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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 13.1969
- Erscheinungsdatum
- 1969
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- 39-2-77
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196900006
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19690000
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- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
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- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 13.1969
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- Ausgabe Nr. 3, 16.01.1969 1
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- Ausgabe Nr. 14, 27.03.1969 1
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- Ausgabe Nr. 44, 13.11.1969 1
- Ausgabe Nr. 45, 20.11.1969 1
- Ausgabe Nr. 46, 27.11.1969 1
- Ausgabe Nr. 47, 04.12.1969 1
- Ausgabe Nr. 48, 11.12.1969 1
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Band 13.1969
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Franz Josef Strauß, ehemaliger Bonner Kriegsminister, jetziger Bonner Finanz- minister, Ritter des sogenannten Deutschen I Ordens, Vorsitzender der CSU, Großmacht chauvinist und Gangsterboß, ein Mann, den nicht einmal die berüchtigte „Spiegel- Affäre" für immer ins zweite Glied verwei sen konnte, ein Mann, über den selbst ein Helmut Schmidt — genannt Schmidt- Schnauze —, sozialdemokratischer Frak- tionsvorsitzender, nach den Koalitionsver handlungen 1966 sagte, daß er eine Kröte sei, die man schlucken mußte — aber ein Mann der Hochfinanz, des westdeutschen Großkapitals, legte 1968 die Fortsetzung des Expansionsprogramms der Monopole, das er „Entwurf für Europa“ genannt hatte, unter dem Titel „Herausforderung und Ant wort“ (Stuttgart 1968, Seewald Verlag) auf den Tisch. Strauß hat seine gefährlichen Absichten keineswegs aufgegeben. Die Grundlinien der beiden Bände sind nahezu deckungs- gisich. Die weltpolitische Entwicklung der letzten Jahre, das Scheitern der konter revolutionären Umsturzversuche am 21. Au gust 1968, der beharrliche Kampf der UdSSR um den Abschluß des Atomwaffen sperrvertrages, das gescheiterte Vietnam- Abenteuer der USA, die französische Poli tik gegenüber dem sozialistischen Welt system und die innenpolitische Entwick lung in Westdeutschland haben ihn offen bar veranlaßt, bestimmte Thesen zu modi fizieren. Strauß - Sachwalter der Konzerne Da er von seinem Ziel, die Ergebnisse des 2. Weltkrieges zu korrigieren und die Vorherrschaft des deutschen Imperialis mus über Europa zu erringen, geradezu be sessen ist, gelingt es ihm nicht immer, hin ter dem Vorhang der von ihm entworfenen europäischen Zukunftsvision seine wahren Absichten zu verbergen. Ab und an zeigt er sein Gesicht — das Gesicht eines berech nenden, kein Risiko scheuenden Sachwal ters der westdeutschen Bank- und Indu striekonzerne. So führt er — wie schon so oft — an, daß es auf die Dauer kein Deutschland (gemeint ist Westdeutschland, G. K.) geben könne, „das wirtschaftlich ein Riese und politisch ein Zwerg ist.“ (S. 203) Da Politik in erster Linie eine Machtfrage sei, „eröffnet uns das Maß unserer Macht Chancen, und es setzt uns Grenzen.“ (S. 195) Darum geht es ihm — um die Macht, um die Macht seiner Hintermaänner und um seine persönliche. Im Interesse dieser von ihm angebete ten Macht des deutschen Imperialismus beharrt er auf den bekannten Grundthesen der Bonner Regierung von Adenauer bis Kiesinger, um den Status quo zu verän- dem.