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Dresdner Journal : 27.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189910270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18991027
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18991027
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-27
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 27.10.1899
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Beilage zu 251 des Dresdner Journals. Freitag, dm 27. Oktober 1899, abends. Örtliches. Dresden, 27. Oktober. * Der Vorortverkehr der StaatSeisenbahnen steigt beständig Im vorigen Jnhre sind im wtchstlsrlUgen Lnkehre zwischen dem Hauptbahnhof« und Potschappel I179OOO Personen gefahr«», gegen da» Jahr 18S7 rund 120000 Personen mehr. Dieser Verkehr stellt den stärksten VorortSverkehr d«S ganzen sächsischen Slaai«bahn> «tze« dar Luch die weiteren Verkehrserziehungen der Dresden—Tharandter Strecke zeigen aroße« Anwachsen. Zwischen dem Hauptbahnhofe und Deuben stieg der Ver kehr von 458 000 Personen (in 18S7) auf 4S8OOO (m 1898), zwischen dem Hauptbahnhofe und Hainsberg von 199 000 auf 233 000, weiter Tharandt von L32O0O auf 255 000 Personen, zwischen Haltestelle Plauen und Deuben von 234 000 auf 270000, zwischen Haltestelle Plauen und Potschappel von 181000 auf 239 000 Personen. An zweiter Stelle steht der Verkehr zwischen dem Leipziger Bahnhofe und Radebeul mit 1098 000 Personen Hier zeigt sich ein Rückgang um 16000 Personen Dieser ist aber ein scheinbarer, da inzwischen ein großer Teil diese« Verkehr« dem Bahnhofe Wettinerstraße zugefallen ist, und zwar mit 109 000 Personen nach und von Radebeul. Aehnlich stellt sich der Verkehr mit Kötzschenbroda, welcher vom Leipziger Bahnhofe au« nur noch 680000 Personen (weniger 17 000 Personen) umfaßt; der Bahnhof Wettinerstraße zeigt aber mit Kötzschenbroda bereit« 106 000 Personen Wechselverkehr. Zwischen dem Leipziger Bahnhofe und Meißen verkehrten 521000 Personen (15 000 weniger), zwischen Wettinerstaße und Meißen aber 30 000 Personen. Zmschen Leipziger Bahnhof und Weintraube reisten 216 000 Personen (unverändert), zwischen Wettinerstraße und Weintraube 33 000 Personen. Aehnlich hat die Eröffnung de« Bahnhofe« Wettinerstraße im Verkehre mit Klotzsche gewirkt, denn 1898 fuhren zwischen beiden Stationen bereit« 50 000 Personen, auf Schlesischen Bahnhof—Klotzsche kamen 563 000 Personen (weniger 26 000). Auch Langebrück hatte nur noch 262 000 Per- sme» vom Schlesischen und bereit« 34 000 vom Wettiner Lahnhofe Auch der Hauptbahnhof hatte 1898 bereit« sehr starke Frequenzziffern im Verkehre mit Vorortstationen auf Neustädter Seite, z.B. Radebeul mit 76 000, Kötzschen- broda mit 67 000 und Klotzsche mit 50 000 Personen. Diese Verkehrssteigerung ist eine Folge der Ausdehnung der Vorortzüge der Meißner und Radeberger Strecken auf die Verbindungsbahn. Ein auffällige« Wachstum zeigt der Vorortverkehr der Pirnaer Linie. Der Verkehr zwischen Dresden und Niedersedlitz ist von 700 000 auf 8594)00 gestiegen und ist damit oie drittgrößte Verkehrsstrecke ge worden, welche zeither Dresden-Neustadt—Kötzschenbroda einnahm. Zwischen Dresden und Pirna stieg der Verkehr von 499 000 auf 585 000 Personen. Die stärkste Steigerung zeigt der Verkehr zwischen Dresden und Mügeln, und zwar von 257 000 auf 463000, demnach um 206 000 Personen. Ferner stellte sich der Verkehr zwischen Pirna und Mügeln auf 281 000 Personen (mehr 74 000), zwischen Pirna und Niedersedlitz auf 124 000 Personen (mehr 30 000), zwischen Mügeln und Nieder sedlitz auf 131000 Personen (mehr 38 000). Lebhafte Entwickelung