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Dresdner Journal : 18.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189910189
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18991018
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18991018
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-18
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 18.10.1899
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Beilage zu 243 des Dresdner Zouruals. Mittwoch, dm 18. Oktober 1899, abends Tagesgeschichte. (Fottsetzung au- d«m Hauptblatte.) Grotzbritaunien. V—^Minister Chamberlain hat an den London«» Korrespondenten der New Yorker „Trebune" ein Schrerben gerichtet, in welchem er seinem Danke für die von ameri« lanischer Seite kundgegebene Anerkennung der Gerechtig keit uns Wei-Hett der britischen Politik gegenüber Tran«- vaal Au-druck giebt; Chamberlain stellt die Beweggründe der britischen Einmischung m Transvaal in Parallele mit der Weigerung der Amerikaner, die Mißregierung der Spanier auf Cuba zu dulden. — Der Londoner „Lancet" veröffentlicht einen langen Artikel über den Krieg in Südafrika, worin er Haupt« fachlich die Vorbereitungen bespricht, die den ärztlichen Dienst während des Feldzuge« regeln sollen. Alle Anordnungen sind nach den Grundsätzen geschehen, die in den ärztlichen Bestimmungen für da« Heer für den Mobil« machungsfall vorgesehen sind, unterstützt durch die ver schiedenen Roten Kreuz-Gesellschaften England«. ES wird zunächst eine Reihe von stationierten Hospitälern und ärzt lichen Depot» al« Basis für die Bersorgung der im Felde stehenden Armee mit ärztlicher Hilfe angelegt, ferner stehen Hospitalschiffe zur Verfügung, ein großer Stab von Krankenwärtern, fliegenden Hospitälern, Trägerkolonnen rc., sämtlich unter dem Befehl von Offizieren des Royal Army Medical CorpS. Allerdings wird die Zahl der Militär ärzte für diesen Zweck nicht auSreichen und es müßen daher Zivilärzte zur Ausfüllung der Lücken herangezogen werden. ES wird darauf hingewiesen, daß bei dem jetzigen Kriege die bei allen Feldzügen hervortretende Haupt- schvierigkeit sich in besonderem Grade zeigen wird, nämlich die Schwierigkeit des Transports durch Tiere, Wagen oder andere Beförderungsmittel. Schon bei der Ent sendung der Expeditionstruppen habe sich die Schwierig keit eine« hinreichenden Landtransportes gezeigt, und die langsame Entwickelung der englischen Kriegsbereitschaft sei nur eine Folge davon ES sei eine mißliche Sache, eine große Armee in einem Gebiete zu landen, wo die nötigen Mittel zu ihrer Bewegung und zur Unterstützung der militärischen Operationen nicht vorhanden seien. Das führende Organ der ärztlichen Kreise Englands spricht dann die Erwartung au«, daß sür den ärztlichen Dienst im Kriege ein genügender Transportmaterial vorhanden sein werde, da nichts die Thätigkeit der Aerzte und ihrer Helfershelfer mehr behindern könne, als ein unzureichender Transport sür den dauernden ärztlichen Bedarf. Die Kosten der TranSvaal-Expedition müßten in jedem Falle enorm sein, da jeder Soldat und jedes für den Felddienst nötige Stück erst zu Schiff durch eine lange Reise nach dem Kriegsschauplatz hm zu schaffen sei. Wahrscheinlich könnte sich kein andere« Land der Erde etwas Aehnliche» leisten (!). Wegen des Vorherrschens von Darmsieber wurde allen Soldaten, die zum Kriegsdienst antraten, Gelegenheit ge geben, sich mit AntityphuSserum impfen zu laßen, und 70 Proz. sämtlicher Truppen sollen davon Gebrauch ge- macht haben. Sodann giedt der „Lancet" eine ganz aus führliche Uebersicht über die Organisation des ärztlichcn Corps und verweilt