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Dresdner Journal : 20.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189907207
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18990720
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18990720
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-20
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 20.07.1899
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Erste Beilage zu 166 des AöU^NlllA. Donnerstag, den 20. Juli 1899, abends. Nachrichten aus den LandesteUen. * Leipzig Wie vor einiger Zeit die medizinische Klinik unserer Universität da« 100jährige Jubiläum festlich begehen konnte, so feiert im Oktober d. I«. die chirurgische Klinik ihr I00jähr,ge« Bestehen Au« diesem Anlasse soll im Garten de« städtischen Krankenhause« die Büste de« Geh. Rate« Prof. vr. Thiersch, de« einstigen hochverdienten Leiter« der Klinik, aufgestellt werden. Der Rat beschloß, gleichwie die beiden bereit» errichteten Büsten, so auch dieses Postament au« städtischen Mitteln Herstellen zu lasten. — Der Borstand de« Komitee» für den dritten städtischen Landtags- Wahlkreis — Leipzig-Süd —, da« sich in einer im Anfang diese» Monat«, auf Einladung de« Konservativen Vereen« hin, im „Tivoli", Zeitzer Straße, stattgesundenen Versammlung konstituiert und zur Aufgabe gestellt hat, für die Wahl de« Hrn. Maurermeister« Enke al« Landtage- abgeordneten einzutreten, hatte für Montag eine ander weite Versammlung nach dem „Tivoli" einberufen. Diese war von etwa 50 Personen besucht. Von den ver schiedenen politischen und wirtschaftlichen Vereinen waren hierzu je drei Delegierte entsandt worden. Durch eine noch mal» vorzenom-nene Wahl wurden folgende Herren in den Vorstand gewählt: Oberinspektor Abendroth al« erster, Lehrer Heeger al« zweiter Vorsitzender und Sanitättrat Or. moä. Schmiedt als Schriftführer. De« weiteren beschloß man, im Monat September eine größere Wählerversammlung, worin sich Hr. Enke seinen Wählern vorstellen soll, einzuberufen. * Riesa. Unweit der Elbbrücke, wenige Schritte ab seits von der Strehlaer Straße, auf Gröbaer Flur, sah man Dienstag früh den Leichnam eine« kräftigen Manne« liegen, der alsbald als der Bäckergehilse Paul Deminatu«, geb. am 27. Februar 1862 in Bunzlau m Schlesien, er kannt wurde. Das Gesicht des Toten war blutüber strömt, anscheinend infolge von starken, durch wuchtige Schläge herbeigeführten Verletzungen. Die Leiche selbst, wie auch der Ort der Auffindung zeigten in größerer Anzahl Blutflecke. Ein Stiefel lag abseits vom Leich nam, ein Portemonnaie ohne Inhalt aus ihm. Wie in zwischen bekannt geworden ist, hat der Getötete bis Montag abend 6 Uhr bei einem Bäckermeister in GohliS gearbeitet und sich dann später nach Riesa begeben Ob der Getötete hier nun mit anderen Personen in Streit geraten und dabei am Aufsindungsorte oder in dessen Nähe erschlagen worden ist, oder ob ein Ueberfall vor liegt, muß die gerichtliche Untersuchung ergeben. Bereits am Dienstag morgen ist eine des Verbrechens ver dächtige Person, an der Kratzwunden und Blutflecke be merkt wurden, in den in der Nähe des Bahnhofes ge legenen Anlagen aufgegriffen und an das König!. Amts gericht abgeliefert worden. Dieser Verhaftete soll aber behauptet haben, er hätte dem