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267. ' Freitag, ven 15. November. 1878. ßrzgcb.HoLsfreMd. B m t s b l a t t für die königlichen und städtischen Behörden in Aue, Grünhain, Hartenstein, Johanngeorgenstadt, Lößnitz, NeusLädtel, Schneeberg, Schwarzenberg und Wildenfels. ; Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. — Preis vierteljährlich 1 Mark 80 Pfennige — JnsertionSgcbühren: die gespaltene Zeile 10 Pfennige, die zweispaltige Zeise amtlicher Inserate 25 Pfennige. — JnsertionSannahme für die »m Abende erscheinende Nummer bis Vormittags 10 Uhr. " ' > Nachdem mit dem heutigen Tage die bisher hier als provisorische Behörde bestandene Königliche Verwaltungs- Commission in dieser Eigenschaft zu bestehen aufgehört hat und als ständige Königliche Amtshauptmannschaft in Wirk samkeit getreten ist, wird zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß sich im Geschäftsbereich der zeitherigen Verwaltungs- Commission, insoweit er sich nicht durch die Uebereinkunft mit dein Fürstlichen und Gräflichen Gesammthanse Schön burg vom 29. October 1878 modificirt, somit namentlich durch den Mitübergang der dem Herrn Negierungsassessor Seyfart hierselbst zur selbstständigen Bearbeitung überwiesenen Kirchensachen auf die als weltliche Coiuspection für die Städte Callnberg, Ernstthal und Hartenstein, wie für die Landgemeinden des Bezirks fungirende Amtshanpttnannschaft Zuwachs erhält, auch bei der Letzteren Etwas nicht ändert, und daß insbesondere die Geschäftseinrichtungen und Ge- schäftslocalitäten der Amtshauptmannschaft dieselben bleiben, wie bei der Verwaltungs-Commission. Im Uebrigcn erbittet sich die unterzeichnete Amtshauptmannschaft für ihre Geschäftsführung und gesummte Wirk samkeit das Vertrauen des Bezirks, dessen gedeihlicher Entwickelung ihr ganzes Streben und ihre volle Kraft gelten wird. Glauchau, den 15. November 1878. Königliche Amtshauptmannschaft. von Haufen, Geheimer Negierungsrath und Amtsharrptmann. Oeffentliche Vorb Gegen den militärpflichtigen, nach Schweden auSg Hermann Wilhelm Schreiter o ist von dein Königl. Bezirksgerichte Zwickau die Einlcitn Verletzung der Wehrpflicht nach 8- 140. des Reichs-Straf die Untersuchung an das unterzeichnete Königl. GcrichtSam Da Schreiters gegenwärtiger Aufenthaltsort unb nannte hiermit geladen Tagesgeschichte. Die Socialdcmokratie in Sachse». Vor wenig Tagen brachte das „Chemnitzer Tageblatt" unter obiger Ucbcrschrist einen höchst interessanten, bc- achtenüwcrthen und lehrreichen Artikel, der cö in hohem Grade verdient, die weiteste Verbreitung just iu dcr sächsis ch cn Presse zu finden. Aus diesem Grunde theilcn wir unseren Lesern nachstehend diesen Artikel in seinem ganzen Umfange mit. „Noch immer gefallen sich gewisse Berliner nnd leider auch sächsische Blätter darin, mit schlecht verhehlter Schadenfreude auzudcutcn, das; unser engeres Vaterland Sachsen,-wie die Wiege, so der eigentliche Hort der So- cialdemokratie, ihre bedeutendsten Führer aber Sachsen seien. Brachte doch das bekannte Berliner Witzblatt „Kladderadatsch" noch jüngst ein Gedicht, in dem cö uns schlankweg anch Bebel und Liebknecht als geborene Sachse» vorrückte und Achnlichcö haben wir wiederholt in anderen Blättern lesen'müssen. Allein ganz abgesehen davon, daß es doch eigentlich einen kaum noch verständlichen Parti- cularismuö verräth, geflissentlich zwischen den einzelnen Ländern dcö deutschen Gcsannntvatcrlandcö zu unterfchcidcn und dem cmcn Lande vorzuwerfcn oder beziehentlich anch an ihm zu preisen, was am Ende denn doch dem Ganzen sci'S zur Schande, sei's zur Ehre gereicht: so sind auch die gedachten Bemerkungen durchaus