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Das kann der Hörsaal nicht bieten A Stefan Ulbricht 9 3 Halali mit Pauken und Trompeten — und auch Gitarren spielten eine Rolle, als sich die Freunde der Sektion Mathematik zum Abschlußabend des diesjährigen Studentensommers einfanden. Immer wieder erstaunlich ist es, was junge Leute in kur zer Zeit auf die Beine stellen können. Hier war es ein Singeklub, den sie in drei Wochen neben schwerer körperlicher Arbeit und einem bunten Freizeitprogramm mit Bravour „auf die Bretter 1 gestellt hatten. Auch ein Lied haben sie selbst geschrieben, ein Scherzlied auf die Freundschaft mit den französi schen Werktätigen, denn 50 französische Jugend liche waren ihre besonderen Freunde, die sie zu ihren Diskussionsabenden einluden. Besonders hoch her ging es dann, wenn sich in dieses ohnehin ba bylonische Sprachgewirr von Französisch, Englisch und Deutsch auch noch russische und polnische Worte mischten. Das war wirklich ein kunterbuntes Völkchen, das sich da manchen Abend zusammentat und das ge nauso gespannt und konzentriert den Antworten auf die vielen Fragen lauschte, wie es ausgiebig und herzerfrischend über einen drolligen Fehler in der Übersetzung lachen konnte. Hier ging es dar um, den politischen Blick zu weiten. Und das war so interessant, daß man sogar das schöne Wetter draußen vergessen konnte und ein kleiner Bummel plötzlich nicht mehr so reizvoll erschien. Besonders hat mich hier die Gründlichkeit und fast schon wissenschaftliche Exaktheit beeindruckt, mit der die französischen Freunde unsere Fragen beantwortet haben. Gesprochen wurde übrigens mehr und mehr in Russisch. Einige französische Freunde, die das zu Hause gelernt haben, brauch ten erst etwas Training, aber dann entwickelten sie Fertigkeiten, so daß einige FDJler ganz hübsch rote Ohren bekamen ob der spärlichen Reste ihrer siebenjährigen Ausbildung. „Daraus muß man Leh ren ziehen!" — meinten die Freunde von der TH- Kreisleitung, und ein entsprechender Beschluß, allen Freunden mit gutem Beispiel voranzugehen und wöchentlich einmal geschlossen drei Stunden Rus- sisch zu lernen, existiert ja seit einiger Zeit. Die Franzosen haben hier übrigens nicht nur dis kutiert. Obgleich sie ihren Urlaub hier in Karl- Marx-Stadt verbrachten und mit dem Einsatz der FDJ-Studentenbrigaden nichts zu tun hatten, ha ben sie mitgearbeitet bei der Vietnamschicht am 14. August. Als sie hörten, daß wir den Völkern Indochinas helfen wollten, baten sie gleich darum, mitmachen zu können. „Wir sind empört über die Verbrechen der Amerikaner in Indochina. Nachdem der französische Imperialismus seine verlorene Po sitionen -dort aufgeben mußte, versucht es nun der amerikanische mit den brutalsten Mitteln. Das ist einfah ekelhaft!“ — erläuterte Jean-Claude Michea die Beweggründe der Freunde. Wir sind da ganz der gleichen Meinung; denn es nutzt nichts, wenn man Wunden heilen will und sich nicht klar darüber ist, daß die USA-Imperia listen jeden Tag neue Wunden schlagen. Diese Er kenntnis hat sich bei den Freunden eingeprägt wie die Tatsache, daß man die Probleme der internatio nalen Solidarität verbinden muß mit dem Kampf um die weitere Stärkung unserer Republik. * Drei Wochen tägliche gemeinsame Arbeit, Pau sendiskussionen und abendliches Beisammensein mit den Arbeitern auf dem Bau oder im Betrieb haben sie das gelehrt. Nicht nur die FDJler der „Mathematik“-Brigade haben das begriffen, son dern alle 2300 Freunde, die in den zwei Durch gängen der letzten sechs Wochen ihr Bestes gaben. Und wenn man nicht nur auf der einen Seite die Arbeit sieht und auf der anderen das Vergnügen, wenn man, wie es Frank Walther, der 1. Sekretär der FDJ-Kreisleitung der TH, formulierte, „niveau volle politische Veranstaltungen organisiert, die den Freunden etwas geben und als Erlebnis wirken“, dann macht es erst richtig Spaß. Soviel Spaß macht es dann, wie ihn die Freunde der „Mathe“ bei ihrem Abschlußabend hatten. Alles in allem: Der diesjährige Studentensom mer war für alle eine Studienvorbereitung, wie sie keine Einführungsvorlesung, kein Hörsaal bieten kann. Der Studentensommer 1971 ist vorbei! Es lebe der Studentensommer 1972! — und daß er leben wird, das list keine Sorge. Auf dem Tisch des Bri gadestabes türmen sich die Dankschreiben der Be triebe, und selten fehlt in ihnen die Redewendung „•.. würden wir uns freuen, wenn die FDJ-Stu dentenbrigaden uns auch im nächsten Jahr wieder so gut unterstützen würden“. Bild oben: Einsatz der Studenten brigaden im Wohnungsbau, eine wertvolle Hilfe für unsere Stadt Das Bild zeigt Freunde bei Erd arbeiten in der Yorkstraße. Bild links: Gespräche mit verdienst vollen Arbeiterveteranen - im Bild Max Müller, früherer Oberbürger meister von Karl-Marx-Stadt tru gen nicht nur zum tieferen Ver ständnis des Kampfes der deutschen Arbeiterklasse in der Vergangenheit bei, sie waren auch ein wertvoller Bestandteil der Aussprachen über den VIII. Parteitag der SED. Bild rechts: Während der Vietnam schicht schonte keiner seine Kräfte, gleichgültig, wo er eingesetzt war. Bild unten links: Freunde der Sek tion Mathematik feierten gemein sam mit französischen Jugendlichen den Abschluß des Studentensom mers 1971. Bild unten, Mitte: Auch bei diesem Bauvorhaben im VEB Preß- und Schmiedewerke Brand-Erbisdorf standen die Freunde ihren Mann. Bild unten rechts: Trotz brütender Hitze wurde kräftig zugefaßt — auch von den Mädchen. Fotos: Schröder IllllllllIllllllIllllIIllIlIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII