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Verglichen mit den früheren Sinfonien der Jahre bis 1733 und verglichen mit den weitaus bedeutsameren „Pariser Sinfonien“ (bis 1790) stellen die „Londoner Sinfo nien“ zweifellos den Gipfelpunkt in Haydns sinfonischem Schaffen dar. Typische Merkmale des Haydnschen Spätstiles sind eine ausgeprägte Klangdifferenzicrung, reiche Harmonik, gesanglich aufblühende Melodik und nicht zuletzt der Ausgleich zwischen Form und Inhalt im Sinne vollendeter Klassik. Die Sinfonie G-Dur Nr. 94 entstand 1791/92 in England und wurde im März 1792 zum erstenmal unter der Leitung des Komponisten aufgeführt. Eine langsame, von Nachdenklichkeit erfüllte Einleitung eröffnet gewichtig den ersten Satz, in dem zwei einfach-volkstümliche Themen vielfältig verarbeitet wer den. Der Ton kraftvoller Lebendigkeit wird bis zum Ende des Satzes gewahrt. Der zweite Satz beginnt mit acht Takten eines volksliedhaften Themas (ein Kinderlied aus Mähren soll die Anregung gegeben haben!), es folgen acht Takte Wiederholung, und zwar pianissimo, und dann folgt auf dem unbetonten Taktteil ein „erschröck- licher“ Schlag des gesamten Orchesters. Ein Scherz? Ein köstlicher Einfall, die sanft entschlummerten Hörer höchst unsanft aufzuwecken? Wie dem auch sei: Der Satz gefiel und gehört auch heute noch zu den beliebtesten und volkstümlichsten Stücken der Orchesterliteratur, stark popularisiert durch eine Klavierbcarbeitung in der Damm-Klavierschule seligen Angedenkens. In Deutschland ist das Werk unter dem Namen „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ bekannt geworden, die Engländer prägten die Bezeichnung „Die Überraschung“ und die Franzosen sprechen von „La coup de Timbale“. Das Menuett beweist, wie sehr sich Haydn der Volksmusik seiner Heimat verbunden fühlte und wie sehr speziell die „Londoner Sinfonien“ vom Geist des Volksliedes und Volkstanzes durchtränkt sind (H. Cb. Worbs). Ausgelassene und humorige Stimmungen beherrschen das Finale, in dem Haydn in persönlicher Formung Elemente des lfondos und der Sonate miteinander verknüpft und damit stark auf Beethoven hinweist. Nicolo Paganini: Bei Nennung dieses Namens erinnern wir uns des unsteten, abenteuerlichen und sagenumraunten Lebens dieses „Hexenmeisters der Geige“, der als Kind das Spiel der Mandoline erlernte, für kurze Zeit in Costa und Parma Violine studierte, in der Hauptsache aber Autodidakt war. Besonders gern verblüffte er seine Zeitgenossen, indem er außer der G-Saite alle anderen abschnitt und nur auf der einen Saite weiterspielte und dabei die tollsten technischen Kapriolen vollführte. Künstliche Doppelflageoletten liebte er genauso wie Piccicati der linken Hand, mit Springbogen gemischt. Es versteht sich, daß auch in seinen Kompositionen das rein Technische über dem Musikalischen steht, doch wäre es ungerecht, darüber den Melodiker Paganini zu vergessen. Liszt, Chopin und Schumann ließen sich willig von der „Dämonie seiner Kantilene“ bezaubern, und Brahms, Rachmaninow, Casella und Blacher wurden durch Themen Paganinis angeregt, Variationenwerke zu schreiben. Als Komponist bedachte Paganini in erster Linie „sein“ Instrument mit Werken. Die Konzerte für Violine wurden erst nach seinem Tode gedruckt. Sein Opus 6 ist ein ausgesprochenes Virtuosenkonzert mit auf die Spitze getriebenen technischen Schwierigkeiten. Die Musik ist gar nicht schwer verständlich (im Gegenteil!), so daß sich eine genaue thematische Erläuterung erübrigt. Der erste Satz wird von einer Einleitung eröffnet. Zwei Themen, virtuos mit allen Finessen der Technik verbrämt, sind leicht zu erkennen. Der zweite Satz ist ein bezeichnendes Beispiel für die melodische Ausdrucksstärke der Paganinischen Musik. Ein übermütig-ausgelassenes Rondo beschließt das Konzert. Blitzende Passagen, Terzen- und Sextenketten, Dezimengriffe, mehrstimmige Akkorde —