schließlich bei einer Beschreibung des HospitalschiffcS „Spartan", das als eines von - zwei Schiffen zur Aufnahme Kranker und Verwundeter in den Häfen Südafrikas bereit stehen wird. Vor einer Woche wurde da« Schiff in Southampton einer genauen Be sichtigung unterzogen und befindet sich jetzt wahrscheinlich schon auf dem Wege nach dem Kap Der „Spartan" ist «in gute» Einschraubenschiff von 2188 t, erbaut im Jahre 1886, und für seine jetzige Bestimmung in bester Weise «ingerichtet Auf Deck befindet sich ein großer Raum für die Aufnahme' von Genesenden, was als ein Haupt erfordernis anzusehen ist. Auf dem oberen Deck ist ein großes hölzerne« Gebäude von etwa 7 Fuß Höhe be- merkbar, das durch eine starke hölzerne Wand in zwei Ab teilungen geschieden ist. Die eine von ihnen soll zur Aufnahme aller schmutzigen Wäsche dienen, während sich in der anderen eine Einrichtung zur gründlichen Des infektion aller Kleidungsstücke befindet Der Operationk- raum auf dem oberen Deck, früher der Rauchsalon für die SchiffSpaßagiere II. Klaffe, ist durch mehrere elektrische Lampen erleuchtet, und zwar so, daß da« unsichere nur durch ein Fenster zugängliche Tageslicht ganz abgesperrt werden kann. Außerdem befindet sich in dem Raume ein elektrisch bewegter Fächer zur Herstellung der Ventilation. Die Ausrüstung des Schiffes mit chirurgischen Jnstru- m nten ist eine so vollständige, daß wohl kaum ein be kannter Apparat des ärztlichcn Besteckes fehlt, merkwürdigerweise allerdings ist keine Vorrichtung zur Aufnahme von Röntgen-Photographien an Bord, die aber wohl aus dem Grunde für entbehrlich gebalten wurde, weil doch die meisten Operationen vor Aufnahme in da« Hospitalsch'ff an Land vorgenommen werden müßen Für De«infizirrung lund Sterilisierung aller Instrumente ist in umfaßendem Maße Sorge getragen Ein sehr ge räumiger Platz auf dem oberen Deck ist der reich auS- gestatteten Apotheke reserviert, die durch mehrere Luken- fenster und durch elektrisches Licht beleuchtet wird. Die Abteilungen für kranke Offiziere sind, wenn man die be schränkten Raumverhältnisse in Betracht zieht, ein Muster von LuxuS und Komfort Auf dem Hauptdeck find drei Krankenabteilungen untergebracht, in denen sich zusammen 60 frei aufgehängte Betten befinden; für die Hinauf- und Hinunterschaffung der Patienten dient ein besonderer Aufzug. Auch diese Abteilungen sind mit elektrischen Lampen und elektrisch bewegten Fächern versehen Beide Einrichtungen und andere Bequemlichkeiten befinden sich in unmittelbarer Nähe. Aus den wertvollen Diensten, die ein ähnlich eingerichtetes Hospitalschiff den Amerikanern gelegentlich de» letzten Kriege» gegen Spanien geleistet hat, läßt sich der Schluß ziehen, daß auch dieses Schiff eine reichliche und nützliche Verwendung finden wird. Ruhland. St. Petersburg Wie der „Polit. Korresp." aus St Petersburg gemeldet wird, seien in dortigen offi ziellen Kreisen keinerlei Anzeichen bekannt geworden, die auf eine Abberufung de« russischen Geschäftsträgers in Belgrad, Hrn Mansurow, von seinem Posten und noch viel weniger auf einen Bruch der diplomatischen Beziehungen zu Serbien hindeuten würden Hr Mansurow hatte vor Wochen um einen achtundzwanzigtägigen Urlaub angesucht, der ihm auch bewilligt wurde, den er aber erst jetzt antreten konnte, nachdem er die dringendsten Angelegenheiten erledigt hatte. Der russische Geschäftsträger weilt momentan zum Besuche seines erkrankten Bruders in Moskau und wird nach Ab lauf seines Urlaubes wieder auf seinem Posten in Belgrad eintreffen. Bulgarien. Sofia. Ueber die Ursachen und den Verlauf der letzten bulgarischen Ministerkrise geht