Dienstag, 12. Dezember 1961, 19.30 Uhr, Anrecht D 2. Kammermusikabend der Kammcrmusikvercinigung der Dresdner Philharmonie Ausführendc Johannes Walter, Flöte; Werner Metzner, Klarinette; Heinz Mann, Horn; Helmut Radatz, Fagott; Günter Sicring, Violine; Günther Schubert, Violine Herbert Schneider, Viola; Erhard Hoppe, Violoncello Gioacchino Rossini 1792—1868 Bläserquartett Nr. 5, D-Dur für Flöte, Klarinette, Horn und Fagott Allegro spiritoso Andante assai Rondo Siegfried Kurz geb. 1930 Streichquartett (1957) op. 27 Allegro moderato Andante Allegro molto Wolfgang Amadeus Mozart 1756 — 1791 Quintett für Klarinette und Streichquartett A-Dur, KV 581 Allegro Larghetto Menuetto Tema con variazioni - allcgrctto Italiens Musikgeschichte im 19. Jahrhundert wird in erster Linie von der Oper geprägt. Wäh rend diese Gattung eine geschlossene Entwicklung aufweisen kann, läßt sich dasselbe von der italienischen Instrumental-, vor allem Kammermusik in diesem Jahrhundert nicht sagen. Den noch haben führende Opernkomponisten wie Gioacchino Rossini, Schöpfer der meisterlichen Opera buffa „Der Barbier von Sevilla“, Gaetano Donizetti, u. a. Autor des liebenswürdigen „Don Pasquale“, und der große Giuseppe Verdi auch die Kammermusik mit einigen Werken bedacht. So veröffentlichte Rossini, wohl um 1825, zwei Serien von je fünf Streichquartetten. Ferner besitzen wir von ihm sechs Quartette für Flöte, Klarinette, Horn und Fagott. Donizetti schrieb, noch vor seinen großen Opernerfolgen, achtzehn Streichquartette und drei Streich quintette, während Verdi lediglich ein einziges Streichquartett in c-Moll komponierte, das allerdings die bedeutendste Schöpfung unter den eben erwähnten darstellt. Rossini, der aus einem musikalisch denkbar „vorbelasteten“ Hause stammte (der Vater war Hornist, die Mutter Sängerin), studierte in Bologna den einfachen Kontrapunkt und begann bereits mit 18 Jahren Opern zu komponieren. Sein Debüt als Opernkomponist erfolgte 1810 in Venedig, bereits sechs Jahre später erlebte er trotz des Premierenskandals mit dem „Barbier von Sevilla“, seiner 15. Oper, in Rom den größten Triumph seines an Erfolgen reichen Künstler lebens. 1829 verabschiedete sich Rossini in Paris mit seiner 35. und letzten Oper, „Wilhelm Teil“, einem Bekenntnis zur großen französischen Oper, vom musikalischen Theater, auf dem er so begeistert gefeiert worden war. Fortan lebte der weltberühmte Meister noch 38 Jahre als bequemer Feinschmecker und Verfasser vieler Bonmots in Paris und Italien. An Kompositionen entstanden jedoch nur noch einige wenige Kirchenmusiken, Kantaten und Klavierstücke. Bezeichnend sind Rossinis Worte, die er einmal vor einem Mozart-Bild äußerte: „Er war die Begeisterung meiner Jugend, die Verzweiflung meiner Mannesjahre und ist der Trost meines Alters.“ Stilistische Einflüsse seines bewunderten Vorbildes Mozart begegnen daher allent halben in seinen Werken, ganz besonders in seiner Kammermusik. Das unseren heutigen Abend eröffnende Quartett für Flöte, Klarinette, Horn und Fagott Nr. 5, D-Dur, jener bereits erwähnten Gruppe von sechs Bläserquartetten entstammend, bedarf seiner All- gemeinverständlichkeit wegen keiner eingehenden Erklärung. Es ist eine unbekümmerte, serenadenhafte Spielmusik, durchdrungen von südlich-italienischer Wesensart und opernhafter Melodienfrcudigkcit. Neben der Grazie, Süße und Farbigkeit des musikalischen Ausdrucks besticht in diesem zu Unrecht unbekannten musika tischen Stück auch die satztechnische Meisterschaft des Komponisten, sein Sinn für klare Formgebung. Siegfried Kurz, der junge Dresdner Komponist, wurde in seiner Heimatstadt künstlerisch ausgebildet. Seit 1945 studierte er an der damaligen Staatlichen Akademie für Musik und Theater zunächst Trompete, gleichzeitig in der Kapellmeistcrklasse Ernst Hintzes sowie Kom position bei Fidelio F. Finke. Nach dem erfolgreichen Abschluß seines Studiums wurde er 1949 als Leiter und Komponist der Schauspielmusik an das Staatsthcater Dresden verpflichtet. Heute wirkt er als Kapellmeister an der Dresdner Staatsoper. In den letzten Jahren mehrfach mit außergewöhnlichem Erfolg an die Öffentlichkeit getreten, gehört Siegfried Kurz fraglos zu den profiliertesten jungen Komponistenpersönlichkeiten unserer Republik. Seine Hand schrift, die sich mehr und mehr von Vorbildern löst, zu eigener Note findet, ist gekennzeichnet durch ein urmusikantischcs Temperament, rhythmisch-harmonische Aggressivität und einen ausgeprägten Sinn für witzig-konzertante Pointen, die oft Bläsern anvertraut werden. Typischer Kurz sind vor allem knappe, gedrängte, geistreiche musikalische Aussagen. In den letzten Jahren stieß der Komponist auch zu weitausgesponnenen sinfonischen Entwicklungen vor. In dem Bela Bartök gewidmeten und stilistisch verpflichteten Violinkonzert wie in seinen beiden Sinfonien hat Kurz indessen seine frühere Neigung zu aphoristischer Kürze zugunsten einer sehr weitgespannten Zielsetzung und auch intensiven thematisch-formalen Auseinander setzung aufgegeben. Aus der Werkliste des jungen Dresdner Komponisten seien hier noch seine zahlreichen Schauspiclmusiken, ein Klavierkonzert, die Konzertante Musik für Orchester, die Tänzerische Suite, das erfolgreiche Trompetenkonzert und das Streichcrdivcrtimcnto genannt.