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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 12.1968
- Erscheinungsdatum
- 1968
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- 39-2-77
- Vorlage
- Universitätsbibliothek Leipzig
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek Leipzig
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196800009
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- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
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- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 12.1968
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I n diesen Tagen, die ganz im Zeichen des 150. Geburtstages von Karl Marx stehen, wird die Wirksamkeit der Ideen des genialen Begründers des wissen schaftlichen Sozialismus in besonderem Maße bewußt. Die Ideen von Marx prägen entscheidend das Gesicht unserer Zeit. Selbst bürgerliche „Marxtöter“ sind ge zwungen, das einzugestehen. So etwa, wenn Walter Theimer feststeilt, daß der Marxismus Geschichte gemacht habe, wie kaum eine andere geistige Strömung der letzten einhundert Jahre, daß er aus der Geschichte nicht wegzudenken sei, sogar die Schritte seiner Gegner lenke. Fragen wir nach der Quelle dieser Anziehungs kraft marxistischer Theorie, so rückt die fundamentale Tatsache in den Blickpunkt, daß Marx ein völlig neues Verhältnis zwi schen Idee und Wirklichkeit herstellte. Die Wirksamkeit des Marxismus ergibt sich in erster Linie daraus, daß er als revolutio näre Theorie in der Arbeiterklasse und anderen Schichten des Volkes einen sozia len Träger besitzt, deren Interessen for muliert, ihr Selbstbewußtsein begründet und in ihrem Handeln Wirklichkeit wird. Marx schrieb: „Wie die Philosophie im Proletariat ihre materiellen, so fin det das Proletariat in der - Philosophie seine geistigen Waffen.“ Marx Revo lution auf dem Gebiete der Philosophie besteht wesentlich darin, daß er mit einer bloß interpretierenden, sich von der sozia len Wirklichkeit separierenden Philosophie endgültig abrechnet und Philosophie und praktisch-revolutionäres Handeln der Ar beiterklasse zu untrennbarer Einheit führt. So wurde der Sozialismus von einer Utopie zur Wissenschaft und auf dieser Grundlage zu gesellschaftlicher Praxis in einem Teil der Welt. Marxistische Ideen, die schon seit langem nicht mehr allein auf den geistigen Bereich wirken, sind in den sozialistischen Ländern zu gesell schaftlicher, Wirklichkeit geworden und werden zunehmend auch im Handeln der Arbeiterklasse und. anderer Schichten des Volkes im Kapitalismus zu „materieller Gewalt“. Kein wirklicher Übergang zum Marxismus Unter dem Eindruck der alltäglichen Erfahrung der kapitalistischen Wirklich keit, die in Gegensatz zu jedweden huma- nistischen Idealen steht, gelangen heute auch zahlreiche dort lebende Intellektuelle zu relativ tiefen Einsichten in den Mecha nismus des staatsmonopolistischen Sy stems. Dabei reift die Ahnung, ja das Wis sen von der Angemessenheit marxistischer Ideen an die gesellschaftlichen Erforder nisse unserer Zeit. In dieser zunehmen den Beschäftigung mit den Ideen von Marx bestätigen sich sicher einmal mehr ihre Anziehungskraft und Wirksamkeit.' Doch gehen diese Theoretiker oft nicht wirklich zum Marxismus über, sondern versuchen, anstatt sich die historisch-ma terialistische Denkweise zu eigen zu ma chen. Erkenntnisse von Marx ihren eige nen, abstrakt-humanistischen Idealen und individualistischen Konzeptionen anzuglei- chen und den Marxismus in dieser Rich tung zu revidieren. Der Versuch, den