der „Polit. Korresp " von unterrichtettr Seite aus Sofia nachstehender Bericht zu: Der zurückgetrctene Ministerpräsident Grekow hatte schon in der letzten außerordentlichen Session d«r Sobranje einen überau» schwierigen Stand. Erfteule sich Grekow auch des speziellen Vertrauens des Fürsten Ferdinand und genoß er seiner gemäßigten Anschauungen und reichen Bildung wegen die Achtung selbst der meisten seiner politischen Gegner, so verfügte er dennoch nur über eine sehr geringe Anzahl politischer Anhänger in der Kammer und konnte nur insolange den Kampf mit der ungewöhnlich starken Opposition erfolgreich aufnehmen, al« er der vollen Uebereinstimmung und Unterstützung seine« Kollegen Radoslawow sicher war, der als Partei chef über die Mehrheit der Kammer verfügte. Es ist be greiflich, daß Grekow, als einstiger Führer der Stam» bulowisten, dieser Partei seine «Sympathien im hohen Maße zuwandte, wenn er auch alle extremen Schritte des linken Flügels dieser Partei entschieden mißbilligte. In der Absicht, die Parteispaltungen im Lager einer au« der stärkeren Radoslawow- und schwächeren Stambulowpartei zusammengesetzten Regierung zu vermindern, versolgtei Grekow den Plan einer Verschmelzung dieser zwei Fraktionen Dieser Versuch scheiterte vollends, wöbe die Schuld teils an den übertriebenen Forderungen der Stambulowisten lag, teils in der abweisenden Haltung der Radoslawowisten zu suchen ist, deren Be wußtsein der numerischen Ueberlegenheit immer mehr zum Ausdruck kam Radoslawow selbst konnte dem Andrängen seiner Partei, kein« Fusion unter Verzicht auf zahlreiche Mandate anzunehmen und das Schwer gewicht der Regierung ganz auf die Radoslawowisten zu verlegen, in seiner Eigenschaft als Parteiführer wohl nicht wirksam entgegentreten, so daß die Spaltung immer schärfer zu Tage trat und ein unhaltbares Verhältnis zwischen Grekow und Radoslawow im Kabinette eintreten mußte. UeberdieL wußte letzterer, daß Grekow es ver suchen werde, den Fürsten Ferdinand zu bewegen, ein Kabinett unter Ausschluß Radoslawows zu bilden Die letzten Ergänzungswahlen, bei denen die Forderungen der Stambulowisten nach einer größeren Anzahl von Deputiertensihen unbefriedigt blieben, ließen Grekow den festen Entschluß faßen, unter diesen Ver hältnissen und mit diesem Kabinette keinesfalls vor die Kammer zu treten. Grekow bot nun dem heimkehrenden Fürsten schon in Rustschuk seine Demission an, welcher sich auch di? anderen Mitglieder des Kabinetts anschloßcn. Grekow hatte dabei im Auge, mit der Bildung einer neuen Regierung ohne Radoslawow betraut zu werden Aus persönlicher Zuneigung für Grekow ließ nun Fürst Ferdinand diesen aussichtslosen Versuch zwar zu, stellte aber, in richtiger Erkenntnis der Sachlage, die Bedingung, daß von einer Auflösung der Sobranje, welche am 27 Oktober zusammentreten soll, keine Rede sein könne. Fürst Ferdinand hat mit dieser Bedingung die Krise zu einer im In- und Au«lande sehr befriedigenden Lösung bei voller Aufrechterhaltung der Ruhe im Lande geführt E» mußte ein Kabinett gebildet werden, das vor die jetzige Kammer mit Aussicht auf Erfolg treten kann So wurde denn der bisherige Unterrichtsminister Todor Jvantschow, der seiner Partei- stellung nach ein sehr gemäßigter RadoSlawowist ist, mit der Mission betraut, das Kabinett aus der früheren Re gierung zu bilden AuSgeschieden erscheint nur Grekow, für welchen Jvantschow da« Präsidium und da» Porte feuille de» Aeußern übernahm, und neu eingetreten ist an Joantlchow« Stelle Or. Watschew, bisheriger Präsi dent der Sobranje, seine» Berufes Advokat, als Unter« richtSminister. Diese Lösung der Krise ist