Erschlagenen in dem Streite beigestanden. Auch eine zweite Verhaftung soll in der selben Angelegenheit noch erfolgt sein * Schandau. Das 100 jährige Jubiläum Schandau« als Bade- und Kurort soll in den Tagen vom Sonnabend, den 22. Juli bis einschließlich Diens tag, den 25. Juli mit einer schlichten, aber würdigen Feier begangen werden, zu der jetzt das Programm aus- gegeben worden ist. Die Festlichkeiten werden am Sonnabend, den 22. Juli abends durch eine gesellige Zusammenkunft mit Damen im Kursaal eingeleitet, woselbst Konzert der Kur kapelle und Vorträge dreier Männergesangvereine stattfinden werden; am Sonntag vormittag ist eine Morgenmufik auf -er Höhe unweit der Friensteinruine, ferner abends große« Fest-Konzert und Festbeleuchtung vorgesehen; Montag abend schließt sich eine Reunion im Kursaale an, und den Abschluß der 100-Jahrfeier bildet am Dienstag nachmittag eine Konzert-Dampser-Fahrt auf einem Sonder- Salondampfer innerhalb der Stromstrccke Herrntkretschen- Königstein Vermischtes. * An einen eigenartigen Gedenktag erinnert die „Frkf. Oderztg.". Am Sonntag vor 25 Jahren wurde die letzte französische Trikolore, die sich in den Reichs landen auf einem öffentlichen Gebäude befand, herab geholt. Sie saß auf der höchsten Turmspitze der Kathedrale non Metz, und es war demjenigen, der sie herunterbrachte, eine Belohnung von 100 Thlrn. ausgesetzt, denn die Sache war lebensgefährlich Wenn der kühne Steiger auf der im gotischen Stil gebauten Turmspitze angelangt war, galt eS noch, über eine große, mehrere Fuß dicke Kugel zu ge langen und dann, etwa 260 Fuß über der Erde, noch eine kleinere zweite Kugel zu erklimmen, um zu der Fahnenstange zu gelangen. Ein Pionier, ein Branden- kurzer, erbot sich zu dem gefährlichen Wagnis. Mit voller Musik marschierte am Sonnabend, 16. Juli 1874, kurz nach Mittag, eine Truppenabteilung nach dem Platze vor der Kathedrale, der Pionier siegesgewiß im Zuge. Der Furchtlose begann seine Arbeit, die mehrere Stunden in Anspruch nahm. Zunächst wurden von der Galerie au«, von der ab sich die gotische Spitze erhebt, zwei Stangen in einem Abstande von 1 Fuß von einander an den über der Spitze befindlichen großen Knops gelegt und die noch darüber hinausragenden Stangen von Militär- mannfchasten gehalten. Der Pionier hatte in der Tasche große Nägel und einen Hammer in der Hand, mit dem er die Nägel stufenförmig einschlug und sy allmählich immer höher stieg. Auf der Höhe der großen Kugel an gelangt, rutschte der Tollkühne einmal aus. „Er fällt", tönte es aus dem Munde von Tausenden, die unten standen oder aus den Fenstern da« furchtbare Schauspiel betrachteten. Aber der Branden- durger fiel nicht, sondern stieg unerschrocken höher, bi» er die Flaggenstange erreicht hatte. Noch einen Fuß — und die blau-weiß-rote Flagge sank, und an ihrer Stelle befestigte der Brave eine hinauf gezogene riesige schwarz-weiß-rote Fahne. Der Pionier kletterte dann wieder hinunter, nachdem er noch nach Möglichkeit die große Kugel wieder blank geputzt hatte. Dann erschien er nach einer Zeit von vier Stunden wieder unten auf dem sicheren Erdboden — er hatte sein Werk vollendet. Ein Händedrücken der Offiziere, ein Hurra der Menge, wenigstens de« deutsch denkenden Teile», empfing ihn, und mit klingendem Spiel marschierte die