kämpferischen, realen Humanismus der Marxschen Lehre durch einen abstrakt anthropologischen Humanismus zu ersetzen ' ist auch den Auffassungen Herbert Marcu ses eigen, die gegenwärtig einen gewissen Einfluß auf oppositionelle Studenten West- deutschlands und Westberlins ausüben. Freilich müssen die Auffassungen Mar cuses in ihrer inneren Widersprüchlichkeit gesehen werden. Von Marcuse stammt die auf den Kapitalismus bezogene bemer kenswerte Feststellung, daß der Spiel raum, in dem das Individuum seine Aus wahl treffen kann, für die Bestimmung des Grades menschlicher Freiheit nicht entscheidend sei. sondern vielmehr was gewählt werden kann und was von den Die wahren Erben von Karl Marx und der trübe Blick seiner Kritiker Die Wirklichkeit des Marxismus in der Gegenwart und die „kritische Theorie" Herbert .Marcuses Von Dr. Ulrich Geisler MMTMMMMEGMMMSMGSTETNMMMMOETMZTMTmE-mmmeMMMMMm•mamm-aM Individuen gewählt wird. Marcuse lehnt auch unter den Bedingungen der Existenz unterdrückter Klassen und Min derheiten eine „reine Toleranz“ ab, weil sie nur zur Befestigung der bestehenden Ordnung führt. Er bekennt sich zu einer Toleranz, die Partei ergreift für die Er weiterung der Freiheit, für den Fort schritt. Diese Toleranz will er mit der re volutionären Gewalt verbinden. In höch stem Maße aktuell für die Verhältnisse in Westdeutschland heißt es bei Marcuse: „Befreiende Toleranz würde mithin Into leranz gegenüber Bewegungen von rechts bedeuten und Duldung von Bewegungen von links.“ Marcuse schlußfolgert aus der Geschichte, daß die Menschheit die Chance gehabt hätte, Auschwitz und einen 'Welt krieg zu vermeiden, wenn die „demokra tische“ Toleranz, das heißt die Duldung und Förderung der Faschisten aufgehoben worden wäre, als ihre zukünftigen Führer mit ihrer Kampagne anfingen. Ein imaginäres Bild vom Sozialismus Es ist bedauerlich, daß Marcuse die Ten denz zu konkret-historischer Denkweise, die in diesen und ähnlichen Feststellungen durchscheint und die in der politischen Opposition gegen das staatsmonopolistische System in Westdeutschland sofort wirk sam wurde, im Ganzen keineswegs durch- hält. Im Gegenteil. Marcuse mißt die be stehende Wirklichkeit sowohl des staats monopolistischen Systems als auch des So zialismus an Idealen wie: ..Befriedung des Daseins“, „Befreiung von den Bedürf nissen der Arbeitswelt", „ökonomische Freiheit“ als „Freiheit von der Wirt schaft“, „Freiheit vom täglichen Kampf ums Dasein“, von der „Notwendigkeit, sei nen Lebensunterhalt verdienen zu müs sen“ u. a. m. Marcuse leitet diese Ideale in Anlehnung an Freud schließlich aus der Triebstruktur des Menschen ab. Sie seien Erfordernisse des sogenannten „Lustprin zips“, das mit dem sogenannten „Reali tätsprinzip“ zu versöhnen sei, unter des sen Herrschaft es über die ganze Kultur geschichte hin gestanden habe. Es ist of fensichtlich, daß so die Wirklichkeit an Idealen gemessen wird, die recht wohl klingend sein mögen, aber keineswegs aus der gesellschaftlichen Praxis abgeleitet sind. Solches Vorgehen trübt den Blick für die realen Möglichkeiten und die rea len sozialen Kräfte, die zur Verwirklichung humanistischer Werte in unsere Zeit füh ren. Marcuse identifiziert den Begriff vom Sozialismus mit diesen hier genannten Vorstellungen: sein Sozialismusbild wird dadurch imaginär, utopisch. Marx dagegen und die Marxisten heute leiten den Be griff des Sozialismus aus den gegebenen sozial-ökonomischen Möglichkeiten und Notwendigkeiten ab und zeigen die sozia len Kräfte auf. in deren Interesse die Ver wirklichung des Sozialismus liegt und in deren