für Bulgarien als eine sehr glückliche anzusehen Das Verdienst für diesen befriedigenden AuSgang muß ausschließlich dem Fürsten Ferdinand zuerkannt werden. Die Opposition in der Kammer dürfte sich zwar durch die Stambulowisten auf ungefähr 60 Stimmen erhöhen, immerhin aber ver fügt die neue Regierung noch über 40 Stimmen Majorität. Türket. Konstantinopel. Eine der „Polit. Korresp" aus Konstantinopel zugehende Meldung stellt fest, daß die freundschaftlichen Beziehungen, die gegenwärtig zwischen der Türkei und Serbien bestehen, durch die in der letzten serbischen Thronrede hervorgehobene freundschaftliche Ge sinnung des Königs Alexander l. für den Sultan Abdul Hamid an Intensität erheblich gewonnen haben. Letzterer habe, wie die Meldung hinzufügt, an den König Alexander I. ein in herzlichem Tone gehaltenes Tele gramm gerichtet, worin er seinem Danke für die in der Thronrede enthaltene Versicherung der Freundschaft Au>- druck giebt. Örtliches. Dresden, 18. Oktober. -u. Die gestrige Versammlung d«r Deutschen Kolonialgesellschaft, Abteilung Dresden, wurde von Hrn. Fabrikbesitzer Heinr Kretzschmar geleitet und mit einer Ansprache eröffnet in ver er der Freude und Ge- nugthuung über den Erwerb der Karolinen- und Marianen- Inseln Ausdruck gab und den Vortragenden Hrn. vr pbil. Grothe au« Berlin vorstellte, dem er alsbald das Wort erteilte. Hr. Or. Grothe sprach über „Tripolitanien und die Sudanländer". Er leitete seinen Vortrag mit einer Darlegung der Geschichte, der geographischen Lage und Topographie sowie des Klima« und der Bodenbeschaffen« heit des Landes ein. Er wies deßen Wichtigkeit als Zugangspforte zu dem Innern Afrikas nach, zerstreute das Vourteil, al« ob das ganze Land eine Wüste sei, und stellte fest, daß es weite Strecken frucht baren Lande« enthalte. Tripolitanien enthalte die Haupt« auSgangspunkte der Karawanen, die den Handel mit dem Sudan vermittelten, und Waren mit tripolitanischen Warenzeichen finde man bis nach Salepa im Hinterland« von Kamerun, weil der Transport über Tripoli« billiger sei, als wie von der Westküste her. Auch verfüge Tripolitanien, deßen Küste eine Länge von 2000 km habe, über mehrere von Natur sehr gute, wenn auch vernachlässigte Häfen. Die HauptauSgangs- punktc für den Karawanenhandel nach dem Innern feien die Städte Nhadames und Rhat. Redner schilderte weiter die Forschungsreisen von Engländern, Franzosen und Deutschen und hob hervor, daß nur die von Deutschen veranstalteten und unternommenen Forschungen uneigen nützige, rein wissenschaftliche Zwecke verfolgt hätten, wäh rend die Engländer und Franzosen politische Zwecke im Auge gehabt hätten Beide Länder hätten sich im Innern bereits weite Gebiete gesichert und Frankreich suche die Verbindung zwischen Algerien und seiner westasrikanischen Besitzungen herzustellen. Es seien dort auch die Pläne zur Schaffung eines großen Binnenmeeres in der Sahara und die Durchquerung der Wüste mittels einer Eisenbahn ernstlich erwogen worden. Die Einflußsphären zwischen England und Frankreich seien durch den Vertrag vom 21. März 18S9 abgegrenzt worden, und zwar in einer Weise, durch die die deutschen kolonialen Interessen (das Hinterland des deutsch-westasrikanischen Besitzes erstrecke sich bis an den Tschadsee) ernstlich berührt würden Bisher seien die Bemühungen Frankreichs, die Tuaregs und die Bewohner der Sanddünen gebiete zu unterwerskn, mehrere Male gescheitert. Wenn eS ihm aber grlir.ge, seine Macht zwrschen Tripolitanun und drn Tschadsie zu schieben und durch Errichtung von Militärstationrn rn A>r und Bilma und an einem Punkte nördlich dc« Tschadsees zu befestigen, so