Truppe weiter. Der mutige Pionier hieß Karl Otto Bredenow und stammt aus der Nähe von Prenzlau Wo er sich jetzt befindet, ist nicht bekannt * Ueber eine den Tapferen de« alten „Iltis" von dem neuen Schiff dieses Namens dargedrachte Ehrung berichtet der „Ostasialische Lloyd": Am 1. Juni um ^12 Uhr vormittags verließ S. M. S. „Iltis" den Hafen von Waiheiwai, nachdem der Ehef des englischen Geschwaders einige Stunden vorher daS Schiff besichtigt und sich außerordentlich befriedigt über seinen Zustand und über diesen neuen Typ deutscher Kanonenboote aus gesprochen hatte. S. M. S. „Iltis" dampfte dann nach dem Südost Promontory. Bei herrlichem Sonnenweiter und stiller See fiel gegen H6 Uhr nachmittags dort der Anker. Auf dem einsamen Friedhöfe der Kameraden des alten „Iltis" wollte die Besatzung des neuen eine einfache, schlichte Feier veranstalten. Der Kommandant, sämtliche Offiziere und Deckoffiziere mit Ausnahme der Wachhaben den, ein Landungszug von 18 Matrosen mit Gewehr und Seitengewehr und alle dienstfreien Leute begaben sich an Land. Am Strande begrüßte sie der Wärter des Leucht turms, Hr. Schwelp, der seinerzeit den Schiffbrüchigen des alten „Iltis" so aufopfernde Dienste geleistet hatte. Die Offiziere und Mannschaften marschierten sofort zum Fried hof. Im milden Glanz des sinkenden TagcsgestirnS lagen still und friedlich die heimatfernen Grabstätten Vor dem Obelisk, der hochragend die Mitte des Kirchhofes schmückt, wurde der Landungszua aufgestellt, daneben die kleine Musikkapelle des Schiffes. Im Halbkreis standen die anderen Leute, davor die Offiziere. „Stillgestanden!" Ernst und bewegungslos lauschten alle den tiefempfundenen, markigen Worten de« Kommandanten „Nunmehr, da wir an diesem Orte unseren gebliebenen Kameraden vom alten „Iltis" die schuldige Ehrung erweisen", führte dieser etwa auS, „hat erst recht eigentlich die Thätigkeit des neuen „Iltis" begonnen, hat er den alten „Iltis" erst ab gelöst. Kaiser und Vaterland, die Landsleute hier draußen in Ostasien und die hier ruhenden Todten blicken auf uns und verlangen von un», daß wir uns al» der Tapferen würdige Nachfolger erweisen. Im Namen der Besatzung de» neuen „Iltis" gelobe ich an dieser Stelle, daß Not und Gefahr uns nicht anders finden sollen, als die Helden, die hier zur letzten Ruhe gebettet sind." Darauf gab der Kommandant den Befehl, drei Salven über die Gräber zu feuern. Kurze Kommandoworte! Weithin hallende Schüsse! Die ersten Salven, die den Toten gefeuert wurden: der neue „JltiS" dem alten. Die Musik setzte ein, alles nahm die Mützen ab, und auS kräftigen Männerkehlen klang es über die stille Stätte, da» Flaggenlied, da« „Iltis"-Lied, da« sie einst in« Donnern der Wogen hinausgesungen hatten, da« ihren Ruhm brausender der Welt verkündete, als der Sturm rauschte, der ihr Schifflrin zerbrach. Die Sonne warf lange Schatten, sie tauchte die weißen Gedenksteine und Kreuze in Gold, sie vergoldete daS leuchtende Gehöft des Feuerturme« und rings die reifenden Halme der Felder. Leise nur klang da« rauschende Atmen der See herauf, die die Toten unter dem Rasen einst so wild umtobte. Blaue und violette Schatten schwebten über den Felsen, die sich scharf von dem glanzübergossencn Abendhimmel abhoben Ueberall Ruhe und Frieden, als verharrte die