzung der unteren Violinsaiten, und das Menuett-Trio ist eine der lieblichsten Idyllen, die je von Klarinette und Flöte geblasen wurden. Das Finale ist haydnsches Material und hyadnschcr Geist. Auch die Überraschungen wie Gcneralpausen, dynamische Kontraste, plötzliche Rück kehr zum Thema erinnern an Haydn. Und immer bleibt zu bewundern, welches bunte Bild, welche dramatische Phantasie Mozarts Mcisterschft diesen „kleinen“ Dingen abzugewinnen vermag. Der Musiker des 19. und 20. Jahrhunderts hat Johannes Brahms als den konservativen Hüter der deutschen Musik ebenso gefeiert wie beschuldigt. „Brahms verkörperte von jeher das ,gute musikalische Gewissen* im Zeitalter Wagners und Liszts, er predigte keine neue Religion des Fortschritts, er stand auch nie im Bunde mit irgendwelchen Reaktionären, er war stets ein Mann der Wahrheit und der Wirklichkeit (H. Schnoor)!“ Es ist kein Kulturpessimis mus, wohl aber imponierende Bescheidenheit, die aus den Worten des Hamburger Meisters spricht: „Wenn die Leute eine Ahnung hätten, daß sie von uns tropfenweise dasselbe kriegen, was sie bei Mozart nach Herzenslust trinken können!“ Und seine ehrliche Beethoven-Ver ehrung kannte keine Grenzen - auf die Frage guter wie ironischer Freunde an den über vierzig Jahre alten Brahms, wo denn eigentlich seine Sinfonien blieben, entgegnete er ernsthaft: „Mit der Komposition einer Sinfonie ist nach Beethoven nicht zu spaßen!“