nicht richtig. Kein Mensch, der sich mit der Socialdcmokratie, ihrem Wesen, insbesondere aber ihrer Entstehung anch nur ganz ober flächlich beschäftigt hat, kann jetzt noch darüber in Zweifel sein, daß, abgesehen von fremdländischen und allgemeinen Einflüssen, die Socialdcmokratie in Deutschland wenigstens als PartciorganiSmuö die Schöpfung eines Einzelnen, Fcrd. Lassallc'S, ist, dem sie, wie einst Minerva dem Haupte Jupiters gcwappuct, so gleichsam fertig entsprang. Fcrd. Lassalle aber ist bekanntlich 1825 in Breslau von Äcltcrn mosaischer Religion geboren und hat hauptsächlich in Berlin und in den Rhcingegcndcn, nicht in Sachsen gewirkt. Ferner, wenn auch nachmals die Lehren der Socialdcmokratie namentlich in Sachsen Bode» und Ausbreitung gefunden haben, so erklärt sich doch das ge nügend aus den besondere» Ve hältttissen »nsereS Landes, für die wir nicht verantwortlich sind, die uns mit einer Art zwingender Nothwendigkeit umgeben und denen wir in einem gewissen Sinne doch auch wieder Anerkennung nnd Ruhm versanken. Sachsen ist ein vorwiegend in dustrielles Land, man arbeitet in Sachsen wol mehr als anderwärts, aber fast überall unter erschwerenden Be dingungen und vielfach leider ohne den entsprechenden Lohn. Wer die Verhältnisse z. V. unserer Spielwaaren- industrie im oberen Erzgebirge, unserer Weber im Voigt- ! lande, unserer Wirker im Lungwitzthale und anderwärts! Mmq. r>-n Z cwandcrtcn an unterzeichneter Gcrichtsstc >m obigen Termine in seiner l»^ ^NlsUjUU. Sache verfahren werden wir! ng der Untersuchung wegen Schwarzenberg, am -Gesetzbuchs beschlossen und t verwiesen worden. ekannt ist, so wird der Gc- ! kennt, der weiß, daß nur der Sinn von Genügsamkeit ! und Zufriedenheit, der, Gott Lob, bisher bei uns heimisch ' war wie sonst kaum anderswo in deutschen Landen, unsere Verhältnisse bislang nicht nur erträglich, sondern noch darüber hinanö fast genügend hat erscheinen lassen. Nnd nun kam diese systematische Verführung, dieses Nörgeln und Hetzen, diese Agitation ohne Ende. Wer darf sich da wundern, daß die Socialdcmokratie bei uns theilwcise Raum gewann, daß sie wie ein breiter, trüber Strom dahcrfluthctc? Aber wo kam sic denn her diese Agitation? Etwa aus Sachsen? Mit Nichten. Wir haben sie hier in Chemnitz kennen gelernt diese Herren Agitatoren, wir wissen von ihnen zu erzählen, denk' jch. Den Most schickte uns Augsburg und Nürnberg den Wiemer, Naucrt kam aus Magdeburg und die in unserer Nähe hausten, die Kahscr, die Bracke, die Auer «md Mork, sind ebenfalls keine Sachsen gewesen. Tarnowitz in Oberschlcsien, Braunschweig und Hamburg, das sind die Vaterstädte dieser Herren. Aber Bebel und Liebknecht, die eigent lichen Häupter dcr Partei, das sind geborene Sachsen, sagt dcr „Kladderadatsch". Ei, ei, ihr „Gelehrten", was ist Euch da passirt? Warum schlugt ihr doch nicht „Hirt'S ParlamcntSalmanach" auf? Da steht'S zu lesen: „Bebel, Fcrd. Ang., geb. den 22. Febr. 1840 zn Köln (religionslos). Besuchte die Dorfschule zu Brau weiler bei Köln, später als Armcnschülcr die Bürgerschule zu Wetzlar. Bereiste als HaudwcrkSbursche vou 1858 bis 1860 Süddcutschland und Oesterreich re." Also in Sach sen weder geboren, noch erzogen. lUnd „Liebknecht, Wil helm, geb. 29. März 1826 in Gießen, besuchte das das. Gymnasium, Universitäten Gießen, Berlin, Marburg (Phi lologie nnd Philosophie), bctheiligte sich am badischen Aufstaude, gefangen von Sept. 1848 bis Mai 1849, Thcilnahme am RcichSvcrfassungSkampf 1849, nach dem Siege dcr Preußen als Verbannter lebend, erst in dcr Schweiz und dann in England" (1850—62) rc. So bleibt also von in Sachsen bekannten Agitatoren und