Natur in andächtiger Erinnerung an die heldenmütigen Tapferen, die hier einst gekämpft und siegreich gefallen waren * „DaS abgeschnittene Bein", unter dieser Auf schrift hatten wir vor mehreren Jahren in der „Revue des deux Monde»" eine Novelle gelesen, die unsere ganz besondere Aufmerksamkeit erregte, teil« durch die rühnrde psychologische Schilderung eine« armen Teufels au« der Bretagne, der sich, um seiner alten Mutter Brot zu schaffen, al« Matrose anwerben läßt und, obwohl er al« Krüppel heimkehrt, glücklich ist, sein Ziel erreicht zu haben, teil« durch die bei einem Franzosen von damals an erkennenswerte Unbefangenheit in der sichtlich einem wahren Vorgang entnommenen Beschreibung de» mutigen, uneigennützigen Eingreifen« eine» deutschen Schiffsarzte« Dieser, vr. Max Breuer, heute in Buffalo al« Arzt an sässig und mit einer Amerikanerin verheiratet, ist am diesjährigen französischen Nationalfeste mit dem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet worden. Der Anwalt des bretonischen Matrosen Clement, der heute noch in seinem Heimatorte Belle-Isle lebt, Hr. Masson, mit seinem Schriststellernamen Masson-Forestier, hat in jener Novelle erzählt, wie der arme Schelm, der sich auf einem Seelen- tränker, dem englischen Petroleumschiff „Wild Flower" verpflichtet hatte, infolge mangelhafter Sicherheiltmaß regeln ein Bein verlor, dak brandig ward, und wie er, nachdem englische Schiffe die Hilsszeichen von „Wild Flower" unbeachtet gelassen hatten, durch den SchiffSarzt der „Nussia" von der Hamburg-Amerikanischen Gesellschaft gerettet wurde Max Breuer wird hier als ein Mai n geschildert, der unter rauher Außenseite echt deutsche Menschenfl eundlichkeit birgt; er hat, wie wir uns er innern, den Krieg in Frankreich mitgemacht und ist, wie alle Deutsche, bereit und glücklich, uneigennützig einem in der Not befindlichen Franzosen zu helfen. Als Anwalt verschaffte Masson seinem Landsmcnne von der englischen Gesellschaft, der der Seelentiänker gehörte, einen hin reichend großen Betrag al» Eetschädigung, von der Element mit seiner Mutter seither bescheiden leben kenn. Masson und Clement zusammen vermachten überdie» 200 FrcS. der Rettungkgesellschast für Schiffbrüchige in Bremen, und ersterer hat nicht geruht, bis vr. Breuer nun durch Verleihung des Ordens der Ehrenlegion ausgezeichnet wurde. 8 0. Eine mißlungene Bootfahrt über den Ocean Kürzlich wurde mitgeteilt, daß der Amerikaner Capt Andrews, der durch seine wiederholten tollkühnen Versuche, das Weltmeer in einem kleinen Boot zu kreuzen, eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, am 18 Juni den Hafen von Atlantic City im Staate New-Jersey verließ, um sich in seiner Nußschale nach Frankreich zu begeben. E» wrr bereits das siebente Mal, daß Andrews eine so gefährliche Fahrt unternahm; zu seiner großen Betrübnis vermochte er sie aber noch nicht ein einziges Mal wirklich auszuführen. Die Schuld daran, daß ihm auch dieser letzte Versuch, auf den er so große Hoffnungen gesetzt hatte, nicht geglückt ist, trägt aber nicht da« Boot Wenigstens ist der Kapitän fest davon überzeugt, daß ihm das winzige Fahrzeug keinen Strich durch die Rechnung gemacht hätte, da es vorzüglich gebaut und mit allen neueren Verbesserungen auSgestattet war. Seine eigene Unvorsichtigkeit