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ein, das aber nach kurzer Zeit von den Passagen des Klaviers wieder überspielt wird, wobei es zu grandiosen Steigerungen kommt. Der zweite, getragene Satz ist ein langausgesponnenes Rezitativ, also eine Musikform, die sich einer gleichsam erzählenden Sprache bedient. Weitgeschwungene Melodiebögen geben diesem Satz sein eigenes'Gepräge. Der dritte Satz ist ein Scherzo, das sich vor allem rhythmischer Wirkungen bedient. Häufige Taktwechsel, aklcordische Klavierbehandlung, spiele rische Zierfiguren im Soloinstrument ergeben zusammen mit einer spritzigen Orchesterbehandlung einen sehr witzigen, im besten Sinne unterhaltsamen Satz. Der Schlußsatz betont vor allem das virtuose Moment. Er ist ein Rondo, das in einen wirkungsvollen Schluß einmündet. Auffällig ist, daß alle vier Sätze in der Hauptsache im Viervierteltakt stehen, daß cs trotzdem dem Komponisten gelungen ist, nicht eintönig und ermüdend, sondern sogar sehr lebendig zu schreiben. Peter Tschaikowskij: 3. Sinfonie l)-l)ur op. 211 Die 3. Sinfonie (op. 29) komponierte Tschaikowskij im Sommer 1875 vom Juni bis Mitte August, wo sie fettig abgeschlossen in Partitur vorlag. Schon am 10. No vember desselben Jahres wird sie in Moskau unter Nikolaus Rubinstein uraufgeführt und „enthusiastisch aufgenommen“. Tschaikowskij selbst ist nach der Uraufführung skeptisch wie immer. Er, der beim Schaffen in einem Freudenrausch lebt, hat nach Vollendung eines Werkes oft einen Überdruß, der sich wohl aus der so intensiven Beschäftigung erklärt, aus dem Anspruch, den das Werk an seinen Geist und an sein Können beim Komponieren gestellt hat. Das Werk ist fünfsätzig, was schon un gewöhnlich bei der sonst nur in vier Sätzen üblichen Form einer Sinfonie ist. Tschaikowskij hat seinen Sätzen diesmal genaue Überschriften gegeben. So ist der erste Satz eine Einleitung (lntroduzione), abgefaßt im Schritt eines Trauermarsches, die dann in ein lebhaftes und brillantes Musizieren übergeht, welches von drei Themen beherrscht wird. Den zweiten Satz nennt er „Alla Tedesca“, was etwa „auf deutsche Art“ heißt. Er läßt einen einfachen Walzer aufklingen, der sich kunstvoll verdichtet, um dann wieder in die graziöse Melodie zurückzusinken, die am Ende das Fagott ausklingen läßt. Das folgende Andante ist der Kem der ganzen Sinfonie. Schön ist wiederum, daß Tschai kowskij die tiefe Schwermut dieses Satzes aus zwei russischen Volksmelodion ent wickelt, die gleich zu Beginn Flöte und Fagott vorblasen. Das Scherzo ist ganz auf voi überhuschende Figuren gestellt, das Trio nimmt einen heiteren Marsch charakter an. DerSchlußsatz (Finale)greift den Rhythmus der Polonaise auf; das glanzvolle Stück mit seinem rauschenden Schluß ist überdies ein Rondo. Während Caesar Cui, einer aus dem „Mächtigen Häuflein“, nach der Uraufführung sagte, daß die Sinfonie talentvoll sei, was ziem lich geringschätzig klingt, sagte ein andrer Kritiker, Laroche, sie sei ein europäisches Ereignis gewesen. Er hatte Recht. Peter Tschaikowskij