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Erläuterung. Johanne« Vrahm«: Sinfonie Nr. 1 in L-moN. Als gereister Künstler, mit 44 Jahren, hat Brahms seine 1877 vollendete erste Sinfonie geschrieben. So tut sich in dem Werk kraftvolle Männlichkeit kund, die den Kampf mit dem Leben kühn aufnimmt und siegreich durchführt. z. Satz. An der Spitze steht eine langsame Einleitung (Un poco 808tenuto). Leiden schaftlich drängende chromatische Motive über einem starren, drohenden Vrgelpunkt geben ihm sowie der Stimmung des ganzen ersten Satzes das charakteristische Gepräge. Das eigentliche ^IleZro beginnt mit einem weitgeschwungenen Thema der Violinen im Tone ungebändigter Kraft und trotziger Energie. Allmählich sänftigt sich die Bewegung und mit dem in den Oboen einleitenden zweiten Thema gewinnt eine weichere Stimmung die Oberhand, die indessen raub durch Töne des alten Trotzes abgebrochen wird, vorwiegend im Zeichen dieses Trotzes stebt auch die Durchführung. Wohl klingen flehend und beruhigend Elemente des zweiten Themas herein, wohl scheint die Bewegung zweimal in atemversetzenden Pianissimo gleichsam z» erstarren; immer wieder rafft sich doch die leidenschaftliche Kraft empor, die zuletzt zu einem Ausbruch wildester Erregung führt, in der der drängende Ausdruckscharakter der langsamen Einleitung mächtig gesteigert wiederkehrt; damit ist der Höhepunkt erreicht, es schließt sich dioM Reprise des ersten Teiles a», die nach einer weiteren Steigerung in Ermattung endet: daW 808tsnuto der langsamen Einleitung klingt nochmals an, diesmal wehmutvoll verhallend. 2. Satz. (Hmciunte 808tenuto ki-l)ur). Line edle, weich empfindsame, leicht im Ohr haftende Melodie der Violinen bildet das Hauptthema. Ihm tritt ein aus einem langen Halte ton und spielerischen Sechzehntelfiguren bestehende Holzbläsermotiv als Gegensatz zur Seite; daneben fehlt es auch nicht an herberen Akzenten, die an die leidenschaftliche Stimmungswelt des ersten mahnen. Zuletzt übernehmen mit ausdrucksvollem Gesang eine Solovioline und ein konzertierendes Horn die Führung und bringen den Satz in friedsamer Abklärung z» Ende. 5. Satz. (On poco ^Ilexretto, ^8-Our). Lin zartes, graziöses Klarinettenthema über Pizzicatobässen gibt die gemessen-fröhliche Grundstimmung an. Die Violinen nehmen die Melodie auf und lösen sie in punktierte Rhyhtmen und fein durchbrochene Bewegung auf. Dann stimmt die Klarinette ein zweites Thema an, das aber mit seinen übermäßigen Sekunden eine Trübung der Stimmung bringt. Lin in terzverwandtem bl-l)ur stehender Mittelteil kehrt zunächst mit seinem feinen klanglichen Wechselspiel von Streichern und Bläsern ins Reich der Grazie zurück, schlägt zuletzt aber einen fast leidenschaftlich heftigen Ton an. Die die Grund tonart ^8-ctur wieder ausnehmende Locla faßt die verschiedenen Lmpfindungswelten nochmals kurz zusammen und läßt sie in einem überraschend herbeigeführten zarten Schluß erklingen. Das Finale beginnt wieder mit einer langsamen Einleitung (^clagio, c-moll), die auf die umdüsterte, verhalten leidenschaftliche Stimmung des Anfangs der Sinfonie zurückgreift und Motive des nachher eintreteuden volkstümlichen freudigen Hauptthemas in eigentümlich zwielichtartiger Beleuchtung vorwegnimmt. Nach einem jähen Fortissimoabschluß lockt über geheimnisvoll gedämpftem Streichertremolo ein Hornruf ins Reich der Romantik (^nclante, L-l)ur). Dann setzt der schnelle Hauptsatz (/UleZro, L-Our) mit einem sonoren, volksliedmäßigen Sang der Violinen ein. Seine Stimmungsverwandschaft und selbst technische Ähnlichkeit mit der Freudenmelodie in Beethovens „Neunter" ist oft beobachtet worden. In der Entwicklung wird er durch kontrastierende Zwischensätze unterbrochen, in denen neben kräftiger Heiterkeit auD innige und elegische Stimmungen Ausdruck finden. Die Durchführung verflicht diese Gedanken in reicher koutrapunktischer Arbeit. Am Höhepunkt klingt überraschend plötzlich wieder der Horn ruf aus der Einleitung herein, den Sturm der Gefühle beschwörend und einem jubelnden Schluß entgegenführend, der mit einem dithyrambisch gesteigerten ?iu gllexro im Charakter eines Siegesgesangs ansklingt. L. v. Beethoven: Leonoren-Guvertüre Nr. Z. Florestan als Märtyrer der Wahrheitsliebe von ruchloser Tyrannenhand in Kerkernacht versenkt, wird durch die opfermutige Treue seines Weibes Lenore befreit. Das ist die Idee der Oper „Leonore" (später „Fidelis" genannt) und sie liegt, ins allgemein Menschliche erweitert, auch dieser Ouvertüre, die zur zweiten Umarbeitung der Oper 1806 komponiert ist, zugrunde. Schwere Schatten senken sich auf die langsame Einleitung, aus der mit einer rührenden Klarinettrnmelodie die Klage des Geknechteten aufsteigt. Der schnelle Hauptteil beginnt in ahnungsvoller Hoffnungsfreude, untermischt mit Stimmen der Sehnsucht und des Zagens. Am Höhepunkt der Entwicklung widerstreitender Gefühle ertönt als Ankündigung naher Rettung ein zweimaliges Trompctensignal. Feierliche, dankerfüllte Klänge antworten und führen zu feurigem Jubel, mit dem das Werk in eine Vresto-Locls ekstatisch ausklingt. Druck von Larl Ther, Reichtstbcrg,