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ZUR EINF ÜHRUNG Im Jahre 1810 hat Beethoven seine Musik zu Goethes Schauspiel „Egmont“ vollendet. Die Ouver türe dieser Musik ist am bekanntesten geworden. Eine langsame, qualvoll wuchtende Einleitung: schwer lastet Gewissenszwang und Heimatnot auf den Niederländern, nur verstohlen wagen die Be drückten zum Himmel aufzublicken. Dann aber be ginnt es sich im Allegro zu regen. Noch ist die Grund haltung ein gedämpftes Moll; doch schon faßt die gepeinigte Seele zuweilen lichte Hoffnung. Das Allegro wächst im Kampf zur offenen Empörung, zum Aufbegehren gegen die immer wieder hart drein fahrende Faust des äußeren Schicksals. Strahlende Bläserakkorde erhellen den inneren Himmel, bis endlich im Schlußsatz jenes Thema aufrauscht, das den Sieg inbrünstigen Glaubens über die Mächte der Finsternis versinnbildlicht. In leuchtenden Far ben schließt diese Hcldenouvertürc. Das Violinkonzert in D-Dur, op. 61, hat Ludwig van Beethoven 1806 komponiert. Mit vier leisen Paukenschlägen, die im Verlaufe zu motivischer Bedeutung heranwachsen, beginnt der erste Satz. Wie in einer Sinfonie stellt das Orchester den ge samten Themenstoff auf. Die glanzvollen Haupt themen sind zunächst der Oboe anvertraut. Erst nach beendeter Themenaufstellung beginnt die Solo geige: wie präludierend erklingen Oktavengänge, Triolen und Se hzehntelfiguren, dann singt die Geige in hoher Lage die leicht verzierte Hauptmelodie. Die rriotivische Durchführung der Themen und des vier- tonigen Paukenrnotivs liegt durchweg im Orchester. Über diesem klaren Stimmgewebe zieht die Geige in gebundenen Phantasien ihre beseelten gesang vollen Bogen. Von besonders ergreifender Wirkung ist der Einsatz des zweiten Themas in der Geige nach der Kadenz. In dem kurzen Larghetto des zweiten Satzes beteiligt sich die Sologcige überhaupt nicht mehr an der Thematik des Orchesters. Innig ist die vom Streichquartett gesungene Weise und be harrlich hält das Orchester diese friedvolle Stim mung bei. Doch wie verklärt und innerlich bewegt schwingt sich die Geige empor, trillert, gleitet leise dahin und stimmt nur einmal eine langsame, in ihrer edlen Schlichtheit ergreifende Weise an. Wie zum Ausgleich für ihre „thematische Untätigkeit“ im Larghetto übernimmt die Sologeige im dritten Satz ganz allein die Festlegung des Themas. Ja, sie wieder holt es noch einmal sehr zart in hoher Lage, bevor sich das Orchester des Themas bemächtigen darf. Der Beginn des Zwischenthemas liegt zwar im Tutti, doch den zweiten Teil führt eifrig die Sologeige aus, in der Weiterführung des heitertreibenden Rondos werden der Violine spieltechnisch nicht immer ein fache, aber dankbare Aufgaben zugewiesen. Etwas überraschend der Schluß mit den verschwebenden Bläserakkorden und der wie hingewischten Endfigur. L. v. Beethoven. Man spricht von der „Fünften“. Jeder weiß, daß damit die 5. Sinfonie Ludwig van Beethovens gemeint ist, sein opus 67 aus den Jahren 1807/08. Damit wird ausgesagt, daß dieses Werk in den geistigen Besitz aller Musikgebildeten, ja, dar über hinaus wohl in das Bildungsgut des Abend landes übergegangen ist. Diese c-Moll-Sinfonie, die, nach einem eigenen Ausspruch Beethovens, der auf die 4 Einleitungstakte anspielt (,,So pocht das Schicksal an die Pforte“), auch die Schicksalss nfonie genannt wird, enthält allerdings auch einen Satz, den 1. nämlich, der wohl zum Geschlossensten gehört, was die Tonkunst bisher hervorgebracht hat. Diese Größe und Einheitlichkeit dieses erstaunlichen Satzes ist auf die enge Angleichung des thematischen Materials zurück zuführen, bei der sich von vorn herein das 7. Thema den immerfort klopfenden Achteln des Schicksalsthemas unterwirft. Goethe hat ausgerufen, als ihm der junge Mendelssohn diesen Satz vorspielte: „Das ist sehr groß, ganz toll, man möchte fürchten, das Haus fiele ein; und wenn das nun alle die Menschen zusammen spielen f“ Im Andante con moto variiert Beethoven mehrere Themen. Das erste ist das entscheidende Thema, die Bratschen und Celli tragen es vor. Manchmal hat dieser Satz eine Trauermarschstimmung, und bis weilen klopft in ihm drohend das Schicksalsmotiv des Beginns. Beethoven, der sich nicht gern in ausgefahrenen Ge leisen bewegte, sondern der seit je eigene Wege ging, brachte in dieser Sinfonie eine Neuerung: Die Verbindung von Scherzo und Finale durch eine Überleitung, also die Zusammenfassung des 3. und 4. Satzes. Auch das Scherzo bringt, rhythmisch dem Dreivierteltakt angepaßt, das pochende Schick salsmotiv. Sein Hauptthema jedoch, der gebrochene c-Moll-Akkord, klingt stark an das Finale-Thema der g-Moll-Sinfonie von Mozart an. Die Überleitung zum Finale halten manche für eine der genialsten Eingebungen Beethovens. Busoni meinte, diese Stelle sei eine der wenigen, die wahre Musik zeigte, eine Musik, die nicht in Formen, Formeln und Schematas eingezwängt und erstarrt sei. Das Finale erfreut immer wieder durch seinen jubelnden Opti mismus. Die 4 Themen, die das gedankliche Ge rüst dieses Satzes bilden, der in klarem C-Dur ge schrieben ist, sind diesem freudigen Charakter an gepaßt. Ihr Bau ist so einfach, so schlicht, daß jeder Mensch sie begreift, sie versteht, von ihnen sofort angesprochen wird. Von hier aus erklärt sich di£ weltumspannende Wirkung dieser Sinfonie, die die tiefsten Gedanken ausspricht und dennoch die brei teste, ja fast populärste Wirkung hervorruft. Johannes Paul Thilman Bedenken Sie stets, daß die Musik keine andere Kunst oder Betätigung ersetzen kann. Kommt sie doch unmittelbar aus dem Innern und rührt den Menschen an seine empfindlichste Stelle. So wird sie zur universalen Kunst, aus der wir alle anderen zu verstehen haben. Johann Wolfgang von Goethe