wrr diesmal die Ursache, daß er seine einsame Reise schneller als jemals zuvor abbrechen mußte. Ec hatte statt irgend welcher Spirituosen, die ihm weit bessere Dienste geleistet hätten, nur „Saratoga", ein natürliches Mineralwasser, als Getränk mitgenommen, die Folgen de» beständigen Genusses dieses Fluidums waren recht unangenehme. Bis zum 27. Juni ging alles noch ganz gut, dann aber stellten sich ernst hafte Krankheitserscheinungen ein, und der verlassene Seefahrer verlor zeitweise vollkommen die Besinnung. Er war nicht mehr im stände, die Zeit zu berechnen und glaubte am 1. Juli, als er den ihm begegnenden Dampfer „Camperdown" um Auskunft ersuchte, daß es erst der 28. Juni sei Seine Arme und Beine waren stark ge schwollen, und er klagte über großen Mangel an Appetit. Bald war e« ihm nicht mehr möglich, Nahrung zu sich zu nehmen. Naturgemäß verringerten sich seine Körper kräfte; trotzdem aber weigerte er sich, die ihm angebotene Hülfe des erwähnten Schiffes und später die des Dampfer« „Bremerhafen" in Anspruch zu nehmen. Erst als ihm ein drittes Schiff, der „Holbein", begegnete und ebenfalls Beistand anbot, entschloß sich der kranke Mann, sein Boot zu verlassen, und nur mit Mühe gelang es, ihn auf Deck zu ziehen. Alle brauchbaren Gegenstände und die Natu ralien des Kapitän« wurden an Bord des Schiffe« ge» schafft; daS kleine Fahrzeug selbst, der Stolz des unter nehmenden Seglers, übergab man den Wogen zum Spiel Unter der sorgfältigen Pflege des Schiffsarztes erholte sich der Kranke bald und darf sich jetzt als völlig genesen betrachten Bei seiner vor wenigen Tagen erfolgten An kunft in Manchester wurde er sofort von zahlreichen Be richterstattern überlaufen Kapitän Andrews beabsichtigt, den Winter in London zuzubringen, uni dann im Früh jahr nach Paris zu gehen, wo er in der amerikanischen Abteilung der Weltausstellung irgend eine Thätigkeit zu finden hofft * Vergiftung durch einen Gasbadeofen. Da gegenwärtig Badeöfen mit Gasheizung mehr und mehr in Aufnahme kommen, so ist eS zeitgemäß, darauf hm- zuweisen, daß eine solche Badeemrichtung nicht ganz un gefährlich ist und mindestens gewiße Vorsichtsmaßregeln als unerläßliche Bedingung verlangt. Der Oberarzt der Irrenanstalt Friedrich« derg bei Hamburg, vr. Schäfer, hat seine eigenen bedenklichen Erfahrungen mit einem Gasofen in der „VierteljahrSschrift für gerichtl. Medizin" al« Warnung veröffentlicht In seiner Wohnung war im Keller eine neue Badeeinrichtung mit Gasofen angelegt worden, die zum ersten Male von der Köchin de« Ge nannten benutzt wurde. Der Vorsicht halber besorgte der Arzt diesmal selbst die Heizung de« Ofen» und ging bann hinaus. 1'^ Minuten darauf hörte er ein Geräusch wie da« Fallen eines Stuhles und dann einen gellende» Schrei, er stürzte nach unten unv fand die vorher ver schloßene Thür geöffnet und die Köchin blaß auf dem Fußboden liegen in einem lähmungsartigen Zustande, ver sie jeder Bewegungsfähigkeit beraubte. Sie berichtete, daß sie, eben in die Wanne gestiegen, von einem brennende« Schmerz im Halse und einem starken ErstickungsgesUhle befallen worden sei, sie habe nur noch auü dem Wasser steigen und die Thüre öffnen können, dann sei sie zu sammengebrochen. Heftiger Kopfschmerz, Uebelkeit und ein starkes Frostgefühl hielten noch