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29 16. Ernst Viktor Müller — einer von den seinerzeit sieben dieses „seltenen" Namens —, geboren am 17. August 1860 im Diakonat zu Markneukirchen i. B., ausgewachsen im Pfarrhaus Neckanitz bei Lom matzsch, „vorgebildet" erst in der Selekta einer etwas gehobenen Volks schule im benachbarten Staucha, dann nach dem Tode des Vaters (1872) in den Unterklassen des Gym nasiums zu Plauen i. V., absolvierte das Alumnat der Fürstenschule 1871 bis 1880 unter dem Rektorat des „Herrschers im Donnergewölk", aber vorzüglichen Lehrers undJnterpreten des griechischen Geistes, Emil Müller, an der Spitze des Lehrer kollegiums: Löwe, Wilibald Schmidt, Rößler, Dinter, Clemen, Wunder, Koch, Gast, Weinhold, Paul Schmid, Kober, Uhlich, Häbler, Pöschel, Kantor Böhringer und „Turn- und Fechtmeister beider Waffen", auch Tanzlehrer Haugwitz. Aus seinem späteren Leben meldet kein Lied, kein Heldenbuch besondere Großtaten und Verdienste, die er deshalb zur Steuer der Wahrheit auch von keinem freundlich gesinnten Lebenslauf-Verfasser sich ange lobt zu wissen wünschen möchte. Nach dem Abgang von der Schule — Ostern 1880 — war das mittellose Theologiestudent- lein eineinhalb Jahr in dem auf hoher, namentlich musikalischer Kultur stehettden Hause des Kaufmanns Voigt in Leipzig, des Schwiegervaters von Professor Clemen in Grimma, zu dessen Unterhaltung aus langjährigem Krankenlager er jeden Vor mittag, Nachmittag und Abend je eine Stunde aus einem Werke der neueren belletristischen Literatur — damals Dahn, Ebers, Freytag, Julius Wolff u. a. — vorzulesen hatte — eine Ver pflichtung, die mit ihrer vorzüglichen freien Station materiell höchst wertvoll, mit ihrer Bildungs- und Literaturkenntnisberei cherung geistig überaus schätzenswert war, aber von dem jungen Füchslein der ersten drei Semester gar manchmal als rechte Fessel der goldenen Burschenfreiheit empfunden und beseufzt wurde — bei aller Dankbarkeit dafür. Doch folgte so etwas wie ein entschädigender Ersatz dafür, insofern, als der spätere Kan didat eine zweijährige Anstellung als Lehrer an der Thomas schule erhielt, und mit dem dadurch entsprechend ausgedehnten Aufenthalt in Leipzig eine Art verlängerter Studentenzeit ver bunden war. Nach Ablegung der Wahlfähigkeitsprüfung (Sommer 1885) ging er ins geistliche Amt, um es vierzig Jahre lang schlecht und recht als Dorfpastor zu bekleiden — zunächst in das idyllische