zeigt auch der Verkehr der Coßebauder Strecke. Zwischen Dresden-Friedrichstadt und Cotta fuhren 242000 Personen (mehr 8000); vom Hauptbahnhofe au» entwickelte sich der Verkehr ebenfalls gut, denn er zeigte nach und von Cotta 135000 Personen, nach und von Kemnitz 65000, nach und von Cosiebaude 72000 Personen. Der FrieLrichstädter Bahnhof beförderte nach und von Cossebaude 334000 Personen (mehr rund 40000). Ein bedeutende» Anwachsen zeigt sich auch im engeren Verkehre der Dresdner Verbindungsbahn al» un mittelbare Folge der ZugSvermehrung. Im Jahre 1897 benutzten die Verbindungsbahn zwischen dem Hauptbahn hof und den Neustädter Bahnhöfen 131000, im Jahre 1898 aber 174 000 Personen, außerdem verkehrten zwischen Wettiner Straße und Hauptbahnhof 60000, ferner zwischen Wettiner Straße und den Neustädter Bahnhöfen 41000 Personen. Nachrichten aus den Landesteilen. Leipzig. Das Personal der Leipziger elektri schen Straßenbahn ist heute in den Ausstand ge treten, sodaß zur Zeit nur wenige Wagen verkehren. — Wie die Ofensetzer, so haben auch die Stuckateure die Forderung an ihre Arbeitgeber gestellt, während des Winterhalbjahres die Neubauten, auf denen Stuckateure beschäftigt find, au« Gesundheitsrücksichten mit Fenstern za versehen. In einer Versammlung der Stuckateur- gehilsen wurde beantragt, dort, wo die Arbeitgeber di« hierauf bezügliche Verordnung de« Ministerium» de» Innern und die die gleich« Angelegenhrit betreffende Be kanntmachung de« Rate« nicht beachtete», sofort die Arbeit einzustellen. Man wählte zunächst eine Kommission und beauftragte diese, den Arbeitgebern mit dem Ersuchen, bi« nächsten Sonnabend Antwort zu geben, die Forderung nochmal« zu unterbreiten Wenn bi» Montag, den 30. Oktober, derselben nicht Folge gegeben worden ist, so soll die Arbeit am 30 Oktober eingestellt werden. Chemnitz. Der hiesig» Samariterverein hielt kürzlich seine 14 Jahresversammlung ab. Der Bericht de« Vorstande« zeigt, zu welch' hoher Blüte derselbe im Laufe seines nunmehr 13jährigcn Bestehens gelangt ist Die Mitgliederzahl ist auf 763 gestiegen, trotz namhafter Abgänge von Mitgliedern infolge der Verlegung eine» Teile« der Werkstättenverwaltung der König! Sächsischen Staatteisenbahn von hier nach Dre«den. D»e Unterricht«- kurse fanden zahlreiche Teilnahme. Samariterhilfe ward in zahlreichen Fälle» geleistet Der bewährte Vorstand wurde wiedergewählt, so auch, trotz seiner Bitte, von seiner Wiederwahl abzusehen, der erste Vorsitzende und eigentliche Gründer de« Verein«, Hr Redakteur Richter. Freiberg. Die Gebäude der ehemaligen Mulden thaler Papierfabrik sind von einer vogtländischen Baumwollenzwirnerei angekauft worden Die neue Be sitzerin wird in den Fabrikgebäuden vorläufig 100 Arbeiter und Arbeiterinnen dauernd beschäftigen; späterhin soll die Zahl der Leute erhöht werden Limbach. Der Umbau unsere« uralten, für Limbach charakteristisch gewordenen Kirchturme« erregt bei seinem Fortschreiten da« lebhafteste Interesse der hiesigen Ein wohner Nach einer Mitteilung de« Baumeister« ist e« die höchste Zeit gewesen, den Turm abzubrechen Im Turmlnopfe fand man Nachrichten au« den ältesten und älteren Zeiten: vier Pergamentblättchen von der Größe der Handfläche mit lateinischer Schrift, ferner Schriften au« den Jahren 1675, 1744, 1808 und 1837 von den jeweiligen Pfarrern. AuS dem Vogtland«. In Anbetracht der feucht warmen Witterung im September diese« Jahre» hätte da» nun zur Rüste gehende Jahr 1899 ein gute» Pilz jahr sein und im Vogtland« namentlich viele Steinpilze zeitigen müssen. Da« ist leider nicht der Fall gewesen. Da die oft gerügte