Volltext Seite (XML)
Als Ludwig van Beethoven 1809 den Auftrag bekam, eine Bühnenmusik zu Goethes „Egmont" zu komponieren, sagte er mit Freuden zu. In übergroßer Bescheidenheit meinte er: „Ich habe ihn bloß aus Liebe zum Dichter geschrieben I“ Die Liebe zu Goethe und zu seinem dramatischen Werk ist aus jeder Zeile, aus jeder Note zu spüren. Die Ouvertüre ist zweifellos das bedeutsamste Stück dieser Bühnenmusik und gilt auch heute noch als eine der populärsten Schöpfungen Ludwig van Beethovens. Leider wurde die Musik nach den ersten Aufführungen durch höfische Intrigen so gut wie totgeschwiegen, und allein E. Th. A. Hoffmann erkannte die Größe der Musik und schrieb begeisterte Worte darüber: „Jeder Ton, den der Dichter an schlug, klang in seinem Gemüte, wie auf gleichgestimmter, mitvibrierender Saite wider, und so bildete sich die Musik, die nun wie ein aus strahlenden Tönen ge wobenes, leuchtendes Band, das Ganze durchschlingt und verknüpft." Die gleichen Gedanken sprach Beethoven selbst in konzentriertester Form in einem Briefe an Goethe aus: „Wie durch Sie gedacht, gefühlt und in Musik ge geben!" Bei diesem Werk dürfen wir mit gutem Gewissen die Worte des Dichters mit der Musik gleichsetzen, denn Wort und Musik, Inhalt und Ausdruck sind nicht zu trennen und prägen letzten Endes auch die Form. Und so sind alle Voraus setzungen für das Prädikat „klassisch" gegeben. Wolfgang Amadeus Mozart verwendete die Bezeichnung „Notturno" nur für mehrorchestrige Werke: Außer der „Serenata notturna", KV 239, für zwei Orchester nur noch für das Notturno in D (KV 286) für vier Orchester. Die „Serenata notturna" in D, KV 239, entstand im Januar 1776, wahrscheinlich als Neujahrsmusik, denn zu Mozarts Zeiten verstand man unter Serenaden in erster Linie Zweckmusiken und Gebrauchswerke: Abendmusiken, Ständchen oder Musiken des Abschieds („Kassationen“). Die „Serenata notturna" KV 239 stellt zwei Orchester gegenüber: Das erste besteht aus zwei Soloviolinen, einer Bratsche und einem Kontrabaß, im Sinne des barocken „Concerto grosso" gleichsam das „Concertino" darstellend. Das zweite Orchester setzt sich aus dem normalen Streichkörper zusammen. Reizvoll ist die bei Mozart seltene Koppelung mit Pau ken. Zahlreiche Echowirkungen (man hat einmal sogar von einer regelrechten Echotechnik gesprochen!) lassen darauf schließen, daß Mozart diese Serenade als Freiluftmusik komponierte. Das Werk ist dreisätzig. Ein durch Pizzicati und durch Piano-Forte-Wirkungen effektvoll aufgeputzter Marsch eröffnet die Serenade. Das dreiteilige Menuett ist durch seinen Wechsel zwischen Tutti — Concertino — Tutti klar zu erkennen. Die kurzen Themen erinnern an die Herkunft vom Gebrauchstanz, und auch im ab schließenden Rondo klingt melodisch manches an die Wiener Volksmusik an, teil weise ornamental schmuckhaft verziert. Das hochentwickelte Serenaden-Rondo gehört formal zum Bogentyp. Inhaltlich vereint sich wie in den meisten Serenaden Mozarts der Ton leichter Unterhaltung mit dem Gefühl menschlicher Zuneigung, denn ein „Ständchen" bringt man ja wohl kaum einem unsympathischen Menschen. — Joseph Haydns Sinfonie G-Dur, Nr. 94. entstand 1791/92 in England und wurde im März 1792 zum erstenmal unter der Leitung des Komponisten aufgeführt. Eine langsame, von Nachdenklichkeit erfüllte Einleitung eröffnet gewichtig den ersten Satz, in dem zwei einfach-volkstümliche Themen vielfältig verarbeitet werden. Der Ton kraftvoller Lebensfreude und Lebendigkeit wird bis zum Ende des Satzes gewahrt. Der zweite Satz beginnt mit acht Takten eines volksliedhaften Themas (ein Kinderlied aus Mähren soll die Anregung gegeben haben!), es folgen acht Takte Wiederholung, und zwar pianissimo, und dann folgt auf dem unbetonten Taktteil ein „erschröcklicher" Schlag des ganzen Orchesters. Ein Scherz? Ein köstlicher Einfall, die sanft entschlummerten Hörer höchst unsanft munter zu machen? Wie dem auch sei: Der Satz gefiel und gehört auch heute noch zu den beliebtesten und volkstümlichsten Stücken der Orchesterliteratur, stark popularisiert durch eine Klavierbearbeitung in der Damm-Klavierschule seligen Angedenkens. In Deutschland ist das Werk unter dem Namen „Sinfonie mit dem Paukenschlag" bekannt geworden, die Engländer prägten die Bezeich nung „Die Überraschung" und die Franzosen sprechen von „La coup de timbale". Das Menuett beweist, wie sehr sich Haydn der Volksmusik seiner Hei mat verbunden fühlte und wie sehr speziell die „Londoner Sinfonien" vom Geist des Volksliedes und Volkstanzes durchtränkt sind. Ausgelassene und humorige Stimmungen beherrschen das Finale, in dem Haydn in persönlicher Formung Ele mente des Rondos und der Sonate miteinander verknüpft und damit stark auf Beethoven hinweist. Joseph Haydn reiste zweimal nach England (1791/92 und 1794 95), wo er mit dem Konzertunterr.ehmer Johann Peter Salomon Subskriptionskonzerte veranstaltete, für die Haydn zwölf Sinfonien zu komponieren hatte, die später unter dem Namen „Londoner Sinfonien" bekannt wurden. Die vierte Sinfonie von Johannes Brahms entstand in dem kleinen steiermär kischen Städtchen Mürzzuschlag. Die herbe Landschaft in ihrer verhaltenen Schönheit beeindruckte Brahms so sehr, daß in seiner „Vierten" ein deutlicher Niederschlag zu spüren ist: „Ich fürchte meine Sinfonie schmeckt nach dem hie sigen Klima die Kirschen werden hier nicht süß!" (Brief an Hans von Bülow). Der erste Satz wird ohne Einleitung durch das von Pausen durchsetzte, schlicht erzählende Hauptthema eröffnet, ernst und nachdenklich in der Stimmung, männlich-herb im Charakter, womit zugleich die Eigenart des Anfangssatzes an-