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uf dem 9. Plenum des ZK der SED wurde herausgearbeitet, daß die Auf gaben der Gesellschaftswissenschaftler „vor allem auch dadurch bestimmt wer den, daß der Kampf zwischen Sozialismus und Imperialismus ausnahmslos alle Ge biete des gesellschaftlichen Lebens er faßt ... Dieser Kampf verschärft sich insbesondere auf dem Gebiet der Ideologie immer mehr“. Nach- dem durch die Maßnahmen der verbündeten soziali stischen Länder am 21. August 1968 ein Aufrollen der CSSR — und davon ausgehend der anderen soziali stischen Länder — verhindert wurde, konzentriert sich der westdeutsche Imperialismus auf die DDR. Das Scheitern der Ostpolitik Brandts, dem „Prager Frühling“ einen „Ostberliner Frühling“ folgen zu lassen, rief bei Kreisen um F. J. Strauß den Ent schluß hervor, eine noch „neuere Ostpolitik“ zu be gründen. einen neuen ..Waffengang“ mit direktem Ziel DDR. Klaus Bloemer. der außenpolitische Berater von F. J. Strauß, hat diese Konzeption am 20. 9. 1968 offen in der „Zeit“ verkündet: „Eine Ostpolitik, die auf die Vereinsamung des zweiten deutschen Staa tes beziehungsweise des dort herrschenden Regimes spekuliert, treibt die DDR zwangsläufig in immer größere freiwillige Abhängigkeit von der sowjeti schen Teilungsmacht. Eine europäische Antwort auf die Protektoratspolitik der Sowjetunion wird über haupt erst denkbar, wenn die DDR vom Westen ihre Souveränität zuerkannt erhält ...“ Und diese An erkennung der DDR mit dem Ziel ihrer Heraus lösung aus dem lebenswichtigen Bündnis mit der Sowjetunion wollen Bloemer und andere mit öko nomischem ..Entgegenkommen“ honorieren. Diese Aktivitäten des westdeutschen Monopol kapitals sind ein erster Schritt, mit dem sie der eigenen Bevölkerung und den Bürgern der DDR vorgaukeln wollen, daß „nunmehr eine Ära der all gemeinen Entspannung in den Beziehungen zwischen der westdeutschen Bundesrepublik und der DDR anbreche“, wie Außenminister Otto Winzer auf der 12. Volkskammersitzung formulierte. Obwohl das offizielle Bonn mit noch keinem Schritt von der Revanchepolitik gegenüber der DDR und den ande ren sozialistischen Ländern abgerückt ist, obwohl es nach wie vor auf der Alleinvertretung beharrt, obwohl es dem Neonazismus Tür und Tor öffnet — um nur einige Momente hervorzuheben — versucht es sich den Mantel eines friedliebenden demokrati schen Staates umzuhängen. Die Hauptmittel zur Propagierung dieser noch „neueren Ostpolitik“ sind die Massenmedien, ins besondere Funk und Fernsehen. Unverhohlen legt das der Franzose Servan-Schreiber im Vorwort zu F. J. Strauß „Herausforderung und Antwort“ dar: „Die Osteuropäer brauchen nur Radio zu hören, um festzustellen, daß vor ihrer Tür, in Westeuropa, Überfluß und Freiheit durchaus zusammengehen.“ Und in seinem eigenen Buch „Die amerikanische Herausforderung“ schwärmt er von den Möglich- keiten mittels der verschiedenen Satellitensysteme weltweite Fernsehsendungen zu organisieren. Tat sächlich hatten ja westdeutsche Fernseh- und Rund funkstationen bei der ideologischen Unterwanderung der CSSR bis hin zur Konterrevolution beträcht liche Erfolge. Nun wird das gleiche Ziel hinsicht lich der DDR verfolgt. Die Sende- und Verstärker- Stationen an der Staatsgrenze zur DDR werden lau fend vervollkommnet, in jüngster Zeit erfolgte die Umstellung auf das Farbfernsehen, mit dem ein großer Teil der DDR-Bürger erreicht werden soll. Etappenweise werden also die Angriffe forciert und modifiziert. Der Höhepunkt ist für die Zeit der Ornpischen Spiele 1972 in München vorgesehen. Mit diesen - hier nur grob skizzierten - Angrif fen des westdeutschen Imperialismus muß sich in Zu Wesen und Erforschung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus Der Klassenkampf und das Programm der Sektion ML Von Dozent Dr. Jürgen Becher, stellvertretender Direktor der Sektion Marxismus-Leninismus der Lehr- und Erziehungsarbeit jeder Gesellschafts wissenschaftler auseinandersetzen. Die Lösung der vielfältigen Aufgaben bei der Gestaltung des ent wickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus und die ständige offensive Auseinandersetzung mit der Ideologie des Klassengegners erfordern die ganze Kraft des Kollektivs der Parteiorganisation. Jeder Angehörige des Lehrkörpers muß durch die Diskussion der politisch-ideologischen Grundfragen unserer Zeit befähigt werden, die Parteibeschlüsse umgehend im Lehr- und Erziehungsprozeß umzu setzen. So kommt es in Auswertung des 9. Plenums des ZK darauf an, uns selbst und den Studenten die führende Rolle der Partei bis ins Detail klarzu machen. So genügt es heute nicht mehr, wenn in der Politischen Ökonomie des Sozialismus die sozia listischen Produktionsverhältnisse unabhängig von der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei, unabhängig vom sozialistischen Staat als dem wichtigsten und umfassendsten Machtinstru ment der Partei und unabhängig von der sozialisti schen Staatengemeinschaft dargestellt werden. Die Erfahrungen in der CSSR lehren doch gerade, daß mit dem Zurückdrängen der führenden Rolle der Partei in der Wirtschaft die systematische Auf lösung der sozialistischen Produktionsverhältnisse einsetzte. Aber gerade das will der westdeutsche Imperialismus erreichen. Deshalb winkt er mit der Anerkennung, deshalb bietet er Kredite an, deshalb brennt er auf ein Treffen Schiller/Sölle. W. Ulbricht hat auf dem 9. Plenum zu diesen Fra gen eindeutig Stellung genommen. Zur Anerken nung sagte er: „Natürlich verlangen wir von jeder mann, von jedem Staat und jedem Politiker, der irgendwelche Beziehungen zur DDR zu unterhalten wünscht, daß er unsere vom Volk einmütig be schlossene Verfassung respektiert.“ Das ist mehr als eine Antwort an Bloemer und seine Hintermänner! Und hinsichtlich der ökonomischen Position der Vertreter der noch „neueren Ostpolitik“ formulierte der Erste Sekretär des ZK: „In der erbitterten Aus einandersetzung zwischen Sozialismus und Imperia lismus im Weltmaßstab kristallisiert sich als ein Gesetz des Klassenkampfes zwischen sozialistischen und imperialistischen Staaten die Notwendigkeit für die sozialistische Staatengemeinschaft heraus, jedes wichtige wissenschaftlich-technische, militärische, ökonomische und andere Problem aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln zu lösen.“ Das heißt nicht, daß die DDR gegen den Handel mit Westdeutsch land ist, die neuerlichen Handelsabmachungen zwi schen den beiden deutschen Staaten beweisen es. All das und vieles mehr sind Probleme der sozia listischen Produktionsverhältnisse. Wie müssen wir sie aber packen und durchgängig in ihrer Dialektik mit den Produktivkräften unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution in der Politischen Ökonomie des Sozialismus gestalten? Das gegenwärtig gültige Rahmenlehrprogramm für den Marxismus-Leninismus gibt darauf keine Ant wort. Es ist darum ein echtes Bedürfnis für die Lehre, die sozialistischen Produktionsverhältnisse in ihrer Bedeutung für das Lehrsystem der Politischen Ökonomie des Sozialismus und für das Heraus bilden eines wissenschaftlichen Sozialismusbildes zu erforschen. Dieser Komplex ist ein Schwerpunkt im Rahmen des Forschungsprofils der Sektion Marxis mus-Leninismus; er wird in Kooperation mit dem Lehrstuhl Politische Ökonomie des Sozialismus beim Institut für Gesellschaftswissenschaften des ZK der SED, der Leiteinrichtung für die polit-ökonomische Forschung der DDR, erarbeitet. Die ersten Ergeb nisse müssen bereits in das neue Lehrprogramm einfließen, das die Sektion im Auftrag des Ministe riums für das Hoch- und Fachschulwesen für die gesamte Republik erarbeitet. Es kommt im Zusammenhang mit der Gestaltung des neuen Lehrprogramms überhaupt darauf an, wie es mit Recht von vielen Lehrgruppen gefordert wird, die wissenschaftliche Diskussion der Grund- Probleme aller Lehrgebiete an der Sektion ins Leben zu rufen. Die Überwindung der „Notgemeinschaf ten“ für die Fertigstellung von Dissertationen und die Konzentration der Forschungsarbeiten auf den Forschungsschwerpunkt „Gesetzmäßigkeiten und Entwicklungsrichtungen des marxistisch-leninisti schen Grundlagenstudiums als Zentrum der sozia listischen Klassenerziehung der Studenten“ mit den verschiedenen Untergruppen (z. B. „Sozialistische Produktionsverhältnisse in ihrer Bedeutung für das Lehrsystem der Politischen Ökonomie des Sozialis mus und für das Herausbilden eines wissenschaft lichen Sozialismusbildes“) und auf die Imperialis musforschung im Rahmen der Karl-Marx-Universi tät, wird die gemeinsame Grundlage wissenschaft licher Diskussionen bilden. Die inhaltliche Durch dringung der Lehrgebiete der Sektion, die Erörte- rung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse — wie sich insbesondere in den Parteibeschlüssen widerspiegeln — und der unmittelbare Umsetzungs prozeß in der täglichen Lehr- und Erziehungsarbeit werden uns in die Lage versetzen, nicht nur ein neues Lehrprogramm Marxismus-Leninismus für die Universitäten und Hochschulen der Republik auszuarbeiten, sondern gleichzeitig ein höheres Niveau in der klassenmäßigen Erziehung der Stu denten zu erreichen. NEUBEiDIETZ Der Klassenstandpunkt ist kein Stehpunkt Das Erreichte kommt mit neuen Forderungen Als Weihnachtsgeschenk des Jahres 1968 legte der Dietz Verlag der Öffent lichkeit auf 46 Seiten bemerkenswerte Gedanken aus der Feder von Dr. Klaus Hilbig, Chefredakteur des „Forum", zum Thema; „Was ist das — der Klas senstandpunkt?" auf den Gabentisch. Die kleine Schrift bietet weitaus mehr als der Titel verspricht, und jeder FDJ- Funktionär - vom Gruppenleiter bis zum Sekretär der FDJ-Kreisleitung - wird sie mit Gewinn lesen. H. hat kei neswegs die Absicht, mit langatmigen, theoretischen Erörterungen über die Be griffe „Klassenstandpunkt" und „Klas senbewußtsein" dem Leser das eigene Denken zu verleiden, sondern plädiert für die Fähigkeit an jede beliebige Er scheinung richtig herangehen zu kön nen." Auf dieses Herangehen kommt es ihm vor allem an (S. 45). Seine Überlegun gen über die beiden Begriffe bilden deshalb nur den Ausgangspunkt für Ge danken über persönliches Verhalten und über die Leitungstätigkeit und den Ar beitsstil im Jugendverband. Das sind für ihn keine organisatorischen, sondern in haltliche Fragen. Die Schrift baut - ohne das darauf verwiesen wird — auf den Beiträgen des Verfassers zum Thema „Klassenstandpunkt" im „Fo rum", auf der Leserdiskussion und auf Untersuchungen und Gespräche der „Forum"-Redakteure in Betrieben und mit Studenten auf. In dieser guten Quellenbasis ist eine der Ursachen ih res Wertes zu suchen. Diese Quintes senz mehrerer Jahre wird deshalb in er ster Linie für den ein geistiges Vergnü gen darstellen, der die Vorgeschichten kennt. Sie wird aber auch zum Wider spruch herausfordern. H. bleibt auch seiner Berufsehre als Philosoph und Journalist nichts schuldig. Exaktheit und Lebendigkeit der Darstel lung verschmelzen zu einer Einheit. Es ist ihm gelungen, komplizierte Zusam menhänge und sich wissenschaftlich ge bende Theorien auf ihren Grundgehalt zu reduzieren und das Verständnis da durch zu erleichtern. Gleichzeitig provo ziert er ständig die geistige Diskussion mit dem Leser. Völlig zu Recht sieht H. im Klassen standpunkt einen Punkt, „von dem aus alle Veränderungen in der Welt zu be werkstelligen wären, . . . der zugleich zum Maßstab aller Überlegungen über das menschliche Leben langt." (S. 4). Er beinhalte nicht nur die Kenntnis der historischen Mission der Arbeiterklasse, „sondern auch Fähigkeiten und Verhal tensweisen, die in der Arbeiterbewe gung entstanden sind und in der sozia listischen Menschengemeinschaft unter Führung der Arbeiterklasse weiterent wickelt werden." (5. 9) Auf diese Fähig keiten und Verhaltensweisen wird auf den folgenden Seiten anschaulich näher eingegangen. Der Klassenstandpunkt ist jedoch kein Stehpunkt. Zu den speziellen Fähigkei ten der Partei der Arbeiterklasse gehöre es, aus der richtigen Prognose gesell schaftlicher Prozesse für das Idealstre ben der Jugend immer neue Zielpunkte zu setzen." (S. 23) Diese Zielpunkte zu erreichen, setze aber revolutionäres Verhalten voraus. Diese Feststellung veranlaßt H. zu zwei Fragen: Was ist und wie wecken wir heute, unter unseren Bedingungen, revo lutionäres Verhalten? Wodurch wird das Denken und Handeln des sozialistischen Produzenten geprägt, an welchen Punk ten wird es über das Maß dessen, was I in einem sozialistischen Staat gesetzlich schon verankert ist, hinausgehen? Wo hin richtet sich sein revolutionärer Ta- i tendrang? Die Antwort auf diese Fragen sucht H. u. a. in der Dialektik von zentraler Führung und Initiative zu finden. Er sieht die weitere Gestaltung des sozialisti schen Bewußtseins als eine sich objek tiv vollziehende Entwicklung des Klas senstandpunktes in die Breite (S. 33) und als Aufgabe der Schrittmacher an. (S. 34) Daraus ergeben sich für H. Konse quenzen für die Arbeit des Jugendver bandes, auf die er besonders im zwei- i ten Teil der Broschüre eingeht. Zusam- 1 mengefaßt lassen sich vielleicht folgende Thesen aufstellen: Erstens. Die marxistisch-leninistische Lösung aller Fragen, die in der Arbeit der FDJ entstehen, hieße, zuerst die ob jektiven Bedingungen ihres Entstehens parteilich und frei von Vorurteilen zu analysieren (S. 25) Zweitens. Jede zu beschließende Maßnahme sei zu prüfen, ob sie geeig net ist, Initiative und Verantwortung zu wecken, oder ob sie zu Beschäftigungen veranlaßt, die eine Aktivität nur vortäu schen. (S. 30) Drittens. Ein Kollektiv funktioniert nur dann richtig, wenn jedes Mitglied sei nen Anspruch auf die Mitbestimmung aller Angelegenheiten auch wahrnimmt und sich nicht zufrieden gibt, wenn ihm eine Sache unvollkommen erscheint. (S .31) Viertens. Jede FDJ-Leitung, die aus Schrittmachern gebildet wird, sollte ge nügend Raum für selbständige Entschei dungen erhalten. (S. 35) H. wendet sich an dieser Stelle ge gen „Maßnahmen durchziehen", „Ter ¬ mine absichern" und „Berichte ■ hoch- geben“. Das seien Vokabeln aus einer zwar notwendigen, aber vergangenen Entwicklungsetappe. Wenn auch seiner Ansicht, daß „Beschlüsse durchsetzen“ immer mehr heißt, gesellschaftliche Pro zesse zu leiten, zugestimmt werden kann, so scheint doch die von ihm vor genommene absolute Gegenüberstel lung zu Irrtümern führen zu können. I Ohne eine straffe Organisation läßt sich eine Massenorganisation nicht leiten, und es ist sicher auch richtig, im Jugendver band eine Trennung von mehr und min der fähigen Leistungen vorzunehmen und bei den einen die Zügel zu locker?: und bei den anderen anzuziehen, indem an dere Maßstäbe angewandt und andere Aufgaben gestellt werden. Fünftens. Die sogenannten offenen Stellen in unserem Alltag seien nicht einfach „Mängel und Schwächen", son dern Unvollkommenheiten, die wir ge rade deshalb erkannt hätten, weil auf der Basis des bereits Erreichten das ob