Unsitte, die Pilze aus der Erde zu reißen, statt sie am unteren Stielende abzuschneiden, nicht allein die Schuld tragen konnte, so haben sich berufsmäßige Pilzsucher und Fachleute in der Klingenthaler Gegend nach einer anderen Ursache der diesjährigen Pilzmißernte umgesehen. Es wurde der Waldboden an solchen Stellen, welche seit Jahren al» Fundorte von Steinpilze» bekannt sind, aufgegraben und nach dem Pilzmycelium gesucht. Dasselbe fand sich auch in größerer Menge vor, aber gebräunt und morsch geworden, mutmaßlich in dem naß kalten Frühjahr 1899 vernichtet Auch die Champignon» sind auf den voatländischen Wiesen diese« Jahr gänzlich auSgeblieben und die Pilzkeime wahrscheinlich ebenfall« durch die Nässe vernichtet worden. Netzschkau. Die Kosten für den Bi»marck-Turm auf dem Kuhberge werden rund 30000 M. betragen. Da« Sammelwerk ist noch nicht abgeschlossen Plauen Dem hiesigen, sehr wohlthätig wirkenden Maria-Verein sind zufolge ihres letzten Willens von der verstorbenen Frau Kaufmann Eder 1000 M zu geflossen. Der Verein hat im verflossenen Rechnungs jahre an Arme 7000 Portionen Esten mit und ohne Fleisch und 9000 Pfund Brod unentgeltlich verabreicht. Aus der Speiseanstalt de« Verein» gehen täglich etwa 140 Portionen warme« Esten Zittau. Vom Mai nächsten Jahre» ab sollen in Zittau VolkSfeftspiele ins Leben gerufen werden unter Leitung der Herren Theaterdirektor Karl und Musik direktor Stöbe. Die Errichtung eines besonderen Fest spielhauses in Zittau ist ins Auge gefaßt worden. Auch Johannes Andreas Frhr. v. Wagner, der unter dem Pseudonym Johanne« Renatu« bekannte Lausitzer Dialekt- dichter, hat die Idee mit Freuden begrüßt und ist als Verfasser für die aufzuführenden Volksspiele gewonnen worden Döbeln. Hier wird vom 29. Oktober bis 5. No vember eine Ausstellung von Altertümern und alter tümlichen Gegenständen stattfinden. Sie wird vorgeschicht liche Fände, kirchliche und bürgerliche Altertümer, Ur kunden und Schriftwerke, Tischgeschirre, Putzgegenstände, Möbel, Uhren, Münzen, Bilder, Kriegserinnerungen, Jnnungtzsachen rc. umfassen Nach allem, wa« sich bisher übersehen läßt, dürfte diese Ausstellung alle ähnlichen anderer sächsischer Mittelstädte überflügeln. An der Spitze des hiesigen Unternehmens steht Hr. Stadtrat vr. Lehmann Die Ausstellung findet in den Räumen des Hotel» „Goldene Sonne" patt. Sie soll den AuSgang«- punkt für die Begründung eine« Altertumsmuseum» bilden Augustusburg Für die hier ausgeschriebene Stelle eines Stadtwachtmeister» haben sich 210 Bewerber gemeldet Schandau. In der ärztlichen Leitung unserer städtischen Kuranstalt tritt mit Neujahr eine Aenderung ein, da der bi»herige Leiter derselben, Hr vr. weck. Schultze, zu diesem Zeitpunkte von seinem Poste« zurück, tritt. Da« unter Leitung de« Nervenärzte« Hrn. l)r. E Beyer stehend« Sanatorium Villa „S«lita" ist während de« ganzen Winterhalbjahre« geöffnet. — Die in hiesiger Stadt und in den umliegenden Ortschaften seit einer Rnh« von Jahren eingeführte Hau«industrie, die Herstellung künstlicher Blumen und Blumenbestandteile, beginnt nun wieder flotter zu werden Nach wie vor wird in der Hauptsache für Sebnitz gearbeitet. Vermischtes. * Die Gefahren der Walfischjagd. In der Zeit schrift „Wide World" erzählt Gellatly, wie er einst wegen eine» arglistigen und flinken Walfische» wenig angenehme Augenblicke im Arktischen Meere verbrachte. Er befehligte einen großen Walfischfahrer von Dundee, den „Chiestain", und hatte 37 Mann unter seinem Befehl. Man kreuzte in den Monaten April und Mai in den Gewässern von Jan Mayen ohne bedeutende Ergebnisse. Außerdem war 14 