PROGRAMMEINFÜHRUNG Serge Prokofjew (geb. 1891) schrieb seine „Klassische Sinfonie“ in den Jahren 1916— 1917. Prokofjew, einer der führenden sowjetischen Komponisten, stand beim Kompo nieren seines op. 25 unter französischem Einfluß. In den Jahren des Beginns der Neuen Musik war überall ein Streben nach Einfachheit, Klarheit und Durchsichtigkeit spürbar. Diese Eigenschaften sind hervorstechende Merkmale der klassischen französischen Musik. Bei Rameau und Couperin sind sie zu finden. Diese Komponisten sind neben den großen deutschen Klassikern Haydn und Mozart die Vorbilder für Prokofjew gewesen, als er die „Klassische Sinfonie“ entwarf. Prokofjew übernimmt jedoch nicht wörtlich die Eigen tümlichkeiten und Stilelemente dieser Zeit, sondern schmilzt sie durch sein Temperament um. Ab und zu bricht in der Musik dieser Sinfonie durch, daß er ein Mensch unserer Tage ist. In der Form hält sich Prokofjew streng an das klassische Schema. Vier Sätze hat dieses Werk, von denen der dritte und vierte Gavotte und Finale heißen. Auch in tonlicher Hinsicht hält sich Prokofjew streng an das klassische Vorbild. Die Grundtonart ist für drei Sätze D-Dur, nur der langsame zweite Satz steht in A-Dur. Das Werk ist in seiner Wirkung seltsam. Die Musik ist trotz aller klassischen Absichten Neue Musik, die Form ist in der Klassik, ohne Zutat und Änderung. Man könnte von einem Zwitter sprechen, wenn nicht Prokofjew große Meisterschaft und seine Persönlichkeit diesen einzig dastehenden Versuch adelte. Max Reger (1873—1916) hat mit seinem op. 132, den „Variationen über ein Thema von Mozart“, eins seiner vollendetsten Werke geschaffen. Er arbeitete 1913/14 an diesem großartigen Orchesterstück, das in seinem Gewicht und seiner Tiefgründigkeit einer Sinfonie gleichkommt. Im Februar 1915 wurde es in Frankfurt am Main uraufgeführt. Reger variiert auf geistvolle Weise in acht Variationen (Veränderungen) ein recht bekanntes Thema aus der A-Dur-Sonate von Mozart, das Mozart selbst schon zum Variieren geeignet fand und dazu auch verwendete. Reger nimmt die Verwandlungen dieses graziösen, lichten Themas mit den Mitteln der spätromantischen und impressio nistischen Orchester- und Kompositionstechnik vor, so daß es manchmal schwierig ist, aus dem betörenden Klangrausch die Melodie des Themas herauszuhören. Manchmal stellt er die Melodie auf den Kopf, oft läßt er zwar die Töne richtig erklingen, aber in einer rhythmisch anderen Fassung, manchmal läßt er neue Begleitstimmen hinzutreten und setzt das Ganze in eine andere Tonart, so daß etwas völlig Neues entsteht, etwas, das ganz das Regersche Gesicht trägt. Dazu ist der Stimmungsgehalt der einzelnen Variationen immer wechselnd vom süßesten Schönklang bis zur trotzigen Kraftgebärde, so daß ein ungemein farbiges Bild entsteht. Die Krönung des Ganzen ist aber zweifellos