bez. Vertretern socialistischer Richtung im Reichstag nur Vahl- tcich übrig als der, den wir allerdings als in Sachsen geboren bezeichnen müssen, und zwar ist'ö Leipzig, daö sich dieses Sohnes „rühmen" kann. Aber Valtcich war unter de» Genannten wahrlich nicht dcr frechste nnd zudem hat ihn Sachsen selber »nschädlich gemacht, ehe noch daö So- cialistcngesctz schärfere nnd schneidigere Waffen bot. Was will man also mit den fortwährenden Bemängelungen unseres Volkes und Landes? Sachsen hat die Socialdc- mokratic nicht hervorgebracht, Sachsen stellt nicht das eigentliche Contingcnt dcr Parteihänpter und Agitatoren. Sachsens Bürgerfchast und Sachsens Richter haben (letz tere nach dem eignen Zeugnjß der davon Betroffenen, nämlich dcr Socialdcmokraten selber) immer das Beste 8. Deeembev 1878, Vormittags 9 Uhr, llc ;» seiner Vernehmung sich cinzufinden, widrigenfalls Abwesenheit mit der Verhandlung und Entscheidung der >. 23. Oktober 1878. Königliches Gerichtsamt. Hattaß. 1),. K. gethan zur Bekämpfung derselben. Lasse man nuö also doch endlich Gerechtigkeit widerfahren nnd bezweifle man nicht länger mindestens den guten Willen nnfcreS Volkes, durch Diät, Arznei und stilles „Sichhalten" endlich den bösen Schnupfen, mit dem man uns angcstcckt, auch glück lich wieder zu überwinden. Wir unsrerseits glauben, daß nun, nachdem uns endlich daö von uns stets und schon lange geforderte Socialistcngesctz gegeben worden, nach dem wir endlich in die Lage versetzt worden sind, uns die gewerbsmäßigen Agitatoren vom Halse zu Haltcu, die wie ein Schwarm vvn Fliegen sich bei jeder Wahl in unsere Kreise stürzten, und jene Presse, deren Erzeugnisse wie ein süßes Gift in unseres Volkes sonst gesundes Herz eingc- führt wurden, daß wir nun schon allmälig wieder gefun den werden. Dazu aber gehört vor allen Dingen Ruhe, Geduld, Verträglichkeit und jene Liebe, die nicht immer nur de« Splitter im fremden Auge sicht, darüber aber den Balkan im eigenen vergißt, jene Liebe, die dem Ir renden gern verzeiht und dem Sinkenden die rettende Hand reicht —kurz cbcu die Llebe!" Dtutscklaud Berlin. Man schreibt der „Voss. Ztg.": Wer gewohnt ist, die Vorgänge in unserem öffentlichen Leben mit Aufmerksamkeit zu verfolgen, dem wird eö nicht ent gangen sein, daß namentlich das laufende Jahr eine große Anzahl jener betrübenden Fälle zu verzeichnen hat, in wel chen unbescholtene Personen in kürzere oder längere Unter suchungshaft genommen, dann aber als völlig unschnldig entlassen wurden. Diese traurigen Erscheinungen auf dem Gebiete der moderne» Strafgesetzgebung drängen zu der Frage, ob dem unschuldig verhafteten bczw. dem verhaf teten aber rechtskräftig frcigesprochcnen Angeklagten eine Entschädigung zu gewähre» sei. Scho» der 13. deutsche Juristentag hat den Beschluß gefaßt: „Im Falle dcr Frei sprechung oder Zurückziehung dcr Anklage ist für die er littene Untersuchungshaft eine angemessene Entschädigung zu leisten, es sei denn, daß der Angeklagte dnrch fein Ver schulden während des Verfahrens die Untersuchungshaft oder die Verlängerung derselben vcrnrsacht hat." Darü ber nun, wer in erster Linie zur Ersatzleistung verpflichtet sei, kann kein Zweifel obwalten. Hat der Staat einNecht auf die Verhängung dcr UntersuchnngShaft, so steht diesem Rechte auch die Pflicht gegenüber, den schuldlos Betroffe nen und Geschädigten zu entschädigen. Hat dcr Staat die Befngniß, den Verdächtigen als Schuldigen zu behan deln, so ist, wenn sich diefe Voraussetzung der Zwangs mittel als irrig erweist, nicht die geringste Berechtigung vorhanden, dem Staatsbürger außer der Pflicht des Ge horsams anch noch die Verantwortlichkeit für den Jrrthu