Tage lang da« Wetter ganz entsetzlich. Deshalb war die ganze Mannschaft sehr schlechter Laune, ein Seelen zustand, in dem man selbst mitten im Arktischen Meere sehr leicht alle Vorsicht vergißt. Eine« schönen Nachmittag» im Juni bemerkte man endlich eine Herde Waltiere Man setzte rasch die vier Schaluppen in« Meer. Der Kapitän schleuderte gegen den größten Walfisch eine Harpune. Das Tier wurde getroffen, aber es entfloh und schleppte die Schaluppe mit. Als e« endlich getötet werden konnte, hatte man sich in südöstlicher Richtung bereit» drei Stunden vom „Chiestain" entfernt Man konnte da» Schiff nur mit Mühe wiederfinden, aber man fand es doch, und da» flößte Hrn Gellatly etwa« zu viel Selbstvertrauen ein. Er wurde kühner, und al« man vier Tage später wieder einen Walfisch verfolgte, entfernte man sich so weit vom „Chiestain", daß man ihn dann nicht mehr entdecken konnte Die Zahl der Verirrten betrug 21, die auf drei Schaluppen verteilt waren. Drei Nächte und zwei Tage lang wurden die Schaluppen von einem furcht baren Sturme hin- und hergeworfen Fast jeder Mann der Mannschaft fiel mehrere Mal in da« eiskalte Wasser und konnte nur mit Mühe wieder herausgefischt werden Man hatte natürlich nicht einen Mund voll Lebensmittel, nicht einen Schluck Süßwasser mitgenommen. Man schleppte drei tote Wale mit, die man auf einem Eisberg braten wollte. Da« Oel hätte ein prächtige« Feuer ge geben, da« die Aufmerksamkeit de« „Chiestain" auf sich gelenkt hätte. Da« Fleisch hätte den Hunger der Ver irrten gestillt. Aber wie sollte man da« Feuer anzünden, da man kein Streichhölzchen hatte? Von Zeit zu Zeit erkletterte ein Mann einen Eisberg und sah sich nach dem Schiff um. Am vierten Tage bemerkte man den „Chief- tain". Man schrie, man schwenkte Taschentücher und Kleidungsstücke, aber e« war vergeblich. Die Schiffs mannschaft konnte die Zeichen nicht sehen. Der „Chief- tain" verschwand Nun gab e« nur noch ein Rettung«, mittel: man mußte rudernd Island zu erreichen suchen Die von Hunger und Durst gepeinigten 21 Mann, die in ihren gefrorenen Kleidern vor Kälte bebten und auch nicht eine Minute schlafen durften, ruderten noch vier Tage und vier Nächte lang Wenn man allzu sehr litt, näherte man sich einem der schwimmenden Eisberge, ver schluckte Schnee, rieb sich Hände und Gesicht mit Schnee, wälzte sich im Schnee, lief dann mehrere Minuten auf und ab und boxte sich so kräftig als möglich, um die Blutzirkulation zu fördern. Alle wurden gerettet. Aber ein Mann hatte erfrorene Beine, und sie mußten ihm abgeschnitten werden. Der Unglückliche war fünfmal in« Meer gefallen Einem anderen mußte man eine Hand abschneiden Alle anderen haben jetzt noch, nach zwölf Jahren, schreckliche Narben am Handgelenk und am Halse: die Spur der von den gefrorenen Kleidern gemachten tiefen Einschnitte. Trotzdem haben die 19 nicht Verwun deten in jedem folgenden Jahre in denselben Seestrichen wieder Walfische gejagt * Der Londoner Nebel, der durch Dicken» historische Berühmtheit erlangt hat, macht sich seit einigen Tagen in London in sehr unangenehmer Weise bemerkbar. Nicht bloß die Stadtteile, die da» Unglück haben, in der Nachbarschaft der Themse zu liegen, sondern die ganze Stadt ist wie in einen dichten Schleier gehüllt. Das ist Der Zugvogel. Roman von A. v. Klinckowstrorm. N (Fortsetzung.) Während der Vesperflunde und zum Nachtessen trafen sie wieder zusammen, doch keines von ihnen that der Begegnung im Garten Erwähnung. Joachim hatte fleißig die Rechnungen zusammengestellt und übergab sie seinem Bruder, der dann seinerseits gut- viütig über die Schererei schimpf» nd, wie