19 von der Gesamtheit. Das richtige Verständnis für diese Ent wicklung gewinnt man aber, wenn man auf die Faktoren sieht, die dazu zusammengewirkt haben. Von der Bußpredigt des Evangeliums nahm sie ihren Ausgang. Das Wort des Herrn: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst", war das erste, nimmer vergessene, sich je und je entscheidend geltend machende Motiv, aber es war nicht das einzige. Für seine Auffassung und Durchführung war die allgemeine weltgeschichtliche Lage von der größten Bedeutung. In eine in sich selbst zusammenbrechende, ihre innere Verdorbenheit allenthalben offenbarende Welt gestellt, konnten jene Christen der ersten Zeit nicht wohl anders, als sich des Ge brauchs der Welt möglichst entschlagen, auf ein aktives Eingreifen in ihre Angelegenheiten möglichst verzichten. Aber die allgemeine Weltlage erzeugte auch eine gewisse allgemeine Weltstimmung; und das war die der Resignation. Die wirkliche Welt hatte gerade für die edler- und höhergerichteten Geister ihren Reiz verloren; dafür suchte man eine jenseitige, eine überirdische Welt, um sich mit seinem Sinnen und Denken darein zu versenken. Diese Weltstimmung fand ihren Ausdruck in der Philosophie; und hier setzte der Alexandri- nismus ein: er übertrug ihre Anschauungen auf den christlichen Boden und schuf jenes Ideal der Vergottung des Gläubigen, das seitdem der christlichen Frömmigkeit ihren Charakter gab. Als aber das römische Weltreich in Trümmer fiel und mit den germanischen Völkern ein neuer Geist in die Welt einzog, da war der diesem Geiste eigene idealistische Charakterzug, die ihm innewohnende Sehn sucht nach dem Fernen, dem Unendlichen, dem Ewigen der für dieses Frömmigkeitsideal nur zu empfängliche Boden. Wenn es aber da nach schien, als müßte die große Welt ihrem eigenen Verderben überlassen bleiben, so fand hier die im Abendland zu ihrem welt geschichtlichen Bewußtsein erwachende Kirche ihren Beruf. Sie trat in die Mitte zwischen die auserwählte Schar der Christen im vollen Sinne und die große Masse, indem sie durch die ihr anvertrauten Gnaden dem von Gott abführenden weltlichen Thun ein Gegen gewicht bot, und indem sie durch ihre Orden die Welt beherrschte. Diese Gedanken und Beweggründe aber konzentrierten sich in großen Persönlichkeiten, die an den geschichtlichen Wendepunkten der christ- 2*