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er es bald zum Unteroffizier brachte. Als solcher war er dann längere Zeit juristischer Berater in einer von seinem Regiment eingerichteten Soldatenrechtsberatungsstelle. Aber schließlich mußte er wieder zur Truppe zurück und wurde dann im Juni 1918 durch einen Schrapnellschuß so schwer verwundet, daß er in ein heimat liches Lazarett transportiert wurde. Leidlich genesen, traf ihn in der Heimat schweres Leid in der Familie, das zur Scheidung von seiner ersten Frau führte. Wer diesen feinfühligen, seelisch so zart besaiteten Menschen näher gekannt hat, kann verstehen, wie schwer ihn dies alles seelisch und körperlich niedergedrückt hat. Und dieses Leid zusammen mit den Aufregungen des Krieges hat es wohl dann mit sich gebracht, daß die alte tückische Krankheit, die er für immer überwunden geglaubt, wieder ausbrach. Trotzdem heiratete er Pfingsten 1920 ein zweites Mal, und zwar die Tochter des praktischen Arztes vr. Ludwig in Königstein, die ihm die treffliche Gattin, wie er sie brauchte, und später die treue Pflegerin in seiner schweren Krankheit, seinem Kinde aber eine liebe, gute Mutter wurde. Leider wurde seine Krankheit immer schlimmer. Ich hatte ihn jahrelang nicht gesehen, und erst zufällige örtliche Nachbarschaft brachte uns wieder öfter zusammen: Er lag im Krankenhause zu Königstein und wurde dort von seinem Schwiegervater behandelt, ich lebte den Sommer über mit meiner Familie aus der Laase des nahen Rathen, und da sind wir oft nach Königstein gewandert, um den kranken Ottch zu besuchen. Als er in dieser Zeit zu einer neuen Reise nach Davos rüstete und ich fühlte, daß es wohl seine letzte Reise sein würde, da habe ich noch einen Frankentag der säch sischen Korpsbrüder in Königstein veranstaltet, in deren Kreise er noch einmal in alter Burschenliebe und Burschentreue die gemein sam verlebte Jugendzeit an sich vorüberziehen ließ. Er hielt eine wundervolle Rede, wohl innerlich ahnend, daß er das letzte Mal mit seinen Korpsbrüdern zusammen gewesen war. Kurz darnach fuhr er nach Davos. Ich begrüßte ihn mit meiner Frau auf der Durchfahrt in Rathen, und meine Frau gab ihm noch als letztes Viatikum ihre Strickjacke, ich eine Flasche Eier kognak zur Erwärmung mit — es war nämlich über Nacht wider Erwarten so kalt geworden, daß er auf diese Kälte nicht genügend eingerichtet war. Von Davos erhielten wir dann bald die Nach richt, daß ihm Luft und Kur dort nicht bekämen, und so siedelte er nach kurzem Zwischenaufenthalt in Reiboldsgrün nach Riezlern im österreichischen Allgäu über, wo er am 27. Oktober 1922 viel zu früh für die Seinen und für alle, die ihm nahestanden, dahin geschieden und begraben ist. Wir Tübinger Franken zählten ihn mit Stolz zu den unseren, und seine Klassenbrüder werden ihm mit mir für immer ein treues Gedenken bewahren. Verfaßt von Herrn Regierungsrat Brauße, G. 95, Dresden.