er jeden Sonnabend that, in sein Sprechzimmer hinüberging, wo die Leute sich zur wöchentlichen Auslohnung ein fanden. Aniela war im Salon damit beschäftigt, aus einem Rest rosa Seidenstoff, der sich unter ihren Lachen gesunden hatte, sanftgetönte Schirme für die blendenden Kugelglocken der Lampen herzustellen, als sie einen Schritt hinter sich hörte und sich umwendend Joachim ^wahrte, der langsam angeschlendert kam. Sie hielt in ihrer Thätigkeit inne, ohne die Stell ung zu ändern, die eine Hand noch mit gehobenem Arm in der ihr eigenen statuenhaften Haltung am Lampenschirm, das Gesicht dem Eintretenden zu wendend. Die Lippen preßten sich herb zusammen, und vielleicht war es nur der Widerschein des rosa Stoffes, der chre Züge mit solcher Glut übergoß. „Ich bitte um Entschuldigung, daß ich hier ohne ausdrückliche Erlaubnis eindringe", begann er förmlich. „Warum?" unterbrach sie ihn. „Sie sind ja Herr im Hau», ich nur der widerwillig geduldete Gast." „Sie kommen auf unser Gespräch vom Nachmittag zurück und dasselbe wollte auch ich thun. Ich möchte nicht, daß Sie das Gefühl hätten, Sie seien her nur geduldet. Wenn Sie wirklich den Wunsch nach Thätigkeit haben, um sich heimisch fühlen zu können, so achte ich da- hoch. Allerdings weiß ich nicht, ob Ihnen an meiner Achtung etwas liegt." Sie schwieg. Ihre dunkeln Augen hafteten nur mit einer brennenden Frage an seinem Gesicht; doch als er gleichfalls schwieg und offenbar einer Antwort entgegensah, entschloß sie sich, nicht ohne Bitterkeit zu sagen: „Was erwarten Sie eigentlich von mir nach der Zurückweisung, die Sie mir heute wiederum zu Teil werden ließen? Soll ich etwa beteuern, daß ich im siebenten Himmel bin, wenn Sie mich als Menschen behandeln, der nichts gethan hat, um Sie zu ver anlassen, ihn als Verbrecher anzusehen?" „Ich gestehe zu, daß Sie recht haben, mir zu zürnen, und ich bedauere, Ihnen dazu Gelegenheit gegeben zu haben. WaS ich sagen wollte, war dies: Wollen Sie einen kleinen Teil der Arbeitslast hier im Hause auf sich nehmen, ich meine das, was speziell m das Fach der Frauen schlägt, so möchte ich Ihnen hiermit die Schlüssel zu den Wäscheschränken und zur Vorratskammer übergeben." „Dankei" Aniela griff langsam danach. Sie wollte weder Hast noch Triumph verraten. „Ich werde mich bemühen, Ihr Vertrauen zu rechtfertigen." „Sie finden ,fich gewiß auch ohne mich zurecht. Die Verzeichnisse sind in den Schränken Mit der Vorratskammer werden Sie sich allmählich vertraut machen." Er sprach ganz geschäftsmäßig und trocken wie zu einer neu engagierten Wirtschafterin. „Möchten Sie mir nicht vielleicht die einzelnen Stücke vorzählen?" Die Ironie glitt spurlos an ihm ab. „Nein, das möchte ich eben nicht." Plötzlich wandte sie sich mit einer ungewohnten raschen Bewegung ihm zu und sah ihm voll in die Augen. „Warum haben Sie mir die Schlüssel nicht vor hin in Gegenwart Ihres Brudc.S gegebcn? Scheuten Sie sich ihm gegenüber, mir ein Zugeständnis zu machen?" Joachim konnte es nicht bindern, daß er rot wurde. „Der Gedanke kam mir eben erst." „Das ist nicht wahr!" „Frau CzarlinSka!" brauste er auf und seine Stimme wurde hoch und hell. „Man muß wohl von einer Dame hinnehmen, was kein Mann wagen dürfte. Die Damen sind sich ihrer Immunität bewußt", lenkte er dann in einem anderen Tone ein. „Sie würden es auch von mir nicht hinnehmen, wenn Ihr Gewissen ganz frei wäre." Er wußte im Augenblick wirklich nichts zu sagen und hätte füglich gehen können, machte sich aber etwas an der nach dem Garten hin geöffneten Glasthür zu schaffen, weil er immer meinte, es müsse ihm noch eine schlagende