jektive Interesse wie das Bewußtsein davon schon voraus geeilt seien und neue Forderungen stellen (S. 39). Sechstens. Es sei falsch anzunehmen, daß sich Fortschritte dadurch erzielen ließen, daß man das „Gute" lasse, wie es sei, das Schlechte ober austilge. Das sei Wunschdenken. Hingegen komme es darauf an, die Erscheinungen in ih rer Ganzheit und als Prozeß aufzudek- ken. Die FDJ-Kreisorganisation unserer Universität steht unmittelbar vor ihrer Delegiertenkonferenz. Die durch prak tische Erfahrungen überprüften theore tischen Erkenntnisse von Dr, Klaus Hil big sind auf jeden Fall eine Diskussion wert. Dr. Günter Katsch Von Dr. Werner Kapfenberger, Sektion Marxismus-Leninismus In den Schwerpunktthemen über die weitere Entwicklung der marxistisch-leninistischen Gesell- schaftswissenschaften in der DDR heißt es: „21. Grundfragen des ökonomischen Systems des Sozialismus in der DDR, insbesondere der polit- ökonomischen Grundlagen wie Wirkungsweise und Wirkungsmechanismus der ökonomischen Ge setze ..." Dazu wollen wir einen Diskussionsbeitrag leisten. Die Interessen und die ökonomischen Gesetze haben ihre Grundlage in den sozialen Beziehungen einer historisch bestimmten Art und Weise der Produktion. Indem der Mensch nur als ein gesell schaftliches Wesen existiert und als solches han delt, sind die sozialen Beziehungen die Daseinsweise der sozialen Existenz und des Verhallens des Men schen. Sie sind das Aufeinander-angewiesen-Sein der Menschen in der Produktion materieller Güter, der Lebensgrundlage der menschlichen Gesellschaft. In diesem Sinne sind die sozialen Beziehungen Abhängigkeiten. Die sozialen Beziehungen sind die Gesamtheit der Abhängigkeiten im Prozeß der An eignung der Natur durch die Menschen in einer be stimmten Gesellschaftsordnung. Sie sind allge meines Produkt und allgemeine Bedingung jeder kooperativen Tätigkeit des Menschen. Die sozialen Voraussetzungen der individuellen . Tätigkeit des Menschen gestalten und erneuern sich ständig als bestimmte Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen Gruppen von Menschen. Das erfaßte Karl Marx mit den Worten : „In der Produktion beziehen sich die Menschen nicht allein auf die Natur. Sie produzieren nur, indem sie auf eine bestimmte Weise Zusammenwirken und ihre Tätigkeiten gegeneinander austauschen. Um zu pro duzieren, treten sie in bestimmte Beziehungen und Verhältnisse zueinander, und nur innerhalb dieser gesellschaftlichen Beziehungen und Verhältnisse findet ihre Beziehung zur Natur, findet die Pro duktion statt.“ Diese sozialen Beziehungen sind nur in Gestalt von Bedürfnissen und Interessen, Eigen schaften und Einstellungen der Menschen und Gruppen von Menschen sinnlich wahrnehmbar. Deshalb lehrte F. Engels: „Die ökonomischen Ver hältnisse einer gegebenen Gesellschaft stellen sich zunächst dar als Interessen.“ An diesen Gedanken knüpft O. Reinhold in sei nem interessanten Aufsatz „Die weltverändernde Bedeutug des Marxschen Werkes .Das Kapital’" an und schreibt: „Die ökonomischen Beziehungen der Gesellschaft werden demnach durch die jeweils herrschenden Eigentumsverhältnisse bestimmt. Diese Beziehungen stellen sich vor allem als In teressen dar. Sie sind das Bindeglied zwischen den objektiven ökonomischen Verhältnissen, den Ge setzen und Motiven des gesellschaftlichen Handelns der Menschen. Über die Verwirklichung von In teressen im bewußten Handeln der Menschen wer den die ökonomischen Gesetze des Sozialismus durchgesetzt.