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satz noch eine Fortspinnung von 2 Takten hinzufügt, um wieder mit einem Dreitakt zu schließen. Durch diese metrische Verschiebung, durch strenge Zweistimmigkeit der Satzführung und die Imitationen, in denen die drei- taktigen Glieder verhakt sind, entsteht geradezu der Eindruck verbissenen, wilden Trotzes. Vorübergehend trösten Streicher und Bläser im Trio mit einer echt volkstümlichen österreichischen Melodie, deren Sehnsucht von den Waldhörnern in romantischen Klang eingehüllt wird. Das Finale beginnt mit einem aufsteigenden Dreiklangsmotiv, das in einen frei eingeführten Vorhalt auf der kleinen Sekunde ausmündet. Dieses Thema, das wie ein Pfeil, der eine scharfe Wunde schlägt, emporschnellt, löst ein wildes Echo des vollen Orchesters aus. Beständiger Wechsel zwischen piano und forte steigern die Erregung bis ins Wilde und Unheimliche. Auch das 2. Thema, das zunächst positiv von Geigen und Bratschen eingeführt wird, wird schon im Nachsatz in die für die ganze Sinfonie typische schmerzliche Chromatik aufgelöst. Die Durchführung bringt äußerste Steigerungen. In Unisonoschlägen, im erneuten Ansturm des Hauptthemas mit der verschärften großen Septime, in metrischen Rückungen, schneidenden Triolen verdichtet sich die Aussage Mozarts zu einem Ausbruch von erschreckender Wildheit, der, immer wieder aufgepeitscht, erst mit der schrillen Dissonanz auf dem ver minderten Septakkord vor der Reprise jäh abreißt. — In der Reprise mündet der Strom der Leidenschaft allmählich in die schmerzvolle Welt der Haupt tonart g-Moll zurück, der Ausklang bleibt der Finsternis und Trostlosigkeit verhaftet. — Nie wieder hat Mozart mit so erbarmungsloser Konsequenz und Offenheit sein leidgequältes Inneres enthüllt. — Es gibt wohl kein Werk, das geeigneter ist, die romantische Legende von dem in immer ungetrübter Har monie dahinschwebenden „Götterliebling“ Mozart gründlicher zu zerstören, als das erschütternde Bekenntnis dieser Sinfonie. Seine „Phantastische“ nannte Bruckner die von ihm nie selbst gehörte fünfte Sinfonie, die die erste Gruppe seiner Wiener Sinfonien abschließt. Auch er schrieb sein Lieblingswerk in den Jahren 1875 bis 1877 in einer Zeit der Trüb sal und finanzieller Enttäuschungen, doch verlor er keinen Augenblick den Glauben an sich selbst. Der Professor für Harmonielehre und Kontrapunkt, der vor einem großen Auditorium von Studenten seine Vorlesungen an der Wiener Universität hielt, schaffte mit der am 9. August 1877 fertiggestellten 5. Sinfonie ein kontrapunktisches Musterbeispiel von höchstem Range. „Die Wagner-Zitate sind verstummt, die Abhängigkeit vom eignen Messeschaffen ist abgestreift, es waltet eine tiefernste geistige Sammlung, deren straffe Gedankenzucht bewirkt, daß fast alle Themen aus den gleichen Grundzügen erwachsen. Ein stetes Vor- und Rückbeziehen schweißt alle 4 Sätze aufs engste zusammen“, schreibt Robert Haas. Schon in den ersten 21 Takten der Adagio- Einleitung ist das gesamte thematische Material enthalten, das später zur Ent faltung kommt. Drei Urmotive werden aneinandergereiht. Einer Baßfigur, von den Streichbässen pp gezupft, tritt im Orchestertutti der weit auseinander-