beherrsche «S alle Karawancnstroßrn nach dem östlichen und westlichen Sudan Erwäge man also die Folgen, di« da« französisch-englische Ablommrn in Zentral- und Nordafrila nach sich ziehen könne, so cr- gäbe sich für die deutschen HandelSintereßen die Not wendigkeit, folgende Forderungen zu stellen: 1) Freiheit der Karawanenstraßen im tripolitanischen Hinterland« und somit freier Zugang zum Tschadsee von Norden her noch der Kamerunkolonie, in ähnlichem Sinne, wie sich Eng land einen solchen vom Nil her durch Bagirmi und Wadai ausbedungen habe. 2) Die Möglichkeit der Errichtung einer Station nördlich des Tschadsees. Ergäbe sich eines Tages eine Neubelebung und Sicherung der tripolitanischen Karawanenstraßen, so hätte eine solche Station die Auf gabe, die Erschließung des Hinterlandes von Kamerun kräftig zu fördern Schließlich meinte der Redner, der Zeitpunkt sei nicht fern, in dem Deutschland auch am Mittelmeere eine« Stützpunktes bedürfe, wofür er die Cyrenaica, das Gebiet zwischen Tripolitanien und Aegypten, ins Auge faßte, das er auch al« für Ackerbaukolonien geeignet bezeichnete. Nach Beendigung des Vortrages führte der Redner etwa 40 vorzügliche Lichtbilder vor, die Teile der Küste, einzelne Gebäude, Straßen und Plätze der Stadt Tripolis, Partien aus den Oasen, Volkstypen und Bilder aus dem Volksleben zur An schauung brachten * Gestern abend hielt der Allgemeine Dresdner Handwerkerverein unter Vorsitz des Hrn Stadtrat Wetzlich seine erste Versammlung de« begonnenen Winter halbjahres ab. Der Vorsitzende teilte mit, daß 45 neue Mitglieder in den Sommermonaten Aufnahme gefunden haben. Den Hauptvortrag des Abend» hielt Hr. Pastor Segnitz über „die Entstehung deL Burenvolke» in Süd afrika". Derselbe wies die Abstammung der Holländer (Niedersachsen) von den alten Batavern nach, die zäh an alter Sitte und Gebrauch festhaltend, ihre Scholle vertetdigend 10 Jahre lang der Römermacht widerstanden hätten. In der Völkerwanderung hätten sie sich an die fränkische Bewegung angelehnt. Der Redner ging dann auf die spätere Geschichte der Niederlande, ihre Kämpfe gegen die spanische Herrschaft ein und zeigte sodann, wie ihre Kolonien zum großen Teile in die Hände England» gelangten. Zu diesen Kolonien gehörte auch da» Kapland, in welchem aus Holländern (Niedersachsen), Mecklen burgern, französischen Hugenotten und deren gegen seitiger Blutmischung der Stamm der Burcn (Bauern, Korn-, Wein-, Viehbauern) sich bildete, der da» von England annektierte Kapland bevölkerte In intereßanten Zügen schilderte der Vortragende Land und Leute, die Kämpfe mit den Hottentotten, da» Zurückdrängen des - Burenvolkes, deßen Wegzug nach Norden, die Bildung der beiden Republiken Oranje Freistaat und Transvaal und die verschiedenen englischen Unterwerfung-Versuche, die sich in mehr oder weniger großen Zeiträumen bis auf den heutigen Tag fortgesetzt hätten Mit gespanntester Aufmerksamkeit folgten die Zuhörer den geographischen, kulturgeschichtlichen und politischen Äutsührunpen und dankten dem Redner durch lebhaften Beifall. Zum Schluß fanden noch einige geschäftliche Angelegenheiten Erledigung, alt: die Wahl von drei Mitgliedern zur Wahl-Vorschlagbkommission und von zwei Rechnungs prüfern. Beschlossen wurde, sich auch dieses Jahr an den Stadtverordnetenwahlen zu beteiligen und eine Sammel liste für die Bismarcksäule aufzulegen. * In der letzten Sitzung der Dresdner Gesell schaft zur Förderung der Amateur-Photographie berichtete Hr. Redakteur H. Schnauß über die „Aus stellung für künstlerische Photographie", welche der Süd deutsche Photographen-Verein im September d. Js. in