“ Neben dem Zusammenhang von ökonomischen Beziehungen der Gesellschaft, den Interessen und den ökonomischen Gesetzen kommt es uns vor allem auf den im letzten Satz genannten Aspekt an, nämlich die Durchsetzung der ökono mischen Gesetze des Sozialismus über die Verwirk lichung von Interessen im bewußten Handeln der Menschen. Zu dieser wichtigen Frage der sozialisti schen Menschenführung führte W. Ulbricht auf der 9. Tagung des ZK der SED aus: „Manche Leiter sehen dabei nur die organisatorische Seite der Arbeit im engeren Sinne und glauben, daß sie mit organisatorischen Maßnahmen allein zurechtkom men. Tatsächlich werden aber alle diese Handlun gen von den Menschen selbst, von den Bürgern un serer Gesellschaft mehr oder weniger bewußt voll zogen.“ Diese wichtige Feststellung über den Wir kungsmechanismus der ökonomischen Gesetze be sagt u. a., daß sich die ökonomischen Gesetze des Sozialismus über die individuelle Tätigkeit der Produzenten durchsetzen. Deshalb sind die unmit telbaren Verhaltensweisen der Werktätigen in der materiellen Produktion und darüber hinaus zu er forschen. Um die Analyse dieser konkreten Wir kungsweise der ökonomischen Gesetze des Sozialis mus bemühen sich auch die marxistischen Sozio logen. Aus unserer eigenen Forschungsarbeit können wir über die Ansätze der Anwendung der Sozio metrie in der sozialistischen Wirtschaftsführung berichten. Die Soziometrie ist eine spezielle soziolo gische Methode zur Messung der zwischenmensch lichen Beziehungen in Kleingruppen. Aus dem so ziologischen Laboratorium der Leningrader Uni versität wird über die erfolgreiche Anwendung so- ziometrischer Forschungstechniken unter der Lei tung von J. S. Kusmin berichtet: „Unter sozialisti schen Bedingungen kann durch soziometrische Un tersuchungen der persönlichen Beziehungen (z. B. innerhalb einer Brigade der kommunistischen Ar beit) und durch Gegenüberstellung der dabei ge wonnenen Angaben mit der objektiven Analyse der Tätigkeit dieser Brigade unter anderem über zeugend nachgewiesen werden, daß die persön lichen und die gesellschaftlichen Interessen der Ar beitei - im Hinblick auf die Produktion und die Ar beitsbedingungen übereinstimmen.“ Es sollen an dieser Stelle keine weiteren Ausführungen über diese von J. L. Moreno begründete Methode der Messung sozialer Beziehungen gemacht werden. Wir möchten vielmehr auf die in der UdSSR durchge führte Konferenz über konkret-soziologische For schung verweisen. Auf dieser Soziologen-Konferenz der Sowjetunion wurde herausgearbeitet, daß die konkreten Sozialforschungen alle Gesellschafts- Wissenschaften immer mehr durchdringen. Deshalb sollten wir in allen Gesellschaftswissenschaften, so auch in der Politischen Ökonomie, den Untersuchun- gen und der Entwicklung in der marxistischen So ziologie künftig größere Aufmerksamkeit widmen. Jeder Lehrende und Forschende an der Universität muß in der Lage sein, die soziologische Literatur seines Fachgebietes sorgfältig auszu werten. Grund fragen der marxistischen Soziologie sollten in die akademischen Formen der Weiterbildung einbezo gen werden. Die Soziologie ist eine Wissenschaft, deren Gegenstand die Wechselbeziehungen der verschie denen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, daß die Parteiführungen der KPdSU und der SED den Fragen der marxistischen Soziologie eine große Aufmerksamkeit entgegenbringen. Auf dem XXIII. Parteitag der KPdSU formulierte Kossygin die wachsende Bedeutung der Soziologie mit den Worten: „Soziologische Untersuchungen, die auf der materialistischen Geschichtsauffassung beruhen und die konkreten Fakten des Lebens der sozialistischen Gesellschaft verallgemeinern, spielen eine von Tag zu Tag größer werdende Rolle bei der Lösung praktischer Fragen der Politik, der Produktion und der Erziehung.“ Wir sollten diese Einschätzung der marxistischen Soziologie bei der weiteren Erforschung der ökono mischen Gesetze des Sozialismus mehr beachten. UZ 3/69, Seite 5