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Unter seinen mannigfaltigen kammermusikalischen Schöpfungen ragt das erste und bisher einzige Streichquartett op. 27 hervor, das 1957, noch vor der 1. Sinfonie, entstand und zu Siegfried Kurz’ substanzreichsten Arbeiten gezählt werden muß. Auch dieses Werk läßt in der Themenbildung, in der Vorliebe für engstufige Intervallschritte und klangliche Schroff heiten, in seiner rhythmischen Rasanz und Differenziertheit gewisse Einflüsse Bela Bartoks spürbar werden. Ebenso unverkennbar ist jedoch auch, daß es Kurz verstanden hat, das the matische Material in einer durchaus persönlichen Art und Weise zu formen und zu gestalten. Auffallend ist die ungemein dichte, konzentriert-polyphone Anlage des Quartetts, das damit offensichtlich in der deutschen Quartett-Tradition wurzelt. Thematisch-motivische Keimzelle für das gesamte Werk ist der erste Satz (Allegro moderato), der mit seinen drei gegensätzlichen Themen, der Durchführung und der Reprise einen regelrechten Sonatensatz darstellt. Das rhythmisch eigenwillige erste Thema eröffnet den Satz über dem vom Violoncello beharrlich wiederholten Ton e. Nacheinander erklingt es in der Viola, in der zweiten, dann in der ersten Violine. In fließender Bewegung, im einfachen Kanon (1. Violine und Viola) wird das zweite Thema eingeführt, das später kontrapunktisch kunstvoll im Doppelkanon behandelt wird. Im Fortissimo und in temperamentvoller rhythmischer Rasanz stellt sich das dritte Thema vor. Eine kontrapunktisch-dialektische Auseinandersetzung bringt die spannungsvolle Durchfüh rung, bis mit der wörtlichen Wiederkehr des ersten Themas die Reprise und damit der Aus klang des ersten Satzes eingeleitet wird. Wie der dritte bezieht auch der langsame zweite Satz (Andante) sein thematisches Material aus dem ersten, insbesondere aus dessen zweitem Thema, das weiterentwickelt wird. Nach den Spannungen des Eröffnungssatzes folgt jetzt, zu Beginn fugiert, eine gewisse liedhafte Entspannung, die jedoch auch hier bald wieder zu Steigerungen führt. Der formale Aufriß des Satzes ist etwa mit ABCAB zu skizzieren, wobei der C-Teil durch die Abwandlung des thematischen Materials wie ein neuer Teil anmutend, gleichsam die Durchführung bringt. Den dritten Satz (Allegro molto), durch eine mitreißende rhythmische Impulsivität gekennzeichnet, könnte man in seiner ABCDCBA-Anlage als ein verkapptes Rondo bezeichnen. Dieser satz- und spieltechnisch äußerst virtuos, ja brillant angelegte Satz überrascht durch eine Fülle verschiedener Klangfarbenkombinationen, Rhythmisierungen, kontrapunktischer Formen und deren Umkehrungen. Als faszinierender Abschluß erklingt die fast wörtliche Wiederholung des A-Teiles mit seinen packenden akkordischen Bildungen. Aus Wolfgang Amadeus Mozarts letzter Wiener Zeit stammt sein Klarinettenquintett A-Dur, KV 581, das etwa Ende September 1789 für den befreundeten Klarinettisten Anton Stadler geschrieben wurde und darum das sogenannte ,, Stadler-Quintett“ heißt. „Wenn irgend eines, so ist das ein Werk für die Kammer feinster Art“, schreibt der Mozart-Biograph Alfred Einstein, „wenn auch die Klarinette als Primus inter pares hervortritt und so behandelt ist, als ob Mozart ihren Reiz, den ,sanften süßen Hauch', ihre klare Tiefe, ihre Beweglichkeit als erster entdeckt hätte. Hier gibt es keinen Dualismus zwischen Solo und Begleitung, nur brüderlichen Wetteifer“. Das Klarinetten-Quintett, den späten Streich-Quintetten gleichwertig, ist eine der lyrischsten, melodienreichsten Schöpfungen Mozarts. Ein vor allem in der Durchführung konzertantes Allegro leitet das Quintett ein. Gesangvoll ist das Hauptthema, in eilfertiger Achtelbewegung eilt der Seitengedanke hin. Im langsamen Satz, einem empfindungsreichen Larghetto, entfaltet sich der melodische Gesang der Klarinette über den Harmonien der Strei-, eher. Dominierend erscheint die Klarinette auch im Menuett, tritt im ersten Trio (a-Moll)’ allerdings gänzlich zurück, während sie im zweiten Trio (A-Dur) eine reizende Ländlermelodie bringt. Im Finale (Allegretto) erklingen stimmungsmäßig abwechslungsreiche Variationen über ein anmutiges Thema. Die Klarinette führt lediglich in der ersten Variation, in den üb rigen haben die Streicher das erste Wort. Dieter Härtwig LITERATURHINWEISE Kurt Pfister, Das Leben Rossinis, Detmold 1948 Alfred Einstein, Mozart, Zürich/Stuttgart 1953 6267 Ra III-9-5 0,4 1261 Jt G 009/83/61