tagelang an, und erst nach fünf Stunden konnte die Frau sich wieder bewegen. Der Arzt glaubte zunächst an einen nervösen Zufall und benutzte, ohne an eine Gefahr zu denken, drei Tage dar auf selbst da» Bad. Al» er in die Wanne gestiegen war, verspürte er zunächst ein geringes Brennen in den Augen und im Halse, achtete aber nicht weiter darauf. Im Waßer selbst entfiel ihm öfter« die Seife, plötzlich aber merkte er ein Gefühl der Schwere im ganzen Körper, wollte aus der Wanne heraus, konnte es aber nicht mehr, er rief laut um Hilfe, jedoch es kam niemand, und er glaubte nun ersticken zu müßen. Dann schwanden ihm die Sinne, und er kam erst wieder zu sich, al« er die Stimme eines Assistenzarztes hörte: „Es ist ja alles gut, Sie sind gar nicht mehr in der Wanne, sondern im Bett." Er glaubte noch immer im Waßer zu sitzen und vermochte nichts zu sehen Erst allmählich kehrte die Sehkraft der Augen wieder, und das Bewußtsein kam völlig zurück. Durch sein schweres Stöhnen war dieselbe Köchin, die sich selbst in der Gefahr befunden hatte, aufmerksam geworden, und so hatte er, da er die Thüre glücklicherweise nicht verschloßen hatte, noch gerade i» dem Augenblicke gerettet werden können, als daS Wasser in der Wanne seinen Mund erreichte hatte; er wurde röchelnd und völlig besinnungslos aufgefunden. Zu schreien hatte er, wie ihm später gesagt wurde, erst angefangen, als er bereits im Bette lag. Noch tagelang empfand vr. Schäfer einen dumpfen Schmerz im Kopfe, in den Schlüsselbeinen und oberen Rippen, der Appetit fehlte ganz, und besonder« machte sich ein eigentümlicher Druck in den Augäpfeln bemerkbar. Letzterer blieb noch vier Wochen nach dem Unfall bestehen, außerdem eine ' geradezu als krankhaft zu bezeichnende Unruhe, verbunden mit Herzklopfen und einem Gefühl der Empörung, sobald von der Sache gesprochen wurde. Es wurden nun Tier versuche vorgenommen, um die Gefährlichkeit de« Auf enthaltes in dem Baderaume nach Heizung des Ofen« festzustellen. In der That wurde bei zwei Mäusen Kohlenoxydvergistung festgestellt. Außerdem ergab die Untersuchung der Luft eine zehnfache Menge von Kohlen säure über den normalen Gehalt Die Ursache diese« Zustandes wurde darin gefunden, daß das kalte Waßer von oben in den Ofen floß, und daß außerdem rin besonderer Abzug für die Verbrennung» gase am Ofen nicht angebracht war Durch diese Ermittelungen kam auch ein anderer in Hamburg vorgekommener Fall erst zur Aufklärung, in dem unter ganz gleichen Umstände« zwei Menschen im Bade zusammen erstickt vorgefunde« wurden. Nach der Ansicht des Arzte» sollten Gar badeöfen polizeilich untersucht und nur bei Vorhandensein eines Abzugsrohres zugelaßen werden. * Einen AnapästenhymnuS auf das Zweirad, „das ermüdet nie ist und nicht säuft und nicht frißt und nicht ein- und nicht durch- und nicht krummgeht, daS den Reiter nicht schlägt und e» lammfromm erträgt, wenn er noch so brutal mit ihm umgeht", — stimmt der sange»- frohe „Biedermeier mit ei" in der SportSnummer der „Jugend" an. Offenbar ein Nebenbuhler von ihm, der „phlegmatische Biedermaier mit ai" denkt weniger be geistert über den Radsport und die armen Radler: „Außer Atem und rot und mit heiserm „All Heil" und Gebimmel fahren sie schnaufend dahin, förmlich gesotten in Schweiß". Er hätte sich sicher gefreut, wenn er Zeuge deS folgenden Gesprächs geworden wäre: Fragt da halb mitleidig, halb höhnisch ein Herr einen daherfahrenden Radler, dessen schmerzverzogenes Gesicht auf einen Sturz auS heiteren Höhen schließen läßt: „Sie scheinen sich an der Wirbelsäule verletzt zu haben?" worauf ihm die prompte Antwort wird: „Ne, an der Siegessäule!" So was kann allerdings nur im Hochsommer vorkommen! Pygmalion. Novelle von Anton Frhr. v. Zerfall. 