Handeln er realisiert wird. Marcuse beweist gegenüber der sozialistischen Ge sellschaftsordnung, wie sie in vielen Län dern der Welt besteht, ein erschreckendes Unverständnis. Ihm bleibt die fundamentale Tatsache verschlossen, daß die Werktäti gen der- sozialistischen Länder, die die An strengung realer gesellschaftlicher Umge staltung auf sich genommen haben, tau sendmal mehr für die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit, für die Rea lisierung menschlicher Freiheit, über haupt für die Verwirklichung humanisti scher Werte leisten als alle Theoretiker abstrakt-humanistischer Prägung zusam mengenommen. Marcuses „kritische Theorie“ gelangt schließlich zu dem Bewußtsein, das nicht leisten zu können, was sie eigentlich lei sten müßte: zur Grundlage praktischer re volutionärer Veränderung der Wirklichkeit zu werden. Sie findet keine reale Alter nativen und keinen sozialen Träger in der Wirklichkeit, der in der Lage wäre, sie zu realisieren. Seiner Hoffnung auf die Re bellion der „Geächteten und Außenseiter; der- Ausgebeuteten und Arbeitsunfähigen“ billigt Marcuse selbst nur geringe Chan cen zu. So ähnelt seine Situation derjeni gen der Junghegelianer, die es nicht wei ter brachten als dazu, der Wirklichkeit ein abstraktes, unvermitteltes Sollen gegen- überzustellen. Der „kritischen Theorie“ zu folgen, bedeutete, den Sozialismus in eine bloße Theorie oder gar Utopie zurückzu verwandeln; bedeutete, eine Lehre, die bereits die Welt entscheidend verändert hat, auf den Weg der Ohnmacht zu füh ren. Das Grundanliegen (von Marx dage gen war, revolutionäre Theorie und gesell schaftliche Praxis zu untrennbarer Einheit zu verbinden. Das konnte er leisten, weil er sich auf den Klassenstandpunkt der Ar beiterklasse stellte und von daher seine Ideale konkret-historisch ableitete. Die soziale Stellung der Arbeiterklasse hat sich nicht verändert Auch heute ist dieser Weg der einzig gangbare. Und das um so mehr, als er sich in der Praxis aller bisherigen sozialisti schen Revolutionen als richtig erwiesen hat. Die Behauptung Marcuses, die Arbei terklasse sei so in das imperialistische Sy stem integriert, daß sie keine revolutio näre Potenz mehr darstelle, erweist sich als unrichtig. Freilich ist es der imperia listischen Bourgeoisie gelungen, in einigen kapitalistischen Ländern durch staats monopolistische Regulierung und Manipu lierung die revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse zu hemmen. Doch können daraus keine Versteinerungstheorien abge leitet werden. Die kapitalistische Wirk lichkeit ist in ihrer Dynamik zu sehen: gerade weil sich die Gegensätze des Ka pitalismus unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution und der Existenz des sozialistischen Lagers ungeheuer verschärft haben, gerade weil die Labilität dieser Gesellschaft also zuge nommen hat, deshalb greift die impe- rialistische Bourgeoisie zu Manipulierung und Regulierung. Doch die Spontanität der gesellschaftlichen Entwicklung im Ganzen ist ohne Übergang zum Sozialismus nie mals aufhebbar. Deshalb häuft sich, wie gerade gegenwärtig deutlich wird, genü gend politischer und sozialer Zündstoff an, der zu revolutionären Aktionen der Ar beiterklasse führt, deren soziale Stellung sich trotz veränderter Tätigkeitsmerkmale im Arbeitsprozeß keineswegs verändert hat. Wollte man dagegen Marcuse folgen, müßte man annehmen, daß der Kapitalis mus mit seinen Antagonismen fertig ge worden ist; eine Annahme, der sofort die Erscheinungen des politischen, ökonomi schen, kulturellen Lebens im Kapitalismus widersprechen. Beschränkung auf „kritische Distanz" hat mit Marx nichts gemein Die „kritische Theorie“ Marcuses kann an der Erkenntnis hindern, daß die- Ar beiterklasse nach wie vor die führende Kraft in den revolutionären Veränderun gen der Gegenwart ist. Darüber hinaus haften dieser Theorie die Scheuklappen des Antikommunismus an. Unter diesem Gesichtspunkt fügt sich die Theorie des „Nonkonformisten“ Herbert Marcuse durchaus in das ideologische System des herrschenden Antikommunismus ein. Mar cuses Auffassungen passen in das Ensemble der sogenannten „Theorien von der mo dernen Industriegesellschaft“, ja der soge nannten „Konvergenztheorien“. So unan genehm der herrschenden imperialisti schen Bourgeoisie die Kritik am staatsmo nopolistischen System sein mag, so will kommen dürfte ihr andererseits das Über spielen des Gegensatzes zwischen Kapita lismus und Sozialismus sein. Die Kritik am staatsmonopolistischen System verliert dadurch sehr viel an Gefährlichkeit. Marcuse will die Funktion der Theorie, ganz im Sinne des sogenannten „kritischen Marxismus“ auf kritische Distanz gegen über jedweder gesellschaftlichen Wirklich keit reduzieren. Doch solches hat mit der Intention von Marx nichts gemein. Marx wußte, daß die „Waffe der Kritik“ zur „Kritik der Waffen“ werden muß. daß die Kritik der kapitalistischen Gesellschafts ordnung darauf gerichtet sein muß, einer neuen, sozialistischen Gesellschaftsordnung zur Geburt zu verhelfen. Diese ist heute in einem Teil der Welt in ihren Grund lagen errichtet. In dieser Hinsicht wächst gerade die konstruktive Funktion der marxistischen Theorie, die den weite ren Gang der neuen Gesellschaftsordnung theoretisch zu begründen hat. Marxistische Kritik dagegen richtet sich gegen alle Fak- torn, die diese Entwicklung der neuen Wirklichkeit behindern. Es ist widersinnig, von der marxistischen Theorie zu verlan gen, daß sie sich in kritische Distanz ..ne ben“ den Sozialismus stellt, den herbeizu führen ihr oberstes Ziel darstellt. Im Ge genteil, die marxistische Theorie identifi ziert sich mit dem durch ihr eigenes Wir ken bisher Erreichten und arbeitet an des sen Weiterentwicklung. „Durchgang des Fixsierns Eugen Richter durch die Sonne" — eine Karikatur des „Wahren Jacob“ aus dein Jahre 1892 gegen den Führer der Deutsch-Freisinnigen Partei, der Bismarck ein biß chen, die deutsche Arbeiterbewegung jedoch aus ganzer Seele haßte •smam D as Schicksal aller humanistischen Träume vor Marx ist bekannt: sie zerschellten beim Versuch ihrer Ver- wirklichung an den harten Realitäten des gesellschaftlichen Lebens. Aber trotzdem entwickelte jede Generation aufs neue ihre Vorstellungen und Pläne vom Paradies auf Erden, vom ewigen Frieden und von der Gleichheit aller Menschen. Unter den ar beitenden Massen, im Volk blieben diese Wünsche lebendig, wurden sie weiterge reicht, weil sich deren wirkliches Elend, die Schrecken der Kriege, die Ungleichheit mit jeder ..Haupt- und Staatsaktion“ der Mächtigen verdoppelten. So blieben die Träume — aber auch die Schranken ihrer Verwirklichung. Dei - Gedanke von Marx, der aus dieser Situation herausführte, ist einfach wie je der logische Schritt. Man muß sich auf den Boden der Realitäten stellen, aber diese nicht auf neue Art zu interpretieren, son dern sie zu verändern beginnen. Wo liegt der theoretische Schlüssel zur Verände rung der Realität? Er war verborgen hin ter dem Gestrüpp der Illusionen vom Pri mat der „Haupt- und Staatsaktionen“ der Herrschenden also vom Primat des Wil lens, der Weltanschauung und anderen ideellen Triebkräften der Geschichte. Er lag für Karl Marx in der