----- Strauß ist strikt gegen jede Anerken nung der DDR und pocht auf den aggres siven Alleinvertretungsanspruch. Von der DDR spricht er nur in Anführungszeichen, als „Sowjetzone“ oder „Pankow“. Zur Be gründung wird nicht nur das „Selbstbe stimmungsrecht“, das in der DDR angeb lich täglich und stündlich verletzt worden sei und verletzt werde, arg strapaziert (S. 134 ff.), sondern es werden der DDR sogar Aggressionsabsichten gegenüber der westdeutschen Bundesrepublik unterstellt. Das klingt ungeheuerlich, aber Strauß tut es. So heißt es wörtlich, daß im Falle einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch die Bonner Regierung für die DDR „die konkrete Möglichkeit geschaffen“ wäre, „all ihre Kraft auf die Expansion zu konzentrieren.“ (S. 136) Für das Vor gehen von Franz Josef Strauß ist dabei charakteristisch, daß er Tatsachen, die seine Meinung zu rechtfertigen scheinen, verdreht oder erfindet, daß er bestimmte Sätze aus den Dokumenten der Regierung | Franz Josef I I Strauß' Griff in I i die Geschichte j ■ Von Dr. Günter Katsch ■ E I der DDR oder der SED herausreißt und sie sinnentstellend interpretiert. All das, was offenkundig selbst den Bild-Zeitung- Leser zum Nachdenken veranlassen könnte, wird einfach ignoriert. So wird z. B. der Volksentscheid über die Annahme der so zialistischen Verfassung der DDR mit kei nem Wort erwähnt. Auch die Anerkennung der Oder-Neiße- Grenze lehnt Strauß ab. Er würde einen solchen diplomatischen Akt lediglich in Erwägung ziehen, wenn die Volksrepublik Polen eine antisowjetische Haltung ein nehmen würde. Da Strauß das für ausge schlossen hält, ist er nicht bereit, über die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu diskutieren (S. 137). Der 2. Weltkrieg ist für ihn nicht zu Ende. Große Sorgen bereitet Strauß deshalb auch der Atomwaffensperrvertrag, den er — auch das dient der Irreführung — als „Atomsperrvertrag“ bezeichnet. Alle be kannten, von der Bonner Regierung bis zum Überdruß vorgebrachten Scheinmo tive werden von ihm angeführt. Strauß' Plädoyer für ein bundesstaatliches „Europa der Völker" Aus der Ablehnung des Status quo ent wickelt Strauß sein politisches Glaubens bekenntnis, das er im ersten Buch „Ver einigte Staaten von Europa“ nannte. Dort hieß es bereits: „Ein einzelner europäischer Staat kann heute nicht mehr wirklichen Einfluß auf das globale Geschehen neh men. Nur ein bundesstaatliches Europa der Völker wäre überhaupt in der Lage, die Interessen der europäischen Nationen gegenüber den Weltmächten kontinentaler Größenordnung (gemeint sind die UdSSR und die USA, G. K.) wirkungsvoll zur Geltung zu bringen.“ (Stuttgart 1966, S. 9) Ganz im Sinne dieses vermeintlichen Aus weges heißt es im zweiten Buch: „Wir kön nen nur Deutsche bleiben, wenn wir Eu ropäer werden.“ (S. 129) Das ist der Kern beider Bücher. Auf den darin zum Aus druck kommenden Zusammenhang von spätbürgerlichem Nationalismus und natio nalem Nihilismus ist von marxistischen Gesellschaftswissenschaftlern bereits mehr fach und ausführlich hingewiesen worden. Was Strauß in Wirklichkeit will, ist das englisch-französische Atombombenpoten tial. Sein Buch enthält einen genauen Plan, wie es allmählich in die Hände des west deutschen Monopolkapitals gelangen könnte. (S. 1891). Als scheinbar zwingende Gründe für die Notwendigkeit seiner „Auflockerung Europas“ führt Strauß im wesentlichen drei Faktoren an, die unterschiedliches Ge wicht besitzen: Den Hauptgrund sieht er in der angeb lichen Bedrohung der westeuropäischen Länder durch die UdSSR und die War schauer Vertragsstaaten. Es gibt keine einzige Seite in dem ganzen Buch, auf der das Wort Sowjetunion ohne herabsetzende oder diskriminierende Adjektive gebraucht wird. So wird der KPdSU z. B. die Ge schichte des russischen Zarismus zur Last gelegt. Nach Strauß habe es durch Jahr hunderte hindurch einen aggressiven rus sischen Militarismus gegeben. Dessen Erbe hätten die Bolschewiki angetreten. Seit 1917 sei die „imperialistisch-militärische“ Komponente lediglich durch eine „ideolo gisch-revolutionäre“ ersetzt worden. Daß Lenin, der geistige Erbe von Marx und Engels, als Politiker dargestellt wird, der Niccolo Machiavelli zum erklärten Vorbild gehabt habe, zählt zu den geringsten Aus fällen des Franz Josef Strauß. (S. 134 und 59) Seine Haßtiraden übertreffen stellen weise noch die des „Schwarzen Korps“ oder gewisser Epigonen der George-Schule. Den zweiten, allerdings weitaus weniger wichtigen Grund bildet die Furcht von Strauß, daß die USA mit sich selbst genü gend zu schaffen hätten und an Europa, besonders an Westdeutschland, merklich an Interesse verlören. Diese Furcht gibt er wiederholt offen zu. So heißt es, „daß to tale militärische Abhängigkeit von den USA die Entscheidung über die letzten Fra gen der Sicherheit den nicht immer be rechenbaren Entwicklungen der amerika nischen Innenpolitik überläßt.“ (S. 152). Selbst die stärkste Macht des Imperialis mus erscheint Strauß als Bündnispartner für die Verwirklichung seiner abenteuer lichen Politik zu unsicher. Einen dritten Grund erblickt Strauß in dem wirtschaftlichen Zurückbleiben der westeuropäischen Länder gegenüber der UdSSR und den USA. Dabei unterlaufen ihm interessante Eingeständnisse darüber, daß die USA gegenüber ihren westeuro päischen „Verbündeten“ Methoden des Kon kurrenzkampfes anwenden — z. B. syste matische Abwerbung von Hochschul kadern —, die der Bonner Staat vor dem 13. August 1961 gegenüber der DDR prak tiziert hat. (S. 149 ff.) Strauß' Geschichts(zerr)bild Neu an dem zweiten Buch von Strauß ist, daß er sich an der Geschichte ver greift, die dazu herhalten: muß, daß die UdSSR eine Macht sei, die angeblich mit Europa nichts gemein habe, daß das Zeit alter der Nationen endgültig vorbei sei und dergleichen mehr. Die von westdeut schen Historikern entwickelten Leitlinien — von der Europaideologie bis zur Totali tarismusdoktrin — werden zu Rate gezo gen. Kein Wunder, daß die Geschichte auf Schritt und Tritt verfälscht wird. Der 1. Weltkrieg war nach Strauß kein imperialistischer Krieg, an dem das deut sche Monopolkapital die Hauptschuld trug — das wird auch von maßgeblichen bür gerlichen Historikern wie A. J. Toynbee akzeptiert —, sondern der „geradezu klas sische Fall eines durch Verwirrung und Fehleinschätzung entstandenen Konfliktes“ (S. 22). Schuld am 2. Weltkrieg sei nach Strauß vor allem die UdSSR gewesen, da sie „sich davon entscheidende Fortschritte auf dem Wege zur Weltrevolution und Weltherr schaft“ (S. 25) erhofft habe. Ansonsten trage Hitler persönlich die Schuld (S. 49). Das erinnert an das berüchtigte Machwerk „bei’ erzwungene Krieg“ eines David Hog- gan, der derartige Geschichtsfälschungen beging, daß er zunächst nicht einmal in den USA — seinem Heimatland — einen Verleger fand. Die Betrachtung der Geschichte nach 1945 fügt sich harmonisch in dieses Zerr bild ein. Man ist deshalb schon gar nicht mehr verwundert, von Strauß darüber be lehrt zu werden, daß nicht die USA im trauten Verein mit der westdeutschen Mo nopolbourgeoisie Deutschland aufgespal ten haben, sondern daß daran die UdSSR schuld sei (S. 39) oder daß die Bevölkerung der DDR bereits 35 Jahre unter einer Dik tatur lebe (S. 142). Strauß freilich war schon seit 1939 gegen Hitler, sagt er jeden falls (S. 481). Anmerkungen über Strauß' geistige Berater Damit seine Konzeption an Glaub würdigkeit gewinnt, hat Strauß zahlreiche geistige Anleihen aufgenommen. Kron zeugen für seine Thesen sind der anti kommunistische französische Publizist Jean-Jacques Servan-Schreiber, der ameri kanische Unterstaatssekretär George Wild man Ball und Zbigniew Brzezinski. Auf dem Umwege über das Buch Servan-Schrei- bers „Die amerikanische Herausforderung" hat sich Strauß einige wenige Elemente der Geschichtsphilosophie von Arnold Joseph Toynbee