Erwiderung einfallen. Sie hatte in der That mit ihrer Bemerkung inS Schwarze ge troffen. Es war seiner Eitelkeit zuwider gewesen, das kleine Zugeständnis vorhin in Siegfrieds Gegenwart zu machen; nun war er fast verdutzt darüber, auf einer Unwahrheit ertappt zu sein. Draußen herrschte die lichte Dämmerung der nordischen Juninächte, und ein lauer Wind trug von den nahen Wiesen den berauschenden Dust frisch ge mähten HeueS, das den Tag über von der Sonne durchzlüht gewesen, bis ins Zimmer hinein. Joachim wußte nichts mit sich anzufanflcn, befand sich geradezu in Verlegenheit, und um diese zu be mänteln, trat er durch die Thür auf die kleine hölzerne Altane hinaus, mit dem heimlichen Hinter- qedanken, von hier aus seinen Rückzug zu bewerk stelligen und, um da- HauS heruingchend, den vorde ren Einqang zu gewinnen. Zur Herstellung der inneren Gleichgewichts zündete er sich eine Cigarette an und bemerkte dabei zu seiner tiefsten Entrüstung, daß die junge Frau ihm gefolgt wär, abcr im de« erste richtige Oktobcr-Nebel, der schon vor 14 Tage» mit der Sonn« einen Kampf begonnen hat, au« dem er nun al« Sieger hervorgegangen ist. Der Nebel bildet natürlich für London ein starke« VerkehrShinderni« Da der Wagenverkehr nicht eingestellt werden kann, so sind Unglücküfällr unvermeidlich Am Sonnabend und Sonntag wurden in verschiedenen Stadtteilen Leute, die in ihrer Nebelblindheit oft direkt in die Wagen rannten, über fahren Während de« ganzen Tage« brannten die Straßenlaternen Eine Reihe von Schiffsunfällen, die sich infolge de« Nebel« ereigneten, werden gemeldet Sonntag morgen stieß wahrend de» dichten Nebel« im englischen Kanal der Dampfer „Lariston", der au» Bona (Nordafrika) kam und eine große Ladung Eisenerz nach Rotterdam bringen sollte, mit dem von Dover kommenden Dampfer „Crimea" zusammen. Der „Lariston" sank, die „Crimea" setzte ihre Reise fort. Die Mannschaft de» „Lariston" begab sich rasch in die Boote, die in Eile niedergelassen wurden. Bald nachdem die Matrosen da» Schiff verlaffen hatten, fand auf dem Wrack unter einem lauten Getöse eine heftige Explosion statt. Die Explosion soll durch den Druck der Lust zwischen den Querwänden heroorgerufen worden sein, der sehr groß gewesen sein muß, da durch die Explosion das ganze Deck aus dem Schiffe herausgehoben wurde. Von der Mannschaft de« „Lariston", die einige Stunden im Nebel auf dem Meere herumirrte, bi« sie von dem Dampfer „Thurston" aus genommen wurde, werden fünf Leute vermißt. * Die Pest in Brasilien. Man schreibt au« London: Die Gerüchte vom Ausbruche der Bubonenpest in Santo» haben leider ihre volle Bestätigung erfahren. Man glaubt allerdings eine gewisse Beruhigung darin zu finden, daß sie nicht bösartig aufgetreten ist, und hofft, daß die jetzt beginnende Zeit der Regengüße eine Besserung der sanitären Lage herbeiführen werde. Es find schon mehr al« zeyn Pestfälle in Brasilien vorgekommen. Wie es scheint, ist die Krankheit von einem Portugiesen, der mit dem Schiffe „Rey de Portugal" angekommen war, eingeschlrppt worden Man hatte auf dem Schiffe wähtend der Fahrt die Beobachtung gemacht, daß eine ungemein große Zahlvon Ratten zu Grunde gegangen war, und glaubt, daß die« infolge einer Pestinfektion geschehen ist In Santo« hat man sofort die umfassendsten Maßregeln zur Bekämpfung d»r Epidemie ergriffen E« war auch die Rede davon, um Santo« einen Militärcordon zu ziehen, man hat aber auf diese Maßregel angesichts der Gefahren, die sie in sich trägt, verzichtet E« wurde verfügt, daß alle Reisenden bei der Ankunft in Todaserra sich der Desinfektion und einer längeren Quarantäne