einfachen Er kenntnis. daß die Menschen so leben, -wie sie produzieren, daß die Produktionsweise die reale Basis der Lebensweise ist. Die Verwirklichung einer humanistischen Le bensweise bedeutet also die Verwirk lichung einer humanistischen Produktions weise. Und der Träger dieser sozialen Um wälzung ist die Klasse, die auf fortge schrittenste 1 Weise produziert — im Kapi talismus also das Proletariat. Das Prole tariat produziert vergesellschaftet, es trägt daher die Potenzen der zukünftigen kom munistischen Gesellschaft. Damit ist der Humanismus auf einer realen Basis gegründet, und damit ist der Humanismus konkret, also zu einer Klas senfrage geworden. Diese Konkretheit des Marxschen Humanismus ist heute wie zu Lebzeiten von Marx und Engels sein ent- UZ 18/19/68, Seite 5 Der reale Humanismus und die Leidenschaft Von Dieter Weigert scheidender Wesenszug. Der Kampf des Proletariats gegen die kapitalistische Aus beutung ist der Beginn des weltumfassen den Prozesses zur Umgestaltung aller menschlichen Verhältnisse. Der Kampf der befreiten Arbeiterklasse und aller mit ihr verbündeten Klassen undaSchichten für die Vollendung des Sozialismus ist ein weite- rer Schritt auf dem Wege zur Realisierung der Menschlichkeit, Es ist.ein sehr hohes Ziel, das erkämpft wird und das wir in unserem Teil der Welt schon errungen haben — die gemein- schaftliche Aneignung der Produkte unse rer Tätigkeit, die Gestaltung unseres Lebens auf der Basis der sozialistischen Produktionsverhältnisse. Diese Grundlage unseres sozialistischen Humanismus aber, der Angriff auf .das KAPITAL, der Nach weis der Entbehrlichkeit des heiligen Pri vateigentums an Produktionsmitteln läßt den Imperialismus nicht ruhen. Der Krieg nach innen und außen ist das letzte Mittel, und es wird skrupellos eingesetzt, denn es geht um das Ganze. Noch niemals war der Imperialismus, speziell der deutsche, in der Verfolgung seiner Ziele inkonsequent. Jede Schwäche der Gegner, jede Spaltung der Arbeiterklasse, der Friedensbewegung wurde blutig bezahlt. Die blutige Konse quenz des Klassenkampfes, den das Mo nopolkapital gegen die Volksmassen führt, zwingt jeden Humanisten zur Entschei dung: Stehenbleiben bei der allgemein menschlichen, damit unkonkreten, unver bindlichen Klage über die Schrecken der Gewalt, die Schrecken des Krieges oder Weitergehen hin zum realen Humanismus, der der imperialistischen Gewalt eine anti imperialistische militante Einheitsfront entgegenstellt, die durch ihre Stärke und Geschlossenheit den Klassenfeind zwingt, auf das Mittel der Gewalt zu verzichten. Die Ereignisse der letzten Woche in Westberlin und Westdeutschland zeigen, daß diese Entscheidung unaufschiebbar ist. Der Gewalt des Monopolkapitals ist nicht mit Reden und Appellen beizukommen, sondern mit Organisation und praktischer Aktion. Auch eine andere Vorstellung in man chen Köpfen unserer Studenten verflüch tigt sich unter dem harten Druck der Tat sachen: die Vorstellung, daß es sich beim Kampf gegen den Imperialismus zwar um eine durchaus einsichtige Notwendigkeit handle, daß aber Leidenschaft. Haß, Gefühl doch wohl nicht am Platze seien. Man er fülle seine Pflicht, lerne die militärischen Grundregeln, was soll da Leidenschaft, wo der nüchterne Verstand gebraucht wird. Es gehe doch etwas weit zu fordern, die Waffe zu lieben, mit der man dem Gegner ent gegentritt. Diese Vorstellung ist sehr abstrakt, sie kann im wirklichen Leben nicht bestehen. In den realen Situationen des Klassen kampfes gibt es kein größeres Leid, keinen größeren Schmerz, als ohnmächtig, unbe waffnet dem brutal