Stuttgart veranstaltet hatte, weiterhin über die photo- graphtschen Ausstellungen, welche zur Zeit in Hamburg sowie in London stattfinden, und ging dann über zur Mit teilung verschiedener Neuerungen und Erforschungen auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Photographie, sowie endlich zur Vorführung verschiedener Neuheiten. Ter durch zahlreiche Bildervorlagen unterstützte Vortrag fand den lebhaftesten Beifall. Nach erfolgter Aufnahme neuer Mitglieder machte der Vorsitzende bekannt, daß demnächst wieder ein UnterrichtSkursus sür Anfänger in der Photographie seinen Anfang nehmen werde, welcher für Mitglieder der Gesellschaft kostenlos sei. * Im Christlichen Vereine junger Männer, Neumarkt 9,111, findet nächsten Freitag nachts 12 Uhr eine Versammlung sür Gasthofsangestellte statt. Ta» Der Zugvogel. Roman von A v. Klinckowstroem. 15 (Fortsetzung.) Jetzt bedurfte es bei den Pferden nicht mehr des VorwärtLtreibens. Lustig klapperten sie die Anhöhe hinauf, und Joachim stand vor der Thüre, als der Bruder vom Wagen sprang. „Nun, wie ist eS dir in der Stadt ergangen?" „O, ausgezeichnet." „Die Geschäfte zur Zufriedenheit abgewickclt?" „Natürlich, über Erwarten gut; gleich am ersten Tage." „Ich dachte immer, du würdest schon gestern heim kehren. Aber du hast dich wohl gut unterhalten." „Famos I" Die Brüder saßen im Eßzimmer beisammen. FranziuS hielt sich diskret zurück. Joachim schob d-m andern dieses und jenes zu, von dem er an nahm, daß eS nach der langen Fahrt gutschmecken werde, und klopfte ihm mehrmals leise auf den Rücken. Er freute sich offenbar innerlich über die Maßen, ihn wieder da zu haben. Es fiel ihm nur auf, daß Siegfried so wortkarg war. Dieser hatte sonst bei der Heimkehr einen Sack voll lustiger Ge schichten. „Was ist dir denn? Du machst ja kaum den Mund auf." „Was soll mir denn sein? Nicht-!" Siegfried rich ete sich wie mit einem innercn Ruck auf und be gann *in beinahe überstürzter Weise von geschäft lichen Angelegenheiten zu sprechen, von Holz- und Flachspreisen und Lieferfrist, und dann war er mit einmal zu Ende und schwieg wieder. Vorhin, als er cs nicht eilig genug mit der Heimfahrt hatte haben können, war es ihm gewesen, als habe er eine Unmasse zu erzählen, und jetzt fühlte er sich geradezu stumpfsinnig. „Warst du die Abende im Theater?" „Den ersten Abend, die Vellincioni sarg." „Na, und was thatest du denn an drn beiden andern Abenden?" „Ja siehst du, — ich mochte da gleich am ersten Tage im Restaurant eine Bekanntschaft — eine höchst angenehme Person, sage ich dir —" „Also ein Frauenzimmer. Aha! wieder 'mol!" „Eine Dame!" betonte Siegfried. „Ein entzücken des Geschöpf, junge Witwe, sehr musikalisch, singt wie ein Engel." „Wie hast du denn Gelegenheit gehabt, zu dieser Kenntnis zu gelangen?" „Ich machte eine Partie mit ihr mach Zinglers Höh'; dort war rin alter Klimperkasten und gestern besuchte ich sie nachmittag» zum Thee in ihrer Wohnung. Da sang sie mir auch vor. Wunderbar! Und wie reizend sie die Hausfrau machte! Du wärst begeistert gewesen." Joachim verzog das Gesicht zum Lachen und klopfte dem Bruder herzhaft auf die Schulter. „Nun, mein Junge, nimm's nicht tragisch. So weit sind wir schon oft gewesen, und nach ein paar Tagen war's allemal vorüber." „Ich bitte dich dringend, zu glauben, daß eS eine durch und durch anständige Dame war." „Kennen wir." „Wenn du so denkst, lohnt eS sich wohl nicht, noch ein Wort zu verlieren.' — Siegfried sprang auf und lief im Zimmer auf ui.d nieder, entschlossen, nicht weiter zu sprechen. Er hielt daS Schweigen jedoch nicht lange au». — „Ich bin doch kein Kind! Ich