ZUR E I N FÜHRUNG Franz Schubert (1797—1828) hatte bei seinem Tode eine Fülle von Partituren hinterlassen, die sich in seinem Nachlaß befanden. So war auch das große Streichquartett in d-Moll darunter, das als ein „nachgelassenes“ Werk deshalb mit „Opus posthumum“ bezeichnet wird. Dieses d-Moll-Quartett enthält Variationen über das Lied, ,Der Tod und das Mädchen“, das Schubert selbst vertont hatte. Es kommt oft bei Kom ponisten vor, daß ihnen eine künstlerische Fas sung eines Werkes, und sei sie noch so gut ge lungen, nicht genügt, daß sie noch mehr aus- sagen müssen über den Inhalt, der in ihnen zur Gestaltwerdung drängt und daß sie oft auch von anderen Seiten her an dasselbe schöpfe rische Problem herangehen wollen und müssen. So ging es Franz Schubert mit dem Liede „Der Tod und das Mädchen“, das er auf einem anderen Gebiete der Musik, der Kammermusik, nun völlig ausschöpfte. Schubert verzichtet in diesem Quartett auf das dichterische Wort, ohne jedoch den Inhalt aufzugeben. An dem d-Moll-Quartett verblüfft zuerst der Umfang, weswegen Schubert das Werk selbst als „Großes Quartett“ bezeichnete. Dem Um fange und dem Gehalt nach ist das Quartett eine Sinfonie, die sich eben nur der vier Streich instrumente bedient. Erstaunen und Ehrfurcht erweckt aber das handwerkliche Können in diesem Werke, das Schubert von der Seite der vollkommenen Meisterschaft zeigt. Die Durch arbeitung der Themen, die man bei Schubert allerdings eindeutig „Melodien“ nennen muß, Lieder von Franz Schuber! ist so meisterlich und so gekonnt, daß Ehr furcht vor einer solchen Leistung sich ganz natürlich einstellt. Aber hinzu kommt, daß Schubert in dieses Werk eine solche Fülle von melodischem Reichtum einstreut, daß er allen Nebenstimmen eine so wunderbare melodische Prägung gibt, daß man vor dieser Fülle an Schönheit verstummt. Man spricht oft davon, daß Schubert „begnadet“ gewesen sei und will damit seine Begabung einer außerirdischen Macht zusprechen. Es ist aber vielmehr so, daß Schubert Melodien schuf, die genau denen ent sprachen, die das Volk als seine eigenen er kannte oder die den inneren Wünschen des Volkes nach schönen und reinen Melodien and meisten entgegenkamen. Schubert ist eim Sänger des Volkes, und er ist es auch in dem d-Moll-Quartett. Die Vielfalt der Empfindungen des Volkes kommt in ihm zum Ausdruck: im ersten Satz Kraftbewußtsein und dramatisches Ungestüm, im zweiten Satz die verinnerlichten Veränderungen (Variationen) des innigen The mas, im dritten Satz Tanzfreude und Lebens mut und im vierten, dem Schlußsatz, einem Rondo, wiederum gesundes Kraftgefühl, ge paart mit geistiger Stärke. Von den 14 Streichquartetten, die Schubert komponierte, ist das in d-Moll eins der um fassendsten und bedeutendsten. Es ist geeignet, unser Bild von Schubert, der meist als ein weit abgewandter Träumer hingestellt worden ist, wesentlich zu korrigieren, da er hier als ein dem Volke zugewandter tatkräftiger Mensch auftritt. Joh. Paul Thilman Aufenthalt Text von Reilstab Rauschender Strom, brausender Wald, starrender Fels mein Aufenthalt. Wie sich die Welle an Welle reiht, fließen die Tränen mir ewig erneut. Hoch in den Kronen wogend sich’s regt, so unaufhörlich mein Herze schlägt. Und wie des Felsen uraltes Erz, ewig derselbe bleibet mein Schmerz. Rauschender Strom, brausender Wald, starrender Fels mein Aufenthalt. Ganymed Text von Goethe Wie im Morgenglanze du rings mich anglühst, Frühling, Geliebter! Mit tausendfacher Liebeswonne sich an mein Herze drängt deiner ewigen Wärme heilig Gefühl, unendliche Schöne! Daß ich dich fassen möcht in diesen Arm! Ach, an deinen Busen lieg ich und schmachte und deine Blumen, dein Gras drängen sich an mein Herz.