2 (Fortsetzung.) Eine Bank, von der aus man freien Ausblick hatte auf den hier glatt und geräuschlos dahirfließenden Strom, auf das gegenüberliegende Ufer mit seinem schwarzen, unregelmäßigen Gerümpel von ärmlichen Häusern, Holzschuppen, Brette, zäunen, rief in ihm den Wunsch deS AuSruhens wach, mit dem er sichtlich einen Augenblick kämpfte, um sich dann mit einer Bewegung, die einen völlig gebrochenen Willen ver riet, darauf niederzulassen. Er warf einen müden Blick auf den Weg zurück, ob nicht der Polizist ihm folge, dann stützte er das müde Haupt in beide Hände und starrte in den trüben Lichtkegel, welchen eine Laterne vom jenseitigen Ufer her übersandte. Was nun? Seit fünf Tagen hatte er seine Wohnung nicht mehr betreten. Die dritte Monats miete war ausständig. Die Hausfrau war eine gute Seele. Sie hatte ihn noch nicht einmal darum an- grsprochen. Aber das ist ja gerade daS Erbärmliche, gegen anständige Leute unanständig sein müssen, lügen müssen: in nächster Woche gewiß, nur ein ganz be sonderes Pech. So geht er aber mit allem und überall, alles beschmutzt, besudelt die Not, man be kommt die Hände nicht mehr rein. Ein immer währendes Abbröckeln da drinnen. Und dabei wird er den angeborenen AristokratiSmuS nicht los, dies sich erhaben dünken über den brutalen Kampf, diese- fich nicht abtrotzen laßen Dann kommt das Schlimmste, das Betäubung- fnchen, Mut, der Mut deS Alkohols, der einen auf Stunden glühen macht vor Thatendrang, überfließen von kühnen Worten und Plänen, in der verpesteten Luft der Kneipe, um einen dann ausgebrannt, willen los in die Gosse zu stoßen. Diese letzten fünf Tage! Was drängte sich in ihnen nicht alles zusammen an kräftigen Entschlüssen, Selbsterkenntnis, böchster Mutlosigkeit, an Plattheiten und großen Empfindungen! Verzweifeln, die Hände in den Schoß legen, weil dir der Erfolg fehlt? Mit neunzehn Jahren? Wer sagt dir denn,'daß du wirk lich ein Künstler bist und kein Stümper Immer diese Kunst, da drängt sich alles heran wie in eine öffentliche Suppenanstalt, und jeder verlangt seinen Topf voll, als wenn es so sein müßte. Aber was weiter? Was nun? Die Nässe drang ihm bis auf die schauernde Haut, und es wird die ganze Nacht regnen Zurückkehren in seine Wohnung, sich der Frau Geiger einfach stellen? — „Hier bin ich, Richard HolouS! Haben Sie noch einmal Geduld!" Zurückkehren muß er ja doch und seine Sieben sachen zusammenpacken. WaS ihn nur immer wieder abhielt davon, jeden Abend, seit fünf Tagen? — Ein ehrliches, aber strenges Gesicht, das dich immer wieder an die arme, gute Mutter erinnert. Richard! Nimm dich zusammen! Werde einmal ein Mann! — Dann der Raum selbst, die Stellagen, die Palette, die unfertigen Arbeiten, die aus allen Ecken ihm ent- gegenschrcien. Er drückte die Hand vor die heiße Stirn, er wußte nicht, weinte er, oder war eS der Regen, der