angeeignet. Der Titel sei nes Buches ist mit der Überschrift des V. Kapitels aus Toynbees Werk „Der Gang der Weltgeschichte“ identisch: Heraus forderung und Antwort. Toynbee, nach Oswald Spengler Begründer einer wei teren Zyklentheorie, die ihm und seinem westdeutschen Epigonen Othmar F. Än derte von anderen bürgerlichen Histori kern den Verweis eintrug, ein Unglücks prophet zu sein, entwickelte die Ansicht, daß die Umwelt den Menschen heraus fordere. Er unterscheidet u. a. den Anreiz der harten Länder, des Neulands, der Schläge, des Druckes und der Belastungen, In der Antwort auf diese Herausforderun gen haben sich nach Toynbee die Kultu ren gebildet. Von Strauß wird der Begriff „Herausforderung“ politisiert. Für ihn ist der Sieg der UdSSR über den Faschismus die „geschichtliche Katastrophe unseres Jahrhunderts“. (S. 28) Darauf will er ant worten. Neben Toynbee hat Strauß eine Vielzahl von Philosophen und Historikern beschworen, aus deren Werken er einzelne Stellen herausgerissen und in seine Fas sung der Geschichte eingegliedert hat. Wir lesen die Namen von Franz Schnabel, der in den sogenannten „synchronopti schen Skandal“ verwickelt war, von Jose Ortega y Gasset, der den Volksmassen die Fähigkeit absprach, ihr eigenes Dasein ge stalten und lenken zu können, ja, es ihnen in seltener Überheblichkeit sogar verbot, von Theodor Schieder, eines führenden Historikers der Gruppierung um Hans Rothfels, von Graf Coudenhove-Calergi, der die reaktionäre Pan-Europa-Bewegung begründete, von Ernst Jünger, eines ideo logischen Wegbereiters des deutschen Fa schismus und anderen mehr. Wir brauchen keine von Atomwaffen starrenden „Vereinigten Staaten von Eu ropa“ unter der Führung des westdeutschen Imperialismus, sondern die kollektive europäische Sicherheit. Das hatte selbst der von antikommunistischen Vorbehalten nicht freie Toynbee erkannt, als er bereits 1950 schrieb: „Was die gegenwärtige Lage offensichtlich erfordert, ist eine freiwillige Vereinigung der friedliebenden Völker der Welt in genügender Stärke und mit aus- reichendem Zusammenhalt, so daß sie un angreifbar wäre für jeden, der sich von diesem kollektiven Sicherheitspakt aus schließt oder ihn bricht.“ Das hat Strauß aber sicher nicht einmal gelesen. Die Be denken, die der britische Geschichtsphilo- soph und Historiker zeit seines Lebens ge genüber dem deutschen Nationalismus und Chauvinismus hegte, werden in der Gegen wart von Kräften geteilt, die die soziali stischen Länder bis zu bürgerlichen Krei sen in den imperialistischen Kreisen um fassen. Franz Josef Strauß kann sicher sein, die gebührende Antwort auf seine Herausforderung zu erhalten. Provokation unter Polizeischutz Oder: Jeder blamiert sich, so gut er kann Mit einem massiven Vorstoß unter breiter Be teiligung von Neonazis will die Regierung Kiesinger/ Strauß/Brandt ihre Pläne, die selbständige politische Einheit Westberlin dem Herrschaftsbereich des westdeutschen Monopolkapitals einzuverleiben, der Verwirklichung einen Schritt näher bringen. Die An nexion Westberlins soll eine erste Stufe des von Strauß konzipierten Programms zur „Neuordnung Europas“ unter Vorherrschaft des westdeutschen Im perialismus sein. Aber wie stets in der Geschichte verkennt der deutsche Imperialismus die Grenzen seiner Macht, die ihm das internationale Kräftever hältnis setzt. Schon heute hat sich die provokatorische Absicht, in Westberlin die Bundesversammlung tagen zu las sen, in eine politische Niederlage für Bonn verkehrt: Ein weiteres Mal und mit zunehmender Deut lichkeit beweist die Bundesregierung, daß sie sich um die Interessen der Westberliner keinen Pfifferling schert. Zwar salbadern Springers und der IG Farben Zeitungen unaufhörlich davon, daß man eben im Interesse der Westberliner „hart bleiben" müsse, aber