schlagenden Gegner ausgeliefert zu sein. In solchen Situatio nen wünschen echte Humanisten nichts sehnlicher und leidenschaftlicher herbei als die organisierte Macht, auch die be waffnete Macht der Volksmassen, um die Gewalt des Klassenfeindes zu überwinden. \ Die Vorstellung, daß Leidenschaft im Kampf gegen den Imperialismus überflüs sig und schädlich sei, ist auch aus einem anderen Grund abstrakt und damit illu sionär. Der Kampf für die Menschlichkeit, gegen den Imperialismus ist ein Kampf, der um das höchste Ziel geführt wird — um den ganzen, den totalen Menschen. Er geht um die Beseitigung aller Verhältnisse, die den Menschen zu einem unterdrück ten, geknechteten, einseitigen Wesen ma chen, die ihn an der Entfaltung seiner Wesenskräfte hindern. Wenn das Ziel aber der ganze Mensch ist, muß auch die Tota lität der menschlichen Fähigkeiten und Triebkräfte in die Waagschale gelegt wer den. Leidenschaft und Gefühl sind mäch tige Triebkräfte in der revolutionären Praxis, der ganze- Reichtum der mensch lichen Psyche entfaltet sich durch ihre Er weckung sckn im Prozeß zur Erreichung des humanistischen Ziels. Auch in diesem Zusammenhang gilt die These von Marx und Engels aus der „Deutschen Ideologie“: „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben (wird). Wir nennen Kom munismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“ (MEW. Bd. 3, S. 35) Das Begreifen der Notwendigkeit, sich gegen die imperialistische Gewalt zu ver teidigen, wird konkret ergänzt durch den Haß auf die imperialistischen Gewalttäter und die Liebe zu den Mitkämpfern, aber auch zu unserer organisierten Kraft und unserer Waffe. Die kalte Pflichterfüllung ist ebenso abstrakt, damit unmenschlich und dem humanistischen Ziel wesensfremd wie der blinde Haß, die blinde Wut. Erst die konkrete Einheit von sozialistischer wissenschaftlicher Bewußtheit und revolu tionärer Leidenschaft ist menschlich, da her humanistisches Mittel im Kampf um das humanistische Ziel. Das Leben von Karl Marx kann als Symbol für diese Einheit gelten. Der Brief wechsel mit Friedrich Engels z. B. gibt uns Auskunft, mit welcher Leidenschaft der sachliche Analytiker der bürgerlichen Ökonomie die Krisen des kapitalistischen Systems beobachtete — in der Hoffnung, daß sie stark genug wären, um vom orga nisierten Proletariat zur Revolution wei tergeführt zu werden. Oder man lese Marx' Briefe über die Pariser Kommune. Er warnte die Pariser Arbeiter vor einem übereilten Losschlagen. Aber als die Mas sen sich erhoben hatten, stellte er sich be dingungslos mit seiner ganzen Person lei denschaftlich an ihre Seite. Die blutige Niedermetzelung durch die französische und deutsche Reaktion erschütterte ihn tief und warf ihn auf das Krankenbett. Und doch mußte er die Lehren der Kommune wissenschaftlich erforschen, damit auch diese Niederlage den Keim zukünftiger Siege des Proletariats bilden konnte. Mit derselben Leidenschaft, mit der er teil nahm am Kampf, schrieb Marx über diese Bewegung: „Das Paris der Arbeiter, mit seiner Kommune, wird ewig gefeiert wer den als der ruhmvolle Vorbote einer neuen Gesellschaft. Seine Märtyrer sind einge- schreint in dem großen Herzen der Arbei terklasse. Seine Vertilger hat die Ge schichte schon jetzt an jenen Schandpfahl gehagelt, von dem sie zu erlösen alle Ge bete ihrer Pfaffen ohnmächtig sind.“ (MEW, Bd. 17, S. 362) Die Kraft und Leidenschaft der Worte 'sind Ausdrück der Kraft und Leidenschaft des Marxschen Humanismus — des prak tischen und realen, also sozialistischen Humanismus.
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