seine Hand gefeuchtet. Ta fuhr er jäh auf. Ein schriller Schrei drang durch die Nacht vom jenseitigen Ufer her, dann verworrene Rufe. Ein Gedanke schoß blitzartig in ihm auf. Er sprang den Abhang herab, dem Flußufer zu. Dunkle Gestalten liefen drüben hin und her. Hilfe! — Dort. — Nehmt den Nachen! Ein Weib — da taucht sie auf! Und wieder der entsetzliche Schrei — nur halb erstickt, jetzt mitten auS dem Strome. Der junge Mann durchspähte, zitternd vor Ei- regung, die dahinschießenden Wasser. Plötzlich tauchte mitten in dem Lichtkegel, welchen der Strahl einer Laterne bildete, etwas Schwarzes auf. Den Mantel abgerissen, rin Wirbel im Haupte, ein Sprung — und Holaus trieb im Strome. In mitten der Eis kälte stieg rs ihm glühend zu Häupten, ein stürmischer Lebcnsdrang. Wenige Schritte stromabwärts stauten sich im weißschäumenden Wirbel die Wasser, und mitten darin erblickte er einen kämpfenden Gegenstand. Er war ein tüchtiger Schwimmer. Schon streckte er die Hand danach aus — erfaßte etwas —, ein Kleid —, einen Körper. Da teilte sich dieses Etwas, im Dunkel nicht zu erkennen. Den größeren Teil reißt der Strudel fort, der kleine bleibt ihm in der fest- geschlossenen Faust. Rasch hebt er ihn mit aller Kraft —, ein schwaches Wimmern —, er hält ein Kind in den Armen. DaS andere, in der Nacht Entschwundene, war wohl die Mutter. Er fühlte schon die Glieder erstarren. Vom anderen Ufer drang stürmischer Zuruf. Er drückte daS Kind, dessen Ärmchen seinen Hals umklammerten, fest an sich. Er fühlte inmitten der Eiseskälte sein pochendes Herz. Ein Kahn kam ihm entgegen Arme streckten sich nach ihm auS. ES war ihm, als ob er mit seinem Schatze ihnen entfliehen müsse an daS Ufer. Doch schon fühlte er sich erfaßt, in den Kahn ge zogen, seine Hände geschüttelt. „Bravo!" „Braver Mann!" „Respekt!" Als jemand das Kind ihm abnehmen wollte, da schloß er fest die Arme um dasselbe und wandte sich ab DaS Ufer war erreicht. Eine Menschenmenge hatte sich gesammelt, um drängte den Aussteigenden, ihn bewundernd, lobend. Ein Weib wollte daS Kind in Holaus Armen er kennen und kreischte durch die Nacht: „Das ist ja daS Mariele, der Fichtner ihr Mariele! Alle Heiligen, das Fichtner-Mariele!" Er hatte noch kein Wort gesprochen, die Zähne aufeinander gepreßt, vom Frost geschüttelt, spähte er nur nach einer Lücke, durch welche er entrinnen konnte. Da blitzte ein Helm auf, ein Polizist trat vor. „Ah, Sie sind-!" ES war der Wachtmeister Opel, welcher sich von dem kreischenden Weibe nähere Auskunft holte. HolauS empfand bei seinem Anblick die erste Genug- thuung. Als aber dieser Miene machte, das in ein zerlumptes Tuch gewickelte Kind ihm abzunehmen, um eS vorschriftsmäßig auf die Polizeistation zu bringen, da weigerte er sich entschieden. Er allein habe jetzt über das Kind zu verfügen, und er wolle es mit nach Hause nehmen. Die Leute ringsum nahmen energisch für ihn gegen den Polizisten Partei trotz aller vernünftigen Einwände desselben. Zuletzt mußte Holaus seiner Aufforderung, mit ihm auf die Polizei zu kommen, wo alles weitere sich wohl ordnen laße, nachkommen. Man warf ihm trockene Kleider zu und begleitete ihn jubelnd bis an die Droschke, welche der Wachtmeister herbeigeholt hatte. (Fons, folgt )
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