unterziehen müßen, und die bra silianischen Küstenfahrten wurden für alle Dampfer und Segelboote eingestellt. Die Regierung hat Pestservm in großer Menge bestellt. Der Hafen von Rio de Janeiro wurde für alle Provenienzen aus Santos geschloßen. Die Bevölkerung hat bisher volle Ruhe bewahrt und setzt ihre Hoffnung darauf, daß e« der Regierung ge lingen werde, die Epidemie zu unterdrücken. * Au« den „Fliegenden Blättern". Beim Heiratsvermittler: „Ich möchte gern eine reiche, ehrbare Frau haben!" — „Wünschen Sie mehr Ehr' oder mehr Bar?" — Verschnappt. Gast: „Aber, Herr Wirt, gestern war der Hasenbraten so gut und heute ist er nicht zu genießen!" — Wirt: „So, und grad' heut' ist'« wirklich a' Has'!" — Au« der Schule. Lehrer (im deutschen Unterricht): „Nun, Kinder, sagt mir 'mal, welche« sind Eure Lieblingsgestalten au« der deutschen Helden-Sage?" Der kleine Müller: „Der hörnerne Siegsried!" Der kleine Schulze: „Dietrich von Bern!" Der kleine Cohn: „Die vier HeymannS-Kinder!" — Unverbesserlich „Aermster, gestern ist Ihr sechste« Stück durchgefallen — Sie haben wohl eine schlaflose Nacht verbracht?" „Ja — habe ein neue« angefangen!" — Unüberlegt. Sachverständiger OberamtSarzt (ein Protokoll diktierend): „Die Rosa Müller ist in hohem Grade blödsinnig; man sieht die» aus ihren Antworten und den an sie gestellten Fragen!" — Immer der Gleiche. Profeßor (der in einem Herrn einen früheren Schüler wiederzucrkennen glaubt): „Bitte, mein Herr, waren Sie nicht früher einmal so ein kleiner Knabe v>on dreizehn Jahren?" — Guter Vorsatz. Ge fängnisdirektor (zum entlassenen Sirüfling): „Sie müßen die Anstalt mit dem festen Vorsatze verlaßen, nie mehr dahin zurückzukehren!" Sträfling: „Den Vorsatz hält' i' schon, Herr Direktor — aber wenn s' mi' halt wieder dawisch'n!" * Charlottenburg. Die Brandkatastrophe hat bi« jetzt drei Menschenleben gekostet. Der Schleifer Salewski, der erst al« einer derjenigen bezeichnet wurde, die au« einem Fenster stiegen und schwer verletzt auf dem Hofe aufgehoben wurden, ist mit einer anderen Person verwlchselt worden, denn man fand später seinen ver« Rahmen der Thür stehen blieb, sodaß der rosige Schein von innen die reizende Gestalt klar hervor treten ließ. Das nenne ich raffiniert, dachte er. Wenn sie doch einmal schon kommt, wa» kann sie nicht ganz herauStreten. — Dabei entging es ihm nicht, daß ihre Brust sich dehnte und hob, als genösse sie mit tiefim Atemzug die weiche Luft. „Wie ich diese weichen Nächte liebe!" klang ihre Stimme zu ihm heraus. „Ich habe sie förmlich ent behrt. wenn ich im Süden sein müße; dort regt alles zu intensivem Leben, zu Lachen und beweglichen Da- seinSäußerungen an, und dabei kann man doch so furchtbar unglücklich sein. Aber dieses dämmrige Schweigen des Nordens unter den matten Sternen am blassen Himmel, der so unendlich sern scheint, hat etwas Heiliges. Man erschrickt förmlich über den Ton der eigenen Stimme. Man fühlt sich so gott verlassen, weil unS alles so entrückt vorkommt, und ist doch der Gottheit niemals näher als in solchen Augen blicken." Joachim wandte sich mit einer brüsken Bewegung voll der Sprecherin zu. Wie kam sie dazu, auSzu- sprechen, was er ost gedacht hatte? Konnte er jetzt nicht einmal mehr seine Gedanken für sich allein haben? Plötzlich lachte sie leise auf. „Ich glaube, wir verstehen uns besser, als Sie denken, wenn Sie es auch nicht wahr haben wollen." „Wie kamen Sie nach dem Süden?" fragte er. „Nun, mein Beruf führte mich hin." „Welcher Beruf?" „Ich war doch Sängerin." „Sängerin?!" (Foriseyung folgt)
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