die gleichen Blätter berichten von um fangreichen Vorbereitungen gegen erwartete Aktio nen der Westberliner, die ihre Stadt nicht zur Ver schärfung des expansionistischen und revanchisti schen Bonner Kurses mißbrauchen lassen wollens Auf Garantien gegen Störungen legt lauch der Bundeskanzler entscheidenden Wert. Man nimmt an, daß sich der Re- gierende Bürgermeister von Berlin, ge- rade in seinen letzten Gesprächen in Bonn m dieser Hinsicht entschlossen geäußert hat Viele Abgeordnete meinen allerdings, die Berliner Polizei werde 'sich dann anders als bei manchen bis herigen Vorfällen der letzten Zeit ver halten müssen; sie habe eine sehr schwierige Aufgabe. wEinbesonderesProblemwarrürden Altestenrat eine Garantie der sicher rungegrBundesversammlungvorst- („Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 13. 2. 1969) Eine „sehr schwierige Aufgabe“! Schau an - wegen einer klitzekleinen Miniminderheit, wie die Springer-Journaille ihren Lesern glauben machen will? Halten wir fest: Ein immer größerer Teil der Westberliner Bevölkerung erkennt die Störenfried rolle Bonns in Europa und wehrt sich gegen die Ein beziehung ihrer Stadt in solch gefährliche Manöver. Politischer Erfolg oder politische Niederlage für Bonn ? © Sind schon Polizeivorbereitungen zur Sicherung einer Präsidentenwahl nicht eben ein Zeichen von Stärke — es gibt noch mehr Anhaltspunkte da für, daß Bonn sich mit Gewalt lächerlich machen will. Man denke an die Reaktionen auf die Schutz maßnahmen unserer Republik. Vorläufig machen, sich die Wahlmänner noch die Hoffnung, sie seien von den Sperren der DDR nicht betroffen, da sie ja fliegen könnten. Doch weiß keiner, wie sicher die Luftkorridore sind. („Süddeutsche Zeitung“, 11. 2. 1969) Aber damit nicht genug: Bonn hat Schwierig keiten, seine Wahlmänner zusammenzubringen. | 'Aus den Landtagen hört man, der eine oder I andere habe sich als Wahlmann nicht zur Ver- I fügung gestellt, weil er aus politischen Grün- I den gegen eine Wahl in Berlin sei. Andere I könnten sich mit „Krankheit“ entschuldigen. Die I Fraktionen machen sich schon Gedanken, ob I die in den beiden ersten Wahlgängen erforder- I liehe absolute Mehrheit aller 1036 Wahlmänner I überhaupt zustande kommen kann. Doch wenn | auch diese Hürde . genommen ist, droht das Schreckgespenst APO in Berlin mit Störungen. („Süddeutsche Zeitung“, 11« 2, 1969) Um Mißverständnissen vorzubeugen: Wir zweifeln nicht daran, daß sich schließlich doch genug gewissen lose Hasardeure finden werden, aber allein, daß solche Erörterungen nötig werden — politischer Erfolg oder politische Niederlage für Bonn? © Am allerdümmsten benehmen sich jene West berliner Gazetten, die alle Gegner des Bonner Annexionsabenteuers — z. B. die Konvente, die ge wählten Studentenvertretungen beider Westberliner Universitäten — damit zu verleumden suchen, sie machten Ulbrichts Politik. Gewiß, all jene, die sich gegen die geplante Pro- vokation wenden, unterstützen die Politik der DDR. Tun sie das um unserer schönen blauen Augen wil len? Nicht Ulbrichts wegen, sondern weil sie die Poli tik des Staates, der Partei, die Genosse Ulbricht lei tet, als vernünftig, dem Frieden und der europä ischen Sicherheit dienend erkennen — ganz im Gegensatz zu der der Herren Kiesinger, Strauß und Brandt — befinden sich viele Westberliner und west deutsche Demokraten im Einklang mit unserer Poli tik. Genauso wie übrigens Politiker und überhaupt Menschen mit gesundem Verstand in der ganzen Welt. Solcherart Erfahrungen mit der grundverschiede nen Politik in beiden deutschen Staaten häufen sich. Politischer Erfolg Bonns oder Stärkung der politischen Position der DDR? Die Antwort ist schon heute eindeutig. rom UZ 10/69, Seite 5
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