kenne mich doch aus, und ich gebe dir mein Wort, daß die Dame, um die eS sich hier handelt, eine durchaus tadellose Haltung bewahrt hat." „Trotzdem sie abends allein im Restaurant saß und Herrenbekanntschasten anknüpfte?" „Ersten- war sie nicht all»in und zweitens machte ich diese Bekanntschaft durch bloßen Zufall, eine kleine Verwechselung. Eine sehr glückliche Fügung, denn ich habe durch sie höchst angenehme Stunden verlebt." Siegfried, nun er einmal im Zuge war, fing an zu erzähle» und schilderte AnielaS Reize und Liebens würdigkeit in den glühendsten Farben. Nur das ver schwieg er, daß ihr Beruf sie in Singspielhallen auf treten ließ. „Weißt du, was ich gedacht habe?" schloß er. Joachim sah ihm ruhig erwartungsvoll ins Ge sicht, da- machte ihn befangen. „Wir entbehren doch so sehr —, das heißt, ich entbehre so sehr ein weibliches Element im Hause, und da habe ich gedacht, — ich nieine, ,S wäre sür uns alle nett, ein allerliebstes, noch dazu hochmusi kalisches Frauenzimmer um unS zu haben, — da habe ich gedacht, — weil eS ihr um ein ruhiges Wirken und um eine stille Häuslichk«it zu thun ist, daß dieses Zusammentreffen geradezu ein Wink sei" Siegfried atmete ordentlich auf, nachdem er sich kopfüber in das, was ihn innerlich beschäftigte, hinein- gestürzt hatte. Joachim schwieg noch immer. „Hast du gehört, was ich gesagt habe?" „Ja, und ich meine, daß du dich ganz leichtsinnig in eine Sache von unberechenbarer Tragweite hinein begeben möchtest Wie, eine Frau, die du kaum kennst?" Bitte sehr, ich lernte sie genauer kennen, als eS sonst bei zahllosen Zusammenkünften in Gesellschaft der Fall sein kann. Noch meiner Ueberzeugung könnten wir nichts Besseres thun, als unS dieser reizenden Person für die Dauer zu versichern. Sie würde uns das einsame Hau» zum Paradies mcchen." „Oder zur Hölle!" „Was das nur sür eine Idee ist! Wenn ich dir doch sag«, daß eS sich um das liebenswürdigste Ge schöpf der Welt handelt. Ich würde gleich mit ihr alles abgemacht haben, wenn ich nicht erst deine Meinung hätte hören wollen." „Du kennst meine Meinung" „Ja, man kann doch aber seine Ansichten ändern. Laß sie kommen, ich bitte dich, wenn auch nur probe weise als Gast." „Eine ehrbare Frau kommt nicht als Gast zu Junggesellen." „So? das sehe ich nicht ein. Wo wir doch den alten FranziuS hier haben! Wenn eS sich um ein Mädchen handelte, dürftest du Recht behalten, aber bei einer Witwe, — ich schätze sie vielleicht 29 Jahre, — ist das etwas anderes. Ich will sie nun einmal hier haben und werde es auch erreichen und wenn ich mit dem Kopf durch die Wand rennen follte." „DaS heißt mit anderen Worten, wenn ich nicht einwillige, sie als sogenannte Repräsentantin bei unS aufzunehmen, bist du entschlossen, dich auf Kosten deiner persönlichen Freiheit zu verplempern, sie zu heiraten!" „Ach, sällt mir nicht ein. Aber dein unbegrün deter Widerstand reizt mich. Ich dächte doch, daß ich auch einige Rechte in diesem Hause habe, und willst du sie nicht als deinen Gast hier aufnehmen, — nun gut, so kommt sie als mein Gast. Ich werde ihr schon die gebührende Achtung zu sichern wissen. Tein Sklave bin ich nicht." Diese Sprache in Siegfrieds Munde war etwas Neues und reizte Joachim gleichfalls. „Natürlich, du hast das Recht, einzuladen, wen du willst. Ich habe dir keine Vorschriften zu machen. Indessen willst du eS mir nicht übel nehmen, wenn ich während der Zeit da» Haus verlasse. Tu wirst ja ohnehin deiner Marotte bald überdrüssig werden." „Darüber mache dir kcine Illusionen. Thue übrigen», wa» du Lust hast." (Fons«tzung folgt.)
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